Fallbeispiele ADHS im Kindergarten

Beim Eintritt in die Schule bringen Kinder unterschiedliche Lernvoraussetzungen mit. Manche sind benachteiligt zum Beispiel aufgrund einer Lese-Rechtschreibeschwäche, Dyskalkulie oder ADHS.

Im vorliegenden Buch werden anhand von Theorien, rechtlichen Grundlagen sowie Ergebnissen qualitativer Interviews fördernde und hemmende Faktoren für die erfolgreiche Umsetzung des Nachteilsausgleichs (NAG) präsentiert. Durch den Nachteilsausgleich (NAG) werden für benachteiligte Kinder die Rahmenbedingungen angepasst, um sie beim Erreichen der regulären Lernziele zu unterstützen.

Die Schulleitung spielt hierbei eine zentrale Rolle, indem sie das Schulteam umfassend informiert und die erforderlichen Strukturen etabliert. Aber auch das nötige Fachwissen und eine geregelte Zusammenarbeit zwischen den Lehrpersonen sowie transparente und verständliche Informationen für Erziehungsberechtigte sind wichtige Faktoren.

Empfehlungen für den Sportunterricht

Da es AD(H)S-Kindern schwer fällt, ihre Aufmerksamkeit bewusst auszurichten und aufrecht zu erhalten, hilft es ihnen, wenn die Lehrperson bei Anweisungen nahe beim Kind steht (z.B. bei Erklärungen im Kreis). Die Lehrperson ist so schnell in seiner Nähe, wenn das Kind sich selbst oder andere ablenkt.

Handeln statt Reden

AD(H)S-betroffene Kinder reagieren häufig nicht auf Ermahnungen der Lehrperson, da sie die Aussenwelt ausblenden, wenn sie gedanklich abschweifen. Durch nonverbale Signale (Blickkontakt suchen, einen Schritt auf das Kind zugehen, am Arm berühren,...) können Kinder ins Hier und Jetzt zurückgeholt werden.

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Positive Verstärkung

Wann immer es einem AD(H)S-betroffenen Kind gelingt, sich aktiv und positiv am Unterrichtsgeschehen zu beteiligen, sollte es ein entsprechendes Feedback / Lob erhalten. Dies kann auch nonverbal (z.B. mit Zeichen) geschehen und sowohl während als auch nach der Sportstunde stattfinden.

Wirksame Anweisungen

Kurze, konkrete und positiv formulierte Anweisungen sind besonders wirksam. Aufgabenstellungen können von Kindern in eigenen Worten wiederholt werden (Bsp: «Erklär nochmals, wie die Regeln dieses Spiels sind.») Fast für alle Schülerinnen und Schüler nützlich ist die Rückfrage am Schluss einer Anweisung: "Was müsst ihr jetzt als erstes tun?"

Kooperatives Verhalten fördern

Trotzverhalten und Widerstand stellen eine Herausforderung dar. Kleinste Anzeichen von Kooperation sollten als solche bewertet und unterstützt werden, auch wenn es in diesen Momenten schwierig sein kann. Je öfter man ein AD(H)S-Kind in seinem kooperativen Verhalten bestärkt, desto eher kann es eine Motivation aufbauen, sich anzustrengen und positiv zum Unterricht beizutragen.

Proaktiv mit der Hyperaktivität umgehen

Der Sportunterricht bietet die Möglichkeit, dem gesteigerten Bewegungsdrang der AD(H)S-Kinder Rechnung zu tragen. Offene Unterrichtseinstiege ermöglichen ein erstes Austoben vor dem eigentlichen Start der Lektion. Auch innerhalb der Lektion kann eine «bewegte Auszeit» (z.B. zwei Runden in der Halle rennen) AD(H)S-betroffenen Kindern helfen, sich anschliessend wieder motivierter auf die Lektionsinhalte zu konzentrieren.

Fallbeispiele

Fallbeispiel B.: B. war bereits in der dritten Klasse, aber zutiefst davon überzeugt, dass man nicht lesen lernen könne. Auch der Übertritt in die vierte Klasse, welcher in nicht allzu weiter Ferne lag, war eine grosse Bedrohung für B. Das Mädchen war ein ADHS-Kind und ständig in Bewegung. Es hatte eine wunderbare Phantasie und konnte mir genau erklären, dass der Schlüssel, um lesen lernen zu können, hinter einer Mauer läge, die zu hoch war, als dass sie überstiegen werden könnte und zu weit, als dass man hätte darum herum gehen können. Auch graben ging nicht. Der Schlüssel lag also in einer unerreichbaren anderen Welt. B. und ich arbeiteten hart, erlebten auch Niederlagen, aber nach einem Jahr las B. ihren Eltern einen ganzen Drei-???-Krimi vor. Wir hatten es geschafft!

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Fallbeispiel K.: K. war ein hochbegabter Schüler, der in der Primarschule nie lernen musste. In der Oberstufe wurde seine Lage aber zunehmend schwierig, da er nicht wusste, wie man sich auf eine Prüfung vorbereitet. K. schien seine Situation ausweglos und er glaubte nicht mehr an einen Erfolg. Dabei war doch das Gymnasium immer sein Ziel gewesen … Was tun? K. lernte bei mir in der Praxis wieder an sich selbst zu glauben - und er lernte lernen. Nach nur zwölf Settings war die Therapie abgeschlossen, denn K.

Fallbeispiel Z.: Z. lernte überhaupt nicht gerne, sie gab schnell auf und sollte nun mit dieser Haltung die Oberstufe durchstehen. Ihr und den Eltern schien alles ziemlich aussichtslos. Wir machten zu zweit eine «Reise ins Gehirn», um zu erforschen, wo sich denn die Lernfreude versteckt hielt. Angesichts der hohen Intelligenz von Z. und ihrer Entdeckungsfreude entwickelte sie rasch Selbstvertrauen und schlug persönliche Lernwege ein. Nach sieben Settings hatte Z. es geschafft, und sie ging wieder mit voller Motivation zur Schule.

Fallbeispiel S.: S. war Halbwaise und der noch lebende Elternteil Analphabet. S. war in der fünften Klasse, als er zu mir kam. Niemand glaubte, dass er jemals mehr als die Sek C erreichen würde. Es waren nur kleine Schrittchen, die wir pro Woche erarbeiten konnten. Manchmal waren es auch Rückschrittchen. Zwei vor, eines zurück. Aber S. war hartnäckig und sein Wille stark, so dass er nach zwei Jahren den Übertritt in die Sek B schaffte! Dort hielt sich S., bestand die Probezeit und gehörte bald zu den guten Sek.

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