Der Umgang unserer Gesellschaft mit Burnout ist sehr ambivalent. Auf der einen Seite geht Burnout eine Phase hoher Auslastung voraus, die als «gute» Leistung und erstrebenswert betrachtet wird. Auf der anderen Seite wird Burnout, zurecht, als etwas Schlechtes betrachtet, da Betroffene und ihre Familien darunter leiden. Dennoch mangelt es in den meisten Unternehmen gänzlich an Präventionsmassnahmen, und Therapiemöglichkeiten sind so knapp, dass Betroffene mit sehr hohen Wartezeiten rechnen müssen.
Im Medizinischen gibt es die Diagnose «Burnout» so nicht. Viel mehr sprechen Mediziner von einer Erschöpfungsdepression. Eine Burnout Diagnose wird von Ihrem Arzt, ggf. einer Fachärztin, gestellt. Die frappierende Anekdote zeigt, wie massiv die psychische Beeinträchtigung durch ein Burnout sein kann.
Symptome und Stadien des Burnouts
Burnout, bedeutet übersetzt «ausbrennen». Grundtenor eines Burnouts ist die körperliche, emotionale und mentale Erschöpfung. Emotional drückt sich die Burnout-Erschöpfung in Niedergeschlagenheit, Überforderung und Hilflosigkeit aus. Auf mentaler Ebene verschlechtert sich die Einstellung zu sich selbst, zur Arbeit und zum Leben als Ganzen.
Neben der Erschöpfung zeigen Menschen mit einem Burnout charakteristische Persönlichkeitsveränderungen. Sie entfremden sich von der eigenen Persönlichkeit und entwickeln eine distanzierte, negative Haltung bis zur Herzenskälte oder zum Zynismus. Dies alles schlägt sich in der Schaffenskraft nieder. Gemäss dem Burnout-Forscher Herbert J. Freudenberger kann man zwölf Stadien der Erkrankung unterscheiden.
Der Psychoanalytiker H.J. Freudenberger beschrieb 1974 erstmals die Symptome und veranschaulichte den Burnout-Prozess in 12 Phasen. Seinen Anfang nimmt ein Burnout im Drang, sich selbst und anderen etwas beweisen zu wollen. Daraus folgt ein verstärktes Leistungsstreben, unter welchem persönliche Bedürfnisse und soziale Kontakte vernachlässigt werden. Probleme und Konflikte werden übergangen. Hilfsangebote anderer werden zurückgewiesen. Verhaltensänderungen werden deutlich sichtbar und der Kontakt zu anderen - und zur eignen Person - reisst ab. Das Leben verläuft funktional und mechanisch. Hilflosigkeit und eine emotionale Leere machen sich breit. Die betroffene Person fühlt sich unverstanden. In den letzten Phasen dominiert die Erschöpfung, die umschlägt in völlige Verzweiflung.
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Ursachen und Risikofaktoren
Zu den individuellen Faktoren zählen Persönlichkeitsmerkmale wie der Perfektionismus, eine geringe Resilienz und die Schwierigkeit, sich abzugrenzen. Ebenso gewichtig sind die äusseren Faktoren der Arbeitswelt wie eine zunehmende Arbeitslast, Zeitdruck, fehlende Wertschätzung und unklare Zuständigkeiten.
- Hohe Arbeitsbelastung
 - Überhöhtes Leistungsstreben
 - Perfektionismus
 - Geringe Resilienz
 - Schwierigkeit, sich abzugrenzen
 - Fehlende Wertschätzung
 - Unklare Zuständigkeiten
 
Ein erhöhtes Risiko an Burnout zu erkranken, haben eher leistungsbereite, perfektionistische Menschen mit hohem Erfolgsstreben, die sich zu wenig bewusst sind, neben der Arbeit einen Ausgleich zu schaffen. So sind auch Personen, welche die Sympathie und Anerkennung anderer zur Aufrechterhaltung ihres Selbstwertgefühls brauchen, hochgradig gefährdet. Es allen recht machen zu wollen, lässt Tugenden wie Mitgefühl und Hilfsbereitschaft zur Falle werden. „Nein“ sagen fällt sowohl ehrgeizigen als auch hilfsbereiten Menschen schwer.
Therapie und Behandlung von Burnout
Menschen, die in ein Burnout schlittern, bedürfen einer multidisziplinären Therapie. Bei Stressfolgekrankheiten lässt sich der Heilungsprozess besonders schwer steuern. Er verläuft meist sehr individuell, weil er die gesamte Lebenssituation umfasst.
