Sigmund Freud: Die Ursachen seiner Krebserkrankung

Sigmund Freud, der Begründer der Psychoanalyse, war eine prägende Figur des 20. Jahrhunderts. Seine Theorien über das Unbewusste, den Ödipuskomplex und die Traumdeutung haben die Psychologie revolutioniert. Doch Freud kämpfte auch mit persönlichen Problemen, insbesondere mit einer schweren Krebserkrankung.

Wer war Sigmund Freud?

Sigmund Freud kam 1856 in Freiberg in Mähren im damaligen Kaisertum Österreich als Sigismund Schlomo Freud auf die Welt. An der Universität Wien studierte er Medizin. Zunächst widmete Freud sich der Neurologie, bis sein wachsendes Interesse für die menschliche Psyche ihn von der rein biologischen Betrachtungsweise des Geistes abbrachte. In den 1880er-Jahren eröffnete er seine Praxis in der Berggasse in Wien, in der er zunächst Hypnosetherapien durchführte. 1938 floh Freud als Sohn jüdischer Eltern nach London. Ein Jahr später schied der schwer an Krebs erkrankte Freud schliesslich freiwillig aus dem Leben. Zu Lebzeiten widmete er sich der Psyche des Menschen. Um die komplexen unbewussten Vorgänge des Seelenlebens seiner Patienten ergründen zu können, entwickelte er neue Analysetechniken wie die Freie Assoziation und schliesslich die Psychoanalyse. Viele moderne Therapieverfahren sind von seiner Psychoanalyse abgeleitet.

Freuds Krankengeschichte

Freuds gesundheitliche Probleme begannen früh. 1882 wurde bei ihm Typhus diagnostiziert, 1884 litt er an Ischias, und 1885 erkrankte er an Pocken. Er litt unter Arrhythmie, Spannen und Brennen in der Herzgegend, an «heissem Laufen» im linken Arm sowie Atemnot.

Die Ärzte rieten ihm übereinstimmend, das Rauchen einzustellen. Freud war starker Raucher: zwanzig Zigarren am Tag waren die Regel. Er war, wie er es ausdrückte, nikotinsüchtig, und er betonte, ohne Rauchen könne er keine schöpferische Arbeit leisten.

Seine persönliche Krankengeschichte weist in jener Zeit neben körperlichen Erkrankungen auch psychische Störungen auf. Er diagnostizierte bei sich selbst eine Neurasthenie, starke Stimmungsschwankungen mit ausgeprägten depressiven Perioden. Er hatte Anfälle von Todesangst, litt mehrere Jahre unter anhaltender Reiseangst, speziell in Eisenbahnen.

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Die Krebserkrankung

Mitte Februar 1923 meinte er, eine «leukoplastische Geschwulst» an seinem Kiefer und Gaumen festgestellt zu haben. Aus heutiger onkologischer Sicht, mehr als 100 Jahre nach der Diagnose von Leukoplakien der Mundschleimhaut und später eines konsekutiven enoralen Plattenepithelkarzinoms am Gaumen, ist die Krankengeschichte von Sigmund Freud immer noch Anlass von neuen medizinischen Publikationen.

In den folgenden 16 Jahren unterzog sich Freud 32 Operationen. 1923 wurde bei Sigmund Freud Krebs in der Mundhöhle festgestellt. 1939 starb er im Exil in London an einer Überdosis Morphium, die ihm sein Arzt verabreichte.

Die Ursachen von Freuds Krebs

Eine Epikrise aus heutiger Sicht muss die Ursache der Krankheit zuallererst erwähnen: der massive, Jahrzehnte andauernde Zigarrenkonsum vom Arzt Sigmund Freud.

Wegen seiner schon im jungen Alter vorbestehenden Herz- sowie Asthenie-Beschwerden, den Migräneattacken und chronischen Infekten (Sinusitiden) wurde ihm früh von seinen behandelnden Ärzten vom Rauchen abgeraten. Damals war die ausgeprägte Karzinogenität des Rauchens allerdings noch nicht allgemein bekannt.

Es wurde vielmehr in Reklamen propagiert, dass das Rauchen für die Atemwege gesund sei, weil der Rauch eine desinfizierende Wirkung ausüben sollte. Freud hatte dieses Argument gelegentlich herangezogen, um seinen weiteren Zigarrenkonsum im langen und von dauernden Infekten begleiteten Krankheitsverlauf zu rechtfertigen. Erst in den 1940er Jahren wurden die ersten epidemiologischen Studien publiziert, welche die massive Zunahme der Lungenkrebs Inzidenz und Mortalität bei starken Rauchern dokumentierten.

