Antidepressiva: Gewichtszunahme oder Gewichtsabnahme als Nebenwirkung

Antidepressiva helfen vielen Menschen aus seelischer Not. Doch sie können unerfreuliche Nebenwirkungen haben. Eine davon ist Gewichtszunahme. Das kann Betroffene dazu veranlassen, die Medikamente zu früh abzusetzen - und so möglicherweise einen Rückfall zu erleiden.

Studie untersucht das Risiko der Gewichtszunahme bei verschiedenen Antidepressiva

Forschende des Harvard Pilgrim Health Care Institute haben untersucht, bei welchen Wirkstoffen das Risiko, an Gewicht zuzulegen, besonders hoch ist - und bei welchen niedriger. Dazu werteten sie Daten von mehr als 180.000 Personen aus, die erstmalig Antidepressiva eingenommen hatten.

Das Forschungsteam um Joshua Petimar verglich das Gewicht der Teilnehmenden sechs, zwölf und 24 Monate nach Beginn der Behandlung - abhängig von den Antidepressiva, die diese eingenommen hatten. Dabei konzentrierten sich die Forschenden auf acht gängige Antidepressiva: Sertralin, Citalopram, Escitalopram, Fluoxetin, Paroxetin, Bupropion, Duloxetin und Venlafaxin.

Als gesundheitlich relevant bewertete die Forschungsgruppe eine Zunahme von mindestens fünf Prozent des Körpergewichts.

Bupropion als Wirkstoff mit dem geringsten Risiko für Gewichtszunahme

Das geringste Risiko für zusätzliche Kilos brachte dabei der Wirkstoff Bupropion mit. Im Vergleich zu Menschen, die das gängigere Antidepressivum Sertralin einnahmen, war das Risiko einer relevanten Gewichtszunahme für Bupropion-Anwendende um 15 bis 20 Prozent geringer.

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Die beiden Wirkstoffe basieren auf unterschiedlichen Wirkmechanismen: Bupropion erhöht den Spiegel der beiden psychisch aktiven Botenstoffe Dopamin und Noradrenalin. Dopamin verstärkt unter anderem den Antrieb, während Noradrenalin den Körper bei physischer und psychischer Belastung aktiviert (Noradrenalin-Dopamin-Wiederaufnahmehemmer, SNDRI).

Sertralin hingegen gehört zur Klasse der Selektiven Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI), die sehr viel häufiger verschrieben werden. Das Hormon Serotonin kann die Stimmung aufhellen und Ängste reduzieren.

Unterschiedliche Effekte auch bei verwandten Wirkstoffen

Allerdings beobachteten die Forschenden auch innerhalb derselben Wirkstoffklasse unterschiedliche Auswirkungen auf das Körpergewicht. Beispielsweise war in den ersten sechs Monaten der Einnahme das Risiko einer relevanten Gewichtszunahme für Anwendende der beiden SSRI Escitalopram und Paroxetin um jeweils 15 Prozent höher als unter Sertralin. Im Vergleich zu Bupropion bedeutet das einen Unterschied von mindestens 30 Prozent.

Ebenfalls ein SSRI ist das mit Abstand am häufigsten eingesetzte Medikament Citalopram. Die Wahrscheinlichkeit, unter der Therapie zuzunehmen, ist nicht wesentlich höher als bei Sertralin. Das SSRI Fluoxetin birgt ein etwas niedrigeres Risiko für eine deutliche Gewichtszunahme als Citalopram.

Venlafaxin gehört zu einer dritten Wirkstoffklasse, den sogenannten Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmern (SSNRI). Es bringt ein etwas höheres Risiko mit sich für eine Gewichtszunahme als Citalopram und Sertralin.

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Wichtige Kriterien bei der Medikamentenwahl

Das wichtigste Kriterium für ein Medikament ist sicherlich die möglichst umfassende Hilfe für den erkrankten Menschen. Und das ist nicht immer gegeben. Ein Wirkstoff, der bei einem Menschen mit Depressionen gut wirkt, schlägt bei dem anderen möglicherweise gar nicht an.

Der Grund dafür zeichnet sich in der Forschung zunehmend ab: So scheinen den Symptomen sehr unterschiedliche Mechanismen zugrunde zu liegen - Umwelteinflüsse spielen ebenso eine Rolle wie genetische Faktoren.

