Die Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung (ADHS) ist eine psychische Veranlagung, welche sich im Kindesalter bemerkbar macht und über das Adoleszentenalter hinaus bei vielen Betroffenen auch im Erwachsenenleben bestehen bleibt. Es wird davon ausgegangen, dass im Kindes- und Jugendalter vorhandene ADHS-Symptome in 50 - 80 % der Fälle auch im Erwachsenenalter fortdauern. Weltweit sind rund 3.4 % der Bevölkerung an ADHS erkrankt. ADHS beginnt im Kindesalter, bleibt bis ins Erwachsenenalter bestehen und führt zu spürbaren Einschränkungen in verschiedenen Lebensbereichen.
Viele Menschen, die erst im Erwachsenenalter die Diagnose ADHS erhalten, haben bereits einen langen Leidensweg mit verschiedenen Herausforderungen wie etwa schulischen Problemen, Schwierigkeiten in Partnerschaften und sozialen Beziehungen hinter sich. Unser spezialisiertes ambulantes Programm ist schweizweit für Erwachsene ab dem 18. Lebensjahr. In unserer Klinik bieten wir eine individuell abgestimmte ambulante Beratung und Behandlung für Patientinnen und Patienten mit ADHS an. Diese entspricht den neuesten internationalen Leitlinien. Die Anmeldung zur Aufnahme erfolgt über die vorbehandelnden Ärztinnen und Ärzte oder andere Fachpersonen.
Symptome von ADHS im Erwachsenenalter
So sind Unaufmerksamkeit, Impulsivität und Hyperaktivität auch bei Erwachsenen mit ADHS die Hauptsymptome, jedoch kommt es zu gewissen Änderungen ihrer Ausprägung. Die Symptome von ADHS unterliegen einer Entwicklung parallel zum Alter der Betroffenen.
- Unaufmerksamkeit: Schwierigkeiten, Aufgaben zu organisieren, leicht ablenkbar zu sein, häufig Dinge zu verlieren. Die Unaufmerksamkeit ist gekennzeichnet durch erhöhte Ablenkbarkeit und die Schwierigkeit, lange zuzuhören. Weitere Probleme sind das Einteilen der Zeit, die Selbstorganisation («Hinausschieberitis») und das Abschliessen von Aufgaben. Die Person vermeidet auch intuitiv Aufgaben mit langer Aufmerksamkeitsbelastung.
 - Hyperaktivität: Unruhe, ständig in Bewegung sein, Schwierigkeiten, ruhig zu sitzen. Die Hyperaktivität zeichnet sich unter anderem dadurch aus, dass die Person immer in Bewegung ist und wie aufgezogen wirkt. Sie fühlt sich «unter Strom» und hat Mühe länger ruhig sitzen zu bleiben. Die motorische Unruhe der Kinder und Jugendlichen wird in den meisten Fällen ersetzt durch eine «innere Unruhe» bei der erwachsenen Person.
 - Impulsivität: Handlungen ohne Nachdenken durchführen, Schwierigkeiten, das eigene Verhalten zu kontrollieren. Die Impulsivität kommt dadurch zum Ausdruck, dass die Person andere in ihrer Beschäftigung stört oder ihnen ins Wort fällt und inhaltlich vorgreift. Sie trifft unüberlegte Entscheidungen, ohne an die Konsequenzen zu denken. Es geht der Person primär darum, etwas schnell zu erledigen; Details werden häufig übersehen. Ebenfalls hat die Impulsivität eine eigene Ausdrucksform, die sich von derjenigen im Kinder- und Jugendalter unterscheidet. Hier stehen Ungeduld und das Vermeiden von langen Veranstaltungen im Vordergrund.
 
Zusätzlich zu den Hauptsymptomen der ADHS kommen im Erwachsenenalter weitere hinzu wie beispielsweise Desorganisation im Lebensalltag, schnelle Stimmungswechsel, Stressüberempfindlichkeit und Schwierigkeit bei der Temperamentskontrolle. ADHS-Betroffene leiden häufig unter weiteren psychischen Erkrankungen wie Depressionen, Abhängigkeitsstörungen oder Angststörungen.
