Hochbegabung wird in der Regel als Disposition für eine spätere Hochleistung verstanden.
Intelligenztests zur Feststellung von Hochbegabung
Herkömmlicherweise wurde Hochbegabung mittels eines Intelligenztests ermittelt, der zur Berechnung eines Durchschnittswertes, des Intelligenzquotienten, führte. Von Hochbegabung wurde ab einem Intelligenzquotienten von 130 gesprochen. Das entspricht einem Prozentrang von 98 (das heisst, weniger als 2 von 100 Menschen, die den Test bearbeiten, schneiden besser ab). Intelligenztests müssen für eine fachgerechte Analyse durch qualifizierte Psychologen durchgeführt werden, sollen sie Gültigkeit haben.
Das Drei-Ringe-Modell von Renzulli
Eine Hochleistung in irgendeinem Bereich ergibt sich aus dem Zusammenwirken von bereichsrelevanten, überdurchschnittlichen Fähigkeiten, einem hohen Mass an Kreativität und geistiger Flexibilität und vor allem einem weit überdurchschnittlichen Ausmass an Engagement (jahrelanges Durchhaltevermögen, Hartnäckigkeit und Motivation). Diese drei Hauptfaktoren drückt Renzulli durch drei sich überschneidende Ringe aus. Eine Hochleistung in diesem Sinne bezeichnet Renzulli als "kreative Produktivität". Derartige Hochleistungen werden in der Regel nicht ständig, sondern zu bestimmten Zeiten im Leben erbracht.
Renzulli sieht die Aufgabe insbesondere der Schule, ein begabungsförderndes Umfeld zu schaffen, das den Ausdruck kreativer Produktivität schon bei Kindern und Jugendlichen anregt und ermutigt.
Verhaltensweisen, die auf Hochbegabung hinweisen können
Folgende Verhaltensweisen können schon in frühem Alter auf eine starke Disposition für Hochleistungen hinweisen. Jedoch können auch bei Kindern, die diese Merkmale nicht aufweisen, spätere Hochleistungen nicht ausgeschlossen werden.
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- Künstlerisch begabte Kinder beobachten ihre Umwelt und möchten sie so realistisch wie möglich abbilden. Ihre Zeichnungen wirken oft ausserordentlich räumlich. Das kann Ihnen mit perspektivischen Mitteln gelingen, etwa mit einer Parallelperspektive, wie sie zuweilen schon von 8-Jährigen verwendet wird (in der Regel tun dies 12 bis 13-Jährige). Künstlerisch begabte Kinder erleben beim Gestalten Lust und Freude, Neugierde und Selbstwirksamkeit.
 - Künstlerisch begabte Kinder haben eine sehr klare Vorstellung von dem, was sie interessiert. Sie haben ein ureigenes Bedürfnis zu gestalten. Meistens bewegen sie sich in ihrem Lernprozess autonom und bringen sich Vieles selber bei. Sie sind sehr aktive und neugierige Selbstlerner. Der unbändige Wissensdurst und die Neugierde zeigen sich im wiederholenden und differenzierenden Gestalten eines Motivs. Die Faszination an einem Thema, wie z. B. für Dinosaurier, kann über Jahre bleiben.
 
Früher waren Wissenschaftler mit Bleistift, Farbstiften und Skizzenheft unterwegs. Beobachtungen wurden schriftlich und zeichnerisch festgehalten. Ähnlich verhält es sich bei künstlerisch begabten Kindern. Auch sie beobachten und forschen beim Zeichnen und Gestalten. Etwas realistisch abzubilden oder ein Thema zu erforschen kann die Absicht einer Zeichnung sein. Zudem kann die eigene Fantasiewelt Anlass zum Gestalten geben. Ältere Kinder und Jugendliche interessieren sich oft für Science Fiction und Figuren aus Fantasiebücher, etwa Drachen, Kämpfer oder Mangas. Viele Bücher und Games bewegen sich in Fantasiewelten.
Viele künstlerisch begabte Kinder gestalten täglich in ihrer Freizeit, mitunter während mehreren Stunden. Die Arbeiten sind meist differenzierter, komplexer und anspruchsvoller als solche, die in der Schule entstehen.
Potentialanalyse und Abklärung
Ab 5-6 Jahren - also im Kindergartenalter - kann eine Potentialanalyse beim Schulpsychologischen Dienst beantragt werden. Bei privaten Fachleuten werden auch jüngere Kinder abgeklärt, allerdings ist eine frühe Abklärung nur sinnvoll, wenn es Probleme bei der Entwicklung gibt. Für Kinder, die jünger als 4 Jahre alt sind, gibt es noch keine langzeiterprobten und aussagekräftigen Testverfahren.