Nebenwirkungen ernst nehmen

Andererseits sind Nebenwirkungen für die Bereitschaft der Patientinnen und Patienten, die Therapie umzusetzen (Compliance) eine wichtige Rolle. Bei der Suche nach einer geeigneten Therapie ist daher wichtig, Wirksamkeit und Nebenwirkungen abzuwägen. Neben der Gewichtszunahme sind das bei Antidepressiva beispielsweise Übelkeit, Mundtrockenheit, Verdauungsprobleme, sexuelle Beschwerden und Abgeschlagenheit.

Solche Nebenwirkungen können sich zu eigenständigen Problemen auswachsen - sie können die Depression ihrerseits verstärken. Übergewicht geht zudem mit den bekannten Risiken für Krankheiten einher, von Diabetes über Herzleiden bis hin zu Krebserkrankungen.

Individuelle, informierte Entscheidungen treffen

„Diese Studie liefert wichtige Hinweise für das Ausmass der Gewichtszunahme, die nach der Einnahme einiger der häufigsten Antidepressiva zu erwarten ist“, sagte Hauptautor und Studienleiter Petimar. „Ärzte und Patienten können diese Informationen unter anderem nutzen, um die für sie richtige Wahl zu treffen.“

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Erkenntnisse aus der Praxis

Obwohl die Gewichtszunahme eine häufig gemeldete Nebenwirkung der Einnahme von Antidepressiva ist und zu mangelnder Therapietreue und schlechteren Ergebnissen führen kann, gibt es nur wenige reale Daten über Gewichtsveränderungen bei bestimmten Medikamenten.

Die Forscher verwendeten elektronische Gesundheitsdaten aus acht Gesundheitssystemen in den Vereinigten Staaten aus dem Zeitraum von 2010 bis 2019. Die Analyse umfasste Informationen über 183‘118 Erwachsene im Alter von 20 bis 80 Jahren, die eines der acht gängigen Erstlinien-Antidepressiva neu einnahmen.

Die Forscher massen das Gewicht der Teilnehmer zu Beginn der Studie sowie 6, 12 und 24 Monate nach Beginn der Behandlung, um die Auswirkungen der Gewichtsveränderung (Intention-to-Treat, ITT) abzuschätzen.

Bei Studienbeginn wurden die Teilnehmer nach dem Zufallsprinzip auf Sertralin, Citalopram, Escitalopram, Fluoxetin, Paroxetin, Bupropion, Duloxetin oder Venlafaxin verteilt. Die am häufigsten verschriebenen Antidepressiva waren Sertralin, Citalopram und Bupropion. Bei etwa 36% der Teilnehmer wurde eine Depression und bei 39% eine Angststörung diagnostiziert.

Unter den selektiven Serotonin-Wiederaufnahmehemmern (SSRI) waren Escitalopram und Paroxetin mit der grössten Gewichtszunahme nach 6 Monaten verbunden, während Bupropion in allen Analysen mit der geringsten Gewichtszunahme verbunden war.

Bei Verwendung von Sertralin als Vergleichspräparat war die 6-Monats-Gewichtsveränderung bei Bupropion geringer (Unterschied, 0,22 kg) und bei Escitalopram (Unterschied, 0,41 kg), Duloxetin (Unterschied, 0,34 kg), Paroxetin (Unterschied, 0,37 kg) und Venlafaxin (Unterschied, 0,17 kg) höher.

Bei Escitalopram-, Paroxetin- und Duloxetin-Benutzern war die Wahrscheinlichkeit, dass sie mindestens 5% ihres Ausgangsgewichts zulegten, um 10-15% höher als bei Sertralin-Benutzern.

Die Wissenschaftler stellten während der Studie nur geringe Unterschiede in der Therapietreue zwischen den einzelnen Medikamenten fest, ausser nach sechs Monaten, als sie bei den Bupropion-Empfängern (41%) höher war als bei denen, die andere Antidepressiva einnahmen (28%-36%).

Mögliche Schwächen der Studie

Die Studie umfasste nur Daten zu Verschreibungen, und die Prüfärzte konnten nicht nachprüfen, ob die Medikamente wie vorgeschrieben abgegeben oder eingenommen wurden.

Zu den weiteren Einschränkungen gehörten fehlende Gewichtsangaben, da die meisten Patienten das Gesundheitssystem nicht genau nach 6, 12 und 24 Monaten aufsuchten und nur 15% bis 30% in diesen Monaten ihr Gewicht gemessen hatten.

