Der schöne Narziss, ein umschwärmter Junggeselle, geht auf keinerlei Avancen seiner Verehrer und Verehrerinnen ein und wird von der Rachegöttin Nemesis zur Strafe für seine Überheblichkeit verflucht: Er wird dazu verdammt, sich unsterblich in sein eigenes Spiegelbild zu verlieben. Narziss verliebte sich leidenschaftlich in sein eigenes Spiegelbild im Wasser und ging an der Unfähigkeit, den Blick von sich selbst abzuwenden, zu Grunde.
Heutzutage wird der Begriff Narzissmus verwendet, um einen Persönlichkeitsstil zu bezeichnen. Narzisstische Personen fühlen sich anderen gegenüber überlegen. Sie fantasieren über ihren eigenen Erfolg und sie denken, sie hätten Anspruch auf Privilegien, die andere nicht haben. Wenn sie sich gedemütigt fühlen, können sie häufig aggressiv oder gewalttätig reagieren.
Während die Narzissmus-Keule in der Gesellschaft sehr schnell geschwungen wird, ist die narzisstische Persönlichkeitsstörung, wie sie im Diagnostischen und Statistischen Manual Psychischer Störungen (DMS-5) beschrieben wird, sehr selten. Diese beginnt meist im frühen Erwachsenenalter und zeichnet sich durch ein tiefgreifendes Muster aus mehreren Symptomen aus: Betroffene haben ein übertriebenes und unbegründetes Gefühl, ein besonderer und grossartiger Mensch zu sein.
Sie erwarten von anderen stete Bewunderung sowie eine Vorzugsbehandlung und möchten oft nur mit besonders angesehenen Menschen verkehren. Ihr Denken wird von der Vorstellung dominiert, unendlich mächtig, erfolgreich, schön und intelligent zu sein oder zu werden. Ihren Mitmenschen begegnen sie oft ohne Empathie und beuten sie zum eigenen Vorteil aus. Nach aussen hin wirken sie schnell arrogant und überheblich.
Ursachen und Entstehung von Narzissmus
Als Ursache für die Entwicklung dieser Störung wird ein Zusammenspiel aus genetischen Faktoren und Umgebungsbedingungen angenommen. Mehrere psychologische Theorien gehen davon aus, dass die Erziehung eine wesentliche Rolle spielt. So sieht die soziale Lerntheorie narzisstische Züge als Folge übermässigen elterlichen Verhätschelns und der permanenten Botschaft an das eigene Kind, dass es etwas ganz Besonderes und Aussergewöhnliches sei und deshalb auch eine Sonderbehandlung verdient habe.
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Andere Theorien gehen davon aus, dass sich Narzissmus entwickelt, wenn Kinder von ihren Bezugspersonen zu wenig Zuspruch, Anerkennung und Liebe erfahren oder sich dies durch herausragende Leistungen hart erkämpfen müssen. Das überzogene, grandiose Selbst wird in vielen Erklärungsansätzen auch als Strategie angesehen, um ein sehr niedriges Selbstwertgefühl zu kompensieren.
Sowohl im Alltagsverständnis als auch im wissenschaftlichen Diskurs stehen sich dabei zwei komplett gegensätzlich argumentierende Ansätze gegenüber: Die Soziale Lerntheorie und die Psychoanalytische Theorie. Die Soziale Lerntheorie nimmt an, dass Kinder dann narzisstische Züge entwickeln, wenn sie von Ihren Eltern vergöttert werden, das heisst, wenn die Eltern ihr Kind für etwas Besonderes halten, das Anspruch auf eine besondere Behandlung hat.
Die Psychoanalytische Theorie wiederum nimmt an, dass jene Kinder zu Narzissten heranwachsen, die von ihren Eltern zu wenig Wärme und Wertschätzung erfahren haben.
In einer gross angelegten Längsschnittstudie haben Forscher in den Niederlanden diese beiden Annahmen gegeneinander getestet. Sie haben 565 Kinder und deren Eltern viermal in Abständen von 6 Monaten befragt. Die Kinder füllten dabei etablierte Fragebögen zu Narzissmus aus, bei denen sie Fragen beantworteten wie „Kinder wie ich verdienen eine besondere Behandlung“.
Zudem beantworteten sie Fragen zu ihrem Selbstwert (z. B. „Kinder wie ich sind zufrieden mit sich selbst“) und dazu wie viel Wärme sie von ihren Vätern und Müttern erleben (z. B. „Mein Vater/meine Mutter zeigt mir, dass er/sie mich liebt“). Die Eltern wiederum füllten einen Fragbogen aus, der Auskunft darüber gab, wie sehr sie ihr Kind überbewerten. Die Ergebnisse stützen die Soziale Lerntheorie.
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Überbewertung durch die Eltern sagt spezifisch eine Zunahme an Narzissmus bei den Kindern vorher. Die von den Kindern wahrgenommene oder von den Eltern berichtete Wärme hat aber keinen Einfluss auf Veränderungen im Narzissmus. Genau umgekehrt ist es beim Selbstwert der Kinder. Hier hat es keinen Einfluss, ob die Eltern ihr Kind auf ein Podest stellen oder nicht.
