Die Borderline-Persönlichkeitsstörung (BPS) ist ein komplexes und oft missverstandenes psychisches Krankheitsbild. Menschen, die davon betroffen sind, kämpfen mit intensiven emotionalen Schwankungen, einem instabilen Selbstbild und Herausforderungen in zwischenmenschlichen Beziehungen. Doch was genau steckt hinter der Diagnose Borderline? Dieser Artikel soll Ihnen einen umfassenden Einblick in das Thema geben, von den Symptomen und Ursachen bis hin zu Behandlungsmöglichkeiten und Tipps für Angehörige.
Was ist die Borderline-Persönlichkeitsstörung?
Die Borderline-Persönlichkeitsstörung (BPS) entsteht durch traumatische Einflüsse im frühen Kindesalter. Die Betroffenen haben oft Mühe, stabile Beziehungen aufzubauen und ihr Leben ohne ständige Brüche zu führen. Impulskontrollstörungen können zu Drogen- oder Spielsucht, Risikoverhalten oder Selbstverletzungen führen.
Das Hauptsymptom der Borderline-Störung ist die Unfähigkeit, seine Gefühle und starke Emotionen kontrollieren zu können. Letztere sind für Menschen mit Persönlichkeitsstörungen kaum auszuhalten. Oft kommt es in solchen Situationen zu Selbstverletzung bis hin zu Suizid-Gedanken oder psychischen Krankheiten wie Angst-Störungen, Depressionen oder Essstörungen.
Das wichtigste Kriterium, das für die Diagnose verwendet wird, ist das Vorliegen einer Persönlichkeitsstörung. Dabei handelt es sich um tief verwurzelte, langanhaltende Verhaltensmuster, die sich in starren, immer ähnlich ablaufenden Reaktionen im persönlichen, vor allem aber im sozialen Bereich zeigen. Es sind also nicht einfach «Symptome», wie wir sie beispielsweise bei einer Depression sehen, sondern vielmehr auffällige Persönlichkeitszüge, die für die Betroffenen oder ihre soziale Umgebung zu einem Leiden führen. Dies ist wichtig, denn es geht nicht um eine «Schubladisierung» einer Person wegen irgendwelchen charakterlichen Besonderheiten, sondern darum, dass daraus ein Leidensdruck erwächst. Deshalb sprechen wir von Persönlichkeit-Störung.
Symptome der Borderline-Persönlichkeitsstörung
Das Symptomspektrum ist sehr breit und umfasst fast alle möglichen psychiatrischen Symptome. Erst das Gesamtbild, die Intensität und das Muster der verschiedenen Symptome ermöglichen eine Diagnose. Sehr oft ist für eine sichere Diagnose ein längerer zeitlicher Überblick nötig. Grund dafür ist, dass nicht die momentane, sondern die längerfristige Funktionsweise eines Menschen auf eine Borderline-Erkrankung hinweist.
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- Andauernde Instabilität in Bezug auf Gefühle
- Rasch wechselnde, intensive Gefühlszustände wie Angst, Leeregefühl oder Wut
- Häufig dramatisch verlaufende Beziehungen mit hoher emotionaler Intensität
- Beziehungsabbrüche
- Wiederholte traumatische Erfahrungen
- Tendenz zu Selbstverletzungen, Risikoverhalten und Suizidversuchen
- Suchtmittelkonsum, anderes Suchtverhalten und Essstörungen
- Störungen und Unsicherheit bezüglich Selbstbild, Zielen und inneren Präferenzen
- Neigung zu Ausbrüchen von Wut oder Gewalt mit Unfähigkeit zur Kontrolle explosiven Verhaltens
Menschen mit Borderline können ihre Gefühle schwer regulieren. Sie erleben sowohl positive als auch negative Emotionen besonders stark und es dauert deutlich länger als bei gesunden Menschen, bis die Emotionen wieder abklingen. Betroffene leiden aufgrund der heftigen Gefühlsschwankungen unter einer extremen inneren Anspannung.
Persönliche, aber auch Arbeitsbeziehungen sind oftmals schwierig aufrechtzuerhalten. Betroffene brauchen verlässliche, stabile, wohlwollende, aber klare und verlässliche Beziehungen. Dann kann eine Teilhabe an der Gesellschaft gut gelingen.