Ursachen von ADHS
Die Ursachen des Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS) sind nicht restlos geklärt. Einig ist sich die Wissenschaft aber darin, dass es sich um eine angeborene, neurobiologische Funktionsstörung handelt, an der genetische und umweltbedingte Faktoren beteiligt sind. Untersuchen weisen darauf hin, dass der ADHS eine Hirnreifungsstörung zu Grunde liegt, die zu einer komplexen Beeinträchtigung neurokognitiver Prozesse führt.
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Mögliche Ursachen:
- Genetische Veranlagung: meist sind mehrere Familienmitglieder betroffen (hohe genetische Komponente)
 - Ungleichgewicht von Neurotransmittern im Gehirn, wie Dopamin und Noradrenalin. ADHS geht von einer Fehlfunktion zentraler Neurotransmittersysteme aus. Das bedeutet, dass im Zwischenraum zweier Nervenzellen nicht ausreichend Botenstoffe zur Verfügung stehen. Diese Unterversorgung führt zu einer Dysfunktion des Gehirns. Diese Fehlfunktion betrifft jene Bereiche des Gehirns, wo sich das Aufmerksamkeitssystem befindet.
 - Frühkindliche Hirnentwicklungsstörungen
 - Rauchen, Alkohol- oder Drogenkonsum oder Infektionskrankheiten während der Schwangerschaft, Frühgeburt
 - Instabile Familienverhältnisse ohne Struktur, eine Belastung mit Suchtkrankheiten und weitere Faktoren. Ungünstige Umgebungsbedingungen können das Risiko erhöhen, an ADHS zu erkranken. Hierzu gehören perinatale Komplikationen, niedriges Geburtsgewicht.
 
Diagnostik von ADHS bei Erwachsenen
Die Diagnose der ADHS im Erwachsenenalter beruht auf einer klinischen Untersuchung. Zentral hierfür ist nach DSM-5 (die fünfte Auflage des Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders), dem amerikanischen Diagnoseinstrument, der Nachweis von 18 diagnostischen Kriterien. Zusätzlich muss nachgewiesen werden, dass einzelne Symptome von ADHS bereits vor dem 12. Lebensjahr bei der betreffenden Person vorhanden waren. Weiter sollen in mehr als einem Lebensbereich die mit ADHS verbundene Auffälligkeiten erkennbar sein. Neuropsychologische Testverfahren sind bei speziellen Fragestellungen hilfreich.
Diagnostische Schritte:
- Eine umfassende Anamnese, einschließlich der medizinischen Vorgeschichte des Kindes, wird durchgeführt.
 - Beobachtungen des Verhaltens in verschiedenen Umgebungen, wie Schule und Familie, sind relevant.
 - Diagnosekriterien nach anerkannten Klassifikationssystemen wie DSM-5 werden berücksichtigt.
 
Dazu wird eine ausführliche Anamnese mithilfe von standardisierten Fragebögen durchgeführt. Zusätzlich können Angaben von Personen aus dem Umfeld der Betroffenen und eine neuropsychologische Testung dabei helfen, die Diagnose zu stellen. Es wird beispielsweise versucht, Aufmerksamkeits- und Konzentrationsprobleme mit aufwändigen Lernstrategien zu begegnen. Betroffene meiden nicht selten Aufgaben und Aktivitäten, bei welchen die Probleme offensichtlich würden. Die Betroffenen halten oft andere psychischen Beschwerden für die Ursache ihres Leidens. Eine AD(H)S-Abklärung erfolgt nicht selten erst nach Jahren.
ADHS ist eine Störung, die in verschiedenen Lebensbereichen unterschiedliche Auswirkungen haben kann, weshalb eine umfassende Beurteilung notwendig ist. In unserer Klinik legen wir besonderen Wert auf eine genaue Diagnostik und eine präzise diagnostische Einschätzung. Wir bieten spezialisierte neuropsychologische Diagnostik an, um ADHS und andere neuropsychologische Störungen präzise zu erkennen. Durch moderne Diagnostikverfahren und interdisziplinäre Ansätze ermöglichen wir eine fundierte Einschätzung Ihrer Symptomatik. Unsere erfahrenen Fachkräfte im Bereich der Neuropsychologie analysieren Ihre individuellen Symptome und erstellen eine detaillierte diagnostische Einschätzung.
