Angst vor Krankheiten, Panikattacken: Ursachen und Therapie

Flugangst, Panik im Aufzug, Spinnenphobie - Ängste sind in der Bevölkerung weit verbreitet. Ängste sind prinzipiell überlebensnotwendig. Ohne sie würden wir im reissenden Fluss ertrinken, vom hohen Baum stürzen oder blind jedem Bösewicht vertrauen.

Bei manchen Menschen schiessen diese sinnvollen Emotionen jedoch über das normale Mass hinaus. Ihre Angst übersteigt die objektiv von einer Situation ausgehende Gefahr. Betroffene können oft ihre Gefühle in dieser Situation überhaupt nicht mehr kontrollieren.

Ist eine solche Angst krankhaft gesteigert und behindert den Alltag, sprechen Fachleute von einer Angststörung. Angststörungen sind eine besonders häufig auftretende psychische Krankheit. Rund 15 bis 20 Prozent aller Schweizer/-innen sind davon im Laufe ihres Lebens betroffen. Fachkräfte gehen davon aus, dass mindestens jede und jeder zehnte Schweizer/-in bereits eine Panikattacke erlebt hat.

Was ist eine Angststörung?

Angststörungen hingegen unterscheiden sich von normaler Angst. Es gibt verschiedene Angststörungen. Unterschieden werden sie anhand der Ursache, welche die Angst auslöst. Bei einer Angststörung beherrscht die Furcht die gesamten Gedanken und meist auch den Körper der betroffenen Person. Die Gedanken fokussieren sich nur noch auf das (gefühlte) Problem. Typischerweise tritt diese Angst nur in bestimmten Situationen auf.

Manchmal finden sich Mischformen verschiedener Angststörungen. Bei einer Angststörung gehen die Ängste über ein Unwohlsein in einer Situation hinaus und sind häufig mit körperlichen Reaktionen verbunden.

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Hier sind einige Beispiele für Angststörungen:

  • Panikstörung: Geraten Sie plötzlich in Angst?
  • Soziale Phobie: Haben Sie Angst, dass andere Menschen Ihr Verhalten als dumm oder peinlich einschätzen könnten?
  • Spezifische Phobie: Haben Sie Angst vor bestimmten Tieren, etwa Hunden, Spinnen oder Insekten? Oder haben Sie Angst vor einer Situation, etwa einem Gewitter oder grosser Höhe?
  • Generalisierte Angststörung: Kreist Ihr Denken häufig lange Zeit um Probleme, die objektiv betrachtet gar nicht so bedrohlich sind?

Die "Angst vor der Angst"

Mit der Zeit kann aber auch die Erwartung einer Angstreaktion in bestimmten Situationen hinzukommen, die „Angst vor der Angst“. Um die damit verbundenen negativen Gefühle zu vermeiden, weicht die betroffene Person diesen Situationen immer mehr aus. Damit vermindert sich jedoch auch die Umgangsroutine mit solchen Situationen, und die Angst vor der Angst wird immer grösser. In vielen Fällen sind sich Betroffene sogar bewusst, dass ihre Furcht übertrieben ist.

Körperliche Symptome

Starke Angstgefühle gehen häufig mit körperlichen Beschwerden einher. Insbesondere bei einer Panikattacke können diese Symptome so ausgeprägt sein, dass die Betroffenen zunächst von einer körperlichen Erkrankung, beispielsweise einem Herzinfarkt ausgehen und sich notfallmässig untersuchen lassen.

Ursachen von Angststörungen

Die Ursachen für eine Angststörung sind vielfältig. Stärker gefährdet sind Menschen mit schwierigen Kindheitserfahrungen und vielfältigen Belastungen im Leben. Auch genetische Faktoren können eine Rolle spielen. Häufiger betroffen sind Menschen mit wenigen sozialen Beziehungen.

Weitere mögliche Ursachen sind:

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  • Langanhaltende Belastungen (Stress)
  • Innerpsychische Konflikte
  • Negative Lebenserfahrungen und biographische Prägungen
  • Traumatische Erlebnisse
  • Gestörtes Gleichgewicht von Botenstoffen (Neurotransmitter)

Diagnose von Angststörungen

Oft dauert es lange, bis Betroffene uns aufsuchen. Dabei schildern sie eher ihre körperlichen Begleiterscheinungen als den Kern der Krankheit. Die Untersuchung bei uns besteht in erster Linie in einem gemeinsamen Gespräch, in welchem Sie Ihre Beschwerden schildern und wir uns ein möglichst genaues Bild der Symptome und möglicher Ursachen machen. Zur Einordnung der Erkrankung werden wir beim ersten Treffen eine Reihe von Fragen stellen (Anamnese). Oft bitten wir Sie auch, ein Angsttagebuch zu führen.