Ursachen der Borderline-Persönlichkeitsstörung
Persönlichkeitsstörungen galten lange als rein erworbene Störungen. Heute sieht man es etwas differenzierter und es werden auch genetische oder mindestens familiäre (transgenerationale) Ursachen diskutiert. Die erworbene Komponente bleibt aber die meistgenannte. Dabei wurde in den letzten Jahren immer deutlicher, dass sehr viele «Borderline»-Patientinnen und -patienten traumatische biographische Erlebnisse berichten. Es handelt sich dabei nicht ausschliesslich um Missbrauchserleben, sondern auch um andere sogenannte Adverse Childhood Experiences (ACE), wie beispielsweise emotionale Entbehrung oder mangelndes Sicherheitsempfinden als Kind.
Leben in einer Borderline-Beziehung
Eine Borderline-Beziehung ist geprägt von intensiven Emotionen - in einem Moment euphorisch und idealisierend, im nächsten Moment wütend und aggressiv. Neue Beziehungen erleben Menschen mit Borderline zunächst als aufregend und berauschend. Sobald die ersten Konflikte auftreten, kippen Stimmung und Gefühle. Viele Menschen mit Borderline brechen ihre Beziehungen zu anderen Menschen vorschnell ab.
Mit einem pathologischen Grenzgänger - der permanent und unverhofft zwischen emotionalen Extremen hin und her pendelt - zusammen zu leben, ist schwer. Denn Instabilität ist oft die einzige Konstante in einer Borderline-Beziehung. Neue Beziehungen sind für ihn erst total aufregend und berauschend. Kommt es zu Konflikten, kippt die Stimmung sofort. Borderliner haben zudem Angst vor dem Alleinsein, während sie paradoxerweise nicht lange in einer Beziehung sein können. So kommt es, dass sie oft von einer Beziehung in die nächste springen.
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Am Anfang wird der neue Partner oder die neue Partnerin vom Borderliner idealisiert. Das kann aber schnell kippen. Der oder die Partner/in ist entweder das Ein und Alles oder Nichts für den Borderliner. So werden die Partner oft und sprunghaft gewechselt. Borderliner brauchen zudem totale Aufmerksamkeit und totale Nähe, dann aber auch wieder ihre Freiräume. Partner, die sie sich suchen sind also oft Personen mit geringem Selbstwert, die dieses Spiel mitspielen. Aus grosser Liebe zum Borderliner oder aus zu wenig Selbstliebe.
Herausforderungen und Beziehungsmuster
Beziehungen sind für die meisten Menschen eine Herausforderung. Sie bedeuten, Kompromisse einzugehen, auch mal zurückzustecken und Konflikte zu lösen. Für Borderline-Patienten sind diese Herausforderungen besonders schwer zu bewältigen. Die unerwarteten Stimmungswechsel, schnelle Gereiztheit und die geringe Frustrationstoleranz von Menschen mit Borderline-Syndrom stellen die Beziehungen zu anderen Menschen auf eine harte Probe.
- Menschen mit Borderline stellen häufig einen Alleinanspruch auf nahestehende Personen. Sie werden schnell eifersüchtig.
- Früher oder später wird der zunächst vergötterte Mensch zum Gegner. So intensiv, wie der Partner oder Freund zu Beginn angehimmelt wurde, wird er nun gehasst.
- Trotzdem besteht die Möglichkeit zu Gewaltausbrüchen gegenüber anderen. Das führt zusätzlich zu Problemen in Beziehungen.
Viele Menschen mit Borderline lügen zudem häufig. Entweder, weil Fehler in ihrem schwarz-weiss geprägten Weltbild keinen Platz haben oder aus Furcht, verlassen zu werden.
Tipps für Partner von Borderlinern
Viele Partner zeigen dennoch ein enormes Mitgefühl und leiden regelrecht mit den Borderlinern mit. Typischerweise hegen die Partner den Wunsch ihrem erkrankten Partner helfen zu wollen, rechtfertigen und entschuldigen hierfür sein verletzendes Verhalten und geben sich dabei teilweise sogar selbst auf. Das ist nur allzu menschlich, aber leider kontraproduktiv.
