Zorniges Verhalten: Synonyme und ihre Bedeutung

Die menschlichen Fähigkeiten der Wahrnehmung - die sinnesmässigen (des Sehens, Hörens und Riechens, der körperlichen Berührung), die empfindungs- und gefühlsmässigen (Hunger, Durst, Neugier, Freude, Betroffenheit, Glück oder Angst, Sorge, Schrecken, Traurigkeit, Todesangst, innere Lähmung), welche die nervlichen (neurologischen) Reaktionen bewirken (Entspannung und Entlastung oder Anspannung, Abwehr, Unruhe, Depressivität und Aggressivität), sodann die intellektuellen, welche das Erkennen, Denken, Urteilen und Entscheiden möglich machen - verbinden sich mit der Tatsache, dass der Mensch als Subjekt sich ausrichtet auf das, was um ihn und in ihm geschieht, dass er sich dabei anspannt, um aufzunehmen und zu begreifen, was die Bedeutung dessen ist, was er aufnimmt und wahrnimmt, ob es gut und wohltuend sei, oder schlecht, widerlich oder gar bedrohlich.

All dies verbindet sich mit “Aufmerksamkeit”, deren schon das kleine Kind - vermutlich schon das Kind in der pränatalen Phase - fähig ist, da es deren bedarf, um sich selbst zu schützen, um den Blick auf sich und seine Bedürfnisse zu lenken resp.

Die Bedeutung von Aufmerksamkeit

Die etymologische Bedeutung von “Aufmerksamkeit” in der Ableitung aus dem Lateinischen beruht auf dem Wortsinn von “at”-“tendere” (an-)spannen, (aus-)richten. Das Substantiv “attentio / attentionis bedeutet in erster Linie Spannung, in zweiter Aufmerksamkeit. Der bildhafte Ausdruck “animum ad cavendum attendere” hat die Bedeutung von sinnen, “ad cavendum attendere” heisst beachten, acht geben, merken und aufmerken. Schon im Lateinischen findet sich in der verbalen Verbindung von “attendere” und “cavere” (- caveo, cavi, cautus: anschauen, sich vorsehen, sich hüten, in acht nehmen; vorsorgen, Fürsorge treffen, sichern, sicherstellen, Gewähr leisten) das grosse Bedeutungsraster von Aufmerksamkeit, das im Wort selber und in den Synonyma zum Ausdruck kommt. Auf die Bedeutung auf Grund der etymologischen Klärung will ich näher eingehen.

Synonyme und ihre Nuancen

Die Untersuchung der Synonyma ermöglicht es, Unterschiede sowohl in der Sinngebung wie zwischen der substantivischen und der verbalen Aussage von “Aufmerksamkeit”, von “aufmerksam sein” und von “aufmerken” zu erkennen. Als Beispiel geht Fritz Mauthner auf den Lehrer ein, “der dem Schüler eine Zensur über den Grad seiner gewohnten Aufmerksamkeit erteilt; er hat natürlich von diesen Schwierigkeiten keine Ahnung.

Der Lehrer weiss nicht, dass Aufmerksamkeit und Zerstreutheit die subjektive und die objektive Seite des gleichen Zustandes sind, dass man aus lauter Aufmerksamkeit für seine besonderen Interessen zerstreut sein kann für die allgemeinen Schulinteressen, dass Talent Aufmerksamkeit ist, aber nicht immer Aufmerksamkeit für die geforderten Interessen. ( … ) Es gibt in der Wirklichkeitswelt überhaupt keine - heiten und - keiten, auch keine Aufmerksamkeit. Es gibt in der psychologischen Wirklichkeit nur eine besondere Arbeitsleistung, die wir nach mangelhafter Selbstbeobachtung aufmerken nennen.

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Das ganz unklare Gefühl, das diese Arbeit zu begleiten pflegt, wird gewöhnlich unter dem Substantiv Aufmerksamkeit verstanden.

Was Fritz Mauthner unterscheidet, ist einerseits das über die Sinnesorgane- über das Sehen, das Hören, das Riechen, das Berühren und Spüren - geweckte aktive Aufmerken, das einem bestimmten Interesse entspricht, wodurch ein Erkennen und Handeln bewirkt werden kann, andererseits das passive Aufmerken, das sich nicht auf den Intellekt auswirkt, sondern auf Empfindungen und damit auf ein Verhalten, das mit Sorgfalt und Achtsamkeit, oder mit Sicherheit, mit Mut, eventuell mit Angst im Sinn der Defensive oder mit Aggression einhergeht.

Der erste Teil von Mauthners Unterscheidung gehört einerseits zum Forschungsbereich der Physiologie und Neurologie, andererseits zu jenem der Philosophie im Zusammenhang der Erkenntnistheorie. Für Mauthner geht jeder verbale Ausdrucks nicht nur mit einem Tun, sondern mit einer Arbeitleistung einher. Jede Arbeitsleistung in diesem Sinn steht in Verbindung mit existentieller Sinngebung.

