Eine positive Einstellung zum eigenen Körper und ein gesundes Essverhalten können früh gefördert werden. So schaffen Sie als Eltern eine gute Basis für die Herausforderungen der Pubertät. Voraussetzung hierfür ist, dass Sie sich mit Ihrem eigenen Körperbild auseinandersetzen und selbst gängige Schönheitsideale hinterfragen. Je besser Sie Ihren eigenen Körper akzeptieren, desto mehr können Sie dies auch Ihrem Kind vermitteln.
Schutzfaktoren im Alltag
Gute soziale Beziehungen in der Familie oder in Freundschaften und ein zufriedenes, erfülltes Leben sind Schutzfaktoren, die Sie als Mutter und Vater gezielt fördern können. Eine gute Eltern-Kind-Beziehung erhöht auch die Wahrscheinlichkeit, dass Sie in Krisen oder bei auffälligem Essverhalten Einfluss nehmen können.
Versuchen Sie Ihrem Kind zu vermitteln, wie es gut mit Stress und Belastungen umgehen kann. Jeder Mensch kann in schwierige Situationen geraten.
Das Selbstwertgefühl stärken
Ein gutes Selbstwertgefühl schützt nachhaltig vor Essstörungen. Sie können vermitteln, dass es ganz unterschiedliche Arten gibt, schön zu sein, und dass Ihr Kind toll aussieht, so wie es ist. Auf keinen Fall sollten Sie sein Aussehen kritisieren oder subtile Anspielungen, etwa auf Übergewicht, machen. Ist das Selbstwertgefühl des Kindes breit in verschiedenen Bereichen verankert und bezieht sich nicht nur auf das Aussehen, beugt das Essstörungen vor. Wichtig sind Hobbys, Schule und soziale Beziehungen. Geben Sie Ihrem Kind zu verstehen, dass es unabhängig von seinen Leistungen oder seinem Aussehen toll und liebenswert ist.
Ernährung in der Familie
In der Familie sollen Ernährung, Aussehen oder gesundes Leben nicht ständig Thema sein. Geben Sie Ihrem Kind zu verstehen, dass es unabhängig von seinen Leistungen oder seinem Aussehen toll und liebenswert ist.
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Achten Sie als Mutter oder Vater darauf, dass Ihr Kind sich vielseitig, ausgewogen und reichhaltig ernährt und dabei regelmässig und mit Genuss isst. Es soll seinen Bedürfnissen entsprechend und nach eigenem Appetit essen dürfen. Süsses, Fettiges und Salziges sollte in Massen genossen werden.
Bei jüngeren Kindern bis ins Primarschulalter kann die Ernährung gut über das Angebot an möglichst vielfältigen Nahrungsmitteln gesteuert werden. Süssigkeiten dürfen dabei nicht ständig zur Verfügung stehen.
Regelmässige Mahlzeiten sind für ein gesundes Essverhalten sehr wichtig. So sorgen Sie dafür, dass sich alle satt essen können und gesunde Nahrung zu sich nehmen. Und es wird vermieden, dass Heisshunger auftritt und zwischendurch ungesunde Snacks gegessen werden. Da bei den Mahlzeiten zumeist die ganze Familie zusammenkommt, werden gleichzeitig gute Beziehungen gepflegt.
Gespräche führen
Es ist wichtig, dass Sie mit Ihrem Kind im Gespräch bleiben, auch bei den Themen Aussehen, Gewicht und Ernährung. Wenn ein Jugendlicher sich hier Sorgen macht, sollten Sie das ernst nehmen. Gleichzeitig können Sie gegensteuern, indem Sie Schönheitsideale kritisch hinterfragen.
Essstörungen: Formen und Auswirkungen
Es gibt verschiedene Essstörungen. Zu den häufigsten zählen Magersucht, Bulimie und die Binge-Eating-Störung, wobei erstere von aussen wegen des geringen Körpergewichts am sichtbarsten ist. Magersüchtige Kinder und Jugendliche wiegen jedes Gramm Nahrung ab, vermeiden Lebensmittel mit vielen Kalorien und verbieten sich mit viel Disziplin jegliche Gelüste. Manche zwingen sich dazu, Sport bis zum Umfallen zu treiben. Die Betroffenen werden dünner und dünner.
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Weniger sichtbar als eine Magersucht ist die Essstörung Bulimie, auch Ess-Brech-Sucht genannt. Betroffene haben meistens ein normales Körpergewicht. Trotzdem haben sie ein gestörtes Verhältnis zu Nahrung. Sie essen nicht zu wenig, sondern im Zuge von Essanfällen zu viel. Bei der Binge-Eating-Störung fehlt die kompensierende Komponente. Betroffene verlieren ebenfalls die Kontrolle über ihr Essverhalten und essen in kurzer Zeit viel zu viel.
Häufig sind Essstörungen ein Lösungsversuch für tiefgründige psychische Probleme. Weil sie ein grosses Risiko für die gesunde Entwicklung darstellen und schwerwiegende körperliche, psychische und soziale Folgen auftreten können, sollte frühzeitig professionelle Hilfe gesucht werden.
Insgesamt sind 3,5 Prozent der Schweizer Bevölkerung im Laufe ihres Lebens von einer Essstörung betroffen, Mädchen und Frauen etwas häufiger als Jungen und Männer. Das zeigt eine Studie des Universitätsspitals Zürich und der Universität Zürich im Auftrag des Bundesamtes für Gesundheit (BAG) aus dem Jahr 2010.