Manche körperlichen Erkrankungen können ähnliche Symptome verursachen wie Angststörungen, beispielsweise eine Schilddrüsenüberfunktion oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Daher wird zu Beginn einer Therapie in gewissen Fällen eine körperliche Untersuchung veranlasst.

Ob es sich bei Angstsymptomen um eine psychische Erkrankung handelt, hängt vom Ausmass der Angst ab. Gradmesser hierfür sind die Intensität und Häufigkeit, aber auch die resultierende Beeinträchtigung und der Leidensdruck beim Betroffenen. Die Diagnose erfolgt in einer umfassenden klinisch-psychiatrischen Untersuchung durch eine Fachperson (Psychiater, Psychiaterin oder Psychologin, Psychologe). Neben diesen ausführlichen Gesprächen zählen bei Bedarf auch testpsychologische sowie körperliche Untersuchungen (inklusive Routinelabor und EKG) zu den Massnahmen der Diagnose.

Therapie von Angststörungen

Insgesamt lassen sich Angststörungen gut behandeln. Wie bei allen psychischen Erkrankungen ist es jedoch wichtig, ein Gleichgewicht zwischen belastenden und entlastenden Lebensaspekten zu finden. Dabei helfen ein stabiles Netzwerk an sozialen Beziehungen, Hobbys oder auch regelmässige Bewegung - sowohl durch Sport als auch durch Spaziergänge. Wer Symptome einer Angststörung bei sich feststellt und sich dadurch im Alltag beeinträchtigt fühlt, ist bei uns willkommen: Je früher eine erkrankte Person behandelt wird, desto besser sind die Heilungschancen.

Es gibt verschiedene Möglichkeiten, eine Angststörung in den Griff zu bekommen:

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  • Psychotherapeutische Behandlung: gut untersucht ist die kognitive Verhaltenstherapie.
  • Entspannungsmethoden wie autogenes Training oder progressive Muskelentspannung sowie Atemübungen.
  • Inzwischen gibt es wissenschaftlich gut belegte, differenzierte Behandlungsmethoden.

Therapie der ersten Wahl ist die Psychotherapie. Dabei kommen verschiedene Verfahren in Frage, die individuell auf die konkrete Situation zugeschnitten werden.

Kognitive Verhaltenstherapie

Als Behandlungsform kommt bei einer Panikstörung zumeist die kognitive Verhaltenstherapie zum Einsatz. Diese Therapieform unterstützt die kritische Hinterfragung und Veränderung von automatischen Denkmustern. Gewisse Denkmuster, die sich in einem frühen Alter bilden, begünstigen die Entstehung und Aufrechterhaltung von Angst. Sie laufen in bestimmten Situationen automatisch ab und lösen bei der betroffenen Person Angst aus. Im Kontext einer Panikstörung könnte ein automatisches Denkmuster beispielsweise sein, dass Herzklopfen als ein Anzeichen für eine ernstzunehmende Erkrankung bewertet wird, was anschliessend Angst auslöst. Mithilfe der kognitiven Verhaltenstherapie kann das Herzklopfen als normale Reaktion auf körperliche Anstrengung neu-bewertet und das automatische Denkmuster, das zuvor Angst ausgelöst hat, in eine neue Richtung gelenkt werden.

Ein weiterer Teil der kognitiven Verhaltenstherapie bildet die Psychoedukation. Psychoedukation bedeutet, dass den Betroffenen erklärt wird, wie eine Panikstörung entsteht und durch was sie sich auszeichnet. Sie dient der Informationsvermittlung und soll das Krankheitsverständnis der Betroffenen verbessern. Wissen und Verständnis über die Mechanismen einer Erkrankung wirken meist angstreduzierend.

Eine weitere wichtige Komponente bei der Behandlung von Panikstörungen ist die Expositionstherapie. Bei der Expositionstherapie werden zuerst die Hintergründe der Angsterkrankung herausgearbeitet und anschliessend die angstauslösenden Situationen gemeinsam mit dem Therapeuten besprochen und zusammengetragen und auch das Vermeidungsverhalten, das die Angst aufrechterhält, identifiziert. Nach einer ausführlichen Vorbereitung setzen sich die Betroffenen in therapeutischer Begleitung den verschiedenen angstauslösenden Situationen bewusst aus. Ziel ist es, die Situation ohne Vermeidungsverhalten zu ertragen, bis die Angst sich wieder abbaut.

