Depressionen und Angststörungen nehmen unter Jugendlichen zu. Ein Drittel der jungen Menschen in der Schweiz leidet laut UNICEF an psychischen Problemen. Die Corona-Pandemie ist für viele von ihnen die erste grosse Krise gewesen.
Die Jugendlichen wachsen zwischen Smartphone, Klimakrise und Pandemie auf. Es ist die Generation, die irgendwo zwischen Smartphone, Klimakrise und Pandemie aufwächst. Wie gehen junge Menschen mit psychischen Belastungen um?
Die Pro-Juventute-Jugendstudie zeigt auch, dass junge Frauen tendenziell häufiger unter depressiven Symptomen leiden als junge Männer. Bei den Frauen sind dies 36 Prozent ihrer Altersgruppe, bei den Männern sind es 21 Prozent.
Der Lockdown war eine psychische Belastung für uns alle - doch am meisten gelitten haben Kinder und Jugendliche. Das zeigte sich zum Beispiel beim Sorgentelefon 147, dem Beratungsangebot von Pro Juventute: «Wir hatten fast doppelt so viele Beratungen zu Suizidgedanken - etwa sieben am Tag», so die Verantwortliche für Öffentlichkeitsarbeit Lulzana Musliu.
Noch nie zuvor suchten so viele Kinder und Jugendliche Hilfe beim Beratungstelefon 147 der Pro Juventute wie heute: Seit 2019 haben die Anrufe wegen Suizidgedanken um 82 Prozent zugenommen, Anrufe wegen Depressionen haben seither um 61 Prozent zugelegt. Zudem ist jeder zehnte Jugendliche in professioneller psychologischer Behandlung. Diese Situation halten Fachpersonen für besorgniserregend.
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Umso wichtiger ist es, sich frühzeitig Hilfe zu holen. Doch Familien müssen oft monatelang auf Behandlung warten. Und oft werden psychische Erkrankungen viel zu spät erkannt, so Gregor Berger, Leiter des Zentralen Notfalldienstes am Zentrum für Kinder- und Jugendpsychiatrie in Zürich. «Bei Angststörungen dauert es im Durchschnitt mehr als zehn Jahre bis sie richtig diagnostiziert werden. Auch bei einer Depression sind es häufig zwei bis drei Jahre.»
Ursachen und Symptome
Warum Jugendliche heutzutage psychisch krank werden, wie Eltern erkennen können, ob ihr Kind Hilfe braucht und wie die junge Generation daran arbeitet, das Stigma rund um psychische Erkrankungen abzubauen - das alles hört ihr in der aktuellen Folge des Wissenspodcasts «Durchblick».
Daneben leiden Betroffene vermehrt unter erhöhtem Leistungsdruck, weil die gesellschaftlichen und schulischen Anforderungen steigen», sagt die Expertin. In der Pubertät kommen neben den Ängsten und dem Leistungsdruck weitere Faktoren dazu, die den Betroffenen auf die Psyche schlagen: Zum einen befinden sich die Hormone aufgrund der körperlichen Veränderungen auf einer Achterbahn. Auch das Gehirn verändert sich während der Pubertät stark. «Es befindet sich in einem neuronalen Umbau. Hinzu kommt oft die erste Liebe - und dann auch der erste Herzschmerz, Probleme zu Hause mit den Eltern und in der Schule.
Die Anzeichen einer Depression können je nach Altersgruppe der Betroffenen unterschiedlich ausfallen. Kommt es in dieser Altersgruppe zu depressiven Verstimmungen oder einer Depression, ändert sich meist plötzlich das Verhalten der Kinder. Oft kommen auch körperliche Beschwerden dazu, wie Bauch- oder Kopfschmerzen. In dieser Altersgruppe passiert viel, körperlich wie seelisch. Der Körper verändert sich, es kommt zu einer hormonellen Umstellung. Bei den körperlichen Symptomen sind Kopfschmerzen häufig.
Es komme jedoch darauf an, wie lange diese andauern und wie stark die Betroffenen darunter leiden. «Hier sind das eigene Empfinden und der Leidensdruck für jeden Jugendlichen unterschiedlich.
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Hilfe und Unterstützung
Grundsätzlich kann einem Kind mit einer Depression am besten geholfen werden, wenn seine psychischen Probleme möglichst früh erkannt werden. Und dass es - wie beim Beinbruch oder einer starken Grippe - auch für psychische Schmerzen wie depressive Gefühle oder Suizidgedanken Fachpersonen gibt, die helfen können.
Als erste Kontaktstelle auf der Suche nach professioneller Hilfe dienen niederschwellige Beratungsangebote wie das 147 und die Elternberatung von Pro Juventute sowie die kinder- und jugendpsychiatrischen Dienste der Kantone.
Eltern sollten auf jeden Fall das Gespräch mit ihrem Kind suchen, wenn sie merken, dass es diesem psychisch nicht gut geht. Am einfachsten ist es für Eltern, das Gespräch möglichst ungezwungen bei der Tätigkeit im Haushalt wie beim Abwaschen oder bei einem Spaziergang zu suchen. Eltern sollten dabei auf ihre Wortwahl achten. Fachpersonen empfehlen, aus der Ich-Perspektive zu sprechen.
