Die psychologische Betreuung von Kindern und Jugendlichen, insbesondere in schwierigen Lebenssituationen, erfordert ein sensibles und umfassendes Vorgehen. Dabei spielen die individuellen Bedürfnisse und die jeweilige Lebenswelt eine zentrale Rolle.
Herausforderungen und Störungsbilder
Kinder und Jugendliche reagieren sehr heftig auf Belastungen, zum Beispiel mit aggressivem Verhalten, Trotzen, Verweigerung der Kommunikation oder mit eskalierenden Konflikten. Auch der Rückzug in die virtuelle Welt oder das Entwickeln einer Essstörung können mögliche «Lösungsversuche» seitens eines Kindes oder Jugendlichen sein.
Bei Verhaltensauffälligkeiten, Erziehungsfragen und familiären Belastungen können folgende Störungsbilder auftreten:
- Aufmerksamkeits- und Hyperaktivitätsstörung (ADS/ADHS)
 - Autismus-Spektrum-Störung (ASS)
 - Angststörungen (Trennungsängste, soziale Ängste, Leistungsängste, spezifische Phobien, selektiver Mutismus)
 - Zwangsstörungen
 - Ticstörungen
 - Anpassungs- und Belastungsstörungen
 - Depressive Episoden
 - Schlafstörungen
 - Störungen des Sozialverhaltens (mit oppositionellem Verhalten)
 - Psychosomatische Störungen
 - Störungen der Ausscheidung (Enuresis, Enkopresis)
 - Bindungsstörungen
 - Frühkindliche Regulationsstörungen
 
Therapeutische Ansätze und Methoden
Die im vorliegenden Kapitel beschriebenen Methoden orientieren an den WZW-Kriterien und an evidenz- und leitlinienbasierten sowie wissenschaftlich fundierten Verfahren. Die im Kapitel Psychiatrie erwähnten psychotherapeutischen Verfahren finden auch im Kindes- und Jugendalter Anwendung. Bei manchen Störungsbildern können auch verschiedene psychotherapeutische Methoden gleichzeitig oder nacheinander notwendig werden.
Beispielsweise wird es bei einem Kind mit ausgeprägtem ADHS und Lese-Rechtschreibe-Störung in aller Regel indiziert sein, die Eltern in die psychotherapeutische Behandlung einzubeziehen und zusätzlich eine spezifische Legasthenie- u/o Ergotherapie zu etablieren. Situationsabhängig kann auch eine ADHS-spezifische Gruppentherapie für die betroffenen Kinder mit Einbezug der Eltern den Behandlungsverlauf unterstützen.
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Häufig werden spieltherapeutische Verfahren angewandt. Diese Methoden sind als "echte" Psychotherapie zu verstehen, da im Gegensatz zum pädagogischen Spiel beispielsweise beim therapeutischen Sandspiel mit Figuren, Puppen, Tieren oder anderen Hilfsmitteln versucht wird, zugrundeliegende Belastungen, Denk- und Wahrnehmungsprozesse zu erfassen, zu analysieren und in einem therapeutischen, je nachdem auch spielbasierten Prozess, Lösungen zu entwickeln.
Auf diese Weise gelingt es dem Kind alternative Wahrnehmungs-, Denk- und Handlungsmuster zu entwickeln und auch Veränderungen im Beziehungserleben und auf der Verhaltensebene zu erreichen. Zudem existiert eine ganze Reihe weiterer Therapieverfahren wie Biofeedback, Kunst-, Gestaltungs- und Musiktherapie, tiergestützte Therapieformen. Diese Therapiemethoden werden von der OKP nicht abgedeckt.
Einbezug der Eltern und Familie
Eltern sind situationsabhängig für Gespräche oder gemeinsame Sitzungen mit den Kindern, also Familientherapien, einzubeziehen. Zum einen benötigen sie im Sinne einer Psychoedukation Informationen über Hintergrund und Behandlungsverlauf einer Störung. Zum anderen ist es häufig so, dass auch sie und weitere für die Beziehung zum Kind wichtige Familienmitglieder ihre Haltung gegenüber dem Kind überprüfen, modifizieren und alternative Denk- und Handlungsstrategien entwickeln müssen.