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Aus der Krankengeschichte von Freud geht hervor, dass aus den präkanzerösen Leukoplakien (1917) sich über die Jahre ein gut differenziertes Plattenepithelkarzinom (1923) am Gaumen entwickelte.

Warum Freud, der zu den weltbekannten Koryphäen der damals weltweit führenden Wiener Medizin problemlos Zugang hatte, sich von einem niedergelassenen, für Krebsoperationen nicht bekannten Kollegen operieren liess, bleibt ein Rätsel. Nur eine primär radikale im gesunden Gewebe erfolgte in toto Resektion hätte damals eine kurative Chance gehabt.

Dabei muss allerdings vermerkt werden, dass bei starken Rauchern multiple syn- oder metachrone Karzinome nicht ungewöhnlich sind, insbesondere wenn der intensive Tabakkonsum weithin anhält, wie dies bei Freud ja der Fall war. So sind Rezidive auch in seinem Fall nicht für alle >30 weiteren Eingriffe gesichert, da es sich zumindest vereinzelt auch um neue Karzinome gehandelt haben könnte.

Freuds Umgang mit der Krankheit

Bemerkenswert ist, dass Freud sich bei seiner Krebsdiagnose die Frage stellt, ob es besser ist die Diagnose zu wissen oder eben nicht. Er schwankte in diese Frage. Bereits 1923 äusserte er gegenüber seinem Freund, Schüler und Leibarzt Felix Deutsch, ihm im Ernstfall zu helfen, «mit Anstand von dieser Welt zu verschwinden».

Moderne Behandlungsmethoden

Heute wäre ein solches verpfuschtes primäroperatives Vorgehen bei Verdacht auf Karzinom mit makroskopisch subtotaler Resektion klar fahrlässig und würde wohl haftrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen. Eine Biopsie des Gaumentumors müsste heute als allererstes erfolgen zusammen mit einem endoskopischen, bildgebenden und laborergänzten Staging zur Sicherung des Tumorstadiums. Dann würde in einer kurativen Situation nach interdisziplinärer Tumorboard Vorstellung das empfohlene weitere Prozedere dokumentiert.

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Für die Therapie lokoregionärer Karzinome steht heute neben der radikalen OP auch die alleinige Strahlentherapie, oder die Kombination mit systemischer Therapie, als kurative Option zur Verfügung. In den frühen Tumorstadien T1-2, N0, M0 kann die OP oder Strahlentherapie als alleinige Modalität zur Anwendung kommen. Hier müssen die Vor- und Nachteile der jeweiligen Therapieverfahren in der individuellen Situation berücksichtigt werden.

In den nun folgenden 16 Jahren folgten für den mit andauernden Komplikationen kämpfenden Sigmund Freud weitere 32 palliative Eingriffe, teils operativ teils mittels Cobalt-Bestrahlungen. Auch Gaumenprothesen wurden immer wieder neu angepasst und bereiteten ihm immer wieder grosse Probleme für das Sprechen und die immer schwierigere Ernährungssituation. Sie waren auch Ursache von Infektionen, Blutungen und weiteren Beschwerden wie Schmerzen und Dislokationen.

Damals standen noch keine onkologischen Systemtherapien zur Verfügung. Heute würde wohl auch die palliative Chemo und je nach Expressionsmuster des Karzinoms auch die Immuntherapie zur Palliation zumindest erwogen werden.

Gegen Ende des langen Verlaufs trotz aller Eingriffe durchbrach der Tumor immer mehr die Wange, es bildete sich ein Loch und der Tumor drohte in die Augenhöhle einzuwachsen. Qualvolle Schmerzen, eine zunehmende Kachexie, Atembeschwerden, Asthenie und Depressionen begleiteten diesen aussergewöhnlich langen Verlauf.

Schliesslich wurde Sigmund Freud auf seinen ausdrücklichen Wunsch hin durch aktive Sterbehilfe erlöst. Er wurde mit 2 Morphininjektionen durch seinen befreundeten Arzt Max Schur von diesen unerträglichen Qualen am 23. September 1939 in London von seinem langen Krebsleiden befreit.

Zusammenfassung von Freuds Krankengeschichte

Jahr Ereignis
1882 Typhus
1884 Ischias
1885 Pocken
1917 Präkanzeröse Leukoplakien
1923 Diagnose Plattenepithelkarzinom am Gaumen
1923-1939 32 Operationen
1939 Tod durch Überdosis Morphin

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