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Behandlung von ADHS bei Erwachsenen
Es ist wichtig festzuhalten, dass aus der Diagnose einer ADHS im Erwachsenenalter sich nicht zwangsläufig eine Behandlungsnotwendigkeit ableitet. So wird in diesem Zusammenhang nochmals genau erörtert, ob die funktionellen Einschränkungen im Leben der Betroffenen und die damit verbundenen Problematiken im sozialen Leben eindeutig durch ADHS verursacht sind. Primäres Ziel der Behandlung von ADHS ist die Verminderung des subjektiven Leidensdrucks sowie die Erhöhung der Lebensqualität.
Die Behandlung einer Aufmerksamkeitsdefizit- und Hyperaktivitätsstörung orientiert sich an deren Ausprägung und dem Leidensdruck der Betroffenen. Bei einer sehr leicht ausgeprägten ADHS ist es möglich, dass Betroffene bereits gute Strategien im Umgang mit den Problemen gefunden haben und keine zusätzliche Hilfe benötigen. Bei einer stärkeren Ausprägung ist es zunehmend schwieriger für Betroffene, eigene Strategien ohne Unterstützung erfolgreich anwenden zu können.
Hierzu gibt es diverse Therapiemöglichkeiten, welche einzeln oder auch kombiniert angewandt werden können. In der Psychotherapie lernen Betroffene, die Emotionen zu regulieren, sich zu organisieren (Zeitmanagement), das Selbstwertgefühl zu stabilisieren und mit der Ablenkbarkeit umzugehen. Je nach Schweregrad der Symptomatik und den Einschränkungen im Alltag sowie in verschiedenen Lebensbereichen, muss ein individuelles Therapiekonzept erarbeitet werden. Bei Erwachsenen mit einer Aufmerksamkeitsdefizit- und Hyperaktivitätsstörung wird in der Regel eine multimodale Therapie empfohlen. Das heisst, es erfolgt eine Kombination von psychotherapeutischer und medikamentöser Behandlung.
Bevor die Behandlung beginnen kann, erfolgt eine sogenannte Psychoedukation. Das heisst, Betroffene werden nach der Diagnosestellung sorgfältig über die Bedeutung der Diagnose, welche Probleme sie mit sich bringt, mögliche Ursachen sowie aufrechterhaltende Faktoren aufgeklärt. Bestehende Schwierigkeiten werden in Zusammenhang mit der Diagnose gebracht und mögliche Behandlungsoptionen vorgestellt. Die Psychoedukation teilt sich auf in Aufklärung, Beratung und Führung. Dabei werden die Patienten und gegebenenfalls ihr unmittelbares Umfeld über das Störungsbild informiert.
Therapieansätze:
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- Verhaltenstherapie: Strukturierte Interventionen zur Förderung von Selbstregulierung und sozialen Fähigkeiten. Die Aufmerksamkeitsdefizit- und Hyperaktivitätsstörung wird in der Regel mit einer Verhaltenstherapie behandelt. Im Rahmen der Verhaltenstherapie besprechen der Therapeut und der Patient, welche Probleme im Alltag aufgrund der Störung auftreten. Inhalt der Therapie ist, dass der Therapeut den Patienten dabei unterstützt, einen Weg zu finden, mit diesen Problemen umzugehen. Dies soll anhand von Modifikationen der Gedanken und des Verhaltens geschehen. Es werden zu Beginn aber auch während der Therapie individuelle Ziele festgelegt und deren Erreichung wird laufend evaluiert. Der Therapeut und der Patient unterteilen die Ziele gemeinsam in einzelne Schritte und der Patient versucht diese umzusetzen. Eine Voraussetzung für diese Zusammenarbeit ist, dass der Patient selbst einen Handlungsbedarf sieht und bereit ist, mit Unterstützung eine Veränderung herbeizuführen. Häufig liegen nebst der ADHS weitere Probleme oder allenfalls psychische Störungen vor. Es ist wichtig, auch diese im Rahmen der Therapie zu berücksichtigen und mit einzubeziehen, um eine ganzheitliche Behandlung zu gewährleisten.