Psychotherapeutische Verfahren werden bereits bei sehr jungen Kindern mit psychischen Belastungen angewendet. Beispielsweise werden Säuglinge mit persistierenden Schlafstörungen, exzessivem Schreien oder Fütterstörungen vorgestellt. Weitere besorgniserregende Symptome können eine erhebliche u/o andauernde irritable oder dysphorische (meist weinerliche oder apathische) Affektlage darstellen.
Psychische Belastungen der Eltern können sich bereits in frühem Lebensalter erheblich auf die Beziehung zu ihrem Kind auswirken. Eltern und ihre Kinder werden dann in aller Regel nicht isoliert, sondern im Rahmen einer Eltern-Kind-Interaktionstherapie behandelt.
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Frühinterventionen
Durch videobasierte, mikroanalytische Interaktionsbeachtung und andere diagnostische Tests können bei frühkindlichen Regulationsstörungen wertvolle diagnostische Hinweise auf eine beeinträchtigte Eltern-Kind-Beziehung gewonnen werden. Durch die Kombination mit weiteren Therapieverfahren ermöglichen diese spezifischen Behandlungsoptionen sehr frühe Interventionen, insbesondere auch bei elterlichen psychischen Belastungen oder Erkrankungen.
Auch die wenigen in der Schweiz verfügbaren stationären Angebote für Eltern-Kind-Behandlungen stellen kaum ersetzbare Behandlungsmöglichkeiten für frühe Störungen dar, insbesondere eben bei Vorliegen einer elterlichen psychischen Störung.
Ab dem zweiten bis vierten Lebensjahr ist eine Kleinkind-Psychotherapie, die als Spieltherapie unterschiedlicher theoretischer Orientierung durchgeführt werden kann, möglich, die auch schon mit dem Kind alleine erfolgen kann, ohne Eltern im Therapiezimmer. In der Regel wird aus entwicklungspsychologischer Perspektive bis zum Alter von 2 Jahren immer ein Elternteil oder eine enge Bezugsperson anwesend oder einbezogen sein. Die Art und Häufigkeit des elterlichen Einbezugs in höherem Lebensalter hängt stark von der zugrundeliegenden kindlichen Störung respektive der Eltern-Kind-Interaktion ab.
Spezielle Beratungssituationen
Sonderfälle stellen Beratungssituationen dar, in denen auch über eine längere Zeit hinweg nur oder überwiegend Eltern behandelt oder beraten werden, z.B. bei Unklarheiten zur Geschlechtsidentität ihres Kindes (Kostenträger i.d.R. die IV). Einen weiteren Sonderfall stellt psychisch indizierte Rehabilitation für die ganze Familie bei Geburtsgebrechen dar, z.B. bei komplexen Herzfehlern, deren Finanzierung schwierig ist, weil eine vollständige Finanzierung der Behandlung im IVG nicht vorgesehen ist.
Rechtliche Aspekte und Behandlung von Minderjährigen
Grundsätzlich richtet sich die Behandlung von minderjährigen Patientinnen und Patienten nach denselben Grundsätzen wie diejenige von volljährigen Patientinnen und Patienten. Wahrung ihres Selbstbestimmungsrechts sowie der weiteren einschlägigen Gesetzesnormen. Die Behandlung von Minderjährigen kann Ärztinnen und Ärzte vor herausfordernde Rechtsfragen stellen.
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Geht es allerdings um die Wahrnehmung von höchstpersönlichen Rechten, worunter auch die medizinische Behandlung fällt, können urteilsfähige Minderjährige selbst einwilligen, sofern die Zustimmung des gesetzlichen Vertreters nicht gesetzlich vorgesehen ist. Der Behandlungsvertrag zwischen Ärztinnen und Ärzten und urteilsfähigen Minderjährigen kommt also ohne Genehmigung der gesetzlichen Vertreter zustande.
Die Urteilsfähigkeit ist ein relativer Begriff, der im Zusammenhang mit einer bestimmten Handlung beurteilt werden muss. Die Urteilsfähigkeit wird vermutet, solange weder das Kindesalter noch andere Umstände gegen ihr Vorhandensein sprechen. Das bedeutet, dass sich die behandelnden Ärztinnen und Ärzte umso mehr Überlegungen zur Abklärung der Urteilsfähigkeit machen müssen, je jünger die von ihnen behandelten Minderjährigen sind.
