Richtiges Verhalten bei Falschfahrern: Was tun, wenn ein Geisterfahrer entgegenkommt?

Es ist der Alptraum jedes Autofahrers: Auf der Autobahn kommt einem plötzlich ein Fahrzeug entgegen. Dann bleibt nur wenig Zeit, richtig zu handeln.

Die Realität der Falschfahrer-Problematik

Die Entwicklung ist eigentlich positiv: Die Zahl der Menschen, die bei Unfällen auf Autobahnen getötet wurden, ist nach Angaben des Statistischen Bundesamtes zwischen 2004 und 2014 von 694 auf 375 zurückgegangen. Dennoch: "Pro Jahr ereignen sich in Deutschland zwischen 75 und 80 Unfälle durch Geisterfahrer", erzählt Sven Rademacher vom Deutschen Verkehrssicherheitsrat (DVR). Und diese Zahl ist laut DVR in den vergangenen Jahren vergleichsweise konstant geblieben. Die traurige Nachricht: Etwa jeder sechste dieser Unfälle endet tödlich.

In der Schweiz ereignen sich demzufolge jährlich im Schnitt 13 Falschfahrer-Unfälle mit insgesamt vier Schwerverletzten und zwei Getöteten. Wie die Beratungsstelle für Unfallverhütung BfU mitteilt, sind Unfälle wegen Geisterfahrern auf der Autobahn selten, allerdings wiegen die Folgen dann besonders schwer.

Rund jeder dritte deutsche Autofahrer (36 Prozent) räumte in einer repräsentativen Forsa-Studie im Auftrag der Versicherung CosmosDirekt ein, bereits einmal als Geisterfahrer unterwegs gewesen zu sein. Eine Auswertung dieser Meldungen durch die Experten des ADAC zeigt: Etwa die Hälfte der Falschfahrerwarnungen gibt es bei Dunkelheit, gut 40 Prozent aller Meldungen am Wochenende.

Ursachen für Falschfahrten

Doch warum werden Autofahrer zu Geisterfahrern? "In vielen Fällen lässt sich eine eindeutige Ursache nicht mehr feststellen", sagt Jürgen Berlitz vom ADAC. Das deckt sich in etwa mit den Ergebnissen der Forsa-Umfrage: Mangelnde Ortskenntnisse (66 Prozent) sowie eine irreführende Beschilderung und Ablenkung (jeweils 42 Prozent) gaben die meisten Autofahrer als Grund für ihre Geisterfahrt an.

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Die Zahl der Anschlussstellen zum Beispiel kann nach Erkenntnissen des ADAC eine Rolle spielen. So stellte der Verkehrsclub fest, dass die Stadtstaaten Berlin, Hamburg und Bremen sowie das Saarland bezogen auf die Länge des Autobahnnetzes auf mehr Falschfahrermeldungen kommen als die übrigen Bundesländer. Auch der Zustand der Autobahn kann einen Einfluss haben. So gibt es nach den Erkenntnissen der Experten des Autoclubs in den ostdeutschen Ländern weniger Warnmeldungen als in den Ländern im Westen. Dies kann daran liegen, dass die Autobahnen im Osten neuer und nach aktuelleren Richtlinien gestaltet sind als die im Westen. Die Wegweisung und Beschilderung dürfte in Ostdeutschland vielerorts ebenfalls in einem besseren Zustand sein.

Die Unfallforscher der deutschen Versicherer haben herausgefunden: Über 40 Prozent aller Unfälle infolge von Falschfahrten auf Autobahnen werden von Menschen jenseits des 75. Lebensjahrs begangen. Das ist ein wesentliches Ergebnis eines Forschungsprojekts, das die Unfallforschung der Versicherer am 23. Dass es sich dabei weit überwiegend um Männer handelte, liegt vermutlich eher daran, dass in dieser Altersgruppe überwiegend Männer noch Auto fahren. Besonders erschreckend: In vielen Fällen wurde die Falschfahrt bewusst begonnen, dabei wurde in rund einem Drittel der Fälle im fliessenden Verkehr gewendet. Alkohol spielt mit knapp einem Fünftel der Fälle ebenfalls eine Rolle, zumindest als Begleitumstand, allerdings beinahe ausschliesslich bei Personen unterhalb des 65. Lebensjahres.

Laut einer Untersuchung des bayerischen Innenministeriums aus dem Jahr 2012 sind ältere Autofahrer dabei bedeutend häufiger als Geisterfahrer unterwegs als junge Lenker. Gemäss der Auswertung aller in Bayern auffällig gewordener Falschfahrer in den Jahren zwischen 2008 und 2011 waren 39 Prozent über 70 Jahre alt.

Vielfältige Gründe für Geisterfahrten. Kein Patentrezept für Falschfahrer-Unfälle hat auch BfU-Sprecher Marc Kipfer zu bieten, denn die Gründe seien «sehr vielfältig». Grosse Einbahnschilder etwa würden bei jenen Lenkern nichts ausrichten, die aus verschiedenen Gründen mitten auf der Autobahn ihre Fahrtrichtung ändern würden. Auch seien technische Lösungen wie Lasersysteme, die falsch auffahrende Autos erkennen würden, noch nicht ausgereift und würden noch zu viele Fehlalarme auslösen. Strengere Fahrtauglichkeitstests sind für Kipfer ebenfalls keine Lösung, weil sie der Eigenverantwortlichkeit entgegenstehen würden: «Bescheinigt ein Arzt die Fahrtüchtigkeit für zwei Jahre, sind Lenker geneigt, so lange weiterzufahren», erklärte er «20 Minuten».

