Angststörungen sind weit verbreitet. Etwa 7 bis 9 (bis 15) Prozent aller Menschen leiden mindestens einmal in ihrem Leben an einer von mehreren Formen von krankhafter Angst. Frauen sind etwa doppelt so häufig betroffen als Männer.
Die generalisierte Angststörung ist eine relativ häufige Erkrankung, die mit ausgeprägter sozialer und beruflicher Behinderung, psychischer Komorbidität und Suizidalität einhergehen kann. Die generalisierte Angststörung ist charakterisiert durch exzessive Besorgnis und Symptome körperlicher Erregung wie Unruhe, Insomnie und Muskelverspannung.
Um eine entsprechende Diagnose stellen zu können, müssen die Symptome einer exzessiven und nur schwer kontrollierbaren Angst für eine gewisse Zeit bestanden haben. Die ICD-10 definiert die generalisierte Angststörung etwas anders. Hier wird die Angst ausdrücklich als «frei flottierend», somit nicht an irgendwelche äussere Umstände gebunden, charakterisiert. Der Fokus der Angst ist nicht Teil einer anderen Störung.
Wer erleidet eine generalisierte Angststörung?
Schätzungen aus verschiedenen Ländern gehen von einer Häufigkeit der generalisierten Angststörung in der Allgemeinbevölkerung von gegen 5 Prozent aus. Die grösste Häufigkeit fällt in die Altersgruppe der 45- bis 59-Jährigen. In epidemiologischen Erhebungen waren nach einer Trennung Lebende, Verwitwete, Hausfrauen oder Arbeitslose einem höheren Risiko ausgesetzt. Daneben gelten auch tiefer sozioökonomischer Status oder Probleme in der Kindheit als Risikofaktoren.
Wie diagnostiziert man eine generalisierte Angststörung?
Fachleute sind überzeugt, dass die Erkrankung von Grundversorgern oft nicht richtig erkannt wird. Hauptproblem könnte die Verwechslung mit einer Depression sein.
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Patienten mit generalisierter Angststörung suchen den Hausarzt häufiger auf als die Allgemeinbevölkerung. Neben der psychischen Symptomatik haben diese Patienten auch gehäuft somatische Störungen wie Schmerzzustände, gastrointestinale, kardiovaskuläre, endokrine oder respiratorische Leiden.
Von grosser Bedeutung ist die psychiatrische Komorbidität bei generalisierter Angststörung. Ebenfalls wichtige Begleiterkrankungen sind soziale Phobien (34%) und Alkoholmissbrauch (38%). Bei gewissen Symptomen ist eine Abgrenzung kaum möglich oder kann diagnostisch nicht verwendet werden, so etwa bei Unruhe, Konzentrationsschwierigkeiten, Schlafstörungen. Über weite Strecken hat die Abgrenzung zur Depression aber wenig therapeutische Konsequenzen, da die Behandlungsstrategien ähnlich sind.
Symptome einer generalisierten Angststörung
Eine Angststörung kann mit einer Vielzahl von Symptomen auftreten. Im Folgenden werden die typischen körperlichen Symptome einer Angststörung aufgelistet:
- Erhöhte Herzfrequenz und Blutdruck
 - Zittern, Schwindel, Schweissausbrüche
 - Atembeschwerden
 - Magen-Darm-Beschwerden wie Übelkeit, Erbrechen oder auch Durchfall
 - Gefühl von Unwirklichkeit und Verlust der Kontrolle bis zur Angst zu sterben
 
Des Weiteren berichten Patienten über ein Ohnmachtsgefühl. In Zukunft wird die angstauslösende Situation gemieden. Ausserdem können Angststörungen in Kombination mit anderen psychischen Erkrankungen auftreten. So können zum Beispiel verschiedene Erscheinungsformen von Angststörungen gemeinsam vorhanden sein aber auch zusammen mit Depressionen oder mit Drogenmissbrauch vorkommen.
Ein sehr charakteristisches Merkmal der generalisierten Angststörung sind die körperlichen Symptome. Diese können sehr unterschiedlich ausfallen. Häufig leiden die Patienten beispielsweise unter:
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- Zittern
 - Muskelverspannungen
 - Magen-Darm-Probleme wie Übelkeit, Durchfall
 - Herzrasen
 - Schwindel
 - Schlafstörungen
 - Konzentrationsproblemen
 - Nervosität
 - Gereiztheit
 
Symptome wie Zittern, Herzrasen, Übelkeit etc. kennt man auch von Panikattacken. Bei der generalisierten Angststörung treten die Beschwerden aber nicht im Rahmen eines Anfalls auf, sondern sind unterschwellig und in wechselnder Kombination dauerhaft vorhanden.
