Absenzen wegen kranker Mitarbeiter sind auf einem Allzeithoch. Die Kosten für die Firmen steigen - oft verursacht durch Krach im Job. Depressionen, Lustlosigkeit, Müdigkeit - erschreckend oft haben diese Symptome ihren Ursprung am Arbeitsplatz.
2022 waren die Absenzen am Arbeitsplatz auf einem Allzeithoch, wie Zahlen des Bundes zeigen. Ein Angestellter fehlte im Schnitt 9,3 Tage wegen Krankheit oder Unfall bei der Arbeit. Das ist ein Anstieg von 50% gegenüber 2012.
Für die Unternehmen geht das massiv ins Geld. Sie werden auf zwei Arten belastet: Einerseits kommen sie bei einer Absenz weiterhin für den Lohn auf - je länger sie dauert, desto mehr kostet es. Andererseits steigen die Versicherungsprämien.
Unternehmen können sich gegen hohe Kosten bei längeren Krankheiten schützen, indem sie eine Krankentaggeld-Versicherung abschliessen. Die greift meist bei einer Absenz von mehr als 30 Tagen. Doch: Je mehr Absenzen eine Firma hat, desto teurer werden die Prämien. Sie sind zuletzt stark gestiegen.
Weil die Angestellten nicht mitteilen müssen, woran sie leiden, kann über die Hintergründe nur spekuliert werden. Zwei Trends sind jedoch feststellbar: Corona hat die Menschen für Krankheiten sensibilisiert. Sie bleiben eher zu Hause, wenn sie sich nicht fit fühlen. Darauf deuten die Arztbesuche hin, die überdurchschnittlich zunehmen.
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Zweitens leiden Menschen vermehrt an psychischen Krankheiten. «Diese tun den Versicherungen besonders weh, denn die Absenzen sind sehr lange. Ursache dafür ist sicher auch eine erhöhte Akzeptanz für psychische Krankheiten in der Gesellschaft», sagt Simon Tellenbach, Geschäftsleiter Firmenkunden beim Beratungsunternehmen Vermögenszentrum (VZ). Im Schnitt fehlt eine Person zwischen sechs und sieben Monaten.
Was den Firmen besonders zu denken geben sollte: «Etwas mehr als 50% aller psychischen Arbeitsunfähigkeiten werden durch Konflikte am Arbeitsplatz ausgelöst», sagt Tellenbach.
Dass der Stress im Job - ob nun gefühlt oder real - in der Schweiz zunimmt, ist durch verschiedene Studien erwiesen. Etwa den «Barometer Gute Arbeit», welcher die Gewerkschafts-Dachorganisation Travail Suisse jedes Jahr mit der Berner Fachhochschule (BFH) erstellt. Zwar ist die Beschäftigungslage gut und die Angst davor, die Stelle zu verlieren, laut dem Barometer so tief wie noch nie. Dafür steigt die Arbeitsbelastung. 43% der Schweizerinnen und Schweizer fühlen sich an der Arbeit gestresst. 2016 waren es noch knapp 38%. Ein Drittel gaben in der Travail-Suisse-Befragung an, in ihrer Freizeit zu arbeiten.
Kommt hinzu: Es gibt in der Schweiz immer mehr Chefs. Für die Einzelnen mag dies ein Karrieresprung sein. Doch je mehr Führungskräfte in einer Firma, desto grösser ist die Komplexität und das Konfliktpotenzial. «Viele Vorgesetzte sorgen für unnötigen Mehraufwand, der an den Untergebenen hängenbleibt», sagte Sozialpsychologe Jakub Samochowiec, der das Phänomen untersuchte, zur «NZZ am Sonntag».
Das VZ bietet seinen Firmenkunden Beratungen in Sachen Gesundheitsmanagement an. Das Ziel: Krankheiten und damit auch Kosten zu reduzieren. Die Nachfrage ist da: «Meist sind es Unternehmen, die mit starken Prämienerhöhungen konfrontiert waren und zum Schluss kamen, dass es so nicht weitergehen kann», sagt Simon Tellenbach.
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Wichtiger Bestandteil sind Präventionsworkshops. Dabei lernen Führungskräfte, Warnsignale früh zu erkennen und auch anzusprechen. «Vor allem Firmen mit überdurchschnittlich vielen Absenzen können viel Geld sparen, wenn sie sich professionell darum kümmern», sagt Tellenbach.
Eine Umfrage bei grossen Schweizer Arbeitgebern zeigt, dass sie die Zeichen der Zeit erkannt haben. «Wir haben schon diverse Massnahmen im Bereich der Prävention, Führung und Reintegration ergriffen», schreibt beispielsweise die Post. Sie hat im März in der Deutschschweiz ein Angebot lanciert, welches den Mitarbeitern rund um die Uhr anonyme Unterstützung anbietet. So gibt es auch «Kurz-Inputs zu Themen der psychischen Gesundheit». Weil die Resonanz gross sei, werde das Programm nun auf die weiteren Landesteile ausgeweitet.