Wenn Eltern mit ihren Kindern sprechen, sei es besonders wichtig, dass sie erst einmal einfach zuhören, sagt Pulver. Das schaffe bereits eine Entlastung. «Versuchen Sie zudem als Elternteil, die Probleme Ihres Kindes nicht zu bagatellisieren oder zu pauschalisieren. Für betroffene Kinder und Jugendliche ist wichtig, dass sie ihre gewohnte Tagesstruktur beibehalten. Zudem empfehlen Fachpersonen eine ausgewogene und gesunde Ernährung, um die psychische Gesundheit zu stärken. Zuletzt hilft auch Sport der Psyche.
Eltern sollten die Suizidgedanken auf jeden Fall immer ernst nehmen. Die Expertin rät Eltern, unbedingt ruhig zu bleiben und keinesfalls in Panik auszubrechen. Suizidgedanken eines Kindes sind für die meisten Eltern sehr erschütternd.
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In der Kinder- oder Hausarztpraxis finden Eltern eine erste Beratung. Für Kinder und Jugendliche sind Erfahrungen ganz zentral, bei denen sie lernen, dass sie Dinge selber machen und lösen können. Damit lernen sie, was Selbstwirksamkeit ist. «Je mehr selbstwirksame Erfahrungen Kinder haben, desto resilienter sind sie in schwierigen Situationen», sagt Pulver.
Selbstwirksamkeit und Resilienz lernen Kinder am besten in einem Zuhause, in dem sie von ihren Eltern von klein auf ermuntert werden, Dinge selber auszuprobieren und Probleme selber zu lösen. Eltern sollten deshalb nicht versuchen, ihren Kindern alle Steine aus dem Weg zu räumen. Dafür braucht es ein Umfeld zu Hause, in dem das Kind Fehler machen kann - und erfährt, dass wir nur aus Fehlern lernen können. «Damit schaffen Sie die beste Basis, dass Ihr Kind zu Ihnen kommt, wenn es ihm nicht gut geht», sagt Pulver.
Podcast-Empfehlungen
Podcasts können eine wertvolle Ressource für Jugendliche mit Depressionen sein. Sie bieten Informationen, Unterstützung und das Gefühl, nicht allein zu sein.
Die PDGR ermöglicht die Podcastserie «LEBENS-IBLICK». Durch die jeweils rund fünfundzwanzigminütigen Folgen führt die erfahrene Radiojournalistin Katharina Balzer. Auf Augenhöhe schafft sie eine spannende Gesprächsatmosphäre und sorgt gleichzeitig für einen respektvollen Dialog. Der Podcast erscheint in unregelmässigen Abständen und kann jederzeit angehört werden.
Ein Jahr lang Podcast «LEBENS-IBLICK», ein Jahr lang persönliche Geschichten von Betroffenen aber auch Angehörigen. Aber manchmal bleiben Fragen zurück. Und einige dieser Fragen nehmen wir mit ins Gespräch mit Dr. phil. Franco Arnold, Oberpsychologe in den PDGR und suchen gemeinsam nach Antworten.
Einige Beispiele aus dem Podcast «LEBENS-IBLICK»:
- Placi: «Psychische Erkrankungen können alle treffen - egal ob arm oder reich.» Der lebensfrohe Familienvater und Theaterliebhaber erzählt, wie ihn während der Corona-Pandemie Ängste und Druck in eine Krise stürzten. Er spricht offen über die Zeit, in der er sich sogar selbst einweisen musste - und über den Moment, in dem er merkte: Ich brauche Hilfe, bevor es zu spät ist.
 - Florian: Ein neuer Job in Aussicht und dann geht auf einmal gar nichts mehr - Schlafstörungen, Nasenbluten und alles fühlt sich nicht mehr gut an. Und dann kommt die erste Nacht in der Klinik und Florian macht kein Auge zu. Nach und nach wird es besser - Tagesstruktur, Therapien geben Halt und Hoffnung.
 - Lisbeth: Man mag nicht am Morgen aufstehen. Jede kleinste Arbeit ist mit viel Anstrengung verbunden. Selbst essen oder trinken ist mühsam. So ging es Lisbeth - Podcastgeberin, welche vor fünf Jahren an schweren Depressionen erkrankt ist. Nach stationären Aufenthalten in den PDGR kam der Entscheid für eine Elektrokonvulsionstherapie (EKT).
 - Marco: Finde etwas was dich glücklich macht. Diese Aussage macht Marco heute. Der junge 20-jährige ist aufgewachsen mit Mobbing. Ab dem Primarschulalter erlebte er von Mitschülern Ausgrenzung, Stichelleinen, Prügel. Irgendwann hatte er nur noch Schmerz und Leere in sich gehabt und wollte nicht mehr Leben. Dreimal versuchte er sich das Leben zu nehmen.
 - Tosca: (19) kämpft seit Jahren mit Depressionen. «Ich hatte Wutausbrüche und wusste nicht, wohin mit mir». 2020 erlebt sie einen psychischen Tiefpunkt, sie ist suizidal und muss gegen ihren Willen in eine Klinik eingewiesen werden. Das belastet auch ihre Mutter: «Was habe ich falsch gemacht?».
 
Weitere Podcast-Empfehlungen von SRF:
- Input: Wieso geht es so vielen Jugendlichen in der Schweiz psychisch schlecht? Und wer fängt sie auf? Diesen Fragen geht Input-Host Anna Kreidler nach.
 - Focus: Im «Focus» spricht er über seine konfliktreiche Kindheit, seinen Wunsch nach Freiheit und seinen musikalischen Durchbruch. Das ehrliche Gespräch zeigt, wie Göläs Werdegang auch seine Musik prägte.
 
Wichtige Adressen
Anlaufstellen:
- 147.ch
 - 143.ch
 - Kinder- und Hausarztpraxis
 - Selbsthilfegruppe VASK
 
Unser Beitrag zur psychischen GesundheitUns ist wichtig, dass es Ihnen gut geht.
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