Kriege, Folter, Vergewaltigung, Unfälle oder Naturkatastrophen lassen Menschen manchmal über Jahre nicht mehr los.
Wenn Erinnerungen an Erlebnisse wie Kriege, Folter oder sexuelle Übergriffe Menschen über längere Zeit plagen, spricht man von einer Posttraumatischen Belastungsstörung.
Die Beschwerden treten manchmal schon kurz nach dem Ereignis auf, oft aber auch erst mehrere Jahre oder gar Jahrzehnte später.
Was ist eine Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS)?
Unter einer Posttraumatischer Belastungsstörung (PTSD) versteht man die anhaltende psychische Reaktion auf ein belastendes Ereignis von aussergewöhnlicher Bedrohung oder katastrophenartigem Ausmass.
Mit einem Trauma sind also nicht schwierige Lebenssituationen wie Trennung oder Stellenverlust gemeint, sondern Ereignisse, bei denen die körperliche Unversehrtheit oder gar das Leben auf dem Spiel stehen.
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Traumatische Erfahrungen können sehr kurz dauern - wie etwa bei einem Verkehrsunfall oder einem Überfall - oder sich über viele Jahre erstrecken, beispielsweise bei sexuellem Missbrauch oder politischer Haft und Folter.
Nicht nur die unmittelbar Betroffenen solcher Erlebnisse können Symptome einer PTSD entwickeln, sondern auch Augenzeugen, nahe Angehörige oder Menschen, die beruflich immer wieder mit Traumata konfrontiert sind, z.B. Kriegsfotografen, Mitarbeitende von Blaulichtorganisationen oder Notfallseelsorger.
Bei uns in Mitteleuropa sind traumatische Erfahrungen vergleichsweise selten, dennoch wird statistisch gesehen etwa die Hälfte von uns mindestens einmal im Leben von einem Trauma betroffen.
Art und Schweregrad einer traumatischen Erfahrung haben Einfluss auf die späteren psychischen Folgen.
Vereinfachend lässt sich sagen, dass zwischenmenschliche, oft einer Absicht folgende Traumatisierungen wie etwa sexuelle Gewalt schwieriger zu bewältigen sind als schicksalshafte, z.B. ein Erdbeben oder ein Unfall.
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Auch hinterlassen langanhaltende oder wiederholte Erfahrungen meist tiefere Spuren als einmalige, kurzzeitige Ereignisse.
Die Art des Traumas ist jedoch nicht der einzige Einflussfaktor. Entscheidend ist auch, welche Ressourcen für die Bewältigung einer traumatischen Erfahrung zur Verfügung stehen.
Ist die von einem Trauma betroffene Person bereits stark unter Druck durch Konflikte am Arbeitsplatz, Scheidung oder Erkrankung, stehen unter Umständen nicht mehr genügend Belastungsreserven zur Verfügung, um auch noch ein Trauma zu bewältigen.
Umgekehrt können bisweilen auch schwerste traumatische Erfahrungen aufgefangen werden, wenn ein tragendes soziales Umfeld und stabile Rahmenbedingungen vorhanden sind.
«Bei einem Einschnitt im Leben können plötzlich Erinnerungen hochkommen, die wir lange verdrängt haben», erklärt Jochen Binder, leitender Arzt am Ambulatorium für Traumafolgestörungen der Integrierten Psychiatrie Winterthur - Zürcher Unterland.
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Auch das Wiedersehen mit einer Person aus der Vergangenheit kann ein Auslöser sein.
Dennoch: Nicht jedes schreckliche Erlebnis führt zwingend zu einem Trauma.
«Grundsätzlich ist der Mensch erstaunlich robust», so der Psychiater.
«Wir können viel wegstecken.»
Eine gefestigte Persönlichkeit, die gut verwurzelt im Leben steht, wird durch einen einzigen schrecklichen Unfall eher nicht komplett aus der Bahn geworfen.
Bei einer Person, die bereits viele Belastungen erlebt hat, kann dies jedoch das Fass zum Überlaufen bringen.
Einen Unterschied macht auch, ob eine ganze Gruppe betroffen ist - etwa bei einem Erdbeben - und man auf viel Verständnis und Solidarität stösst, oder ob man alleine mit dem Erleben ist.
