Sich Verzetteln: Psychologische Ursachen und Wege zur Entscheidung

Im Leben stehen wir immer wieder an wichtigen "Weggabelungen" und fühlen uns unsicher, welchen Weg wir einschlagen sollen. Viele Menschen lassen sich von dieser Frage verunsichern, was zu Lähmung und Krisen führen kann - aus Angst vor falschen Entscheidungen oder aufgrund übertriebener Vorstellungen.

Gründe für Entscheidungsschwierigkeiten

Gründe für eine Entscheidungsschwäche wurzeln meist tief und bestimmen das gesamte Leben. Wenn in diesem Bereich unserer Persönlichkeit eine Blockierung existiert, hat dies eine 'entscheidende' Wirkung auf unser Leben. Es ist wichtig zu erforschen, was uns hemmt und was sich ändern würde, wenn wir 'entscheidungsfreudiger' wären.

Einer der Hauptgründe, warum uns Menschen das Entscheiden so schwerfällt, ist die schlichte Grösse der Auswahl. Man könnte tatsächlich alles immer wieder "auch ganz anders machen". Das Wort "ent-scheiden" drückt dies bereits aus: mit meiner Auswahl "scheide" ich mich gleichzeitig von sämtlichen anderen Möglichkeiten.

Viele hochsensible Menschen leiden unter Entscheidungsschwierigkeiten, weil sie in einer Entscheidungssituation zu viele mögliche Wege vor sich sehen, was lähmend wirken kann. Daraus kann ein ähnlicher Zustand wie bei Überstimulation entstehen: die verschiedenen Entscheidungsmöglichkeiten können letztlich überfordernd wirken, und es entsteht ein "Entscheidungsstress".

Neben der "zu grossen Auswahl" können mangelnde Entscheidungsfähigkeit folgende Gründe haben:

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  • Wir haben nicht gelernt, in vernünftigem Masse Risiken einzugehen.
  • Uns fehlt der Mut für 'unsichere Schritte', - es sollte vielmehr alles berechenbar und "sicher" sein.
  • Wir pflegen ein hohes Leistungsideal. Unsere Entscheidung soll die "perfekte Lösung" sein, - und diese gibt es nicht immer.
  • Schon in der Jugend hat man uns vielleicht Entscheidungen abgenommen, weil wir für einen Entscheid länger brauchten als andere - oder schüchtern, ängstlich und unsicher wirkten.
  • Wir haben die Tendenz, uns anzupassen und andere für uns entscheiden zu lassen, weil wir Angst haben, uns zu exponieren und Verantwortung zu tragen.
  • Lebensängste, Traumata, psychische Erkrankungen, schlechte Erfahrungen mit Entscheidungen etc. können unsere Entscheidungsfähigkeit lähmen.

Wege zur Entscheidung

Entscheidungen sollten nicht gemacht, sondern entdeckt werden. Wir sind daran gewöhnt, unsere Entscheidungen zu "machen", meistens mit dem Kopf: wir denken angestrengt nach und geraten in Gedankenkarussells und gedankliche Pattsituationen, die oft nicht zu Lösungen führen. Dann fragen wir Freunde, was sie tun würden, was zusätzlich verwirrend sein kann.

Wie würde ein 'goldener Mittelweg' aussehen?

Anregungen zur Reflexion

Eine Entscheidung setzt immer Energie frei, welche vorher im Prozess des 'Hin und Her' gefangen gewesen ist. Sie befreit uns auch gefühlsmässig durch ihr "Ja" vom vorherigen Zwiespalt. Der wieder gewonnene Fluss der Energie hat oft ein wohltuendes, vitalisierendes Gefühl zur Folge, wenn er auch Ängstlichkeit und Spannung beinhalten kann.