Wer sich auf die pathologischen Extreme des Borderliners einlässt, bestärkt ihn in seiner Krankheit eher, als er ihm - und letztlich auch sich selbst und der Partnerschaft - hilft. Wer in einer Borderline-Beziehung lebt, sollte lernen sich abzugrenzen und seine eigenen Gefühle zu schützen. Die emotionale Achterbahnfahrt und Verzweiflung des Bordeliners ist nicht die eigene, lass dich also nicht mitreissen.
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Idealerweise bewahrst du Ruhe, Haltung und innere Stärke, wenn es zu Gefühls-Ausbrüchen des Borderline-Syndroms kommt. Informiere dich über die Krankheit und vor allem darüber, was du als Angehörige*r oder Partner*in tun kannst, um Betroffene, aber vor allem auch dich selbst zu schützen.
In vielen Fällen ist eine Psychotherapie oder sogar eine vorübergehend stationäre Behandlung die beste Lösung.
Therapie und Behandlung
Die Behandlung ist eine Domäne der Psychotherapie. Es gibt keine Medikamente gegen eine Borderlinestörung. Trotzdem werden solche gelegentlich verschrieben, beispielsweise bei Schlafstörungen oder Depressionen, die aufgrund der Persönlichkeitsproblematik zusätzlich auftreten können.
In der Psychotherapie geht es zuallererst um das Schaffen einer tragfähigen, verlässlichen, vertrauensvollen Beziehung. Dies kann unter Umständen eine schwierige, langwierige Arbeit sowohl für die Betroffenen als auch für die Therapeutinnen und Therapeuten sein. Zudem gibt es einige sehr gut untersuchte und breit angewandte spezifische Therapieverfahren wie die Dialektisch Behaviorale Therapie (DBT) oder die Übertragungsfokussierte Therapie (TFP), die auch in dafür spezialisierten Psychotherapiestationen angeboten werden.
Bekannt ist auch das sogenannte Skillstraining, das aus der DBT stammt und breit angewandt wird. Dabei lernen Patientinnen und Patienten Werkzeuge kennen, wie sie ihr Erleben besser wahrnehmen und steuern können. Viele haben einen eigentlichen «Skillskoffer» zusammengestellt, aus dem sie sich dann je nach Situation Hilfe zuführen können. Bei klaren Traumatas in der Biographie bieten sich zudem traumafokussierte Therapien an. Alle Therapieverfahren müssen mit den Betroffenen sorgfältig evaluiert und ausgewählt werden.
Spezifische Therapieformen
- Dialektisch Behaviorale Therapie (DBT)
- Schematherapie
- Mentalisierungsbasierte Therapie
- Übertragungsfokussierte Therapie
Diagnose und Häufigkeit
Die Diagnose wird von einer Fachperson aufgrund sich wiederholender Symptome und Angaben des Patienten zu seiner Lebensgeschichte gestellt. In einer aktuellen Untersuchung wird das eigene Erleben des Verhaltens erfragt. Daneben sind aber auch Informationen über die Biographie, die bisherige Lebensbewältigung und Aussagen der Angehörigen sehr wichtig. Zusätzlich können testpsychologische Untersuchungen die Diagnose erhärten.
Die Daten sind unterschiedlich, weil die Diagnose aufwändig ist und nicht wie ein Laborwert in kurzer Zeit erhoben werden kann. Man geht in der Regel von 1 bis 2 % der Bevölkerung aus. Typischerweise sind mehr Frauen betroffen und die Häufigkeit nimmt mit dem Alter ab.
Umgang mit der Erkrankung
Wie für Betroffene selbst ist es wichtig, einige Dinge über die Besonderheiten der Krankheit zu kennen und «Bescheid zu wissen». Dies hilft, Fehlverhalten vorzubeugen und empathischer auf die Betroffenen eingehen zu können. Da es sich (definitionsgemäss) um eine langanhaltende Thematik handelt, werden die betroffenen Menschen eigentliche Expertinnen und Experten ihrer Krankheit. Angehörige können dies nutzen und bei den Betroffenen erfragen, was helfen könnte, welche Unterstützung sie anbieten sollen und welche nicht. Dadurch kann die Hilflosigkeit gemindert werden, die gelegentlich entstehen kann im Umgang mit Borderline-Patientinnen und -Patienten in einer Krise.