Davon abgesehen, dominieren nicht-medikamentöse Behandlungsformen die Akuttherapie von Burnout. Die Betroffenen lernen in der kognitiven Verhaltenstherapie, schädliche und selbstzerstörerische Denkmuster zu verändern, und arbeiten mit tiefenpsychologischer Hilfe an fundamentalen Konflikten und Persönlichkeitsmustern. Die langfristige Behandlung zielt darauf, die Lebensenergie wiederaufzubauen. Dies kann mit sportlichen Aktivitäten ebenso wie mit sanften Bewegungsformen (Yoga, Qigong, Tai-Chi) geschehen.
Bei schwerem Burnout empfehlen sich stationäre Reha-Aufenthalte, wie sie Kliniken mit Burnout-Spezialisierung bieten. Nicht alle Menschen mit einem Burnout brauchen eine Klinik. Die Entscheidung für einen Eintritt erfolgt im Gespräch zwischen Hausarzt und Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie.
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Therapeutische Ansätze
- Kognitive Verhaltenstherapie
 - Tiefenpsychologische Hilfe
 - Sportliche Aktivitäten
 - Sanfte Bewegungsformen (Yoga, Qigong, Tai-Chi)
 - Stationäre Reha-Aufenthalte
 
Die Anthroposophische Medizin betrachtet, untersucht und behandelt den kranken Menschen auf vier Ebenen: der körperlichen Ebene, der Ebene der Lebensfunktionen, der seelisch-sozialen Ebene und der individuell-biographischen Ebene. So helfen auf der körperlich-vitalen Stufe rhythmische Einreibungen, das vegetative Nervensystem zu harmonisieren, das von chronischem Stress immer betroffen ist. Auf seelisch-sozialer Ebene helfen Kunsttherapien wie zum Beispiel das Malen, das Musizieren oder die Eurythmie. Vor allem aber hat die Anthroposophische Medizin eine starke Affinität zu biographischen Sinnfragen, die sich bei einem Burnout häufig einstellen.
Schritte nach einer Burnout Diagnose
Nach einer Diagnose von Burnout ist es wichtig, umfassende und gezielte Schritte zu unternehmen, um mit dem Zustand umzugehen und die Genesung zu fördern.
- Psychiatrische Spitex: Diese bietet zu Hause und im Alltag Betreuung und Hilfe durch qualifizierte Fachkräfte, was besonders hilfreich sein kann, wenn der Gang zu einer Praxis oder Klinik eine zusätzliche Belastung darstellt.
 - Arbeitsbelastung neu bewerten: Diskutieren Sie mit Ihren Vorgesetzten Möglichkeiten, Ihre Arbeitsbelastung zu reduzieren oder Aufgaben anders zu verteilen. Dieser Schritt kann mit Scham verbunden sein. Bedenken Sie jedoch, dass laut der SRG-Umfrage «Schweiz, wie gehts?» 17% aller Erwachsenen bereits Burnout erlebt haben.
 - Achtsamkeit und Selbstfürsorge: Entwickeln Sie eine achtsame Haltung gegenüber Ihren eigenen Bedürfnissen und Gefühlen.
 - Ziele setzen: Überlegen Sie, welche langfristigen Veränderungen in Ihrem Leben und Ihrer Karriere notwendig sind, um zukünftigem Burnout vorzubeugen.
 
Wiedereinstieg in den Beruf
Ein Burnout kann das Leben komplett auf den Kopf stellen und die Betroffenen vor grosse Herausforderungen stellen. Doch nach einer Phase der Erholung und Selbstreflexion steht der Wiedereinstieg in den Beruf an. Es ist wichtig, sich vor der Rückkehr zur Arbeit Zeit zu nehmen, um wieder Energie aufzubauen, jedoch ist der Wiedereinstieg ein entscheidender Faktor bei der Bewältigung der Burnout-Folgen. Ausserdem ist es sehr hilfreich, die Ursachen des Burnouts zu kennen und mögliche Auslöser zu identifizieren.
Grundsätzlich kann man sagen, dass die Arbeit auch ein wichtiger psychischer Schutzfaktor ist, denn sie garantiert einen gewissen Lebensstandard, soziale Kontakte und eine geregelte Alltagsroutine. Es ist wichtig zu betonen, dass die Fähigkeit, mit einem Burnout zu arbeiten, von Person zu Person unterschiedlich ist.
Vor der Rückkehr Ihrer Mitarbeiterin oder Ihres Mitarbeiters nach einem Burnout ist es von entscheidender Bedeutung, einen offenen Dialog zu führen. Besprechen Sie gemeinsam die geplanten Schritte für den Wiedereinstieg in den Job. Es ist ratsam, die Rückkehr schrittweise zu gestalten, indem zunächst mit einem reduzierten Arbeitspensum oder flexiblen Arbeitszeiten begonnen werden kann. Dies ermöglicht eine sanfte Anpassung und minimiert potenziellen Stress.