Veränderungen im Selbstwert werden einzig davon bestimmt, wie viel Wärme die Kinder bei ihren Eltern wahrnehmen. Was die Eltern in Bezug auf gezeigte Zuneigung berichten spielt dabei keine Rolle. Zusammenfassend zeigen die Ergebnisse dieser Studie, dass nicht ein Mangel an elterlicher Zuneigung die Ursache von Narzissmus darstellt. Kinder können dann narzisstisch werden, wenn sie von ihren Eltern auf ein Podest gestellt und vergöttert werden.
Tabelle: Ergebnisse der Studie zu Ursachen von Narzissmus
| Faktor | Einfluss auf Narzissmus | Einfluss auf Selbstwert | 
|---|---|---|
| Überbewertung durch Eltern | Zunahme an Narzissmus | Kein Einfluss | 
| Wärme der Eltern | Kein Einfluss | Bestimmt Veränderungen im Selbstwert | 
Auswirkungen narzisstischer Eltern auf Kinder
Kinder oder Partnerinnen, die mit einem Menschen mit einer narzisstischen Persönlichkeitsstörung zusammenleben, sind erheblichem Leid ausgesetzt. Denn für ihre eigenen Bedürfnisse, Ziele und Wünsche gibt es oft keinen Platz: Sie fühlen sich unsichtbar. Meist stehen sie unter dem Druck, sich tadellos zu verhalten und den Betroffenen ja nie zu kritisieren oder zu kränken.
Oft sind sie auch Abwertungen, Liebesentzug, emotionalen Ausbrüchen und psychischer Gewalt ausgesetzt. Die Familienmitglieder müssen teilweise als Statussymbol herhalten, dabei aber immer darauf achten, dass sie die Aufmerksamkeit nicht zu stark von der betroffenen Person abziehen. In diesen Familien leidet meist auch das gegenseitige Vertrauen.
Ein narzisstisches Elternteil kann eine enorme Belastung für die ganze Familie darstellen. Die ständige Suche nach Anerkennung, manipulatives Verhalten und fehlende Empathie führen zu Konflikten und grosser emotionaler Belastung. Als Kind mit einem solchen Verhalten der Eltern umzugehen, ist gar nicht so einfach.
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Kinder brauchen Liebe und Geborgenheit. Genau das wird Kindern von Narzissten verwehrt. Narzissten sind ausschließlich mit sich selbst beschäftigt und nicht fähig, den Kindern das zu geben, was sie brauchen. Solche Kinder kommen zu kurz und werden Strategien entwickeln, um möglichst schadensfrei durch die Kindheit zu kommen.
Diese Strategien gehen auf Kosten des Selbstwertes, Selbstliebe und Selbstachtung. Dabei lechzt das Kind nach Anerkennung und Liebe und ist bereit, alles dafür zu tun, damit es dies erhält. Zur Prägung solcher Kinder gehört: ich muss mich anpassen, ich bin nicht gut genug, wenn ich nicht tue, was der andere will, bin ich schlecht, werde abgelehnt und bestraft.
Mit dieser Prägung gehen solche Kinder später als Erwachsene durchs Leben und ziehen dadurch wiederum narzisstische Partner, Chefs und Freunde an. Das Spiel wiederholt sich bis zum Tod, oder bis zur Erkenntnis und dem Entschluss, sich aus dieser toxischen Spirale zu befreien.
Wie verhält sich ein narzisstischer Vater?
Definition “narzisstische Eltern”Ein narzisstischer Elternteil ist jemand, der Merkmale von Narzissmus oder narzisstischer Persönlichkeitsstörung aufweist. Werden die Kinder groß und unabhängig, fühlen sich diese Eltern in ihrer Autorität bedroht. Kinder sind für narzisstische Eltern Mittel zum Zweck und werden instrumentalisiert.
Es wird erwartet, dass diese Kinder die Bedürfnisse der Eltern erfüllen. Narzisstische Eltern missachten persönliche Grenzen und wenden emotionale Gewalt an, um Kinder dazu zu bringen, sich den Erwartungen der Eltern anzupassen. Selten kümmert sich der narzisstische Vater um die Kinder. Er verfolgt seine eigenen Interessen und überlässt die Kindererziehung der Partnerin.
Bei besonderen Ereignissen wie Geburtstage, Konfirmation, Schulabschluss etc., sind sie jedoch da und lächeln stolz in die Kamera. Er fotografiert normalerweise nicht selbst, sondern die Mutter. Deshalb existieren mehr Fotos von narzisstischen Vätern mit ihren Kindern als mit den co-abhängigen Müttern.
Obwohl die Partnerin die Erziehung übernimmt, zeigt er seine Dominanz, wenn es um Entscheidungen geht. Er will bestimmen. Der narzisstische Vater sieht seine Kinder als Teil von sich. Die Kinder gehören ihm und er kann mit ihnen tun, was er möchte. Auch ein Missbrauch wird von ihm als Grundrecht angesehen. Von dieser Überzeugung lässt er sich kaum abbringen.