Man wird wieder aktiv und handlungsfähig und kann seine - zuvor verzettelte Kraft nun auf den gewählten Weg fokussieren. Lernen wir darum - zur Stärkung unserer Entscheidungsfähigkeit - uns zu aktivieren, zu vitalisieren, zu "sammeln", zu fokussieren... Wenn dieser "lebendige Zustand" langsam zu einer Grundhaltung im Leben wird, lassen wir uns nämlich auch ganz allgemein weniger ablenken, verzetteln und verwirren und kommen - aus einer vitalen, zentrierten und geerdeten Haltung heraus - dem 'Entdecken' unserer Entscheidungen schon näher.

Entscheidungsschwächen wurzeln meistens tief. Daher müssen wir unsere Mühe mit Entscheidungen zuerst einmal wirklich verstehen. Wir erfassen etwas "von unten", von Grund auf, nicht nur "im Kopf oben", sondern auch "im Bauch unten": mit Intuition, Gefühlen, unterschwelligen Wahrnehmungen, tiefer liegendem Wissen...

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Stell dir vor, du musst ein Stück durch den Urwald gehen, um ein Ziel zu erreichen. Genau so kommt es uns doch manchmal vor, wenn wir eine Entscheidung treffen müssen: vor uns liegt ein Dschungel an Ungewissheit, an Fragen und Vorstellungen... Für rasche Entscheidungen und sinnvolle Spontanreaktionen müssen wir unbedingt auch unsere Intuition schulen, wir müssen trainieren, mit allen Sinnen eine Situation wahrzunehmen, Gefahren im voraus zu spüren, uns nicht zu versteifen und zu fixieren, sondern "überall Augen und Ohren offen zu haben".

Viele von uns - gerade HSP - verlieren sich im Leben häufig im "Machen", in Leistungsvorstellungen und Zielsetzungen. So kann das Geschenk des Lebens zum Stress verkommen, zur ständigen "Prüfung", in welcher wir immer wieder auf's Neue beweisen müssen, dass wir "richtig" sind. Nur wenn wir uns Zeit und Raum geben, einfach zu sein und schliesslich all unser Tun mit diesem Sein zu verbinden, erfahren wir auch genügend Raum, unsere Entscheidungen organisch entstehen zu lassen, sie zu 'entdecken'.

Wenn wir darauf achten, wie uns das Leben "von aussen begegnet", können wir daraus Rückschlüsse ziehen, wie wir selber zur Zeit im Leben stehen. Wenn "alle Ampeln auf Grün stehen" und du intuitiv das Gefühl hast, in deinem Leben laufe es "rund" - und eines ergebe sich aus dem andern, dann befindest du dich im Antwortkontinuum: Du fühlst dich als Teil des Ganzen und kommst nicht auf die Idee, viele Fragen zu stellen, weil sich die "Antworten des Lebens" organisch konstellieren. Im Antwortkontinuum sind wir Teil des "Flusses", und es wird möglich, Entscheidungen wirklich zu entdecken, weil sie sich in diesem Kontinuum, dem wir alle angehören, sinnvoll ergeben.

Konkrete Tipps

Entscheidungsfähigkeit kann man im Alltag auch konkret "trainieren". Für HSP, die sich ihre Tage selber sinnvoll gestalten müssen, die also nicht z.B. durch eine Arbeitsstelle automatisch eine gewisse Struktur erfahren, sind diese Tipps besonders wichtig.