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Ebenso wichtig ist es, die Gesundheit und das Wohlbefinden Ihrer Mitarbeitenden im Blick zu behalten, wenn diese zurück im Job sind. Der berufliche Wiedereinstieg ist für Betroffene emotional und mental herausfordernd. In solchen Phasen kann die Unterstützung durch Kollegen, Freundinnen, die Familie oder einen Coach helfen.
Prävention von Burnout am Arbeitsplatz
Als Arbeitgeberin oder Arbeitgeber tragen Sie eine grosse Verantwortung, wenn es um das Thema Burnout am Arbeitsplatz geht. Sie haben massgeblichen Einfluss darauf, dass Ihre Mitarbeitenden gesund und motiviert bleiben, und können somit aktiv Burnouts vorbeugen.
Massnahmen zur Burnout-Prävention
- Informieren Sie sich über das Thema Burnout und machen Sie sich mit den Ursachen, Symptomen und Risikofaktoren vertraut.
 - Schaffen Sie optimale Arbeitsbedingungen.
 - Behalten Sie die Arbeitsbelastung Ihrer Mitarbeitenden im Blick und sorgen Sie dafür, dass sie angemessen verteilt ist.
 - Setzen Sie realistische Ziele und fördern Sie eine gesunde Work-Life-Balance.
 - Fördern Sie eine offene Kommunikation.
 - Schaffen Sie eine Atmosphäre, in der Mitarbeitende sich bei Stress oder Problemen ohne Angst vor negativen Konsequenzen an Sie oder ihre Vorgesetzten wenden können.
 - Seien Sie flexibel und zeigen Sie Verständnis für die individuellen Bedürfnisse Ihrer Mitarbeitenden.
 - Bieten Sie ihnen flexible Arbeitsmodelle wie Homeoffice oder flexible Arbeitszeiten an, um ihnen mehr Freiheit und Raum zur Selbstorganisation zu geben.
 - Falls eine Mitarbeiterin oder ein Mitarbeiter dennoch von einem Burnout betroffen ist, zögern Sie nicht, frühzeitig zu handeln.
 
Laufbahnberatung als Unterstützung
Laufbahnberatung kann Burnout-Betroffene unterstützen. Eine Laufbahnberatung befasst sich nicht nur mit dem nächsten Karriereschritt. Burnout-Betroffenen kann es helfen, sich der Bahn, auf der ihr Leben verläuft, bewusst zu werden, sich zu fragen, will ich diesen Weg wirklich gehen, oder gibt es einen besseren Weg für mich?
Der persönliche Weg aus dem Burnout
Wie der Fall von Jonas Baumann zeigt, ist es entscheidend, auf den eigenen Körper und die Seele zu hören, um ein Gleichgewicht zu finden. Auch Anna (Name von der Redaktion geändert), eine IT-Spezialistin, erlebte einen Burnout aufgrund hoher Arbeitsbelastung und fehlender Unterstützung. Durch Jobcoaching und die Unterstützung ihrer Familie fand sie zurück ins Leben.
Die Geschichte von Matthias N., einem ehemaligen Geschäftsführer, verdeutlicht, wie tiefgreifend ein Burnout sein kann. Erst durch eine monatelange Leidenszeit und eine neue Haltung zur Arbeit gelang ihm der Durchbruch.
Burnout kann zum positiven Wendepunkt werden, wenn es gelingt, die Sinnorientierung über das Leistungsdenken und die eigene Machtmotivation zu setzen. Es hat schon etwas Perfides, aber persönliche Überforderungen sind vielfach von uns selbst gemacht - niemand wird dabei überfallen, allenfalls davon überrascht. Wir ahnen, dass aus der ständigen Überlastung und ihren Symptomen eine Veränderung resultieren muss. Oft wird erst alles kleingeredet und die wochenlange Schlaflosigkeit oder die Gereiztheit im Umgang mit anderen ignoriert. Am Anfang steht die Realitätsverkennung, der Selbstbetrug, der unpassende Verhaltensweisen aber auch falsche Einstellungen oder Vorstellungen von sich selbst verstärkt. Die meisten Menschen versuchen, so lange wie möglich zu funktionieren - bis eben nichts mehr geht. Eine Abwärtsspirale setzt sich in Gang, die eine Erschöpfung in verschiedenen Bereichen nach sich zieht.