Die Kunst der Freude: Eine Romanrezension

Goliarda Sapienza schuf mit Modesta eine ungewöhnliche Frauenfigur. Der Roman erzählt die Geschichte von Modesta, die 1900 in ärmlichsten Verhältnissen in Catania, Sizilien, geboren wurde. In ärmlichen Verhältnissen in Sizilien aufgewachsen, wird sie in ein Kloster gebracht, nachdem ihre Mutter und Schwester tot sind. Doch Modesta selbst hat die beiden umgebracht.

Ohne Rücksicht auf Verluste geht sie ihren Weg, ist zielstrebig und hat auch die Entschlossenheit, über Leichen zu gehen, wenn es denn sein muss. Modesta ist ehrgeizig und drängt nach Freiheit und einer gewissen gesellschaftlichen Stellung. Diese erlangt sie, als sie in eine adelige Familie einheiratet und somit als Fürstin ihr Leben bestreitet. Wir begleiten Modeste durch die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts und erleben den Aufstieg der Faschisten und Mussolinis Erfolge.

Dieser mehr als 730 Seiten starke Roman von Goliarda Sapienza hat eine ungewöhnliche Entstehungsgeschichte hinter sich: Um an diesem Roman (im Original „L’arte della gioia“) weiter schreiben zu können, gibt die Schauspielerin Goliarda Sapienza (1924-1996) ihren Job auf. Sie wird letztlich 9 Jahre dafür brauchen und keinen Verlag für ihr Werk finden. Völlig mittellos bestiehlt sie 1980 eine Freundin.

Was niemand weiß: Sie hat Mutter und Schwester ermordet. Als kleines Mädchen missbraucht, wird sie nach dem Tod von Mutter und Schwester in einem Kloster untergebracht. Nach dem Tod der Oberin des Klosters wird sie, als deren Vermächtnis, an eine adelige Familie vermittelt. Hier gelingt es ihr, durch die Heirat mit dem Sohn der Fürstin, der im allgemeinen Sprachgebrauch nur das „Ding“ genannt wird, weil er schwerst behindert ist, ihrem geringen gesellschaftlichen Status zu entfliehen und als Fürstin ihrem Drang nach Unabhängigkeit auszuleben.

Dies hat sie mit der Autorin gemein, denn auch Goliarda Sapienza musste während der Arbeit an diesem Roman ins Gefängnis. Sie gibt ihren Job auf, um Schreiben zu können und findet jahrelang keinen Verlag. Verzweifelt bestiehlt sie eine Freundin und kommt für einige Monate nach Rebibbia. Ihre Erlebnisse hat sie in „Tage in Rebibbia“ verarbeitet.

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Eine ambivalente Hauptfigur

Doch zurück zu „Die Kunst der Freude“. Dieser Roman ist nicht ganz einfach zu lesen. Das liegt vor allem an der Hauptfigur Modesta, die ein ambivalenter Charakter ist. Immer wieder kommt eine deutliche sexuelle Komponente zum Tragen. Da ist zunächst das zarte Entdecken ihres eigenen Körpers der kleinen Modesta, die dann missbraucht und nach dem Mord an Mutter und Schwester in einem Kloster untergebracht wird. Auch hier, wenn auch verstohlen und unter der sprichwörtlichen Bettdecke, kommt es zu sexuellen Übergriffen - diesmal von Nonnen.

Diese Jahre prägen die junge Modesta, die in der Zukunft mit Männern und Frauen kürzere oder längere Beziehungen eingeht. Dabei ist sie nicht selten rücksichtslos und wenig zimperlich, um ihre Ziele zu erreichen. Die Autorin hat mit Modesta eine Frau geschaffen, die so ziemlich jede Regel bricht, um ihren Willen durchzusetzen und dabei auch über Leichen geht.

Der Hauptcharakter Modesta ist nicht unbedingt ein Sympathieträger, so muss man während des Lesens mehrmals die Seiten wechseln. Eine ungewöhnliche, moderne Frau, die mit Durchsetzungskraft und einer gehörigen Portion Egozentrik ihren Weg geht. Gertie G.

Modesta ist ehrgeizig und zielstrebig. Sie scheut sich auch nicht, ihren Körper für ihre Ziele einzusetzen.

Ein grandioses, vielschichtiges Epos, sinnlich, stürmisch, subversiv, kriminell. Die Autorin Goliarda Sapienza hat mit Modesta eine ungewöhnliche Frauenfigur geschaffen.

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