Trauma: Was heisst das? Nicht alles, was umgangssprachlich traumatisch genannt wird, entspricht der eigentlichen Definition des Begriffs. Es kann jeden treffen. Jederzeit. Es reicht, zur falschen Zeit am falschen Ort zu sein und wie Marianne Gubler* auf der Autobahn von einem überholenden Wagen touchiert zu werden.
TraumaMan hat einen Autounfall oder wird Opfer eines Raubüberfalls: Das hinterlässt tiefe Spuren in der Psyche. Wie bewältigt man ein solches Trauma?
Spurlos geht ein solches Erlebnis an niemandem vorbei. Während der lebensgefährlichen Situation aktiviert der Körper sämtliche Stress- und Notfallmechanismen: unkontrollierte Reaktionen, die auch Jahre später in derselben Heftigkeit wieder ausgelöst werden können. Oft reicht ein Geräusch oder ein Geruch, denn davor kann man sich während des Geschehens am wenigsten schützen.
Ursachen und Risikofaktoren
Urache für eine akute Belastungsreaktion ist ein traumatisches Erlebnis. Dabei spielt es keine Rolle, ob der eigenen Person etwas Schreckliches passiert oder ob man Beobachter, Angehöriger oder Helfer in der Situation ist. Das Ereignis stellt sich häufig als lebensbedrohlich dar und dreht mitunter die Welt für den Betroffenen auf den Kopf.
Alles, was vertraut und sicher schien, wird in solchen Momenten als gefährlich und durcheinander wahrgenommen. Dazu zählen vor allem:
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- Körperverletzungen
 - Krieg
 - Flucht
 - Sexuelle Gewalt
 - Raubüberfälle
 - Naturkatastrophen
 - Schwere Unfälle
 - Terroranschläge
 
Grundsätzlich besteht bei jedem Menschen die Möglichkeit, eine akute Belastungsreaktion zu entwickeln. Es gibt verschiedene Faktoren, die das Risiko, einen Nervenzusammenbruch zu erleiden, erhöhen. Dazu zählen unter anderem:
- Vorherige Erkrankungen (körperliche und seelische)
 - Erschöpfung
 - Psychische Verletzlichkeit (Vulnerabilität)
 - Fehlende Strategien, um mit dem Erlebten umzugehen (fehlendes "Coping")
 
Symptome eines psychischen Schocks
Auch nach dem Ereignis kommen verschiedene Verhaltensmuster vor. Manche wollen das Erlebte wieder und wieder erzählen, andere kein Wort darüber verlieren. Das Gefühl, den Vorfall nicht wirklich erlebt zu haben, neben sich zu stehen, nichts mehr fühlen zu können, sind bekannte Reaktionen. Auch Schlafstörungen, Alpträume, sogenannte Flashbacks und andauernde Bedrohungsgefühle gehören zum normalen Verarbeitungsprozess.
Eine akute Belastungsreaktion äussert sich durch vielfältige Symptome. Folgende Anzeichen und Symptome sind typisch für einen Nervenzusammenbruch:
- Veränderte Wahrnehmung (Derealisation, Depersonalisation): Der Patient nimmt die Umwelt oder sich selbst als fremd und unbekannt war.
 - Bewusstseinseinengung: Die Gedanken des Patienten kreisen ausschliesslich um wenige Themen - in dem Fall um die belastende Situation.
 - Wiedererleben der Ausnahmesituation in Alpträumen oder Flash-Backs
 - Erinnerungslücken
 - Übererregung im Sinne von Schlafstörungen, Konzentrationsschwäche, Schreckhaftigkeit, erhöhter Reizbarkeit
 - Vermeidungsverhalten wie sozialer Rückzug
 - Gefühlsstörungen (Affektstörung) wie Stimmungsschwankungen zwischen Aggression (z. B. geht ein Nervenzusammenbruch in einigen Fällen mit einem Wutausbruch einher), Angst und Trauer oder unangemessenes Weinen und Lachen
 - Körperliche Symptome (z. B. Erröten, Schweissausbrüche, Herzrasen, Blässe, Übelkeit)
 - Sprachloses Entsetzen: Der Patient kann Erlebtes nicht in Worte fassen und dadurch schlechter verarbeiten.
 