Medikamentöse Therapie

Bei der Panikstörungen kommen manchmal zusätzlich zur Psychotherapie, und in wenigen Fällen auch ohne Psychotherapie, Medikamente zum Einsatz. Die wichtigste Medikamentengruppe, die bei einer Panikstörung verschrieben wird, sind Antidepressiva. Antidepressiva haben einen positiven Einfluss auf die Häufigkeit der Panikattacken wie auch auf deren Schwere. Deren Wirkung tritt meist erst ein paar Wochen nach der regelmässigen Einnahme ein. Sie eignen sich daher nicht zur kurzfristigen Behandlung. Antidepressiva werden nach der Besserung der Symptome weiterhin für einige Monate eingenommen, um das Risiko einer erneuten Verschlechterung resp. von Rückfällen zu verringern.

In Ausnahmefällen werden zur Akutbehandlung zudem Benzodiazepine (Tranquilizer) verschrieben. Dies kann Sinn machen, wenn die Panikattacken sehr häufig auftreten und eine schwere Form annehmen. Benzodiazepine wirken angstlösend und können daher eine schnelle Linderung der Symptome ermöglichen. Sie können aufgrund der guten Wirksamkeit bei einer regelmässigen Einnahme jedoch zu einer Medikamentenabhängigkeit führen und somit das Problem noch verstärken.

Weitere Therapieansätze

Neben der kognitiven Verhaltenstherapie kann auch die tiefenpsychologische Therapie angewandt werden. Bei diesem Ansatz liegt der Schwerpunkt darauf, verschüttete oder verdrängte Konflikte oder Erlebnisse aus der Vergangenheit aufzuarbeiten. Diese Erlebnisse oder Konflikte können eine (Mit-)Ursache für die Entstehung einer Panikstörung darstellen und deren Bearbeitung so zur Reduktion der Symptome führen.

Weiter werden achtsamkeits- und akzeptanzbasierte Ansätze angewandt. Diese legen den Fokus darauf, die aktuellen Beschwerden nicht möglichst rasch “wegtherapieren” zu wollen, sondern diese und auch die eigenen Gedanken und Gefühle erst einmal anzunehmen und zu akzeptieren. Dies kann ebenfalls zu einer Entlastung und so indirekt zu einer Verbesserung der Beschwerden führen.

Was können Sie selbst tun?

Da sich meist keine einzelne Ursache für eine Angststörung identifizieren lässt, bestehen wenig Möglichkeiten der Vorsorge.

Einige Tipps zur Vorbeugung und zum Umgang mit Panikattacken:

  • Ein stabiles Netzwerk an sozialen Beziehungen pflegen
  • Hobbys nachgehen
  • Regelmässige Bewegung durch Sport oder Spaziergänge
  • Frühzeitig Hilfe suchen

Statistiken zu Angststörungen

Circa 10 Prozent der Männer und 20 Prozent der Frauen erfüllen irgendwann innerhalb eines Jahres die Kriterien irgendeiner Angststörung [1]. Das Gesundheitsobservatorium OBSAN beziffert die Häufigkeit der Panikstörung in der Schweiz auf 3,1 Prozent, wobei auch hier Frauen doppelt so häufig betroffen sind wie Männer.

Vereinzelte Panikattacken sind relativ häufig. Bis zu 20 Prozent der Menschen erleiden mindestens einmal in ihrem Leben eine Panikattacke. Frauen sind häufiger betroffen als Männer. Doch macht eine einzelne Attacke noch keine Panikstörung aus. Die Wahrscheinlichkeit, eine Panikstörung während des gesamten Lebens zu entwickeln, beträgt bei Frauen 5,5 Prozent und bei Männern 2,2 Prozent.

Die folgende Tabelle fasst die Häufigkeit von Angststörungen zusammen:

Angststörung Häufigkeit bei Männern Häufigkeit bei Frauen
Irgendeine Angststörung (innerhalb eines Jahres) 10% 20%
Panikstörung in der Schweiz (OBSAN) 3.1% (Frauen doppelt so häufig betroffen wie Männer)
Wahrscheinlichkeit, eine Panikstörung im Leben zu entwickeln 2.2% 5.5%

Quellenangaben:

[1] Solis EC et al.: The 9-year clinical course of depressive and anxiety disorders: New NESDA findings. J Affect Disord. 2021;295:1

[2] Peter, C., Tuch, A. & Schuler, D. (2023). Psychische Gesundheit - Erhebung Herbst 2022. Wie geht es der Bevölkerung in der Schweiz? Sucht sie sich bei psychischen Problemen Hilfe? (Obsan Bericht 03/2023).

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