Umgang mit Betroffenen
Viele Eltern und Bezugspersonen sind unsicher, ob sie Kinder oder Jugendliche auf ihr gestörtes Essverhalten ansprechen sollen. Die Konfrontation kann ein entscheidender Anstoss sein, sich Hilfe zu holen. Möglicherweise fühlen sich Betroffene aber erst recht unverstanden und unter Druck gesetzt. Angehörige können stattdessen fragen, womit sie helfen können und dabei unterstützen, Hilfe zu holen. Eltern dürfen sich auch eingestehen, wenn eine Situation sie überfordert.
Ratschläge für Angehörige
Wichtig ist, Ihre Schwester darauf anzusprechen und ihr das Gefühl zu geben, dass Sie sie nicht verurteilen, sondern ihr helfen wollen. Möglichst keine Kommentare zu ihrem Gewicht machen, sondern ihr das Gefühl vermitteln, dass sie geliebt wird, egal, wie viel oder wenig sie wiegt. Ihr zuhören und sie möglichst nicht verurteilen, hören, was sie braucht und den Fokus weg vom Essen oder Gewicht nehmen, wenn sie das zulässt.
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Es ist auch für Angehörige belastend, eine geliebte Person mit einer Essstörung zu unterstützen. Oft empfinden Familienmitglieder Hilflosigkeit, Frust oder Schuldgefühle. Deshalb ist es wichtig, dass Sie auch auf Ihre eigene psychische Gesundheit achten.
Betroffene fühlen sich oft beobachtet, wenn es ums Essen geht. Das kann den Druck erhöhen. Helfen Sie Ihrer Schwester, sich wohler zu fühlen, indem Sie die Gespräche bei gemeinsamen Mahlzeiten auf andere Themen lenken. Beispiele für Gesprächsthemen während Mahlzeiten: Reisen, Hobbys, Musik, Filme, Pläne für das neue Jahr, lustige oder schöne Erinnerungen
Es ist auch wichtig, dass die ganze Familie die Situation versteht und die eventuell notwendige Unterstützung bekommt - Geschwister dürfen auf keinen Fall vergessen gehen.
Eine Essstörung kann die gesamte Familie belasten und dominieren. Oft hilft es offen darüber zu reden. Es ist in Ordnung, wenn Gefühle und Bedürfnisse von allen geäussert und auch Grenzen gesetzt werden, z.B. indem man wütend, verärgert oder hilflos ist. Es ist wichtig, dass das Essen oder Nicht-Essen der Betroffenen* nicht immer im Mittelpunkt steht.
Hilfsangebote
Bei der AES können sich Betroffene und Angehörige kostenlos melden. Die Fachstelle informiert, berät und vernetzt. Einen goldenen Weg gebe es nicht - mal helfe eine Ernährungsberaterin, mal ein Psychologe. In den meisten Fällen sei es sinnvoll, eine Essstörung von mehreren Seiten anzugehen.
Das ZES bietet ausserdem geleitete Abende für Angehörige an. Hier werden monatlich verschiedene Themen vorgestellt und besprochen.
Tamaras Geschichte: Vom Kampf zur Heilung
Ich heisse Tamara, bin 36 Jahre jung und litt 20 Jahre an Essstörungen. Jahrelang war die Magersucht meine beste Freundin - sie war ein Teil von mir. Innerhalb von einigen Monaten fiel Tamaras Gewicht auf 33 Kilogramm. Heute bin ich geheilt und kann das Essen wieder mit Genuss verzehren.
Es war ein harter, einsamer und schmerzlicher Weg. Ich habe die Chance genutzt, aus meinem Mangel zurück in die reine Liebe zu finden, um jetzt mein volles Potenzial ausschöpfen zu können. Meine Motivation ist, den Menschen aufzuzeigen, wie auch sie aus dem Schmerz in ihrem Leben rauskommen können. Da spielt es keine Rolle, ob es sich um eine Essstörung, Depression, Alkoholsucht, Drogensucht, Sexsucht, Shoppingsucht und so weiter handelt, das Grundprinzip ist immer der Mangel an Liebe, welches das Selbstwertgefühl negativ prägt.
An einem Campingausflug mit Freundinnen hatte ich ganz viele Kekse dabei und als ich sie teilen wollte, hatten alle darauf geantwortet: «Nein danke, von denen werde ich nur dick.» Von diesem Moment an fing bei mir die Kontrolle, über mein Essverhalten und meinen Körper an. Am Schluss ass ich nur noch einen Apfel pro Tag. Innerhalb von einigen Monaten fiel mein Gewicht auf 33 Kilogramm runter.
Eines Tages als es schneite und kalt war, und ich körperlich an meine Grenzen gekommen bin, suchte ich eine Telefonkabine auf und setzte mich mit einer Ersthilfe-Anlaufstelle in Verbindung. Ich hatte erzählt, dass ich eine Freundin hätte, welche nur noch 33 Kilogramm wiegt und die Nahrungsaufnahme verweigert. Da ich zu dieser Zeit nicht wusste, was Magersucht ist und bedeutet, hörte ich der Frau am Telefon ganz neugierig zu.
Danach folgten einige harte Jahre Reflektions-Arbeit, die sehr viel Tiefgang in sich hatten. Ich habe mich dadurch selbst therapiert, indem ich alles anfing zu hinterfragen, analysieren und reflektieren. Ich musste lernen, die Kontrolle loszulassen, ich musste lernen zu vertrauen, ich musste lernen mich zu akzeptieren, ich musste lernen mich zu lieben, ich musste lernen mich abzugrenzen, ich musste lernen für mich einzustehen, ich musste lernen zu verzeihen. Ich musste lernen, meine Ängste und Gefühle anzunehmen.
Heute weiss ich, dass die Magersucht eine Sehnsucht nach Autonomie und Kontrolle war. Für mich persönlich war es sehr heilend zu verstehen, dass meine Glaubenssätze meine Programmiersprache meines Selbstwertgefühls waren und sind und ich diese in mein Erwachsenenleben übernommen habe.
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