Psychische Belastung am Arbeitsplatz: Ursachen, Auswirkungen und Prävention

Psychische Belastungen sind ein ständiger Begleiter in der Arbeitswelt. Die Arbeit hat in der Regel einen positiven Einfluss auf das psychische Wohlbefinden. Familie und Freundschaften sind wichtige Faktoren für unsere psychische Gesundheit. Aber auch der Arbeit kommt ein hoher Stellenwert zu. Auch wenn unser Arbeitsalltag oft stressig ist, Konflikte gemeistert werden müssen und wir uns immer wieder an neue Rahmenbedingungen gewöhnen müssen, ist Arbeit wichtig für unser Selbstbild, unseren Selbstwert und unsere Identität. Sie gibt uns Struktur und führt auch ausserhalb des Privatlebens zu sozialen Kontakten. Bei entsprechenden Arbeitsbedingungen kann Arbeit also wesentlich sein für unsere psychische Gesundheit.

Ursachen psychischer Belastung

Das heutige Arbeitsleben ist schnell und komplex. Die vielen Informationen, das Tempo der Arbeit und die immer stärkere Digitalisierung werden von vielen Erwerbstätigen als zunehmend stressig empfunden. Stress bedeutet, dass die Belastungen, mit denen eine Person konfrontiert wird, und die verfügbaren Bewältigungsmöglichkeiten (Ressourcen) in einem Ungleichgewicht stehen. Ist eine Person aus anderen Gründen psychisch angeschlagen, kann dies auch die Leistungsfähigkeit am Arbeitsplatz einschränken. Nicht nur ungünstige Arbeitsbedingungen können krank machen. Auch Arbeitslosigkeit ist ein Risikofaktor für die psychische Gesundheit.

So werden Anforderungen und Rahmenbedingungen, die in einem gesunden Umfeld durchaus anspornen können, in Kombination mit anderen Stressoren (namentlich Zeitdruck) als belastend wahrgenommen und können chronisch zu Erkrankungen führen (z. B. Burnout). Unterbrechungen, Arbeiten mit hohem Tempo und Termindruck sind die drei häufigsten chronisch auftretenden Belastungsfaktoren bei den Schweizer Erwerbstätigen. Dies geht aus der vom Staatssekretariat für Wirtschaft SECO in Zusammenarbeit mit der Fachhochschule Nordwestschweiz veröffentliche «Stressstudie 2010» hervor.

Die drei häufigsten chronischen arbeitsbezogenen Belastungsfaktoren, mit denen Schweizer Erwerbstätige regelmässig konfrontiert sind - «Unterbrechungen», «Arbeiten mit hohem Tempo» und «Termindruck» haben sich in wissenschaftlichen Studien als relevant für Befinden und Gesundheit herausgestellt. Unter «chronisch» wird dabei «sehr häufig» oder «ziemlich häufig» auftretend verstanden.

Rund die Hälfte der Arbeitnehmer und selbständigen Schweizer Erwerbstätigen geben an, bei ihrer Arbeit chronisch, (d. h. ziemlich häufig oder sehr häufig) durch eine unvorhergesehene weitere Aufgabe unterbrochen zu werden. Unterbrechungen stellen den am häufigsten berichteten Belastungsfaktor dar. Arbeitsunterbrechungen sind Belastungsfaktoren, welche die Aufgabenausführung behindern können - insbesondere dann, wenn sie häufig auftreten.

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43% der Schweizer Erwerbstätigen arbeiten chronisch, d. h. mindestens drei Viertel bis die ganze Zeit, mit hohem Tempo. 40% der Schweizer Erwerbstätigen sind chronisch, d. h. drei Viertel bis die ganze Zeit mit starkem Termindruck konfrontiert. Termindruck stellt damit den dritthäufigsten Belastungsfaktor dar.

Weitere Ursachen für psychische Belastung am Arbeitsplatz:

  • Arbeitsüberlastung: Hoher Druck und über längere Zeit zu viele Aufgaben können zu Stress oder Burnout führen.
  • Mobbing und Diskriminierung: Schikanen, Belästigung oder Diskriminierung durch Vorgesetzte oder Teammitglieder belasten die Psyche.
  • Schlechte Führungspraxis: Dazu gehören beispielsweise unklare Zuständigkeiten, mangelnde Wertschätzung oder Unterstützung, fehlendes Einbeziehen bei Entscheidungen, mangelnde Kommunikation oder auch ein schlechtes Management von Veränderungen.
  • Arbeitsplatzunsicherheit: Die Angst um den Arbeitsplatz kann zu chronischem Stress führen.
  • Permanente Erreichbarkeit: Wer in einer rundum vernetzten Welt nicht mehr abschalten kann und meint, permanent erreichbar sein zu müssen, kommt nie zur Ruhe - eine Gefahr für die mentale Gesundheit.