Manche Symptome eines Nervenzusammenbruchs beziehungsweise einer akuten Belastungsstörung ähneln denen einer Depression, sind aber davon abzugrenzen.
Auch die Armee, die SBB und grosse Firmen arbeiten schon länger mit psychologischen Care-Teams zusammen.
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Die körperlichen Verletzungen nach einem Unfall sind meist klar erkennbar und werden direkt behandelt. Die psychischen Belastungen, die häufig nach einem traumatischen Ereignis auftreten, sind ein bedeutsamer, aber oft unterschätzter Aspekt von Unfällen.
Traumata gehen mit einer Vielzahl von körperlichen Reaktionen und Beschwerden einher. Diese können sowohl unmittelbar nach dem Unfall als auch erst nach einer gewissen Zeit auftreten:
- Zu den akuten körperlichen Reaktionen zählen beispielsweise Herzrasen und erhöhter Blutdruck, Schwitzen und Zittern, Atembeschwerden sowie Übelkeit und Schwindel.
 - Langfristig können Betroffene unter chronischen Schmerzen leiden, die sich nicht durch physische Verletzungen erklären lassen.
 
Wenn Sie den Verdacht haben, dass Sie selbst oder ein Ihnen nahestehender Mensch unter einem Trauma oder anderen psychischen Folgen nach einem Unfall leidet, achten Sie auf bestimmte Verhaltensweisen, die erste Anzeichen sein können. Ein verbreitetes Symptom ist das Vermeidungsverhalten, bei dem Betroffene Orte, Personen oder Aktivitäten meiden, die sie an das traumatische Ereignis erinnern. Ebenso charakteristisch ist sozialer Rückzug - bis hin zur Vermeidung von Kontakten. Erhöhte Wachsamkeit, fachsprachlich Hypervigilanz, führt teilweise zu einem ständigen Gefühl der Bedrohung. Häufig sind zudem emotionale Schwankungen, Reizbarkeit und Wutausbrüche.
Tabelle: Formen der Belastungsreaktionen und ihre Dauer
| Form | Dauer | 
|---|---|
| Akute Belastungsreaktion | Bis zu 48 Stunden nach dem Ereignis | 
| Akute Belastungsstörung | Bis zu vier Wochen nach dem Ereignis | 
| Akute posttraumatische Belastungsstörung | Bis zu drei Monate nach dem Ereignis | 
| Chronische posttraumatische Belastungsstörung | Länger als drei Monate nach dem Ereignis | 
Untersuchung und Diagnose
Sollte bei Ihnen der Verdacht auf eine akute Belastungsreaktion bestehen, ist ein Psychiater oder Psychologe der richtige Ansprechpartner. Um mehr über Ihre Krankheitsgeschichte (Anamnese) zu erfahren, befragt er Sie zunächst ausführlich. Dabei stellt er Ihnen unter anderem folgende Fragen:
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- Welche körperlichen Symptome nehmen Sie an sich wahr?
 - Wie hat sich Ihr Zustand in der Zeit seit dem Ereignis verändert?
 - Haben Sie Ähnliches bereits in der Vergangenheit erlebt?
 - Wie sind Sie aufgewachsen?
 - Sind Vorerkrankungen bei Ihnen bekannt?
 