Falls möglich, sind anhaltende, verlässliche Beziehungen wichtig, die nicht nach einem Konflikt gleich aufgegeben werden. Dies erfordert von Angehörigen oftmals viel persönliche Resilienz. Dabei hilft es möglicherweise auch, sich als Freundin oder Freund selbst psychotherapeutisch beraten zu lassen.
Frühzeitige Therapie bei Jugendlichen
Schon lange haben sich Expertinnen und Experten daher dafür eingesetzt, für Borderline eine eiserne Regel in der Psychiatrie zu brechen, die da lautet: Persönlichkeitsstörungen werden erst ab dem 18. Lebensjahr diagnostiziert. Damit will man unter anderem dem Umstand Rechnung tragen, dass sich gerade in den Teenagerjahren noch eine Menge zurechtruckelt im Kopf eines jungen Menschen; die Gefahr also auch gross ist, dass in dieser turbulenten und emotional instabilen Phase fälschlicherweise etwas pathologisiert wird, das einfach nur den Stempel «Pubertät» trägt.
Bei der Borderline-Persönlichkeitsstörung aber hat sich in den vergangenen Jahren immer deutlicher gezeigt, wie sinnvoll eine frühzeitige Therapie ist. «Die Vorteile einer solchen Behandlung überwiegen deutlich», sagt Kaess. «Wir sehen, dass sich beispielsweise die Erkrankungsdauer verkürzt. Seit gut zwei Jahren empfiehlt daher die sogenannte S3-Leitlinie zur Borderline-Persönlichkeitsstörung, die von diversen Fachgesellschaften ausgearbeitet worden ist, eine Diagnose ab dem 12. Lebensjahr.
Die Rolle der Familie
Jugendliche mit der Borderline-Störung verändern unter Umständen sehr schnell die Dynamik in der Familie. Sie ziehen die Aufmerksamkeit auf sich. Risikoreiches Verhalten, Stimmungsschwankungen und manchmal auch Suizidversuche sind Teil der psychischen Störung. Auf Borderline-Angehörige wirkt das Verhalten des betroffenen Familienmitglieds oft verstörend. Sie haben Schwierigkeiten damit, die Handlungen nachzuvollziehen und fühlen sich oft hilflos.
Es ist wichtig für Familienmitglieder, ihre eigenen Bedürfnisse nicht zu ignorieren. Gesunde Geschwister müssen oft um die Aufmerksamkeit und Zuwendung der Eltern kämpfen. Das fördert nicht nur eine schlechte Stimmung in der Familie, sondern erhöht auch die Wut auf den Borderliner. Mit therapeutischer Unterstützung gelingt es leichter, die Familienstruktur zu erhalten und das Gefühlschaos zu reduzieren.
Entstigmatisierung und Hoffnung
Wie oben werden die Überlappungen zwischen der Borderlineerkrankung und Traumfolgestörungen immer deutlicher. Entsprechend dürften sich die Therapiekonzepte angleichen. Es dient möglicherweise auch einer gewissen Entstigmatisierung. «Boderliner:innen» leiden oft unter dem Stempel («Stigma»), den man ihnen verpasst hat.
Es hilft auch Betroffenen, sich eher als «Menschen mit besonderen Eigenschaften» denn als «persönlichkeitsgestörte Kranke» zu identifizieren.
Die Borderline-Persönlichkeitsstörung ist eine oftmals belastende, aber behandelbare Erkrankung. Es ist wichtig, dass Menschen mit Borderline die Unterstützung erhalten, die sie brauchen, und dass das Thema weiterhin entstigmatisiert wird.
Zusammenfassung
Die Borderline-Persönlichkeitsstörung ist komplex, aber behandelbar. Mit dem richtigen Verständnis, Therapie und Unterstützung können Betroffene ein erfülltes Leben führen.
| Aspekt | Beschreibung |
|---|---|
| Symptome | Emotionale Instabilität, Impulsivität, instabile Beziehungen, Selbstverletzungen |
| Ursachen | Traumatische Erfahrungen, genetische Faktoren |
| Behandlung | Psychotherapie (DBT, Schematherapie), Medikamente zur Symptomlinderung |
| Umgang | Klare Grenzen, Empathie, Unterstützung, Selbstfürsorge für Angehörige |
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