Richtiges Verhalten bei einer Falschfahrer-Meldung

Wer eine Meldung über einen Falschfahrer auf seiner Strecke hört, sollte sofort die Geschwindigkeit reduzieren. "Fahren Sie am besten auf dem äusserst rechten Fahrstreifen", rät Berlitz. "Und zwar ohne zu überholen." Wichtig ist auch ausreichender Abstand zum Vordermann. "Wenn möglich, steuern Sie den nächsten Parkplatz an und warten, bis die Gefahr vorüber ist", rät Rademacher. Laut Brockmann ist zwar die bisherige Empfehlung richtig, äusserst rechts zu fahren und nicht zu überholen, jedoch sollte diese um die Empfehlung ergänzt werden, nicht schneller als 80 km/h zu fahren und das Warnblinklicht einzuschalten. Voraussetzung ist eine örtlich verlässliche und zeitnahe Information über die Falschfahrt.

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Sobald man erfährt, dass sich ein Geisterfahrer in der Nähe befindet, solle man direkt auf den rechten Fahrstreifen wechseln. Dies erklärt die Beratungsstelle für Unfallverhütung (BFU). Hier solle man bleiben, genügend Abstand zum vorderen Auto einhalten und nicht überholen.

Der Geisterfahrer solle mithilfe von Lichthupe und Warnblinker auf seinen Fehler aufmerksam gemacht werden. Gleichzeitig solle man das Tempo massiv drosseln und genügend Abstand zum Vordermann halten.

Wenn der Geisterfahrer vorbeigefahren ist, so soll der Autofahrer schnellstmöglich die Polizei kontaktieren. Hier sei es besonders wichtig, dass man so viele Details wie möglich an die Polizei weitergibt. Hierzu zählen Nummernschilder, Farbe und Marke des Autos, sowie der Autobahnabschnitt.

Was tun, wenn man selbst zum Geisterfahrer wird?

Wer selbst zum Geisterfahrer wird, sollte möglichst sofort die Warnblinkanlage und das Licht einschalten, rät ADAC-Verkehrsexperte Berlitz. Menschen, die versehentlich in falscher Richtung auf die Autobahn auffahren und ihren Fehler frühzeitig bemerken, empfiehlt Brockmann, möglichst auf dem Standstreifen stehenzubleiben, das Warnblinklicht einzuschalten und Hilfe zu rufen.

Steuern Sie sofort den nächstgelegenen Fahrbahnrand oder Seitenstreifen an und stoppen Sie Ihr Fahrzeug möglichst dicht an der Leitplanke. Keinesfalls sollten Sie unbedacht und überhastet versuchen, Ihr Fahrzeug auf der Autobahn zu wenden.

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Die Rolle der Polizei

Der TCS erklärt die Aufgaben der Polizei in einer solchen Situation anhand der Kantonspolizei Bern. Einerseits kann die zuständige Streife auf der korrekten Seite der Fahrbahn fahren. Dort versuchen sie, den Falschfahrer mit akustischen und visuellen Mitteln zum Anhalten zu bewegen. Konkret heisst das, die Polizei schaltet Blaulicht und Wechselklanghorn ein und spricht den Falschfahrer über die Aussenlautsprecher an.

Wenn sich aber Polizei und Geisterfahrer auf derselben Fahrbahn befinden, verursacht die Polizei einen künstlichen Stau. So müssen die Fahrzeuge bis zum Stillstand herunterbremsen und das Polizeiauto wird als Rammschutz auf der Fahrbahn platziert.

Konsequenzen einer Falschfahrt

Ganz ohne Folgen bleibt auch eine unbeabsichtigte Geisterfahrt nicht. Selbst wer niemanden gefährdet hat, muss nach Angaben der Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht im Deutschen Anwaltverein (DAV) mit einem Bussgeld von mindestens 200 Euro rechnen. Hinzu kommen zwei Punkte in Flensburg und ein Monat Fahrverbot. Werden andere gefährdet, droht der Entzug der Fahrerlaubnis für mindestens sechs Monate, im schlimmsten Fall sogar eine Freiheitsstrafe.

Bemerkenswert: Vor allem auf kurzen, oft nur wenige Kilometer langen Autobahnabschnitten ist das Risiko offenbar grösser, auf einen Geisterfahrer zu treffen oder selber in falscher Richtung aufzufahren. Auffälligkeiten hinsichtlich des Warnmeldungsaufkommens stellte der ADAC dabei unter anderem auf den Autobahnen A 661, A 391 A 293, A 562 und A 643 fest.

Verhaltensregeln zusammengefasst:

  • Geschwindigkeit reduzieren: Verringern Sie sofort Ihr Tempo.
  • Rechte Spur: Fahren Sie auf dem äussersten rechten Fahrstreifen, ohne zu überholen.
  • Abstand halten: Achten Sie auf ausreichenden Abstand zum Vordermann.
  • Warnblinkanlage: Schalten Sie die Warnblinkanlage ein.
  • Parkplatz ansteuern: Wenn möglich, verlassen Sie die Autobahn am nächsten Parkplatz und warten Sie dort.
  • Polizei informieren: Melden Sie den Falschfahrer der Polizei und geben Sie so viele Details wie möglich an.

Assistenzsysteme in modernen Autos können in Zukunft vielleicht helfen, die Zahl der Falschfahrten weiter zu verringern. Mercedes zum Beispiel bietet für seine Oberklassemodelle schon jetzt eine entsprechende Warnfunktion an. Erkennt das System ein Einfahrverbot, wird der Fahrer akustisch und optisch gewarnt. Noch effizienter können solche fahrzeugspezifischen Warnsysteme werden, wenn die Autos künftig miteinander kommunizieren können.

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