Karl Lauterbach und die psychischen Auswirkungen der Corona-Pandemie

Die Corona-Pandemie hat nicht nur physische, sondern auch erhebliche psychische Auswirkungen auf die Bevölkerung, insbesondere auf Kinder und Jugendliche. SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach schätzt, dass sich die Zahl der Patienten mit chronischer Erschöpfung durch Corona-Langzeitfolgen verdoppeln könnte.

Langzeitfolgen von Corona und psychische Gesundheit

Laut Lauterbach gibt es zahlreiche Formen von Long Covid. Besonders schwerwiegend sei das Chronic Fatigue-Syndrom (CFS), das sich durch Schmerzen, Schwäche, extreme Müdigkeit und Konzentrationsschwierigkeiten äußert.

«Es handelt sich um eine völlig unnormale physische und psychische Erschöpfung schon nach kleinsten körperlichen Anstrengungen», sagte Lauterbach. Menschen, die darunter litten, könnten oft nur wenige Stunden am Tag funktionieren. Betroffene seien so verzweifelt, dass oft sogar Suizidgefahr bestehe.

Vor Corona habe die Zahl der CFS-Kranken bei 250.000 gelegen. «Mit der Pandemie könnte sich diese Zahl verdoppeln.»

Psychische Belastung von Kindern und Jugendlichen

Seit der Pandemie haben viele Mädchen und Jungen mit Depressionen und Ängsten zu kämpfen. Ihre Familien verzweifeln oft bei der Suche nach einem Therapieplatz. Im Laufe der Pandemie nahmen psychische Störungen bei Jugendlichen deutlich zu. Statt sich der Mutter oder einer Freundin anzuvertrauen, beginnen einige damit, sich selbst zu verletzen - oft mit Rasierklingen an Armen und Beinen.

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Wie aus Daten der Krankenkasse DAK hervorgeht, nahmen Depressionen und Essstörungen vor allem bei Mädchen im Alter zwischen 15 und 17 Jahren stark zu. Bei vielen blieben die Probleme bestehen.

Die Nachfrage nach Psychotherapeutinnen und -therapeuten, die Kinder und Jugendliche behandeln, lag noch im Sommer 2022 um 48 Prozent höher als in der Vor-Corona-Zeit.

Kinder- und Jugendlichentherapeutin Cornelia Metge aus Zschopau in Sachsen sieht in ihrer Praxis, dass viele Kinder als Folge der Pandemie massive Ängste im Alltag haben. Ihrer Meinung nach sollte Schule auch ein Ort der Begegnung sein, wo man erzählen kann, dass man Probleme und Schwierigkeiten hat. Zudem müsse die Prävention einen höheren Stellenwert bekommen. «Psychische Gesundheit sollte ein fester Bestandteil des Unterrichts werden», wünscht sich Metge.

Massnahmen der Bundesregierung

Die Bundesregierung hat ein Massnahmenpaket beschlossen, das die Folgen der Pandemie für Kinder und Jugendliche abfedern soll. Ein Schwerpunkt ist die psychische Gesundheit. Unter anderem sollen in einem Modellprojekt sogenannte Mental Health Coaches besonders belastete Schulen unterstützen.

Der Berufsverband Deutscher Psychologinnen und Psychologen (BDP) kritisiert, dass dieses befristete Modellprojekt den Anforderungen keineswegs gerecht werde. «Ideal wäre es, wenn ein Schulpsychologe auf höchstens 1500 Schülerinnen und Schüler kommt, so wie in anderen europäischen Ländern», sagt Andrea Spies, Vorsitzende der Sektion Schulpsychologie im BDP.

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Risikofaktoren und fehlende Therapieplätze

Häufig trifft es Kinder aus ärmeren Familien, mit allein erziehenden Müttern, psychisch belasteten Eltern oder solche, die in beengten Wohnverhältnissen leben.

Psychisch erkrankte Jugendliche müssen meist Monate auf einen Platz für eine ambulante Therapie warten. In der Corona-Zeit waren es laut einer Befragung der Universität Leipzig im Schnitt 25 Wochen. Die Bundespsychotherapeutenkammer fordert eine Änderung der Bedarfsplanung.

Kritik an Lauterbachs Kommunikation

Lauterbach hat während der Corona-Pandemie einen grossen Bekanntheitsgrad erlangt und sich einen Ruf «als Dauermahner» erarbeitet. Das hat ihm auch Kritik eingebracht. So warnte er vor einem möglichen Auftreten einer «Killervariante» des Coronavirus. Lauterbach verteidigte sich gegen den Vorwurf, seine Wortwahl in der Pandemie sei unnötig drastisch.

Entgegen seiner mehrfach dokumentierten Forderung, alle unter 70-Jährigen sollten ein viertes Mal gegen Corona geimpft werden, sagte Lauterbach dem ZDF heute journal: “Ich habe nie gesagt, dass jetzt alle jüngeren Menschen geimpft werden sollen. Die Bild-Zeitung unterstrich die Ungereimtheiten und nannte den Minister “verwirrt”.

Psychische Erkrankungen sind kein Randphänomen

In Deutschland seien jedes Jahr etwa ein Viertel der erwachsenen Menschen von einer psychischen Erkrankung betroffen, schreibt die Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde. Von diesen 17,8 Millionen Menschen nähmen demnach aber nur rund ein Fünftel (18,9 Prozent) Kontakt zu entsprechenden Fachleuten auf.

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Häufige psychische Erkrankungen

  • Angststörungen
  • Affektive Störungen wie Depressionen
  • Störungen durch Alkohol- und Medikamentenkonsum

Während der "Woche der Seelischen Gesundheit" macht ein Aktionsbündnis auf die Bedeutung des Themas aufmerksam. Die Themenwoche sei ein Aufruf, psychische Belastungen bei sich selbst und bei den Menschen im eigenen Umfeld ernstzunehmen, sagte Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD), Schirmherr der Aktionswoche, in einem Grusswort.

Das Aktionsbündnis Seelische Gesundheit will mit der Woche unter dem Motto "Zusammen der Angst das Gewicht nehmen" vor allem auf Ängste in Krisenzeiten eingehen. In der Aktionswoche solle die Hemmschwelle gesenkt werden, "bei Ängsten in Krisenzeiten Hilfe und Unterstützung zu suchen und anzunehmen", so Lauterbach.

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