Indikation stationäre Psychotherapie: Leitlinien und Rahmenbedingungen

Der Vertrauensarzt (VA) spielt eine zentrale Rolle bei der Beurteilung der Notwendigkeit und Angemessenheit von psychotherapeutischen Behandlungen im Rahmen des Krankenversicherungsgesetzes (KVG). Seine Aufgaben umfassen die Prüfung der Dauer der Psychotherapie, der Spitalbedürftigkeit und der Indikation zur psychosomatischen Rehabilitation.

KVG-Ärztliche Psychotherapie

Gemäss KVG kann der behandelnde Psychiater psychotherapeutische Abklärungen und Psychotherapie während maximal 40 Sitzungen durchführen, ohne einen Bericht an den VA zu senden. Dabei müssen die angewandten Methoden wissenschaftlich belegt sein.

Soll die Psychotherapie nach 40 Sitzungen fortgesetzt werden, prüft der VA den Bericht des behandelnden Psychiaters und entscheidet über die Fortsetzung der Therapie. Bei Uneinigkeiten kann der VA eine detailliertere Begründung des Behandlungsplans oder einen modifizierten Vorschlag anfordern.

Als Leitlinie für die maximale Therapiefrequenz gilt die Regelung der KLV vor 2007: Zwei Sitzungen pro Woche in den ersten drei Jahren, eine pro Woche in den folgenden drei Jahren, anschliessend eine alle zwei Wochen.

Individuelle Psychiatrische Psychotherapeutische Behandlung (IPPB)

Ein grosser Teil der psychiatrischen ambulanten Behandlungen fällt unter die IPPB, insbesondere bei psychiatrischen Langzeitbehandlungen wie Schizophrenie, Persönlichkeitsstörungen, Suchterkrankungen oder affektiven Störungen. Die Indikation zur IPPB wird vom behandelnden Psychiater gestellt, wobei die üblichen Wirtschaftlichkeits-, Wirksamkeits- und Zweckmässigkeitskriterien (WZW-Kriterien) gelten.

Lesen Sie auch: Psychologische Indikation: Eine Definition

Die Versicherung kann jederzeit einen Bericht zur Überprüfung der WZW-Kriterien anfordern. Die Art der Behandlung kann sich im Verlauf ändern, beispielsweise von Medikation zu Psychotherapie.

Delegierte Psychotherapie

Delegierte Psychotherapie liegt vor, wenn ein Arzt die psychotherapeutische Behandlung an einen qualifizierten Psychotherapeuten delegiert. Gemäss Rechtsprechung ist dies eine Pflichtleistung (PL), wenn der Psychotherapeut in den Praxisräumen des Arztes unter dessen Aufsicht arbeitet. Die kantonalen Gesundheitsdirektionen können diesbezügliche Regelungen erlassen.

Die delegierte Psychotherapie unterliegt den Bestimmungen von Art. 49 KVG und muss die WZW-Anforderungen erfüllen. Der delegierende Arzt ist dafür verantwortlich, dass die Psychotherapie diesen Anforderungen genügt.

Die Kriterien zur Abrechnungsberechtigung finden sich in der Vereinbarung über die Anerkennung von Sparten nach TARMED. Der delegierende Arzt muss über die entsprechende qualitative Dignität verfügen, und die ausführenden Psychotherapeuten müssen über den entsprechenden eidgenössischen oder eidgenössisch anerkannten Weiterbildungstitel verfügen.

Psychiatrische Spitex

Ähnlich wie bei der somatischen Krankenpflege werden auch Leistungen der psychiatrisch ambulanten Pflege von der OKP übernommen, sofern ein psychischer Gesundheitsschaden mit Krankheitswert und dessen ärztliche Behandlung vorliegen. Die Massnahmen müssen in ein durch den behandelnden Arzt koordiniertes Behandlungskonzept eingebunden sein. Psychotherapeutische Behandlungen sind keine Pflichtleistung im Rahmen der psychiatrischen Spitex.

Lesen Sie auch: Ihr Weg zur stationären Therapie

Ergotherapie

Bei psychiatrischen Langzeitbehandlungen ist Ergotherapie oft eine sinnvolle Ergänzung zur ärztlichen Behandlung. Das Rehabilitationsziel steht im Zentrum der psychiatrischen Ergotherapie und muss einleuchtend beschrieben und messbar sein. Verlängerungsgesuche müssen ein rehabilitatives Ziel darlegen und die Methode beschreiben, mit welcher dieses Ziel erreicht werden kann.

Ergotherapie ist kein Beziehungsersatz im Alltag, und das blosse Verhindern einer Zustandsverschlechterung stellt kein Therapieziel dar. Dauer und Frequenz ergotherapeutischer Sitzungen weisen grundsätzlich keinen Bezug zur Schwere der psychischen Störung auf.

