Angst ist eine natürliche Reaktion des Körpers und dient dem Schutz vor Gefahren. Doch sobald sie den Alltag beeinträchtigt oder sich gar in Panikattacken entlädt, spricht man in der Medizin von einer Angsterkrankung, die dringend behandelt werden muss.
Formen von Angsterkrankungen
Es gibt drei verschiedene Formen von Angsterkrankungen:
- Panikstörungen
 - Generalisierte Angststörung
 - Phobien
 
Um festzustellen, welche Form vorliegt, muss man sich die Auslöser genauer anschauen. Bei einer Panikstörung treten Panikattacken aus heiterem Himmel auf. Sie sind nicht an einen besonderen Auslöser gekoppelt. Für Betroffene ist das eine zusätzliche Belastung, können sie sich doch nie wirklich sicher sein, eine Situation ohne Panikattacke zu überstehen.
Anders ist das bei spezifischen Phobien wie die Spinnenphobie oder Höhenangst: Hier ist der Auslöser klar definiert, Betroffene können sich also in einem gewissen Rahmen vor ihren Symptomen schützen. Kaum Erfahrungen mit Panikattacken haben hingegen Betroffene von einer generalisierten Angststörung. Zwar machen sie sich übermässig viele Sorgen und haben Angst vor der Zukunft, diese entlädt sich aber nur selten in einer waschechten Panikattacke.
Symptome von Panikattacken
Panikattacken machen sich sowohl körperlich als auch psychisch bemerkbar. Die Symptome treten meist unvermittelt auf und können sehr beängstigend sein. Weil sie von aussen kaum wahrnehmbar sind, können nicht Betroffene die starken Ängste nur selten nachvollziehen und bewerten sie als übertrieben. Für Betroffene sind die Beschwerden jedoch real und besonders in den ersten zehn Minuten am heftigsten. Bei den meisten Angstpatient:innen dauert eine Panikattacke ungefähr eine halbe Stunde.
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Vor allem Herzschlag und Atmung sind während einer Panikattacke anormal. Weil der Körper denkt, er sei in Gefahr, schüttet er die Stresshormone Cortisol und Adrenalin aus. Dadurch verengen sich Blutgefässe, was zu einem schnelleren Herzschlag und flacherem Atem bis hin zu Atemnot führen kann. Diese Symptome sorgen dafür, dass Betroffene Todesängste ausstehen müssen. Weiter tritt starkes Schwitzen, Blässe sowie Zittern auf. Oft wird die Verdauung in Mitleidenschaft gezogen: berichtet wird von Übelkeit, Brechreiz oder Durchfall.
Neben dem starken Gefühl der Angst kann die sogenannte Depersonalisierung auftreten. Betroffene fühlen sich dann verwirrt oder als wären sie nicht ganz da. Bei einer Derealisierung erscheint die Umgebung unwirklich, als würde alles durch Milchglas wahrgenommen werden.
Der Kreislauf der Angst
Je länger Betroffene unter Panikattacken leiden, desto grösser ist die Gefahr, in einen Kreislauf der Angst zu geraten. Der Kreislauf der Angst besteht aus vier Stufen. Der Verlauf von Panikattacken hängt laut Fachpersonen mit vier zentralen Faktoren zusammen:
- Angst machende Gedanken
 - Angst machende Gefühle
 - Körperliche Symptome
 - Angst aufrechterhaltendes Verhalten
 