Menschen mit generalisierter Angststörung versuchen, ihre Sorgen zu verringern, indem sie zum Beispiel gehäuft Familienmitglieder kontaktieren, um zu hören, dass es ihnen gut geht. Sie suchen bei anderen Personen oft die Rückversicherung, dass alles in Ordnung ist und sie sich keine Sorgen machen müssen. Manche Betroffene vermeiden es auch, Nachrichten zu hören, um sich vor weiteren Ängsten zu schützen.
Dieses Verhalten verstärkt aber die Problematik letzten Endes nur. Denn Rückversicherung und Vermeidungsverhalten bestärken Betroffene darin, dass es tatsächlich Grund zur Sorge gibt. Auch der Versuch, negative Gedanken zu unterdrücken, verschlimmert die Situation. Wer nicht an einen rosa Elefanten denken soll, wird zwangsläufig einen rosa Elefanten vor Augen haben.
Menschen, die an Depressionen leiden, haben ähnlich negative Gedanken wie Patienten mit generalisierter Angststörung. Im Unterschied zur Depression sind Sorgen im Rahmen einer generalisierten Angststörung allerdings auf die Zukunft gerichtet. Bei einer Depression kreisen die Gedanken eher um vergangene Ereignisse.
Welche Therapieoptionen gibt es?
Grundsätzlich stehen Psychotherapien und Medikamente zur Verfügung. Unter den etablierten Psychotherapien ist die kognitive Verhaltenstherapie am besten erforscht und wird breit eingesetzt. Daneben sind andere Formen von Verhaltenstherapie, Entspannungs- und Meditationstherapien propagiert worden. Bei den Psychopharmaka kommen an erster Stelle Antidepressiva infrage, und unter diesen die selektiven Serotoninwiederaufnahme-Hemmer (SSRI), ferner Benzodiazepine und das Antiepileptikum Pregabalin.
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Leider ist nicht klar, ob Psychotherapie oder Psychopharmaka zuerst einzeln oder in Kombination versucht werden sollen, da es für die unterschiedlichen Vorgehensweisen jeweils positive Studien gibt.
Psychosoziale Therapien
Verschiedene Metaanalysen haben für die kognitive Verhaltenstherapie einen signifikanten Nutzen gezeigt. Die Guidelines des britischen National Institute for Health and Clinical Excellence (NICE) empfehlen sie daher als Erstlinienbehandlung.
Eine Verhaltenstherapie bei generalisierter Angststörung ist jedoch schwieriger als bei einfachen Phobien. Ein mögliches Ziel ist die Bearbeitung negativer Interpretationen neutraler Ereignisse, das Durchbrechen automatischer Angstmuster. Andere psychotherapeutische Ansätze, etwa die Erlernung von Entspannungstechniken oder Achtsamkeits- und Meditationsübungen, können mit der Verhaltenstherapie kombiniert werden. Auch zu psychodynamischen Psychotherapien liegen positive Studien vor.
Welche Medikamente sollen verschrieben werden?
Die NICE-Guidelines empfehlen eine medikamentöse Therapie, wenn die Symptome der generalisierten Angststörung zu einer ausgeprägten, auch subjektiv wahrgenommenen funktionellen Beeinträchtigung in Arbeit, Schule, sozialem Austausch, Familienleben oder Freizeit führen. Eine Indikation kann auch gegeben sein, wenn die Symptome trotz Psychoedukation und psychologischen Interventionen geringer Intensität (z.B. Selbsthilfegruppen) weiter anhalten.
SSRI und selektive Serononin-Noradrenalin-WiederaufnahmeHemmer (SSNRI) gelten wegen ihrer Kombination von Wirksamkeit, Verträglichkeit und Sicherheit als Erstlinientherapien. Die Ansprech- und Remissionsraten wechseln über die verschiedenen Studien. Eine Literaturübersicht von 50 Studien ergab 2012 eine Ansprechwahrscheinlichkeit mit Erstlinientherapie von 67,7 Prozent und von 54,5 Prozent mit Zweitlinientherapien. Für die Erstlinientherapie betrug die Remissionsrate im Durchschnitt 39,7 Prozent, für Zweitlinientherapien war die Datenlage nicht ausreichend.
Wenn nach vier bis acht Wochen kein Behandlungseffekt ersichtlich ist, ist ein Wechsel auf einen anderen Vertreter derselben Wirkstoffklasse oder auf eine andere Wirkstoffklasse in Betracht zu ziehen.
Auch für das Antikonvulsivum und Antineuralgikum Pregabalin (Lyrica®) belegen mehrere Studien eine Wirksamkeit bei generalisierter Angststörung, und Pregabalin wurde entsprechend auch in dieser Indikation zugelassen. Obwohl der Wirkstoff im Allgemeinen nicht gewohnheitsbildend ist, gibt es vereinzelte Berichte über Missbrauch.