Kinder und Jugendliche haben das Recht, über medizinische Behandlungen, für die sie urteilsfähig sind, selbst zu entscheiden. Die Eltern sind jedoch für Unterhalt und Erziehung verantwortlich und können deshalb ein berechtigtes Anliegen haben, in den Informationsprozess einbezogen zu werden. Dies steht im Konflikt zur ärztlichen Schweigepflicht, die bei urteilsfähigen Jugendlichen auch gegenüber ihren Eltern gilt (z.B. Verschreibung eines Verhütungsmittels).
Bei zweifelhafter Urteilsfähigkeit bei Minderjährigen kann es angezeigt sein, dass Ärztinnen und Ärzte sowohl die Minderjährigen als auch die gesetzlichen Vertreter aufklären und deren beider Einwilligung einholen.
Kindesschutz
Meldepflichten gelten für Personen, die nicht dem Berufsgeheimnis unterstehen, falls konkrete Hinweise auf eine Gefährdung der körperlichen, psychischen oder sexuellen Integrität eines Kindes vorliegen, und dieser Gefährdung nicht im Rahmen der beruflichen Tätigkeit Abhilfe geschaffen werden kann.
Meldeberechtigt sind neben anderen Personen auch unter dem Berufsgeheimnis stehende Ärztinnen und Ärzte, sofern eine Meldung im Interesse des Kindes liegt, wenn die körperliche, psychische oder sexuelle Integrität eines Kindes gefährdet erscheint. Ärztinnen und Ärzte sind also berechtigt, aber nicht verpflichtet, eine Gefährdungssituation an die zuständigen Personen oder Amtsstellen wie die Kindesschutzbehörde zu melden.
Hilfsangebote und Beratungsstellen
Es gibt zahlreiche Organisationen und Beratungsstellen, die Unterstützung für Kinder, Jugendliche und Familien in schwierigen Situationen anbieten:
- Die Dargebotene Hand (Tel 143): Rund um die Uhr für Menschen, die ein helfendes und unterstützendes Gespräch benötigen.
 - Pro Juventute Telefonberatung (147): Kostenlos und anonym für Kinder und Jugendliche.
 - LGBTIQ-Helpline: Anlaufstelle für Anliegen zum Leben als lesbische, schwule, bisexuelle, trans, nicht-binäre, intergeschlechtliche oder queere Person.
 
Zudem bieten verschiedene Organisationen wie Caritas, das SRK und Pro Mente Sana Beratungen und Kurse an.
Frühgeburt und ihre psychologischen Auswirkungen
Viele Eltern kommen mit der Frage auf mich zu, wie sie ihr Kind nach einer Frühgeburt am besten begleiten können und was die Kinder brauchen um die Erlebnisse zu verarbeiten. Mir ist es wichtig zu validieren, dass eine Frühgeburt einerseits für alle Beteiligten eine traumatisch erlebte Erfahrung sein kann, die häufig mit Gefühlen der Trennung, Schock, Verunsicherung und Angst verbunden ist.
Die Känguru Methode bietet die Möglichkeit für Eltern und ihr frühgeborenes Kind gemeinsam zu entsapnnen, aufzutanken und Momente der Ruhe im Alltag zu erleben. Spüren Sie als Eltern ihr Kind Haut auf Haut, können die gemischten Gefühle rund um die frühe Geburt wie Angst, Ohnmacht oder Freude zur Ruhe kommen.
Die Entwicklung von sicheren Bindungen ist ein wichtiges Fundament für die körperliche, psychische und soziale Entwicklung des Menschen. Bindung wurde als bedeutsames Grundbedürfnis erkannt. Der Zusammenhang zwischen verlässlichen, positiven Bindungserfahrungen und Resilienz also psychischer und physischer Widerstandsfähigkeit wird im Vortrag erläutert.
Finanzierung der Behandlung
Psychologische Psychotherapie wird über die obligatorische Grundversicherung (OKP) abgerechnet. Dazu brauchen Sie eine Anordnug Ihres Hausarztes/Ihrer Hausärztin, Ihrer Kinderärztin/Ihres Kinderarztes oder Ihrer Psychiaterin/Ihres Psychiaters. Pro Anordnung werden 15 Sitzungen Psychotherapie übernommen.
Die Invalidenversicherung bezahlt Kosten für Psychotherapie bei PatientInnen bis zum vollendeten 20. Lebensjahr, wenn die Therapie unmittelbar der Eingliederung ins Erwerbsleben oder aber der Behandlung von Geburtsgebrechen dient (Art.
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