Ein Referat in der Uni, eine Präsentation vor den Kollegen - diese Situationen werden von den Personen, die dabei im Mittelpunkt stehen, häufig als etwas unangenehm empfunden. Die Vortragenden sind nervös und aufgeregt, Gedanken wie «Was ist, wenn ich mich verspreche?» oder «Hoffentlich werde mich nicht blamieren» gehen ihnen durch den Kopf. Vielleicht schlafen sie in der Nacht vor ihrem Vortrag nicht so gut oder haben ein flaues Gefühl in der Magengegend, kurz bevor es losgeht.
Es gibt jedoch auch Menschen, bei denen diese Nervosität deutlich über das «normale» Mass hinausgeht. Betroffene leiden vor der übermächtigen Angst, sich vor anderen Menschen zu blamieren, und bekommen panikartige Zustände, wenn sie sich in Situationen begeben müssen, in denen sie der Bewertung anderer Personen ausgesetzt sind - hierzu zählen nicht nur Situationen wie Vorträge vor einer Gruppe, sondern auch so scheinbar alltägliche Dinge wie «eine fremde Person nach dem Weg fragen», «am Telefon einen Termin ausmachen» oder «alleine zu einer Party gehen».
Soziale Phobien gehören zu den Angststörungen und sind eine der häufigsten psychischen Erkrankungen. In europäischen Studien liegt die Häufigkeit der sozialen Phobien bei vier bis zwölf Prozent in der Bevölkerung. Dabei sind Frauen etwas häufiger von einer sozialen Phobie betroffen als Männer.
Symptome einer sozialen Phobie
Phobische Ängste sind immer auf ganz bestimmte Situationen oder Objekte gerichtet. Im Zentrum der sozialen Phobie steht die Angst, von anderen Menschen prüfend betrachtet und beurteilt zu werden. Dabei fürchten sich Sozialphobiker/-innen vor Kritik oder Ablehnung anderer Personen. Sie nehmen an, dass Mitmenschen sie als merkwürdig, lächerlich oder peinlich empfinden. Manchmal reicht sogar nur die Vorstellung von der Situation aus, um bei Betroffenen Angst auszulösen.
Typische Auslöse-Situationen von sozialer Angst sind:
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- Reden vor Publikum / Vorträge / Präsentationen
 - Fremde Leute treffen oder ansprechen
 - Ein Gespräch / Small Talk führen
 - Gemeinsames Essen mit anderen Menschen
 
Zusammen mit der Angst treten so gut wie immer auch körperliche Symptome wie Schwitzen, Übelkeit, Zittern, Herzklopfen, Herzrasen oder vermehrter Harndrang auf. Bei einer besonders starken sozialen Phobie kann es auch zu Schwindelgefühlen, Atemnot und Panikattacken kommen.
Oft besteht die Sorge, dass die körperlichen Angstsymptome für andere Personen sichtbar sind, weshalb die körperlichen Symptome die Angst vor der Beurteilung anderer Menschen zusätzlich verstärken. In vielen Fällen wird die Angst mit der Zeit so schlimm, dass Betroffene die gefürchteten Situationen komplett vermeiden und dafür teils auch deutliche Nachteile in Kauf nehmen. Somit kommt es im Verlauf der Erkrankung zu einem zunehmenden Vermeidungsverhalten, im schlimmsten Fall bis hin zur sozialen Isolation.
Diagnose einer sozialen Phobie
Soziale Phobien schränken die betroffenen Personen in ihrem Alltag und ihren Aktivitäten stark ein. Der Leidensdruck ist oftmals sehr gross. Auch verlaufen soziale Phobien ohne eine professionelle Behandlung häufig chronisch und können sogar lebenslang anhalten. Gleichzeitig sind gerade soziale Phobien ausgesprochen gut behandelbar.
Deshalb ist es so wichtig, bei einem entsprechenden Verdacht ärztliches oder psychologisches Fachpersonal aufzusuchen. Die Diagnose einer sozialen Phobie wird in einem Gespräch mit der betroffenen Person basierend auf spezifischen Kriterien gestellt. Diese umfassen u.a. die folgenden wichtigen Punkte:
- Die Betroffenen haben Angst vor negativer Beurteilung durch andere Menschen.
 - Die Angst wird in öffentlichen Situationen oder gesellschaftlichen Gruppen verstärkt.
 - Das führt dazu, dass soziale Situationen gemieden oder nur mit Mühe ausgehalten werden.
 - Folglich sinkt die Lebensqualität der Betroffenen.
 - Die Ängste und Sorgen sind intensiv, verursachen einen Leidensdruck und schränken die Betroffenen in ihrem Alltag ein. Sie betreffen einen oder mehrere Lebensbereiche.
 - Die Betroffenen sind in der Lage, zu erkennen, dass ihre Ängste oder das dadurch verursachte Vermeidungsverhalten im Grunde genommen übertrieben oder unvernünftig sind.