  • Tagespläne für Freischaffende: Schreib dir am Morgen beim gemütlichen Frühstück einen Übersichtsplan auf, als wärst du dein eigener Chef, deine eigene Chefin.
  • Wenn du fixe Arbeitszeiten hast: Verfasse eine Liste mit allem, was du in der Freizeit gerne tun würdest - oder erledigen musst - und strukturiere diese Zeit auf passende Weise. Nicht vergessen: Zeit zum Ruhen, Zeit für Freude und Freunde...
  • Führe einen Tag lang Buch, und notiere alle Entscheidungen, grosse und kleine, die du getroffen hast.
  • Der erste Schritt zur Aktivität: Wenn du dich blockiert fühlst, eigentlich viel zu tun hättest, jedoch nicht weisst wo anfangen: Hör auf nachzudenken und mach als ersten Impuls - jetzt gerade! - "irgendetwas", ganz spontan: z.B. eine Runde an der frischen Luft.
  • Kleine Schritte: Teile die Aufgabe, die vor dir liegt, wenn möglich in verschiedene kleine Schritte ein, z.B. Schritte 1 bis 10.... und fokussiere dich ganz auf den ersten kleinen Schritt.
  • Trainiere deine wachsende Entscheidungsfähigkeit an kleinen, unwichtigen Entscheidungen und nicht ausgerechnet an den schwierigsten, gewichtigsten. Hole dir für letztere besser Hilfe und Unterstützung.
  • Beobachte bei schwierigeren Entscheidungen deine Gefühlslage: was blockiert dich? Angst, Leistungsstress, das Gefühl der Unfähigkeit, der Unsicherheit?
  • Zeigt eine Entscheidung negative Folgen? Eine gute Gelegenheit, auch damit umzugehen, denn die Angst vor "falschen Entscheidungen" hemmt uns ja häufig, besonders wenn wir oft unter Leistungsstress stehen: Finde Wege der Korrektur, des Umgangs mit den Folgen.

Prokrastination: Das Aufschieben von Aufgaben

Prokrastination lässt sich als wiederholtes Aufschieben von Tätigkeiten definieren, die wichtig sind, um persönliche Ziele zu erreichen, und die innerhalb einer bestimmten Zeitspanne erledigt werden müssen. Dabei handelt es sich nicht um Faulheit, sondern um eine Störung der Selbststeuerung. Die Betroffenen erkennen die Wichtigkeit der Aufgabe zwar und glauben auch, sie bewältigen zu können, schieben sie aber dennoch vor sich her.

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Symptome der Prokrastination

  • Starker innerer Widerstand gegen das Erledigen bestimmter Aufgaben.
  • Entwicklung von grossem Druck im Spannungsfeld zwischen Anforderungen und innerem Widerstreben.
  • Suchen von Ersatztätigkeiten, um den Druck abzubauen.
  • Langfristig ins Hintertreffen geraten, was Druck und Frustration erhöht.
  • Selbstabwertung und Zweifel an der Fähigkeit, Aufgaben zu bewältigen.
  • Schwierigkeiten in Ausbildung und Beruf, aber auch im sozialen Umfeld.

Ursachen der Prokrastination

  • Psychische Ursachen: Angst vor Versagen und Kritik, gestörte Selbstregulation, geringe Frustrationstoleranz, Probleme der Arbeitsorganisation.
  • Psychische Störungen: Depressionen, Angststörungen, ADHS.

Tipps im Umgang mit Prokrastination

  • Setzen Sie Prioritäten.
  • Teilen Sie sich ihre Zeit realistisch ein.
  • Planen Sie Pufferzeiten ein.
  • Legen Sie los.
  • Planen Sie Pausen ein und bleiben Sie bis dahin konsequent am Ball.
  • Seien Sie nicht zu sprechen.
  • Wenn Sie einen Haken hinter einer Aufgabe machen können, belohnen Sie sich.

Therapie bei Prokrastination

Im Rahmen einer kognitiven Verhaltenstherapie lernen Sie, Ihre Selbstregulation zu verbessern:

  • Impulsen weniger schnell nachzugeben.
  • Besser mit negativen Gefühlen wie Langeweile, Frustration und Ängsten umzugehen.
  • Besser mit Ablenkungen umzugehen.
  • Die eigene Belastbarkeit besser einschätzen zu können und auf dieser Basis realistische Ziele zu setzen.
  • An Probleme und Aufgaben strukturierter heranzugehen.

Resilienz: Die Fähigkeit, Herausforderungen zu meistern

Resilienz ist eine Fähigkeit, die uns vor belastendem Stress schützt und Energie, Tatkraft und Lebensfreude liefert. Sie besteht aus acht Teilkompetenzen (Resilienzfaktoren), die uns helfen, emotionale und mentale Belastungen (Stress) zu überwinden, ohne darunter zu leiden.