Der Narzisst erkennt sich in seinem Kind wieder. Er ist der Überzeugung, dass sein Kind das glücklich macht, was auch ihn glücklich macht. Ob er dabei die wahren Bedürfnisse des Kindes respektiert, ist für ihn nicht relevant. Ein Sohn wird vom narzisstischen Vater als Stammhalter auserkoren, unabhängig davon, ob er sich dafür eignet oder nicht.
Falls er sich dazu nicht eignet, wird er mit drakonischen Mitteln gefügig gemacht. Grundsätzlich belohnt der narzisstische Vater seine Kinder, wenn sie sich so verhalten, wie er es möchte. Tun sie es nicht, werden sie nicht nur mit Liebesentzug bestraft, sondern mit Verachtung, Unterdrückung oder gar Schlägen.
Egal was die Kinder machen, es wird nie genügen. Sie enttäuschen ihren Vater ständig und versuchen, dies zu vermeiden. Die guten Eigenschaften haben sie allesamt vom narzisstischen Vater geerbt, die Schwächen natürlich von der Mutter. Versagen die Kinder, hat natürlich die Mutter bei der Erziehung versagt. Da konnten sich nicht einmal seine guten Gene durchsetzen.
Der narzisstische Vater begleitet die Kinder nicht durchs Leben. Er hetzt sie wie Pferde vor seiner Kutsche und verlangt von ihnen alles ab.
Umgang mit narzisstischen Eltern
Als Kind ist man solchen Eltern ausgeliefert und muss einen Weg finden, um zu überleben. Ein narzisstisches Elternteil kann für Kinder zu einer grossen Herausforderung werden. Umso wichtiger ist es, Grenzen zu ziehen, um sich selbst zu schützen. Akzeptieren der eigenen Wahrnehmung und GefühleDer erste Schritt im Umgang mit einem narzisstischen Elternteil ist es, die eigenen Gefühle und Wahrnehmungen anzuerkennen und zu akzeptieren.
Es ist wichtig, dass man sich seiner eigenen Grenzen bewusst ist und lernt, sie zu respektieren. Sich selbst und seine Bedürfnisse ernst zu nehmen, ist ein wichtiger Schutzmechanismus im Umgang mit solchen Persönlichkeiten. Leider ist es nicht so einfach, seine eigenen Grenzen zu kennen. Schliesslich ist man mit diesem Elternteil aufgewachsen und kennt kein anderes Verhalten. Wo also sind die Grenzen?
Als Kind hat man noch nicht die Fähigkeit, sich selbst abzugrenzen. Oft erkennen die Kinder auch erst im Erwachsenenalter, dass sie einen narzisstischen Elternteil hatten. In einer Therapie kann man dann lernen, die eigenen Bedürfnisse wahrzunehmen und sich gegenüber dem toxischen Verhalten des Elternteils abzugrenzen.
Wie man sich abgrenzen kann
- Stärken Sie Ihr Selbstbewusstsein: Aufgrund der ständigen Kritik oder der bewussten Manipulation im Kindheitsalter, leidet oft das Selbstbewusstsein. Um sich gegenüber dem Elternteil abgrenzen zu können und die spitzen Kommentare nicht mehr persönlich zu nehmen, braucht es als ersten Schritt eine Stärkung des Selbstbewusstsein.
 - Grenzen setzen und kommunizieren: Im Umgang mit einem narzisstischen Elternteil ist es essenziell, klare Grenzen zu setzen und diese auch offen zu kommunizieren. Dies schützt Sie vor weiterer Manipulation und hilft Ihnen dabei, Ihre eigenen Bedürfnisse und Wünsche durchzusetzen.
 - Unterstützung suchen: Sich mit anderen Menschen auszutauschen, die ähnliche Erfahrungen gemacht haben, kann sehr hilfreich sein. Es gibt zahlreiche Selbsthilfegruppen und Foren im Internet, in denen Sie Unterstützung finden können. Zudem kann eine professionelle Beratung oder Therapie dabei helfen, die emotionalen Folgen des Umgangs mit einem narzisstischen Elternteil zu bewältigen.
 
Befreiung von narzisstischen Eltern
Der Weg einer solchen Heilung ist lang und schmerzhaft. Es lohnt sich trotzdem, weil man dadurch die Gelegenheit auf ein glückliches Leben erhält, wo man nicht nur funktioniert, sondern sein darf, wie man ist. Die Trennung von narzisstischen Eltern ist vergleichbar mit der Trennung von narzisstischen Partnern. Oft kommt man nicht um einen Kontaktabbruch herum.
Das ist hart, weil das Urbedürfnis eines Kindes die Liebe zu den Eltern ist, was in diesem Fall nicht lebbar ist und als großer Verlust empfunden wird. Dazu kommt das Unverständnis von Angehörigen, die keine Erfahrung mit Narzissmus haben und das Verhalten relativieren mit Sätzen wie: “Versuch mal mit ihnen zu reden” - “Das kommt schon gut” - “Das ist nur eine Phase und geht vorüber”. Mit diesen Menschen zu diskutieren bringt nichts. Das kann man sich sparen. Wer die Erfahrung mit Narzissten nicht kennt, wird auch nie verstehen, was es bedeutet.
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