Beim Schulpsychologischen Dienst ist eine solche Abklärung normalerweise kostenlos. Bei privaten Fachleuten ist mit Kosten zwischen Fr. 1000.- und Fr. 2000.- zu rechnen, je nach Umfang der Abklärung und Qualifikation der Fachperson. Es empfiehlt sich auf jeden Fall genau zu klären, welche Form der Abklärung sinnvoll ist und bei wem sie gemacht werden soll (Z.B. Fähigkeitsanalyse mit Kurzbericht, umfassende Analyse mit ausführlichem Bericht, usw.).
Die Erziehungsberechtigten können ihr Kind direkt beim Schulpsychologischen Dienst anmelden. In erster Linie empfehlen wir die Schulpsychologischen Dienste der Gemeinden oder der Kantone. Diese sind in der Regel kostenlos. Die Adressen erfahren Sie von den Lehrkräften, den Schulpflegen oder bei der Gemeinde Ihres Wohnortes. Falls Sie sich für eine private Potentialanalyse entscheiden, sind die Abklärungskosten in der Regel selber zu tragen.
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Es hat sich bewährt eine "neutrale" Person, zu welcher Sie Vertrauen haben und welche emotional nicht beteiligt ist, an ein Gespräch zur Unterstützung mitzunehmen. Überlegen Sie, wie Sie Ihr Kind in die anstehenden Entscheidungen mit einbeziehen wollen. Eventuell empfiehlt es sich sogar, das Kind an ein Gespräch mitzunehmen. Lassen Sie sich nicht zu einer Entscheidung drängen, sondern überschlafen Sie die dargelegten Fakten. Vereinbaren Sie einen Entscheidungstermin.
Lesen Sie das eventuell zugestellte Protokoll genau durch.
Förderung hochbegabter Kinder
Die vorliegende Zusammenstellung des Netzwerk Begabungsförderung umfasst die öffentlichen Angebote zur Förderung hochbegabter Jugendlicher während der Volksschulzeit vorab in den Bereichen Sport, Kunst und Musik. Besser bekannt sind die Angebote unter dem Titel „Talentschulen“ oder „Talentklassen“.
Unterforderung in der Schule
Hochbegabte Kinder fühlen sich häufig in Situationen, in denen sie unterfordert sind. So ist die Schule ist ein Ort, an dem das Gefühl der Überforderung schnell entstehen kann. Nach kurzer Zeit der Unterforderung können Kinder Motivationsverluste erleben, nur noch einen minimalen Aufwand für die Schule betreiben oder auch heftige Gefühlsreaktionen zeigen. Beobachtungen legen nahe, dass sich Unterforderung unterschiedlich auf Mädchen und Knaben auswirken kann.
Zudem kann Unterforderung das Verspüren von Langweile verstärken, was zu akademischen Minderleistungen, sogenannten «underachivments», führen kann. Das Erleben von Langeweile kann auch vermehrt zu Depressionen, Ängsten und störendem Verhalten in der Grundschule, sowie zu Selbstverletzung in der Oberstufe führen. Eine Studie aus dem Jahr 2011 berichtete, dass durch Unterforderung die Langeweileerfahrungen in den jeweiligen Hochbegabungsdomänen verstärkt wurden, was sich kontraproduktiv auf ihre Berufswahl ausgewirkt hat.
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Privatschulen als Alternative
Wenn der Schulpsychologische Dienst und die Lehrkräfte für Ihr Kind den Besuch einer Privatschule empfehlen, entscheidet nach Eingabe des entsprechenden Gesuches die nächste Instanz. Sie klärt zunächst, ob alle schulischen Möglichkeiten ausgeschöpft sind und ob die gesetzlichen Bestimmungen für die Finanzierung eines Schulbesuches an einer Privatschule durch die öffentliche Hand erfüllt sind. Erst wenn die Übernahme des Schulgeldes durch die öffentliche Hand (Kanton oder Gemeinde) schriftlich vorliegt, sollten Sie Ihr Kind von der Staatsschule ab- und bei der Privatschule anmelden.
Wenn Sie im Primarschulbereich eine Spezialschule für Begabungsförderung suchen, kann Sie unsere Anlaufstelle Hochbegabung kompetent über das Angebot in Ihrer Wohnregion beraten. Es empfiehlt sich mit der Privatschule eine Vereinbarung zu treffen, damit das Kind 1-2 Wochen schnuppern kann.
IQ-Abklärung als Standortbestimmung
Eine zuverlässige IQ-Abklärung ist eine Standortbestimmung für Eltern und Kinder und die Grundlage für die weitere Förderung. Hochbegabung und Hochleistung sind nicht das Gleiche. Sehr oft sind es nicht die sog. guten Schüler, die besonders begabt sind, im Gegenteil. Kinder und Jugendliche, die ihre Leistung im Schulalltag nicht zeigen können, sog. Minderleister, kommen häufig vor. Sie fallen meist negativ durch ihr Verhalten in der Schule auf.