Der Therapeut achtet darauf, dass Sie sich während des Gesprächs sicher fühlen.
Besteht der Verdacht auf einen Nervenzusammenbruch, gehören zum Ablauf der Diagnostik auch körperliche Untersuchungen, wie die Messung von Herzfrequenz, Blutdruck und Atemfrequenz. So lassen sich körperliche Reaktionen auf das Geschehene erkennen.
Des Weiteren stellt er fest, ob bei Ihnen Risikofaktoren vorliegen, die eine akute Belastungsreaktion begünstigen und den Verlauf unter Umständen verschlimmern.
Behandlung und Therapie
In der akuten Ausnahmesituation gibt es verschiedene Personengruppen, die ausgebildet sind, jemandem mit akuter Belastungsreaktion zu helfen. Dazu zählen vor allem Menschen, die als erste an den Ort eines traumatischen Ereignisses kommen: Notarzt, Polizisten, Feuerwehrmänner, Sanitäter oder Soldaten.
Sie helfen allein schon durch die Tatsache, dass sie in der Lage sind, den Patienten in eine sichere Umgebung zu bringen. Im weiteren Verlauf wird der Patient zu einem Seelsorger, Psychotherapeuten oder Arzt geleitet.
Im ersten Schritt der Therapie steht die Kontaktaufnahme zu dem Patienten im Vordergrund. In einer sicheren Umgebung erhält der Betroffene Unterstützung. Erkennt die betreuende Person in ersten Gesprächen mit dem Patienten eine mögliche Gefahr der Selbsttötung (Suizidalität), veranlasst sie, dass der Patient stationär aufgenommen wird.
Besteht keine akute Gefahr, erfolgt die Behandlung meistens ambulant. Sie besteht aus verschiedenen psychologischen Therapien wie:
- Verhaltenstherapie (Patienten sollen ein gestörtes Verhalten verlernen und ein neues lernen)
 - Psychoedukation (Patienten sollen die akute Belastungsreaktion als Krankheit verstehen lernen und so besser bewältigen)
 - EMDR (Eye Movement Desensitization and Reprocessing; durch bestimmte Augenbewegungen soll das Trauma neu erlebt und besser verarbeitet werden)
 - Hypnose
 
Wenn der Patient zum Beispiel durch Schlafstörungen extrem belastet ist, verschreibt der Arzt gegebenenfalls kurzzeitig schlafanstossende und dämpfende Medikamente wie Benzodiazepine, Z-Substanzen oder sedierende Antidepressiva.
Auch die bei traumatisierten Patienten häufig zu beobachtenden körperlichen Beschwerden lassen sich psychotherapeutisch angehen - vorausgesetzt, man kennt oder erahnt ihre Ursache. Wie Maercker anmerkt, können etwa bei Frauen unerklärliche Schmerzen im Unterleib auf eine frühere Vergewaltigung zurückgehen. In solchen Fällen sollte der Arzt deshalb hellhörig werden. Aber auch bei vielen anderen Leiden gelte es, eine posttraumatische Störung als Ursache in Betracht zu ziehen, fügt Ehlert an. Neben Depressionen und Panikattacken zählen hierzu vor allem Suchterkrankungen.
Vorbeugung
Es gibt keine Massnahme, durch die sich einem Nervenzusammenbruch oder einer akuten Belastungsreaktion zuverlässig vorbeugen lässt. Traumatische Ereignisse ereilen Menschen schicksalshaft, und es lässt sich nicht vorhersagen, wie betroffene Personen darauf reagieren.
Unbehandelt besteht allerdings die Möglichkeit, dass die Symptome der akuten Belastungsreaktion bestehen bleiben und in andere, möglicherweise länger andauernde seelische Störungen übergehen. Um dem vorzubeugen, ist es sinnvoll, sich nach einem traumatischen Erlebnis frühzeitig Hilfe bei einer fachkompetenten Person zu holen.
Was können Sie tun, um sich selber zu helfen?
- Sprechen Sie über die Vorfälle.
 - Nehmen Sie sich Zeit für Ruhe.
 - Essen Sie gesund.
 - Trinken Sie keinen Alkohol.
 - Nehmen Sie keine Drogen.
 - Machen Sie schöne Dinge.
 - Holen Sie sich Hilfe in der Familie.
 - Bei Freundinnen und Freunden.
 - Leben Sie Ihren Alltag.