Und schliesslich war es aufgrund der geringen Einnahmeraten schwierig, die relativen Gewichtsveränderungen zu den 12- und 24-Monats-Zeitpunkten den spezifischen Medikamenten zuzuordnen, die von Interesse waren.

Duloxetin: Wirkung, Anwendung und Nebenwirkungen

Der Wirkstoff Duloxetin wird zur Behandlung von depressiven Erkrankungen, generalisierten Angststörung, Schmerzen bei diabetischer Polyneuropathie und Blaseninkontinenz eingesetzt. Der genaue Wirkstoffname lautet Duloxetinhydrochlorid, bekannt auch unter den Handelsnamen Cymbalta und Yentreve.

Der Wirkmechanismus von Duloxetin basiert darauf, dass das Antidepressivum den Noradrenalin- und Serotoninspiegel im Nervensystem erhöht, sodass ein stimmungsaufhellender, angstlösender und antriebssteigernder Effekt eintritt.

Nervenzellen im Gehirn kommunizieren über Neurotransmitter miteinander. Es wird somit vor allem bei der Behandlung einer Depression angewendet, die, so vermuten Fachleute, durch einen Serotonin-Mangel entsteht. Serotonin wird als “Glückshormon” bezeichnet. Noradrenalin wirkt als erregender Neurotransmitter antriebssteigernd. Das Stresshormon beeinflusst zudem den Blutdruck und Puls.

Auch ein schmerzstillender (analgetischer) Effekt durch die Erregung schmerzhemmender Nervenbahnen konnte bestätigt werden.

Die Darreichungsform sind Kapseln. Eine Dosis am Tag genügt häufig. Die Einnahme erfolgt idealerweise morgens oder mittags, denn Duloxetin kann das Einschlafen erschweren.

Am Ende der Behandlung wird die Dosis schrittweise über mehrere Tage reduziert. Dieses Ausschleichen vermindert Absetzerscheinungen.

Wie jedes Arzneimittel kann auch Duloxetin Nebenwirkungen haben, die jedoch nicht immer auftreten müssen und oftmals nach wenigen Wochen verschwinden. Eine sehr seltene, aber bedrohliche Nebenwirkung ist das Serotonin-Syndrom. Typische erste Symptome sind innere Erregung, zuckende, verkrampfte Muskeln, Fieber und Desorientiertheit.

Achtung: Bevor der stimmungsaufhellende Effekt eintritt, wirkt Duloxetin antriebssteigernd. Dadurch kann sich bei depressiven Patienten das Suizidrisiko erhöhen.

Gewichtszunahme durch Duloxetin?

Wenn Antidepressiva zur Gewichtszunahme führt, kann dies aus dem gesteigerten Serotoninhaushalt resultieren. Das Glückshormon hat Einfluss auf die Stimmung, den Schlaf und Appetit. Bei weniger als einem Prozent der Patienten kommt es bei der Einnahme von Duloxetin zur Gewichtszunahme.

Die gleichzeitige Einnahme von Duloxetin und MAO-Hemmern sowie synthetischem Antibiotikum, wie Ciprofloxacin und Enoxacin, ist kontraindiziert. Arzneimittel, die die Serotonin-Konzentration im Gehirn erhöhen, sollten nicht mit dem Wirkstoff Duloxetin kombiniert werden. Sonst kann es zum lebensbedrohlichen Serotonin-Syndrom kommen.

Bei der Kombination mit Gerinnungshemmern kann sich die Blutgerinnungszeit verändern, sodass eine engmaschige Überwachung erfolgen sollte. Alkohol verstärkt mögliche negativen Effekte deutlich, während Nikotin die Wirkung vermindert. Bei Rauchern ist die Plasmakonzentration von Duloxetin, verglichen mit Nichtrauchern, um rund 50 Prozent verringert.

Duloxetin darf nicht bei einer Allergie gegen den Arzneistoff oder sonstige Bestandteile eingenommen werden. Die Behandlung darf aufgrund mangelnder Studienlage nicht bei Depressionen und Angststörungen bei Kindern und Jugendlichen erfolgen.

Wie lange verursacht Duloxetin Nebenwirkungen?

Die meisten unerwünschten Wirkungen sind nach zwei bis drei Wochen verschwunden. Der Körper hat sich dann auf den regelmässig verabreichten Arzneistoff eingestellt. Bei abrupter Beendigung der Einnahme kann es ebenso zu Absetzsymptomen kommen.

Wie schnell wirkt Duloxetin?