Die sogenannte «Angst vor der Angst» oder «Erwartungsangst» sorgt dafür, dass sich Menschen mit Angsterkrankungen aus Furcht vor neuerlichen Attacken zurückziehen (sogenanntes Vermeidungsverhalten).
Tipps zur Bewältigung und Vorbeugung von Panikattacken
Psycholog:innen empfehlen ihren Patient:innen die Aneignung von Skills, um in sich in Akutsituationen schneller beruhigen und eine Panikattacke gegebenenfalls abwenden zu können. Was hilft, ist individuell.
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- Konzentrieren Sie sich auf Ihre Atmung: Die sogenannte 4-7-8-Atmung wirkt beruhigend und verhindert Hyperventilieren. Dafür atmen Sie vier Sekunden lang ein, halten die Luft sieben Sekunden lang an und atmen acht Sekunden lang aus.
 - Setzen Sie Grenzen: Wenn Sie kurz vor einer Panikattacke sind, verlassen Sie die Situation und begeben Sie sich an einen Ort, an dem Sie sich wohler fühlen. Auch wenn sich das im ersten Moment komisch anfühlt, ist es besser, als mitten im Getümmel in Panik zu verfallen.
 - Bitten Sie um Hilfe: Wenn Sie etwas brauchen, einen Schluck Wasser vielleicht oder Ihre Notfallmedikamente, bitten Sie Anwesende um Hilfe. Ihr Umfeld ist vielleicht selbst überfordert mit der Situation und froh, wenn Sie klar kommunizieren, was zu tun ist. Wollen Sie zum Beispiel lieber nicht angefasst werden oder würde Ihnen eine Umarmung guttun?
 - Reden Sie sich gut zu: Gestehen Sie sich ein, dass Sie eine Panikattacke haben und darunter leiden.
 
Einige Betroffene empfinden physische Reize, wie sie zum Beispiel scharfe Kaugummis auslösen, als hilfreich. Andere schwören auf Duftöle, die entweder anregend (Pfefferminze) oder beruhigend (Lavendel) sein können. Atemübungen, frische Luft und laute Musik können starken Angstgefühlen ebenfalls entgegenwirken.
Therapieformen bei Angststörungen
Panikattacken werden meist mit einer Kombination aus Medikamenten und Psychotherapie behandelt. Patient:innen sollen lernen, ihre Krankheit zu verstehen und besser mit ihr umzugehen. In einem nächsten Schritt geht es darum, Ängste immer mehr abzubauen, um Panikattacken langfristig zu vermeiden. Am Anfang einer jeden Therapie steht jedoch der Besuch bei einer Fachperson. Das können Hausärzte, Psycholog:innen oder Psychiater:innen sein. Wichtig ist, dass Sie offen mit Ihren Beschwerden umgehen und sie nicht als «übertrieben» oder «ungerechtfertigt» abtun.
Verschiedene Therapieformen schaffen bei Angststörungen Abhilfe. Unter anderem mit der kognitiven Verhaltenstherapie sowie der dazugehörigen Expositions- oder Konfrontationstherapie werden gute und langfristige Ergebnisse erzielt. Unter Anleitung einer Fachperson stellen sich Patient:innen stufenweise ihren Ängsten, um ihr Vermeidungsverhalten abzulegen und besser mit ihrer Krankheit umzugehen. Oft wird der angstauslösenden Situation in einem ersten Schritt in der virtuellen Realität begegnet. Konfrontationstherapien erfolgen einzeln oder in Gruppen.
Da Angststörungen oftmals zusammen mit Depressionen auftreten, können Antidepressiva Abhilfe schaffen. Üblicherweise werden selektive Serotoninwiederaufnahmehemmer (SSRI) mit stimmungsaufhellender und angstlösender Wirkung verschrieben. Als Notfallmedikation haben sich stark angstlösende Medikamente wie Benzodiazepine bewährt. Diese sollten wegen ihres hohen Suchtpotenzials nur im äussersten Notfall und nie über einen längeren Zeitraum angewendet werden.
Ursachen von Angststörungen
Mögliche Ursachen von Angststörungen:
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- Veränderungen der Konzentration verschiedener Botenstoffe im Gehirn: Dies betrifft neben dem Dopamin, auch das Serotonin. Dieser Botenstoff spielt eine wichtige Rolle bei der Regulierung von Angstgefühlen und der Stimmung.
 - Medikamentenwirkungen: Schwankungen im Dopaminhaushalt, insbesondere in Phasen mit schlechter Wirkung, sogenannter «Off»-Phasen, in denen Medikamente wie Madopar nicht mehr ausreichend wirken, neigen Betroffene zu Angstgefühlen, Traurigkeit oder Panikattacken.
 - Individuelle Belastungssituationen und die Auseinandersetzung mit der Krankheit selbst können Panikgefühle auslösen.
 