Aktives und passives Aufmerken

Aufmerken im aktiven Sinn hat für Mauthner eine analoge Bedeutung wie sich erinnern. Beide Verben bringt er in Verbindung mit wollen, d.h. es geht um “Tätigkeiten, die wirklich sind, insofern Verben überhaupt wirklich sind.( … ) Wenn ein Gegenstand der Umwelt mein Interesse erregt hat, so kann sich meine Arbeitsleistung darauf beschränken, ihn zu apperzeptieren, ihn zu begreifen, oder ich kann den Willen empfinden, ihn zu ergreifen.

Man denke z.B. daran, wie die Muskeln und Nerven des Sehapparates fein zusammenarbeiten müssen, damit das Kind einen Schmetterling auf den Fleck des deutlichsten Sehens bringen, ihn genau wahrnehmen, ihn als die gesuchte seltene Species erkennen, ihn begreifen könne. Wie nachher die Muskeln und Nerven der Beine und Arme arbeiten müssen, will das Kind den Schmetterling als Beute ergreifen.

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Es ist tatsächlich so, dass jede verbale Aussage sich mit der Zeit verknüpft, ob mit der Zeit, die mit der aktuellen, mit der nicht mehr aktuellen oder mit der noch nicht aktuellen Wirklichkeit konnotiert ist, oder ob mit der Zeit, die von Bedingungen abhängig ist und damit zur Eventualität wird: ob mit dem flüchtigen Moment, den wir Gegenwart nennen, ob mit der vergangenen, eben vergangenen oder vorvergangenen Zeit, ob mit der bevorstehenden, die Zukunft heisst.

Dass Aufmerken sich auf die Gegenwart bezieht, wie Fritz Mauthner schreibt, heisst, dass es sich dem Warten entgegenstellt, dass es dabei um den Augenblick geht -Augenblick im eigentlichen Sinn des Wortes, was Wahrnehmung durch den Blick der Augen meint, im analogen Sinn auch Wahrnehmung von Laut oder Ton durch die Ohren, die hören, von Duft und Geruch über die Nase, die beim Einatmen auch riecht, von Geschmack, der mit der Zunge aufgenommen wird, von Wahrnehmungen, welche durch Berührung von der Haut vermittelt wird.

All dies macht deutlich, dass Aufmerken eine vielfache und vielschichtige, komplexe und zugleich subtile Kraft der Wahrnehmung und der Vermittlung weiteren Handelns bedeutet. Anzunehmen ist, dass durch das passive Aufmerken - durch das Unbewusste - frühere, zum Teil verdrängte resp.

Der Bereich verdrängter Erlebnisse und Erfahrungen, der im Unbewussten, dem verborgenen Bereich der “psyche” schlummert, kann geweckt werden, wenn eine analoge Erfahrung, ob im Traum oder in der Aktualität und Wirklichkeit des gelebten Lebens, ein Aujinerken fordert. Dass “aufmerken” möglich ist, setzt voraus, dass Unbewusstes bewusst wird, dass Vergangenes im Augenblick präsent wird.

Aufmerken lässt deutlich werden, dass Bilder, Düfte und Töne, Abläufe und Zusammenhänge von Geschehnissen und von Empfindungen, die zurückliegen - eventuell weit zurückliegen-, als Er-Innerung gewahrt wurden, jedoch verschlossen oder zugedeckt blieben, solange sie nicht geweckt werden konnten.

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Dass im “Innern” jedes einzelnen Menschen eine gespeicherte Zeitenabfolge im Sinn von Dauer besteht, obwohl jeder Mensch der Vergänglichkeit der Zeit unterworfen ist - eine erstaunliche Paradoxie. Gewiss finden sich dafür Erklärungen in der neurobiologischen Erforschung der hochkomplexen cerebralen Potenzen, die das “Gedächtnis” ermöglichen: das “Gedächtnis”, vom Begriff her ein substantiviertes Partizip, das die Bedeutung einschliesst, “gedacht” zu haben resp.

Die Erinnerungskraft resp. das Gedächtnis, das dem Menschen ermöglicht, den Wert jeder Passage des gelebten Lebens erhalten zu können und- eventuell- wiederzugeben, ist eine der erstaunlichsten und geheimnisvollsten geistigen Kräfte, die dem Menschen zustehen”. Sie stimmt überein mit jener Aufmerksamkeit, die sich auf das Vergangene bezieht, so dass was nicht mehr ist, wieder erscheint und präsent ist. Aufmerksamkeit in diesem Sinn wird damit Synonym von Vorstellung resp. Vorstellungskraft.

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