Bei der Swisscom lag die Absenzenquote im letzten Jahr bei 3%. Das bedeutet: Von 100 Angestellten fehlten im Schnitt jeden Tag drei Personen - ein absoluter Höchstwert für das Unternehmen. Die Swisscom will Resilienz fördern und hat diverse Präventionsmassnahmen zu Stress eingeführt. Zudem bietet sie Kurse für mentale Gesundheit an, die speziell auf Jugendliche zugeschnitten sind.
Die Schweizer Grossunternehmen gehen davon aus, dass der Höhepunkt punkto Krankheitstage erreicht ist. «Die krankheitsbedingten Absenzen sind im laufenden Jahr bislang tiefer als noch 2022», schreibt beispielsweise Coop.
Das bedeutet aber nicht, dass sich die Kosten stabilisiert haben. «Wir richten aktuell gegenüber dem Jahr 2022 zirka 4 bis 5% mehr Leistungszahlungen aus», teilt die Swica mit. Die Krankenkasse ist der grösste Player im Geschäft mit Krankentaggeldern, mit denen sich Firmen gegen Langzeitabsenzen versichern können. Zwar sei die Anzahl der Fälle zurückgegangen, schreibt die Swica. Aber: «Die Dauer der Arbeitsunfähigkeit hat sich erhöht.»
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Geschätzt haben rund 80% der Firmen in der Schweiz eine Taggeldversicherung abgeschlossen. Die Kosten sind enorm. Allein für die Prämien 2021 zahlten Firmen den Versicherungen 4,6 Mrd. Fr. Dies geht aus einer Studie des VZ hervor. Es gibt aber auch Unternehmen, die bewusst auf eine Versicherung verzichten. Etwa die SBB. «Steigen Krankheitstage an, steigen auch die Kosten», schreibt das Unternehmen.
Zusätzlich zu den Ausgaben kommt für Firmen vermehrt ein weiteres Problem hinzu. Fällt eine Person länger aus, kann sie nicht so einfach ersetzt werden. In vielen Branchen ist der Markt für Fachkräfte ausgetrocknet. So stellt die Migros fest: «Analog der gesamtschweizerischen Entwicklung können auch wir seit der Pandemie einen Anstieg an Absenzen wahrnehmen. Zusätzlich beschäftigt uns auch der Arbeitskräftemangel.»
Ob sie wollen oder nicht: Chefs kommen heutzutage nicht mehr darum herum, sich mit der Gesundheit ihrer Angestellten auseinanderzusetzen.
Gute Arbeit fördert das Wohlbefinden und Selbstwertgefühl. Mit psychosozialen Risiken sind Risiken für Gesundheitsbeeinträchtigungen gemeint.
Psychosoziale Risiken lassen sich ebenso systematisch angehen wie andere Risiken im Bereich Sicherheit und Gesundheitsschutz.
Das Projekt VitaLab der Stiftung Gesundheitsförderung Schweiz unterstützt KMU mit Betriebsanalysen, Coachings, Weiterbildungen, Interventionen und Impulsreferaten bei der Umsetzung des betrieblichen Gesundheitsmanagements.
Führungspersonen gaben an für ihren Einfluss auf die Gesundheit der Mitarbeitenden eine höhere Sensibilität entwickelt zu haben und neue Erkenntnisse zum Führungsstil gewonnen zu haben, regelmässiger Sitzungen zu machen und dass sich der Teamgeist verbessert hätte.
Die Befragung von Führungspersonen und deren Mitarbeitenden zeigt teilweise unterschiedlich Einstellungen zu strukturellen Massnahmen wie z.B. der Ermittlung der Gesundheitsgefährdung: Geschäftsführer wollen eher kein standardisiertes Vorgehen, während Mitarbeiter vorwiegend der Meinung sind, dass regelmässige Gespräche bzw.
Unter der Leitung von Monica Basler und Dr. Gian-Claudio Gentile untersuchte ein Team der Hochschule Luzern, welche strukturellen und organisationalen Voraussetzungen notwendig sind, um die Sicherung und Förderung der psychosozialen Gesundheit im Managementsystem eines Grossunternehmens zu integrieren.
Gestützt auf diese und weitere Erfahrungen aus anwendungsorientierten Forschungsprojekten der Hochschule Luzern Soziale Arbeit und Wirtschaft sowie aufgrund von evidenzbasierten Konzepten wurden Kriterien guter Praxis entwickelt.
Immer mehr Betriebe haben Anlaufstellen eingerichtet, an die sich Mitarbeitende bei Konflikten am Arbeitsplatz wenden können.
Ziel der Arbeit ist es, diejenigen Faktoren herauszuarbeiten, die für den Erfolg einer Anlaufstelle entscheidend sind.
Die Aufgaben der Vertrauenspersonen sollen für alle klar sein: Soll die Stelle betroffene Personen unterstutzen oder haben sie die Aufgaben zwischen den Parteien zu schlichten.
Die Frage ob die Vertrauensstelle intern oder extern sein soll, hängt stark von der Betriebsgrösse ab. Eine interne Vertrauensstelle scheint nur für sehr grosse Betriebe geeignet zu sein.