Tageskliniken

Tageskliniken bieten eine umfassende psychiatrisch-psychotherapeutische Behandlung bei gleichzeitigem Verbleib im eigenen sozialen Umfeld. Sie sind indiziert, wenn eine ambulante Behandlung nicht ausreichend ist. Bedingung ist, dass der Patient eine Wohnmöglichkeit hat und bei Exazerbation der psychischen Störung die Möglichkeit der Verlegung in ein Kriseninterventionszentrum oder eine psychiatrische Klinik besteht.

Schätzungen zufolge könnten 20-30% der stationär behandelten Patienten von einer akutpsychiatrischen tagesklinischen Behandlung profitieren.

Stationäre Psychiatrische Behandlung und Akutspitalbedürftigkeit

Vor Klinikeintritt muss ein Kostengutsprachegesuch mit der vorläufigen Diagnose eingereicht werden. Der Versicherer empfiehlt eine Kostengutsprache für 30 bis 90 Tage. Für eine Verlängerung ist ein Verlängerungsgesuch an den VA des Versicherers zu richten.

Lesen Sie auch: Umfassender Überblick zur stationären Reha

Akutspitalbedürftigkeit liegt vor, solange von einer laufenden stationären Behandlung noch eine wesentliche Verbesserung erwartet werden kann und gleichzeitig von einer teilstationären oder ambulanten Behandlung eine wesentliche Verschlechterung erwartet werden muss. Der Aufenthalt im Akutspital darf nur so lange dauern, wie er vom Behandlungszweck her notwendig ist.

Psychosomatik

Psychosomatische Störungen sind psychische Störungen, die mit besonderer Häufigkeit körperliche Beschwerden hervorrufen. In der Schweiz gibt es spezialisierte psychosomatische Akut- und Rehabilitationskliniken. Die Frage, ob Patienten mit psychosomatischen Leiden in psychiatrischen oder psychosomatischen Kliniken zu behandeln sind, hängt vom Behandlungsziel ab.

Sofern neben der Reduktion der Symptomlast auch eine erhöhte Funktionalität in Alltag und Beruf als vorrangiges Behandlungsziel definiert wird (Global Assessment of Functioning, GAF), liegt der Schwerpunkt der Behandlung in der Rehabilitation, womit einer psychosomatischen Klinik der Vorzug gegeben werden kann.

Behandlungskonzept der Station A2

Die Station A2 ist spezialisiert auf die Behandlung von Patienten mit Stressfolgeerkrankungen und Störungen der Emotionsregulation. Das Therapiekonzept wird durch Methoden der Schematherapie nach Jeffrey Young im Einzel- und Gruppensetting ergänzt. Das Team der Station A2 hat sich auf die Behandlung von Patienten mit Stressfolgeerkrankungen sowie mit Störungen der Emotionsregulation spezialisiert. Zu diesen vielfältigen Krankheitsbildern gehören Symptome wie Erschöpfung, ausgeprägte Gefühlsschwankungen, Selbstverletzungen, impulsives und/oder dissoziatives Verhalten sowie Suizidalität.

Die Station bietet zwei differenzierte gruppentherapeutische Therapieprogramme an: Das Stationäre Integrative Therapieprogramm für Emotionsregulation (SITE) (8 Wochen) und die Dialektisch Behaviorale Therapie (DBT) (10 Wochen). Beide Therapieprogramme beinhalten individuelle Psychotherapie, spezifische Gruppenangebote wie Skills- und Körperskillsgruppen, Ergotherapie, Musiktherapie sowie Achtsamkeitsgruppe und Psychoedukation.

Dialektisch Behaviorale Therapie (DBT)

Die DBT beinhaltet eine Beziehungsgestaltung, die eine Wertschätzung der jeweils aktuellen, subjektiven Sichtweisen der Patientin oder des Patienten ermöglicht und integriert ein breites Spektrum an verhaltenstherapeutischen, psychodynamischen und gestalttherapeutischen Techniken. Therapeutische Ziele und Behandlungsstrategien werden individuell an die psychischen und sozialen Belastungen der Patienten angepasst. Dabei steht die Motivation zur Verhaltensänderung im Vordergrund.

Ergänzende Angebote

Phytotherapie sowie verschiedene Elemente der Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM) und Entspannungsverfahren ergänzen das schulmedizinische Angebot. In Zusammenarbeit mit dem internistischen Dienst werden medizinische Abklärungen durchgeführt. Ergotherapie fördert die Patienten durch themenzentrierte und/oder interaktionelle gestalterische Tätigkeiten in Eigenwahrnehmung, Ausdrucksvermögen und der Auseinandersetzung mit sich und der Umwelt. Gespräche reflektieren den Prozess und stellen Bezüge zum Alltag her.

tags: #Indikation #stationäre #Psychotherapie #Leitlinien