Bei den meisten Patienten mit Depressionen oder generalisierter Angststörung wirkt Duloxetin innerhalb von 14 Tagen nach Behandlungsbeginn. Es kann jedoch bis zu vier Wochen dauern, bis sich Erkrankte besser fühlen.

Duloxetin oder Venlafaxin - Was ist besser?

Duloxetin und Venlafaxin gehören beide zur Klasse der SNRI. Im direkten Vergleich erweist sich kein Wirkstoff bezüglich der Linderung der depressionsbedingten Beschwerden als überlegen. Mehr Patienten brachen jedoch die Therapie mit Duloxetin wegen negativer Wirkungen ab. In diesem Punkt schneiden die Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI) wie Citalopram besser ab.

Wie wird das Medikament richtig eingenommen?

Das Arzneimittel wird nach ärztlicher Verschreibung mit reichlich Wasser eingenommen. Die Therapie sollte nicht ohne Rücksprache und vor allem nicht abrupt beendet werden.

Agomelatin: Wirkung, Anwendung und Nebenwirkungen

Agomelatin ist ein Antidepressivum. Es ist ähnlich aufgebaut wie das körpereigene Hormon Melatonin und hilft bei schweren Depressionen, Angst- und Schlafstörungen. Der Wirkstoff ist im Vergleich zu anderen Antidepressiva gut verträglich. Häufige Nebenwirkungen betreffen die Leber. Deshalb überprüfen Mediziner während der Behandlung regelmässig die Leberfunktion.

Agomelatin hemmt die Rezeptoren des körpereigenen Botenstoffs Serotonin, die sogenannten 5HT2-Rezeptoren. Infolgedessen setzt der Körper vermehrt die Botenstoffe Dopamin und Noradrenalin im Gehirn frei. So kann der Wirkstoff einen gestörten Dopamin- und Noradrenalin-Stoffwechsel im Gehirn verbessern, der möglicherweise mitverantwortlich für depressive Erkrankungen ist.

Auch bei Angststörungen vermuten Mediziner ein solches Ungleichgewicht der Nervenbotenstoffe. Agomelatin gleicht die Schwankungen der Botenstoffe im Gehirn wieder aus und wirkt so antidepressiv und angstlösend.

Agomelatin hat einen ähnlichen Aufbau wie das körpereigene Hormon Melatonin und kann daher an dessen Bindungsstellen andocken (MT1- und MT2-Rezeptoren). Im Vergleich zu Melatonin ist Agomelatin aber stabiler. So wirkt es länger an den Bindungsstellen als das Hormon selbst:

Die MT1- und MT2-Rezeptoren befinden sich unter anderem im sogenannten Nucleus suprachiasmaticus. Dieser Teil des Gehirns reguliert den Tagesrhythmus (circadianen Rhythmus) und ist bei Depressionen oft ausser Balance. Durch Andocken an die Melatonin-Rezeptoren ahmt Agomelatin die Wirkung des Hormons nach. Auf diese Weise verkürzt es die Einschlafzeit, verbessert die Schlafqualität und bringt den gestörten Tagesrhythmus wieder ins Gleichgewicht.

Es ist wichtig, dass Patienten das Medikament regelmässig über einen ausreichend langen Zeitraum einnehmen, um beschwerdefrei zu sein.

Welche Nebenwirkungen hat Agomelatin?

Bis die stimmungsaufhellende (antidepressive) Wirkung von Agomelatin eintritt, dauert es in der Regel einige Tage bis Wochen. In dieser Zeit steigt womöglich das Risiko für suizidale Gedanken. Ärzte achten deshalb zu Beginn der Therapie besonders darauf, ob sich die Depression des Patienten verschlechtert.

Patienten klagen auch oft über Kopf- und Rückenschmerzen, sind müde oder ihnen ist schwindlig. Zudem können sie schlechter schlafen, entwickeln oft Ängste oder haben Albträume. Gelegentlich sehen sie verschwommen oder hören ein Rauschen oder Klingeln in den Ohren. Mediziner sprechen hier von einem Tinnitus.

Insbesondere zu Beginn der Agomelatin-Therapie treten diese Nebenwirkungen auf. Zudem reagieren Patienten unterschiedlich stark auf den Wirkstoff. Vermeiden Sie es, Maschinen zu bedienen oder Auto zu fahren, bis keine beeinträchtigenden Beschwerden (wie Schwindel) mehr auftreten.

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