 
Gerade für Personen, die schon lange erkrankt sind, ist dies manchmal nicht mehr so leicht zu erkennen. Ausserdem werden vom Fachpersonal andere mögliche psychische Störungen ausgeschlossen (z.B. Depressionen, andere Angststörungen).
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Angststörungen gehören zu den häufigsten psychischen Erkrankungen und treten oft im Zusammenhang mit Stress oder anderen psychosozialen Belastungen (Umwelteinflüssen) auf. Sie sind mit Erkrankungen der Gefühlsregulation - vor allem der Depression - verwandt.
Die Diagnose erfolgt in einer umfassenden klinisch-psychiatrischen Untersuchung durch eine Fachperson (Psychiater, Psychiaterin oder Psychologin, Psychologe). Neben diesen ausführlichen Gesprächen zählen bei Bedarf auch testpsychologische sowie körperliche Untersuchungen (inklusive Routinelabor und EKG) zu den Massnahmen der Diagnose.
Am wichtigsten ist es ärztliche Hilfe zu suchen, sobald Ängste ausser Kontrolle geraten. Die frühzeitige Diagnose und Behandlung verhindern, dass sich die Erkrankung verselbständigt.
Behandlungsmöglichkeiten
Therapiestrategien zur Behandlung einer psychischen Störung werden in Zusammenarbeit mit Fachgesellschaften erarbeitet und sind evidenzbasiert, das heisst sie basieren auf dem besten Stand wissenschaftlicher Erkenntnisse. Für jede Person, die sich aufgrund einer psychischen Störung behandeln lässt, wird ein individueller Behandlungsplan erstellt. Dabei werden frühere Behandlungsversuche, gegebenfalls Begleiterkrankungen, der Schweregrad der Erkrankung und die möglichen Präferenzen der Patientin / des Patienten berücksichtigt.
Basierend auf den wissenschaftlichen Erkenntnissen ist die effektivste Behandlung einer sozialen Phobie die Kombination einer Psychotherapie und Medikamenten. Im Folgenden werden die beiden Aspekte genauer beschrieben.
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Psychotherapie
Eine besonders wirksame Behandlung der sozialen Phobie (Empfehlungsgrad A) ist die Kognitive Verhaltenstherapie (KVT). In der KVT lernen die betroffenen Personen, verzerrte Denkmuster und unzweckmässige Überzeugungen zu erkennen und zu kontrollieren. Ein therapeutisches Grundelement der KVT ist die Konfrontation mit der angstauslösenden Situation. Die Patientin / der Patient wird angeleitet, neue Verhaltensmuster in der angstauslösenden Situation aktiv zu erproben - zunächst im therapeutischen Setting, anschliessend in Alltagsbedingungen. Das Hauptziel der Konfrontation ist die Korrektur der sozialphobischen Befürchtungen. Auch soziale Fertigkeiten wie zum Beispiel Gesprächstechniken werden trainiert.
Falls eine KVT sich als nicht wirksam erweist, nicht realisierbar ist oder diesbezüglich eine patientenseitige Präferenz besteht, kann eine Psychodynamische Psychotherapie angeboten werden (Empfehlungsgrad B).
Medikamentöse Behandlung
Eine medikamentöse Behandlung wird (in Absprache mit der betroffenen Person) dann erwogen, wenn es sich bei der Erkrankung um eine mittelschwere oder schwere Beeinträchtigung handelt und eine Psychotherapie allein nicht den gewünschten Effekt erbracht hat. Zur medikamentösen Behandlung einer sozialen Phobie können diverse Psychopharmaka herangezogen werden.
Empfehlungsgrad A und den höchsten Evidenzgrad (Ia) in randomisierten klinischen Studien zeigen die Selektiven Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (abgekürzt mit SSRI) Paroxetin, Sertralin und Escitalopram. Auch die Verwendung vom Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer (SNRI) Venlafaxin wird empfohlen (A, Ia). Dabei ist zu beachten, dass die Wirkung dieser Medikamente erst nach zwei Wochen eintreten kann. Zu den Nebenwirkungen von SSRI und SNRI gehören Unruhe und Schlaflosigkeit in den ersten Tagen der medikamentösen Behandlung, sexuelle Dysfunktionen und Absetzphänomene wie Schwindel, grippeähnlichen Symptomen oder Übelkeit.
Benzodiazepine sind bei der Behandlung einer sozialen Phobie ebenfalls wirksam, werden aber aufgrund ihrer Abhängigkeitsentwicklung nicht als Mittel der ersten Wahl verwendet.
Weitere Informationen
Wer Symptome einer Angststörung bei sich feststellt und sich dadurch im Alltag beeinträchtigt fühlt, ist bei uns willkommen: Je früher eine erkrankte Person behandelt wird, desto besser sind die Heilungschancen. Insgesamt lassen sich Angststörungen gut behandeln.
Der Austausch mit Gleichbetroffenen kann bei der Bewältigung einer Krankheit eine grosse Unterstützung sein. Beratung auf der Suche nach einer geeigneten Selbsthilfegruppe erhalten Sie bei Selbsthilfe Zürich.
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