Auswirkungen psychischer Belastung

Psychische Belastungen äussern sich auf drei Ebenen: mental, im Körper und im Verhalten der betroffenen Person. Auf mentaler Ebene begünstigen sie Depressionen, Angststörungen, Burnouts etc. Auf Ebene des persönlichen Verhaltens ist jemand beispielsweise in sich zurückgezogen, lustlos und demotiviert, unkonzentriert, überfordert, ablehnend und fehlt häufig. Auch der vermehrte Konsum von Alkohol und psychoaktiven Substanzen sind mögliche Anzeichen für psychische Belastungen.

Burnout ist ein Zustand der emotionalen und mentalen Erschöpfung, der körperlichen Ermüdung und der gefühlsmässigen Distanzierung von der eigenen Arbeit (z. B. Zynismus gegenüber Kunden, Klienten oder Patienten), der durch die Arbeitstätigkeit entstehen kann. Personen, die unter Burnout leiden, haben das Gefühl, dass ihre «Batterien» leer sind, fühlen sich verbraucht und ausgelaugt. Burnout wird ausgelöst durch arbeitsbezogenen Stress, der nicht bewältigt wird (wie berufliche Überlastung, Mangel an Wertschätzung für die geleistete Arbeit und Probleme in der Arbeitsorganisation).

Wissenschaftliche Studien ergaben zudem, dass Erwerbstätige, die unter Burnout leiden, einer höheren Wahrscheinlichkeit ausgesetzt sind, an Schlafstörungen und Herz-Kreislauf-Krankheiten zu leiden, häufiger am Arbeitsplatz fehlen und den Arbeitsplatz eher wechseln als solche, die nicht unter Burnout leiden.

Die Ergebnisse der Stressstudie 2010 sind verblüffend: Bei 75% der Schweizer Erwerbsbevölkerung trifft dies überhaupt nicht oder eher nicht zu, dass sie sich bei der Arbeit emotional verbraucht fühlen. Bei weiteren 21% trifft es eher zu und 4% geben an, dass es völlig zutrifft. Somit sind 4% der Erwerbstätigen in einem hohen Ausmass emotional erschöpft.

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Absenzen am Arbeitsplatz verursachen hohe direkte und indirekte Kosten. Direkte Kosten umfassen beispielsweise Lohnfortzahlungen und organisatorische Umstellungen. Indirekte Kosten von Absenzen entstehen beispielweise durch Qualitätseinbussen bei Dienstleistungen und Produkten oder durch eine höhere Arbeitsbelastung und daraus resultierende geringere Arbeitszufriedenheit anwesender Mitarbeiter.

Insgesamt geben damit 14% der Erwerbstätigen an, aufgrund arbeitsbedingter Gesundheitsprobleme gefehlt zu haben. Nicht alle erkrankten Erwerbstätigen bleiben der Arbeit fern. Es gibt Schätzungen, dass für die Betriebe die wirtschafltichen Folgen durch Mitarbeitende, die krank sind und trotzdem zur Arbeit kommen (Präsentismus), höher sind als durch Mitarbeitende, die bei Krankheit der Arbeit fernbleiben, da Präsentismus mit reduzierter Leistung zusammenhängt.

Auf die Frage «Haben Sie in den letzten 12 Monaten gearbeitet, wenn Sie krank gewesen sind?» antworten 47% der Erwerbstätigen mit Ja, 45% mit Nein und 8% geben an, in den letzten 12 Monaten nicht krank gewesen zu sein. Die Antwort auf die Frage «Wie viele Tage insgesamt sind Sie in den letzten zwölf Monaten zur Arbeit gegangen, obwohl Sie krank gewesen sind?» waren durchschnittlich neun Tage.

Präventive Maßnahmen

Arbeitgeber sind nicht zuletzt von Gesetzes wegen verpflichtet, die Gesundheit ihrer Mitarbeitenden zu schützen. Ein betriebliches Gesundheitsmanagement (BGM) hilft dabei, die physische und psychische Gesundheit der Mitarbeitenden zu stärken. In die Prävention zu investieren, lohnt sich.