 - Medikamentöse Therapie: In einigen Fällen können stimulierende Medikamente wie Methylphenidat verschrieben werden. Zur Behandlung von ADHS bei Erwachsenen sind in der Schweiz Medikamente mit den Wirkstoffen Methylphenidat, Dexmethylphenidat, Lisdexamfetamin und Atomoxetin zugelassen. Ob zusätzlich zur psychotherapeutischen Behandlung eine medikamentöse Behandlung indiziert ist, hängt vom Schweregrad der Störung ab. Ausschlaggebend ist, inwiefern die betroffene Person durch die Aufmerksamkeitsdefizit- und Hyperaktivitätsstörung beeinträchtigt ist. In einigen Fällen braucht es die medikamentöse Behandlung, um den Betroffenen zu ermöglichen, die therapeutische Behandlung regelmässig aufsuchen zu können. Eine ADHS wird mit Psychostimulanzien oder Atomoxetin behandelt. Bei den Psychostimulanzien kommt zumeist Methylphenidat zum Einsatz. Methylphenidat kann in seiner Wirkung zwischen kurzer oder längerer Tageswirkdauer unterschieden werden. Dies wird je nach Situation und Präferenz der Betroffenen verordnet. Die Wirkung tritt etwa eine halbe Stunde bis eine Stunde nach Einnahme ein. Bei Präparaten mit kurzer Tageswirkdauer bleibt die Wirkung zwischen zwei und vier Stunden maximal erhalten und nimmt nach drei bis sieben Stunden deutlich ab. Deshalb müssen sie häufig mehrmals täglich eingenommen werden. Im Gegensatz dazu geben Präparate mit längerer Tageswirkdauer den Wirkstoff über einen längeren Zeitraum ab, weshalb nur eine Einnahme pro Tag notwendig ist. Psychostimulanzien erfordern ein spezielles Rezept, um einem Missbrauch vorzubeugen. Es besteht jedoch keine Gefahr von körperlicher Abhängigkeit. Im Gegensatz zu den Psychostimulanzien tritt die Wirkung bei Atomoxetin nicht unmittelbar ein. Es dauert bis zu sechs Wochen, bis sich die Wirkung vollständig entfaltet. Das Medikament wird schrittweise aufdosiert und seine Wirkung hält den ganzen Tag an. Beide Medikamente erfordern eine langfristige Behandlung, um wirkungsvoll angewendet zu werden. Die Einnahme der Medikamente zielt auf eine Steigerung der Aufmerksamkeit und Konzentration und damit einhergehend eine Abnahme der Hyperaktivität ab.
 - Unterstützung im schulischen Umfeld: Individuelle Lernpläne und Lehreranpassungen können den Schulerfolg fördern.
 - Elterntraining: Eltern werden darin geschult, Techniken zur Bewältigung von ADHS-bezogenen Herausforderungen zu erlernen.
 
Es werden verschiedene Konzepte mit unterschiedlichen Schwerpunkten angeboten. Inhaltlich sind aber einige Gemeinsamkeiten wie der Umgang mit Desorganisiertheit, Verbesserung der Aufmerksamkeit oder auch Impulskontrolle vorhanden. Es geht in erster Linie darum, den Umgang mit der Symptomatik zu erlernen und zu festigen.
Für Erwachsene mit ADHS kann es sehr hilfreich sein, sich mit anderen auszutauschen, die von derselben Störung betroffen sind. Die Beteiligten teilen ihre Probleme mit der Gruppe und tauschen sich über mögliche Strategien im Umgang damit aus. Es hilft Betroffenen einerseits, zu hören, dass auch andere mit denselben Problemen zu kämpfen haben, andererseits bieten Selbsthilfegruppen alltagsnahe Unterstützung.
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