Sozial-emotionale Kompetenzen
«Ebensowenig lassen sich Defizite bei sozial-emotionalen Kompetenzen Hochbegabter nachweisen. Aber «es lassen sich Risikofaktoren für eine asynchrone Entwicklung finden und wissenschaftlich belegen. Verhaltensbesonderheiten/-änderungen können auf eine mangelnde Bedürfnisbefriedigung hinweisen und unterstützende Massnahmen bedingen. Die Frage der individuellen Passung von Massnahmen ist wichtig. Die Umsetzung der unterstützendenden Massnahmen sollte nicht hinausgezögert werden.»
Studie zu Hochbegabung bei Kindern
Um die damit zusammenhängenden Fragestellungen besser zu verstehen, wurde bei KinderärztInnen der Romandie eine Studie durchgeführt, mit dem Ziel, ihre Praxis und Vorstellungen zu dokumentieren. Die Analyse der Antworten von 83 Pädiater auf einen Onlinefragebogen zeigt, dass die HB zu den Fragestellungen gehört, denen sie sich gegenübersehen, oft im Zusammenhang mit sozio-emotionellen oder Anpassungsschwierigkeiten in der Schule. Die Beobachtungen des Pädiaters zur Entwicklung des Kindes und seinem Umfeld stützen und ergänzen die psychologischen, auf die intellektuelle Leistungsfähigkeit fokussierten Abklärungen.
Ergebnisse der Studie
Es wurden 83 Kinderärzte der Romandie erfasst, wovon 67 weiblich (80.7%) und 16 männlich (19.3%), im Alter von 30 bis über 65 Jahre.
Der Fragebogen zu den Vorstellungen von HB der Kinderärzte wurde speziell für diese Sondierungsstudie entwickelt. Er besteht aus 38 Items und gliedert sich in vier Teile:
- Soziodemografische Daten (8 Items)
 - HB und die Praxis der Kinderärzte (7 Items)
 - Die Vorstellungen von HB der Kinderärzte (10 Items)
 - Die Evaluierung der HB (3 Items)
 
Die Mehrzahl der Kinderärzte (86.7%) findet, dass das HB -Screening zu ihren Aufgaben gehört, wobei 96.4% bestätigen, dass die Frage nach einem möglichen HB gelegentlich von Patienten aufgeworfen wird. Und 81.9% geben an, in ihrer Praxis spezifisch mit der Frage nach Beurteilung von HB konfrontiert zu sein.
Bezüglich Abklärungen der HB denkt die Mehrzahl der Pädiater, dass kognitive Tests (60.2%), Anamnese (59.0%) und klinische Beobachtung von grosser Bedeutung sind. Sie finden, der Psychologe sei die geeignetste Person um HB-Kinder zu identifizieren, und erwähnen dann, nach Häufigkeit geordnet, die Lehrpersonen, die Kinder- und Jugendpsychiater, die Eltern und schliesslich die Kinderärzte.
Die Hälfte der Pädiater (49%) ist der Meinung, dass es sich bei HB vor allem um einen Unterschied handelt. Dass es jedoch, je nach individueller Situation des Kindes ein Vorteil (24%) oder auch ein Nachteil (22%) sein kann.
Die Pädiater sind ebenfalls der Meinung, dass HIP regelmässig mit verschiedenen Störungen assoziiert ist. Beinahe alle Kinderärzte (91.6%) finden eine Sensibilisierung zur Thematik HB sinnvoll, nur 51.8% fühlen sich jedoch genügend ausgebildet, um Kinder mit HB zu erkennen.
Die Kinderärzte betrachten einen IQ über 130 als vorherrschendes Kriterium zur Erkennung einer HB, und stimmen mit dem Konsens in der Literatur überein. Sie betrachten die Anwendung kognitiver Tests bei der Abklärung einer HB als sehr wichtig. Im Allgemeinen in der Durchführung dieser Tests nicht ausgebildet, denken sie, dass Psychologen und Neuropsychologen besser in der Lage sind, HB abzuklären. Sie gründen ihren Verdacht auf eine HB auf Anamnese und klinischer Beobachtung, und erwähnen folgende Eigenschaften, auch wenn diese nicht spezifisch für HB -Kinder sind: Atypische Interessen, existentielle Fragen, Langeweile in der Schule, oder Überempfindlichkeit.
Tabelle: Zusammenfassung der Ergebnisse der Studie
| Aspekt | Ergebnis | 
|---|---|
| Anteil der Kinderärzte, die HB-Screening als ihre Aufgabe sehen | 86.7% | 
| Anteil der Kinderärzte, die bestätigen, dass die Frage nach HB gelegentlich aufgeworfen wird | 96.4% | 
| Wichtigkeit von kognitiven Tests bei der Abklärung | 60.2% | 
| Geeignetste Person zur Identifizierung von HB-Kindern (laut Kinderärzten) | Psychologe | 
| Anteil der Kinderärzte, die HB als Unterschied sehen | 49% | 
| Anteil der Kinderärzte, die eine Sensibilisierung zur Thematik HB sinnvoll finden | 91.6% | 
| Anteil der Kinderärzte, die sich genügend ausgebildet fühlen, um HB-Kinder zu erkennen | 51.8% | 
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