In der Schweiz sind es meist Menschen mit Migrationshintergrund, die entsprechende Erfahrungen gemacht haben.
Bei der hier aufgewachsenen Bevölkerung dagegen liegen die Ursachen für eine Posttraumatische Belastungsstörung öfter im häuslichen Milieu.
Häufige Themen sind Gewalt, Vernachlässigung und sexuelle Übergriffe.
Letzteres sei vor allem problematisch, wenn der Täter eine vertraute Person ist, die nicht nur böse ist, erklärt Binder.
Symptome einer PTBS
Eine Posttraumatische Belastungsstörung kann sich direkt nach einem belastenden Ereignis, manchmal aber auch erst Jahre später entwickeln.
Das innere Wiedererleben der traumatischen Situation kann sich in Form unangenehmer Erinnerungen oder Albträumen äussern.
Dabei handelt es sich nicht nur um Bilder oder den „inneren Film“, oft sind damit auch Geruchs-, Geräusch- oder Körpererinnerungen verbunden.
Gleichzeitig können damit auch Gedanken und Gefühle der traumatischen Situation aktiviert werden, etwa die Todesangst.
Wiedererlebenssymptome können ausgelöst, „getriggert“ werden durch Situationen, welche Ähnlichkeit mit dem traumatischen Ereignis aufweisen.
Diese Trigger sind manchmal offensichtlich, beispielweise ein schussähnlicher Knall oder eine dunkle Strasse, manchmal aber auch sehr subtil und schwer erkennbar, etwa der diskrete Geruch eines Aftershaves.
In einer Bedrohungssituation wird das vegetative Nervensystem stark aktiviert.
Dies entspricht einer biologischen Schutzreaktion: Körper und Geist werden maximal aktiviert, um die Überlebenschancen zu verbessern.
Typisch für eine Posttraumatische Belastungsstörung ist, dass die Betroffenen auch nach Beendigung der traumatischen Situation in diesem Aktivierungszustand verharren oder im Rahmen des Wiedererlebens immer wieder hineinversetzt werden.
Vegetative Übererregbarkeit äussert sich in Anspannung, Schreckhaftigkeit oder auch einem Gefühl ständiger Bedrohung.
Körper und Psyche bleiben in einer Art Alarmzustand gefangen.
Damit können auch Reizbarkeit, Nervosität, Impulsivität, Schlaf- und Konzentrationsstörungen einhergehen.
Wiedererleben und vegetative Übererregbarkeit können sehr belastend sein.
Entsprechend versuchen die meisten Betroffenen - teils bewusst, teils unbewusst - Situationen in ihrem Alltag zu vermeiden, durch welche Erinnerungen an das traumatische Ereignis ausgelöst oder verstärkt werden können.
Nach einem Verkehrsunfall wird möglicherweise das Autofahren oder die öffentlichen Verkehrsmittel gemieden.
Nach politischer Haft geht man vielleicht nicht mehr in den dunklen, feuchten Keller oder vermeidet den Kontakt mit Menschen in Uniformen.
Gerade bei zwischenmenschlichen Traumatisierungen besteht oft eine Tendenz zu generellem sozialem Rückzug und Misstrauen.
Solche Vermeidungsstrategien sind verständlich und können kurzfristig auch zu einer Entlastung beitragen.
Sie können aber längerfristig zu starken Beeinträchtigungen im Alltag führen.
Traumatische Ereignisse liegen ausserhalb unserer Alltagserfahrung.
Ohnmacht und existentielle Bedrohung einer traumatischen Situation widersprechen unserem mehr oder weniger ausgeprägten Gefühl von Sicherheit, Kompetenz und Bewältigbarkeit, welches uns üblicherweise durchs Leben geleitet.
Entsprechend führen traumatische Erfahrungen oft zu Erschütterungen unseres Welt- und Menschenbildes wie auch der Vorstellungen über uns selbst.
Verunsicherung, Angst, Misstrauen, Wut, Verbitterung, Pessimismus, aber auch Ekel, Scham- und Schuldgefühle können die Folge sein.
Traumatisierte Menschen werden - bewusst oder unbewusst - von ihren Erinnerungen dominiert.
Kern eines psychischen Traumas ist eine Konfusion von Vergangenheit und Gegenwart.
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