Viele Betriebe erfassen psychische Belastungen (und Ressourcen) nicht systematisch und verfügen kaum über Erfahrung und Routine. Das EKAS-Mitteilungsblatt Nr. 83 listet neben anderen Gefährdungen auch psychische Belastungen. «Unwohlsein», «krank werden» sowie «Stress­erkrankungen, Burnout» werden als schädliche Effekte genannt.

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Figur 11 zeigt das grundsätzliche Vorgehen zur Evaluation psychischer Belastungen im Betrieb. Die Erhebung muss gut geplant und vorbereitet werden, bevor die belastenden Faktoren ermittelt werden. Danach werden die Belastungsschwerpunkte erkannt und ausgewählt. Basierend darauf können Ansatzpunkte zur Entlastung identifiziert und Veränderungsideen entwickelt werden. Die gewählten Massnahmen werden umgesetzt und deren Wirksamkeit überprüft.

Maßnahmen zur Reduzierung psychischer Belastungen:

  • Ein angenehmes Betriebsklima schaffen: Sorgen Sie dafür, dass Ihre Mitarbeitenden gern zur Arbeit kommen. Etwa durch eine wertschätzende Unternehmenskultur, in der die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ihre Ideen und Meinungen offen einbringen und wo Leistung mit Lob, Dank und einem fairen Gehalt anerkannt wird.
  • Work-Life-Balance unterstützen: Bieten Sie flexible Arbeitszeiten, Teilzeitmodelle und Homeoffice-Möglichkeiten an, um eine gesunde Balance zwischen Arbeit und Privatleben zu ermöglichen.
  • Ergonomische Arbeitsplätze bereitstellen: Stellen Sie sicher, dass die Arbeitsplätze ergonomisch gestaltet sind, um körperliche und psychische Belastungen zu reduzieren.
  • Stressbewältigungskurse anbieten: Organisieren Sie Workshops und Coachings zur Stressbewältigung und Achtsamkeit. Das stärkt die Widerstandfähigkeit (Resilienz) Ihrer Mitarbeitenden.
  • Gesundheitsfördernde Programme anbieten: Bieten Sie Programme zur Gesundheitsförderung an, zum Beispiel Fitnesskurse oder Ernährungsberatung. Diese sind im Idealfall Teil einer gezielten betrieblichen Gesundheitsförderung.
  • Führungskräfte schulen: Sensibilisieren Sie Ihre Führungskräfte für das Thema psychische Gesundheit und schulen Sie sie im Umgang mit betroffenen Mitarbeitenden.
  • Angenehme Arbeitsumgebung schaffen: Sorgen Sie für ein angenehmes Arbeitsumfeld und Arbeitsbedingungen mit ausreichend Licht, frischer Luft und Ruhebereichen.

Die Rolle der Führungskräfte

Führungspersonen nehmen eine doppelte Schlüsselrolle ein: Einerseits hat ihr Verhalten direkte Auswirkungen auf die mentale Gesundheit der Mitarbeitenden. Andererseits sind sie es, die im Gespräch und Umgang mit ihren Mitarbeitenden psychische Probleme unter Umständen früh erkennen und darauf reagieren können.

Tipps für Führungskräfte:

  1. Schaffen Sie eine Kultur, in der man offen über sein psychisches Befinden sprechen kann. Wer sich vor Stigmatisierung fürchtet, wird psychische Erkrankungen und Probleme nicht preisgeben.
  2. Widmen Sie sich nicht nur der Leistung Ihres Personals. Interessieren Sie sich vielmehr für die Menschen, die Sie beschäftigen, beispielsweise für ihre Hobbys.
  3. Kommunizieren Sie Ihre Erwartungen und Ziele klar und transparent. Das macht Sie als Führungsperson berechenbar. Etablieren Sie zugleich eine Kultur, in der Fehler gemacht werden dürfen. Sie passieren sowieso.
  4. Die Menge an Arbeit muss sich für jede Person im richtigen Rahmen bewegen und ihren Qualifikationen und Aufgaben entsprechen. Weder zu viel noch zu wenig Arbeit tut der psychischen Gesundheit gut.
  5. Wenn die Menge der Arbeit hoch und die Zeit knapp ist, steigt der Druck. Denken Sie daran: Ist der Druck ständig zu hoch, löst dies permanenten Stress aus.
  6. Mitarbeitende, die im Rahmen ihrer Expertise und Erfahrung Handlungsspielraum bekommen und eigenständig Entscheide treffen können, erleben Selbstwirksamkeit. Das motiviert sie, eine gute Leistung zu erbringen. Stärken Sie Ihren Mitarbeitenden dafür den Rücken. In Krisen kann es aber auch nötig sein, Mitarbeitende vom Entscheidungsdruck zu entlasten.
  7. Ermutigen Sie Mitarbeitende, regelmässige Pausen einzulegen und sich zu erholen. Das gilt auch beim Arbeiten im Homeoffice und besonders für Wochenenden und Ferien. Seien Sie als Führungsperson darin ein Vorbild für Ihre Mitarbeitenden.
  8. Stellen Sie sich entschlossen gegen jede Art von Diskriminierung oder Belästigung, damit sich alle Mitarbeitenden am Arbeitsplatz wohlfühlen. Beispielsweise sind anzügliche oder herablassende Bemerkungen oder auch ungerechte Bevorzugungen ein absolutes No-Go und dürfen nicht toleriert werden.
  9. Fördern Sie den Zusammenhalt im Team durch Teambuilding-Aktivitäten wie Ausflüge oder gemeinsame Pausen sowie regelmässige Teamveranstaltungen. Das steigert das gegenseitige Vertrauen und schafft eine Grundlage, auch über Emotionen zu sprechen.

