Die Schweizer Regierung ist besorgt wegen Desinformation und Beeinflussung «in der Grauzone» zwischen Krieg und Frieden.
Die Herausforderungen hybrider Kriegsführung
Doch auf hybride Kriegsmittel zu antworten, ist herausfordernd für liberale Demokratien wie die Schweiz.
Denn Regierungen sollten nicht die Akteure sein, die entscheiden, was wahr und was falsch sei.
«Sobald Regierungen involviert sind, wird es politisiert», sagte der Spionage- und Sicherheitsexperte Rory Cormac 2024 bei einer Anhörung im britischen Parlament.
Desinformation, so Cormac, gedeihe in einer Atmosphäre «toxischer politischer Debatten mit wenig Beachtung von Fakten».
Der Fall Grossbritannien
Die britischen Wahlen 2024 nahm Cormac im Vergleich zu 2019 grundsätzlich als positiv wahr.
Der ehemalige britische Premierminister Boris Johnson ist für Rory Cormac jemand, der mit dem «Postfaktischen» liebäugelte.
Internationale Perspektiven und Strategien
Ein Beispiel, an dem sich Länder wie Grossbritannien orientieren könnte, sind für Cormac die baltischen und skandinavischen Staaten.
«Finnland, beispielsweise, betont Medienkompetenz und hat hohes Vertrauen in sein öffentliches Medienhaus», findet Cormac, der sagt, dass Medienkompetenz «eine klare Sicherheitsdimension» hat.
Cormac schätzt den G7 RRM, wo Grossbritannien als G7-Land dabei ist, als Koalition gegen Desinformation grundsätzlich.
Angesichts des «jüngsten Verhaltens der US-Regierung» erwartet er «Aufruhr» im G7 RRM.
Die Rolle der Schweiz
Die Neutralität der Schweiz hat nicht verhindert, dass sie zur Zielscheibe von Fake News und Propaganda aus Moskau wurde.
Desinformation und Beeinflussung richteten sich «zunehmend direkt auf die Schweiz».
Oder sie zielen auf die direkte Demokratie.
Ein ETH-Experte erwartet, dass Desinformation besonders gefährlich ist für Staaten mit vielen Abstimmungen wie die Schweiz.
Die Schweizer Bedrohungslage kommentiert Cormac nicht.
Die «Geistige Landesverteidigung»
Olga Baranova setzt sich für einen umfassenden Begriff von Sicherheit ein und möchte, dass die Schweiz eine Diskussion über eine neue «Geistige Landesverteidigung» führt.
«Die Geistige Landesverteidigung war kein Programm für friedliche Zeiten», sagt Baranova, «sondern ein Programm für kriegerische Zeiten wie jetzt.»
Die Geistige Landesverteidigung war ein Leitmotiv der Schweizer Politik von den 1930er- bis 1960er-Jahren, das zwiespältig in Erinnerung bleibt.
In dieser Lage wollte man die nationale Erzählung der Schweiz stärken.
«Man sagte zu Beginn der Geistigen Landesverteidigung: ‘Was die Schweiz ausmacht, ist wichtig und daran arbeiten wir jetzt.’ Man hat aber gleichzeitig gar nicht formuliert, was die Schweiz ausmacht», erklärt Baranova.
Die Geistige Landesverteidigung brachte der Schweiz in den 1930er-Jahren den öffentlich-rechtlichen Rundfunk und die Kulturstiftung Pro Helvetia, betont Baranova.
Von staatlicher Seite gelte es mit Fokus auf die Cyberabwehr in die Verteidigung zu investieren.
«Willensnation», «Vielfalt», «Haltung», «wehrhafte Demokratie»: Beim Zuhören fallen einem Baranovas grosse Worte auf.
Doch können gemeinsame Geschichten und gemeinsame Identität Teil eines Sicherheitskonzepts im 21. Jahrhundert sein?
Wenn man Leon Erlenhorst folgt, schon.
Natürliche reichen Narrative allein nicht.
Internationale Koordination und Massnahmen
Es geht um eine Koordinationsstelle zur Bekämpfung von DesinformationExterner Link und eine mögliche Bewerbung auf Beobachterstatus im G7 Rapid Response MechanismExterner Link (G7 RRM).
Der G7 RRM ist ein Ansatz, der Problematik international abgestimmt zu begegnen.
Dies ist eine von Kanada geführte Koordinationsstelle der G7-Länder, um «vielfältigen und sich wandelnden ausländischen Bedrohungen für die Demokratie» zu begegnen, wie die Pressestelle auf Anfrage schreibt.
Erlenhorst schätzt internationale Projekte zum Bekämpfen von Desinformation.
Teilweise könne die Antwort nur international sein.
Trotzdem findet er es wichtig, dass sich jedes Land für sich auseinandersetzt, wie es ausländischer Einflussnahme begegnet.
Der französische Ansatz: «Viginum»
In Frankreich gibt es die Organisation «Viginum», die selbst keine offensive Gegenmassnahmen veranlassen kann.
«Die Aufgabe von Viginum, seit 2021 ist das Aufspüren manipulativer Aktivitäten.
Frankreich ist dann auch nicht schüchtern, kundzutun, wenn es eine grosse Desinformationskampagne entdeckt hat», führt Erlenhorst aus.
Viginum arbeitet nicht wie ein Geheimdienst.
Man hat einzig Zugriff auf öffentliche Quellen, um Muster zu dokumentieren und zu analysieren.
Die Daten werden anonymisiert verwendet.
Pre-Bunking als Strategie
«Was für eine Schweizer Frage, aber eine wichtige», sagt Erlenhorst.
Es sei ein sensibler Bereich und immer eine Abwägung.
Als Leitlinie für Strategien gegen ausländische Beeinflussung ist für Erlenhorst das sogenannte Pre-Bunking entscheidend.
Man könne Falschinhalte richtigstellen, aber besser als die Reaktion sei pro-aktives Handeln.
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