Eine systematische Zusammenfassung der wissenschaftlichen Literatur zu gesundheitsbezogenen Interventionen in Betrieben von Prof. Achim Elfering (Universität Bern) hat gezeigt, dass die Anzahl dokumentierter Interventionsmassnahmen in den letzten Jahren deutlich zugenommen hat.
Zum einen lassen sich personenbezogene Interventionen durchführen, die direkt auf die Fähigkeiten und Fertigkeiten der Personen und deren Umgang mit Stress abzielen. Zum anderen können Interventionen auf den Bereich der Arbeitsorganisation ausgerichtet sein.
Arbeitsorientierte Interventionen sind leichter in KMUs implementierbar: höhere Teilnehmerquote, Unterstützung Management abgesichert, Übersichtlichkeit gewährleistet.
Mit dem Ziel, die Prävention psychosozialer Risiken zu verstärken, hat das Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO) mit Unterstützung von Sozialpartnern und dem interkantonalen Verband für Arbeitnehmerschutz (IVA) seit dem 1. Januar 2014 einen neuen Vollzugsschwerpunkt lanciert.
In Übereinstimmung mit den kantonalen Arbeitsinspektoraten, die schweizweit mit dem Vollzug des Arbeitsgesetzes betraut sind, wird das Augenmerk bei den geplanten Kontrollaktivitäten auf die psychosozialen Risiken gerichtet.
In unserer schnelllebigen Welt fühlen sich Arbeitnehmende immer öfter überfordert, Erschöpfung und Burnout nehmen zu.
Um solche Fragen geht es in diesem Blog.
Ein hoher Arbeitsdruck sowie Führungs- und Team-Probleme können relevante Ursachen für psychischen Stress und Erschöpfung sein. Aber auch fehlende Wertschätzung durch Vorgesetzte, mangelndes Vertrauen oder ungelöste Konflikte beeinträchtigen das psychische Wohlbefinden von Mitarbeitenden.
Oft sind die Belastungen nicht nur auf die Situation am Arbeitsplatz zurückzuführen. Sie ergeben sich aus einem Zusammenspiel von Stress im Job und Problemen im privaten Umfeld.
Selbst wenn psychische Probleme private Ursachen haben, sind sie nicht nur Privatsache und beeinträchtigen Betroffene genauso am Arbeitsplatz.
Veränderungen im Verhalten, in der Arbeitsweise und im sozialen Umgang einer Mitarbeiterin oder eines Mitarbeiters nehmen Führungskräfte in der Regel rasch wahr. Einzelne Symptome mögen nicht sofort beunruhigend wirken.
Die Symptome eines Burnouts sind vielfältig und können verschiedene Ursachen haben. Steuert eine Mitarbeiterin oder ein Mitarbeiter auf ein Burnout zu, zeigen sich in der Regel mehrere der oben aufgelisteten Anzeichen.
Im Arbeitsumfeld ist das Thema psychische Belastungen auch heute noch oft ein Tabuthema. Betroffene haben Angst vor Stigmatisierung und Kündigungen. Offensichtliche Probleme zu ignorieren, verschlimmert jedoch die Situation für alle Beteiligten.
Es ist daher wichtig, den Verdacht einer psychischen Belastung bei einer Mitarbeiterin oder einem Mitarbeitenden anzusprechen.
Einen Menschen in bester Absicht auf seine Probleme anzusprechen, ist nicht einfach und erfordert Empathie, Diskretion und eine gute Vorbereitung.
Führungskräfte dürfen Anzeichen eines Burnouts oder einer anderen psychischen Erkrankung nicht auf die leichte Schulter nehmen. Je früher beispielsweise mit einem Mitarbeitergespräch reagiert wird, desto besser.
Nicht jede Mitarbeiterin oder jeder Mitarbeiter wird über ihre bzw. seine Probleme sprechen wollen. Die Angst vor Stigmatisierung, vielleicht sogar vor Repressionen bei der Diagnose einer psychischen Erkrankung wie Burnout oder Depression, ist gross.
Dies hindert Angestellte daran, ein Burnout und dessen Behandlung mit der Führungsperson zu thematisieren.
Ermutigen Sie in diesem Fall Ihre Mitarbeiterin oder Ihren Mitarbeiter, bei einer unabhängigen Stelle Unterstützung zu suchen.
Je nach der Grösse eines Unternehmens gibt es firmeninterne Care-Stellen für Angestellte.
Generell ist es wichtig, dass Sie als Führungskraft eine Vertrauensebene sowie eine Kultur der Wertschätzung und Offenheit in Ihrem Team schaffen. Indem Sie «in guten Zeiten» in eine solche Kultur investieren, schaffen Sie die Grundlage für offene Gespräche, wenn es Mitarbeitenden schlecht geht.
Beobachten Sie Anzeichen für ein Burnout, eine Depression oder eine andere psychische Erkrankung bei einer oder einem Mitarbeitenden, suchen Sie aktiv das Gespräch mit der betroffenen Person.