Teilkompetenzen der Resilienz

  1. Fokussierung auf das Wesentliche.
  2. Stimmungsmanagement.
  3. Selbstwirksamkeit.
  4. Selbstdisziplin.

Wie Führungspersonen Resilienzfaktoren gezielt einsetzen können

Am besten ist es, wenn eine Führungsperson ihre eigenen Stärken und Schwächen und die ihrer Teammitglieder kennt. So kann man am besten beurteilen, inwiefern eine Stärke geeignet ist, die bestimmte Stressursache zu überwinden.

Burnout-Prävention

Auch für Menschen, die Probleme normalerweise gut bewältigen, besteht bei starkem Stress ein Risiko für Burnout. Durch folgende Strategien der Burnout-Prävention können Sie dem "Ausbrennen" vorbeugen:

  • Eigene Bedürfnisse wahrnehmen.
  • Grundbedürfnisse aufdecken.
  • Stressmanagement, Entspannung, guter Schlaf.
  • Selbstaufmerksamkeit.
  • Stresstagebuch.
  • Soziale Kontakte.
  • Innere Antreiber entmachten.
  • Klare Lebensziele definieren.
  • Stärkung der Selbstakzeptanz.
  • Gesunde Lebensweise.
  • Hilfe suchen.

Burnout vorbeugen - was tun im Job?

  • Autonomie anstreben.
  • Zeitmanagement.
  • Nein-Sagen.
  • Unrealistische Erwartungen abbauen.
  • Leben und Arbeiten im Gleichgewicht.
  • Karriereplanung.

Träume und ihre Bedeutung

Träume können uns viel über unsere innersten Gefühle und Ängste verraten. Emotionen sind die Triebkräfte eines Traumes. Das schlafende Gehirn ähnelt einem Geschichtenerzähler, der zu einem Gefühlszustand eine Geschichte entwickelt. Vermutlich bestimmen unterschwellige Stimmungen während des Tages, welche Emotionen im Schlaf auftauchen.

Im Traum erleben wir, was uns wirklich bewegt. Daher ist es spannend, sich von Träumen anregen und teils auch irritieren zu lassen. Indem Sie herausfinden, worauf Sie ein Traum aufmerksam machen will, können Sie Lehren für die Realität ableiten.

Weitere Aspekte und Herausforderungen

Es ist nicht selten, dass Psychose-Erfahrene und Stimmenhörende als Kinder nicht sie selbst sein durften, dass ihre gesunde Entwicklung nicht unterstützt wurde, sondern dass ihr familiäres, schulisches oder sonstiges Umfeld sie ausgrenzte, abwertete, mobbte, emotional vernachlässigte oder dass ihnen viel zu viel Verantwortung für ihr Alter aufgeladen wurde. Wenn Kinder sich vom Umfeld nicht akzeptiert fühlen, wenn ihre Gefühle und Bedürfnisse vom Umfeld nicht ernst genommen, sondern als lächerlich oder daneben empfunden oder abgewertet werden, dann führt dies zu einer tiefen Verunsicherung und einem übertriebenen Druck, sich anzupassen und immer noch mehr für die anderen zu tun, statt für sich einzustehen zu lernen und sich für die eigenen Bedürfnisse, Interessen und für die eigene Sichtweise zu wehren.

Auf dem Genesungsweg vorwärts zu kommen, bedeutet, die oft komplexen traumatischen Erfahrungen immer stärker zu verarbeiten und ins wirklich eigene, selbstbestimmte Leben zu finden. Das bedeutet auch die Abgrenzung von all dem, was einem nicht gut tat oder was nicht stimmig mit der eigenen Identität, dem eigenen Erleben und den jeweiligen individuellen Bedürfnissen ist. Alle haben das Recht, sich Orte zu finden oder zu schaffen, wo sie sich wohl fühlen können.

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