Angststörungen bei Parkinson-Betroffenen
Angststörungen und Panikattacken treten bei Parkinsonbetroffenen häufig auf. Rund 40 % der Betroffenen entwickeln eine Form von Angststörung. Diese kann sich in diffuse Angst, plötzliche Panik oder in anhaltende Sorgen äussern.
Übersteigerte Ängste zeigen sich auf mehreren Ebenen:
- Gedanken: Zukunftsängste, Katastrophendenken
 - Gefühle: Anspannung, Unsicherheit, Scham
 - Verhalten: Vermeidung, leise Stimme, unsichere Mimik
 - Körperlich: Schwindel, Schweissausbrüche, Übelkeit, Atemnot
 
Angst tritt oft in Kombination mit Depression auf. Ob es sich dabei um eine eigenständige Störung handelt oder ob die Angst ein Teil der Depression ist, ist nicht immer eindeutig.
Statistiken und Fakten
Angststörungen gehören zu den häufigsten psychischen Erkrankungen. Seit der Pandemie hat die Zahl der Betroffenen zugenommen. Das Gesundheitsobservatorium OBSAN beziffert die Häufigkeit der Panikstörung in der Schweiz auf 3,1 Prozent, wobei auch hier Frauen doppelt so häufig betroffen sind wie Männer. Circa 10 Prozent der Männer und 20 Prozent der Frauen erfüllen irgendwann innerhalb eines Jahres die Kriterien irgendeiner Angststörung.
Ambulante Krisenintervention
Die Ambulante Krisenintervention (AKi) für das Bündner Rheintal, entlang der Achse Maienfeld - Thusis, bietet eine aufsuchende Behandlung und Betreuung von Patienten mit akuten psychiatrischen Krisen in der häuslichen Umgebung oder vor Ort des Geschehens an. Mit «Walk-In»-Sprechstunden (Ambulanter Notfall) am Standort der Klinik Waldhaus Chur steht eine zentrale Anlaufstelle auch ohne Anmeldung zur Verfügung. Damit wird ein unkomplizierter Zugang für eine psychiatrische Hilfeleistung für Betroffene geschaffen.
Zusammenarbeit und Unterstützung
Die PDGR arbeiten mit verschiedenen Institutionen, Vereinen und Fachstellen zusammen. Die SVA Graubünden und die PDGR bieten gemeinsam mit dem Angebot «Job Coaching plus» eine Unterstützung und Begleitung von Menschen mit psychischen Erkrankungen bei Schwierigkeiten im ersten Arbeitsmarkt.
Therapeutische Angebote
Das Team des Therapeutischen Dienstes setzt sich aus ausgebildeten Therapeuten zusammen. Sie bieten ein auf die Bedürfnisse und die Zielerreichung des Patienten abgestimmtes therapeutisches Angebot an.
Schulkoffer «Psychische Gesundheit - Ein Koffer zu dir»
Mit dem Schulkoffer «Psychische Gesundheit - ein Koffer zu dir» bringen die PDGR das Thema ins Klassenzimmer. Das Angebot richtet sich einerseits an alle rund 120 Bündner Real- und Sekundarklassen der 3. Oberstufe und deckt entsprechende Inhalte des Lehrplans 21 ab. Er befasst sich insbesondere mit dem fächerübergreifenden Thema Gesundheit und Kompetenzen aus dem Fachbereich Natur, Mensch, Gesellschaft. Andererseits richtet sich das Angebot an Bündner Gymnasialklassen oder Brückenangebote im 9. respektive 10. Schuljahr.
Podcast-Empfehlung
In einer Podcastfolge erzählt Corina, wie sie den Weg aus einer 20-jährigen Angst- und Panikstörung fand.
Umgang mit Panikattacken in der Umgebung
Es ist wichtig, selbst Ruhe zu bewahren, sich der betroffenen Person zuzuwenden und ihre Beschwerden ernst zu nehmen. Sprechen Sie mit der Person und leiten Sie sie zu einer regelmässigen, tiefen Bauchatmung an. Diese ruhige Zuwendung kann die Panik sehr rasch mildern. Fragen Sie konkret, wie Sie helfen können. Viele Betroffene haben Erfahrung und können sagen, was ihnen guttut.