Die Arbeit nimmt in der Schweiz einen hohen Stellenwert ein. Jeden Tag gehen in der Schweiz rund vier Millionen Menschen zur Arbeit. Am Arbeitsort verbringen sie durchschnittlich 8 Stunden und 20 Minuten. Das ist wesentlich mehr Zeit, als sie jeweils mit ihrer Familie oder mit Freizeitaktivitäten verbringen. Arbeit hilft, dem Tag eine Struktur zu geben.
Allerdings ist das Armutsrisiko im Vergleich zu anderen OECD-Ländern nicht so dramatisch, da die Schweiz in Sachen Leistungen bei Krankheit, Behinderung und Arbeitslosigkeit relativ grosszügig ist. Eine von drei Personen, die in der Schweiz Arbeitslosen-, IV- oder Sozialhilfebeiträge beziehen, leiden gemäss einem Anfang Jahr veröffentlichten Bericht der OECD an einer psychischen Störung.
Herausforderungen und Perspektiven
«Vor drei, vier Jahren hatte ich keine Perspektive. Nun ist es viel besser», sagt Peter*, der einst mit Suchtproblemen und Depressionen zu kämpfen hatte. Wegen seiner Probleme konnte er jedoch keine berufliche Karriere machen. Er verrichtete Gelegenheitsjobs, aber nichts Fixes. Als Peter seine Drogenabhängigkeit und seine Alkoholsucht in den Griff bekam, war das ein Wendepunkt.
«Ziel ist es, die Leute langsam wieder in den Arbeitsmarkt zu integrieren», sagt JCP-Berufsberaterin Caroline Wyss gegenüber swissinfo.ch. Unter den Klienten gibt es solche, die sich von einem Burnout oder einer Depression erholen. «Wenn sie zu uns kommen, analysieren wir zuerst die Situation - den beruflichen Hintergrund und die Stärken, die sie haben», erklärt Wyss.
Eingliederungsprogramme und Unterstützung
Im Auftrag der IV machte er diverse schriftliche, mündliche und praktische Eignungstests. Das JCP-Programm verläuft in drei Phasen: In der ersten geht es primär darum, eine Arbeit zu finden und sich wieder an den Rhythmus einer täglichen Arbeitsstruktur zu gewöhnen.
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«Mein Betreuer bei JCP verhalf mir rasch zu einer Praktikumsstelle. Er unterstützte mich auch dabei, meinen Lebenslauf zu verfassen, weil ich damit grosse Probleme hatte, vor allem, Motivationsbriefe zu schreiben», sagt Peter. Wenn alles klappt, bezahlt der Arbeitgeber einen Leistungslohn, der allenfalls durch Sozialgelder ergänzt wird. Oberstes Ziel ist es, dass die betreffende Person eine feste Anstellung mit einem Monatslohn erhält - wie in Peters Fall.
Eingliederungsprogramme, welche die Menschen wieder in «normale» Jobs auf dem freien Arbeitsmarkt zurückbringt, machen laut Baer mehr Sinn, da die Betroffenen Stellen suchen, die eher ihren Qualifikationen entsprechen. «Es ist unglaublich: Wir haben dermassen viele geschützte Institutionen für wenig qualifizierte Arbeit. Viele Menschen mit psychischen Störungen sind jedoch sehr intelligent und haben eine gute Ausbildung», erklärt Niklas Baer, Co-Autor der OECD-Studie, gegenüber swissinfo.ch.
Die Rolle der Arbeitgeber
Leute wie ihn einzustellen, kann sowohl für den Arbeitgeber wie auch für den Arbeitnehmer Vorteile bringen. «Wir sind eine soziale Institution. Meiner Meinung nach gehört es zu unserem Auftrag, Menschen, die es im Leben nicht so leicht haben, eine Chance zu geben», sagt Eggimann gegenüber swissinfo.ch. Die Bereicherung sei gegenseitig, fügt er an. Allerdings brauche der Arbeitgeber eine gewisse Geduld.
«Am Frustrierendsten ist es, wenn sie Sachen sagen wie ‚Wir brauchen keinen von denen‘ oder ‚Die sind doch nur im Weg'», so Wyss. «Ich wünschte mir, die Leute hätten ein gewisses Verständnis. Peter ist froh, nicht mehr von der Sozialhilfe und der Invalidenversicherung abhängig zu sein.
Tabelle die die Entwicklung der IV-Renten in der Schweiz zwischen 2012 und 2018 zeigt:
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| Zeitraum | Ziel der Reduktion voller IV-Renten | Tatsächliche Reduktion | 
|---|---|---|
| 2012-2018 | 12'000 | 2'776 (in den ersten zwei Jahren seit der IV-Revision) | 
Stress und psychische Gesundheit am Arbeitsplatz
Berufliche Belastung wurde erstmals in den 1960er-Jahren als Problem erkannt. Aber es dauerte lange, bis das Phänomen als Problem auch anerkannt wurde. «Heute kommen Unternehmen auf uns zu und fragen: ‚Könnt ihr uns Ratschläge geben?'», sagt Norbert Semmer vom Institut für Psychologie der Universität Bern. Vor 30 Jahren wäre das kaum denkbar gewesen.
«Die Psychiater fokussieren zu wenig auf Probleme, die mit der Arbeit der Patienten in Zusammenhang stehen. Sie sollten sich mehr auf die Arbeit konzentrieren, diese aber nicht nur als Stressfaktor, sondern als etwas Positives für die psychische Gesundheit sehen», sagt Baer. Dank seinem verständnisvollen Arbeitgeber kann Peter seine Arbeit ohne Stress erledigen.
Peter ist froh, nicht mehr von der Sozialhilfe und der Invalidenversicherung abhängig zu sein. Arbeit sei «das Wichtigste» für Menschen mit psychischen Störungen, sagt Niklas Baer. «Sehr viele Beitragsempfänger möchten gerne arbeiten, aber man sollte nicht die ganze Energie dafür aufwenden. Den Job zu behalten sowie die frühzeitige Intervention sind ebenfalls entscheidend. Wir sollten viel mehr tun. So wird im OECD-Bericht empfohlen, dass «Arbeitgeber im Umgang mit psychischen Gesundheitsproblemen mehr Verantwortung übernehmen und mit den Krankenkassen zusammenarbeiten sollten».
Peters Rat an Menschen, die mit psychischen Problemen zu kämpfen haben, ist einfach: «Man soll sich kleine Ziele setzen - man kann sich nicht von einem Tag auf den anderen ändern.
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