Benzodiazepine haben eine bestätigte Wirksamkeit vor allem in der Kurzzeittherapie der generalisierten Angststörung. Hier ist die Gefahr der Gewohnheitsbildung unbedingt im Auge zu behalten, wozu auch die Fachinformationen auffordern. Daneben erschweren Nebenwirkungen wie Sedation und psychomotorische Beeinträchtigung sowie mögliche Schwierigkeiten beim Absetzen der Medikation den Einsatz. Da Antidepressiva initial die Angst- und Erregungssymptomatik noch verstärken können, haben Benzodiazepine als begleitende Überbrückungstherapie oft günstige Auswirkungen.
Buspiron ruft keine Sedation und Absetzsymptome hervor und bewirkt keine physische oder psychische Abhängigkeit, allerdings gibt es auch keine direkten Wirkungsvergleiche mit Benzodiazepinen. An direkten Wirkungsvergleichen zwischen den verschiedenen Wirkstoffoptionen mangelt es ohnehin, denn die meisten Studien verglichen eine aktive Therapie mit Plazebo. Hier besteht Forschungsbedarf.
Wie lange soll behandelt werden?
Wenn ein gegebenes Medikament effektiv ist, beträgt die optimale Behandlungsdauer in der Regel ein Jahr.
Weitere Aspekte
Meistens führt eine Angsterkrankung zu Rückzug aus den sozialen Beziehungen, zu Beeinträchtigung der Arbeitsfähigkeit und häufig kommt es zu einem Missbrauch von angstreduzierenden Substanzen wie z.B. Alkohol, Medikamenten oder illegalen Drogen.
Angststörungen entwickeln sich aus einer Kombination von mehreren möglichen Ursachen (u.a. reale Gefahrensituation, chronischer negativer Stress, zwischenmenschliche Konflikte, Vorbilder und Prägungen in der Lebensgeschichte, erbliche Belastungen) und meist in der Folge eines auslösenden, kritischen Lebensereignisses. Danach breiten sich die Ängste (und das Vermeidungsverhalten) auf immer mehr Lebensbereiche aus. Das Gehirn (Amygdala) lernt, immer schneller mit immer intensiveren Angstsymptomen in immer harmloseren Situationen zu reagieren.
Auch im direkten Zusammenhang mit schweren körperlichen Erkrankungen (z.B. Herzinfarkt, Asthma-Anfall, Lungenembolie, Demenz) oder einem (übermässigen) Konsum von Genussmitteln (u.a. Koffein!) oder Drogenmissbrauch (Cannabis u.a.) können schwere Ängste (Angstattacken) auftreten. Daneben stellt Angst ein häufiges Begleitsymptom bei anderen psychischen Erkrankungen dar.
Unbehandelt neigen neu aufgetretene, unbegründete Ängste zur Chronifizierung. Es bestehen gute ambulante psychiatrisch-psychotherapeutische Behandlungsmöglichkeiten, bei frühem Behandlungsbeginn sind in der Regel rasch gute Ergebnisse zu erzielen. Der Einsatz hochwirksamer angstlösender Medikamenten darf nur in Krisen und nur kurzfristig erfolgen wegen des Suchtpotentials dieser Präparate.
Wenn die Mobilität im Alltag nicht mehr selbständig möglich ist, wenn Angehörige/Bezugspersonen überfordert sind, wenn ambulante Behandlung nicht hilft, wenn Verzweiflung aufkommt, wenn längere Arbeitsunfähigkeit droht oder wenn sich eine Medikamentenabhängigkeit entwickelt, dann ist eine stationäre oder tagesklinische Behandlung in einer Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie angezeigt. Die Entscheidung darüber erfolgt in Abstimmung zwischen den Betroffen und den ambulant behandelnden Ärzten.
In den ersten Tagen nach Eintritt erfolgt eine breite Abklärung und Diagnostik. Dazu gehören klinische Interviews, standardisierte Fragebogen und eine körperliche Untersuchung (inkl. Labortests). Besonders wichtig ist es, im Gespräch die ganz persönlichen Problembereiche herauszuarbeiten und ihre Bedeutung für die Entstehung und den Verlauf der Angststörung zu besprechen.
Rechtzeitig vor dem Austritt wird mit der Planung der Zeit nach dem Klinikaufenthalt begonnen. Dazu gehören die Regelung der Arbeits- und Wohnsituation, Gespräche mit den Angehörigen oder Betreuungspersonen, Orientierung über die Medikation und über Wege zur Rückfallverhütung. Wichtig ist eine geregelte ärztlich-therapeutische Nachbetreuung, um das Erreichte nicht zu gefährden. Häufig ist eine nachfolgende ambulante Psychotherapie für einige Monate sinnvoll.
| Kategorie | Symptome | 
|---|---|
| Emotional | Angst (bis zu Todesangst) | 
| Vegetativ | Herzrasen, Luftnot, Schwitzen, weiche Knie, Schwindelgefühle, kalte Hände und Füsse, Harn- und Stuhldrang u.a. | 
| Verhalten | Fluchttendenzen, Flucht aus der angstauslösenden Situation | 
| Kognitiv | Befürchtungen | 
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