Was tun, wenn Anzeichen psychischer Überlastung auffallen?

Was tun, wenn bei der Arbeit auffällt, dass jemand Anzeichen psychischer Überlastung zeigt? Die Person ansprechen und fragen: «Wie geht es dir?» Organisationen wie Pro Mente Sana bieten spezielle Kurse für Erste-Hilfe-Gespräche an. Hier lernen Führungskräfte, Mitarbeitende und Berufsbildende, auf die mentale Gesundheit ihrer Mitmenschen zu achten und richtig zu reagieren.

Die Bedeutung der Unternehmenskultur

Andererseits ist ein wichtiger Faktor auch die Unternehmenskultur: Diese muss zulassen, dass solche Themen frühzeitig angesprochen werden können - zum Beispiel wenn Mitarbeitende etwas beobachten, das auf eine ungesunde psychische Belastung hindeutet.

Zusammenfassung der "Stressstudie 2010"

Die "Stressstudie 2010" des SECO in Zusammenarbeit mit der Fachhochschule Nordwestschweiz hat ergeben, dass Unterbrechungen, hohes Arbeitstempo und Termindruck die häufigsten chronischen Belastungsfaktoren für Schweizer Erwerbstätige sind. Die Studie zeigt auch, dass ein erheblicher Anteil der Erwerbstätigen unter emotionaler Erschöpfung leidet.

Arbeitszufriedenheit ist einer der am häufigsten untersuchten Indikatoren für das Befinden in der arbeitsbezogenen Stressforschung und gehört mit zur Lebenszufriedenheit. Unter Arbeitszufriedenheit wird die positive Einstellung einer Person gegenüber ihrer Arbeit verstanden, welche durch günstige Arbeitserfahrungen gefordert wird (z. B. Arbeitsbedingungen, die mit persönlichen Werten in Einklang stehen und ermöglichen, Ziele zu erreichen).

Wie Figur 4 zeigt, sind 10% der Schweizer Erwerbstätigen überhaupt nicht oder nicht sehr zufrieden mit ihren Arbeitsbedingungen. 90% sind dagegen zufrieden und sehr zufrieden.

Die Forschung hat gezeigt, dass Arbeitszufriedenheit insbesondere in engem Zusammenhang mit Arbeitsbedingungen steht. Arbeitszufriedenheit steht mit Stressempfinden, Stressoren und einer Reihe von Ressourcen (Entlastungs- oder Schutzfunktionen) in positivem (+) oder negativem (-) Zusammenhang.

Langsam setzt sich bei uns die Erkenntnis durch, dass psychische Belastungen am Arbeitsplatz hochrelevant sind. Taggeldversicherer schlagen Alarm, Arbeitgeber fühlen sich durch das Thema stark gefordert.

Abschließende Gedanken

Kümmern Sie sich um Ihre Gesundheit: Es lohnt sich! Sie werden zufriedener und leistungsfähiger. Mit den richtigen Massnahmen fördern Sie die mentale Gesundheit Ihrer Mitarbeitenden.

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) definiert psychische Gesundheit als «Ein Zustand des Wohlbefindens, in dem eine Person ihre Fähigkeiten ausschöpfen, die normalen Lebensbelastungen bewältigen, produktiv arbeiten und einen Beitrag zu ihrer Gemeinschaft leisten kann.» Im Privat- und Arbeitsleben wirken überall positive und negative Kräfte. Wir alle haben Möglichkeiten, mental gesund zu bleiben.

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