Psychosomatik und Deutsche Rentenversicherung: Ein Überblick

Die Deutsche Rentenversicherung (DRV) investiert beträchtliche Summen in die Rehabilitation ihrer Versicherten, wobei die Psychosomatik einen großen Teil davon ausmacht. Ein zentraler Aspekt ist die Annahme, dass klar definierte Rehaziele nachhaltig zur Verbesserung der Gesundheit beitragen.

Bedeutung der Psychosomatik im 21. Jahrhundert

GUSI: Ein Präventionsprogramm der Deutschen Rentenversicherung

Das Präventionsprogramm GUSI wurde im Jahr 2008 für Versicherte der Deutschen Rentenversicherung (DRV) als präventives Angebot zur Förderung der Stressbewältigung entwickelt. Stressassoziierte Erkrankungen sind häufig Anlass für medizinische Rehabilitationsmaßnahmen, und psychische Erkrankungen stellen den Hauptgrund für Erwerbsminderungsrenten dar. GUSI wird berufsbegleitend ambulant in modularer Form durchgeführt.GUSI steht für „Gesundheitsförderung“ und lehnt sich an die Ottawa Erklärung der WHO von 1986 an. GUSI fördert die Selbstregulation, die Fähigkeit von Menschen, auf unterschiedliche komplexe Anforderungen flexibel zu reagieren und eigenes Verhalten im Hinblick auf selbst gesetzte Ziele zu steuern. Gelingt dies nicht, entsteht chronischer Stress, der nach ersten Beschwerden in körperliche und seelische Krankheit einmünden kann.Typische Indikatoren für chronischen Stress sind:
  • anhaltende Erschöpfung
  • gestörte Regeneration und eingeschränkte Fähigkeit zur Selbstberuhigung
Zielgruppe sind Versicherte der DRV, die erkennbare risikobehaftete Arbeits- und Lebensumstände zeigen, sowie Menschen, die erste stressassoziierte Symptome erkennen lassen, bei denen aber noch kein Therapiebedarf vorliegt. Die GUSI Diagnostik umfasst das ärztliche Gespräch, medizinische Basisbefunde sowie verschiedene psychologische Testinstrumente.

Struktur und Module von GUSI

Das GUSI Präventionsprogramm wird in geschlossenen Gruppen von 10-15 Teilnehmern durchgeführt. Das Trainingsteam mit ärztlicher Leitung ist für die Durchführung speziell qualifiziert (GUSI Trainer Zertifikat). Nach einer Initialphase von 3 Tagen folgen 7 Abende in einem Zeitraum von insgesamt 8 Wochen. Es schließt sich eine Phase des Selbstcoaching an, die nach ca. 5 Monaten mit einem Refreshertag abschließt.GUSI besteht aus drei Modulen, die miteinander verzahnt und aufeinander abgestimmt sind:
  1. Ressourcenorientiertes Selbstmanagement (ZRM Training)
  2. Entspannung und Achtsamkeit
  3. Bewegung
Das ZRM-Training ist ein psychoedukatives Verfahren, das die Selbstregulation von Menschen fördert. In insgesamt 5 Phasen wird Teilnehmenden strukturiert vermittelt, wie sie gelassen mit Stress umgehen lernen, handlungsfähig bleiben und selbst gesteckte Ziele umsetzen.Beispiele für Mottoziele:
  • “Ich schaffe mir Freiräume und behalte den Überblick“
  • „Ich genieße die Faszination des Augenblicks“
  • „Achtsam und gelassen, im Einklang mit meiner Natur begegne ich der Welt“
Entspannung und Achtsamkeit unterstützen diesen Prozeß: Spannungsreduktion und Achtsamkeit fördern Selbstregulation und Handlungsfähigkeit. In der Bewegung wird Bezug auf die Mottoziele der Teilnehmenden genommen.

Ergebnisse und Erfahrungen mit GUSI

GUSI Teilnehmende hatten einen initialen WAI Wert von 32,3, entsprechend einer niedrigen subjektiven Arbeitsfähigkeit. Am Ende der Trainingsphase nach 8 Wochen stieg der Wert auf 33,6 an, um schließlich nach 6 Monaten mit einem Wert von 37,4 den Bereich der guten subjektiven Arbeitsfähigkeit zu erreichen. In der Katamnese nach 12 Monaten fand sich mit einem Wert von 39,3 eine weiter gestiegene gute subjektive Arbeitsfähigkeit.GUSI Teilnehmende zeigten initial 70 % Risikomuster für gesundheitliche Gefährdungen, dabei überwiegend Risikomuster B. In der 1- Jahres Katamnese reduzierten sich die Risikomuster auf 38 % bei gleichzeitiger Zunahme gesunder Muster, insbesondere des Schutzmusters S. Hatten Teilnehmende an GUSI ein Jahr vor Inanspruchnahme des Programms durchschnittlich 10,7 AU Tage so reduzierten sich diese im Jahr danach auf 7,4 Tage. GUSI Teilnehmende reduzierten ihr Körpergewicht um durchschnittlich 3,5 kg.

Perspektiven und Formate von GUSI

Das GUSI Präventionsprogramm wird nach einer Corona- bedingten Pause wieder in verschiedenen Rehabilitationskliniken als Angebot der Rentenversicherung für ihre Versicherten durchgeführt. Je nach Zielgruppe und Intention ist sowohl eine modifizierte Dauer der Initialphase mit den Grundlagen des ZRM-Trainings, der Achtsamkeit und Bewegung als auch eine Modifikation der Trainingsphase möglich. GUSI bietet hierfür unterschiedliche Formate.Berufsgruppenspezifische Angebote bieten darüber hinaus zwei weitere bedeutsame Aspekte: Mottoziele lassen sich themenspezifisch anpassen und in einem nächsten Schritt ist es möglich, auch für ein ganzes Team ein „Teammotto“ zu entwickeln, wodurch die soziale Ressource und eine gemeinsame Team-Identität gefördert wird.Als strukturierte Unterstützung für die Selbstcoachingphase können die Teilnehmenden eine modifizierte GUSI Version der erfolgreich in der psychosomatischen Rehabilitationsnachsorge eingesetzten DE-RENA App nutzen. Diese bietet Unterstützung bei der Alltagsstrukturierung sowie eine regelmäßiges Monitoring der subjektiven Erschöpfung.

Reha-Therapiestandards für depressive Störungen

Im Auftrag der Deutschen Rentenversicherung wurden Reha-Therapiestandards (RTS) für die Indikationsgruppe Depressive Störungen entwickelt und in fachspezifischen Rehabilitationseinrichtungen implementiert. Ziel der begleitenden Anwenderbefragung war die Bewertung von Qualitätsmerkmalen der RTS sowie den erwarteten Effekten der Implementierung.

Referenzen:

Steinmann, M., Barghaan, D., Volke, E., Dirmaier, J., Watzke, B., Koch, U., & Schulz, H. (2012). Reha-Therapiestandards für die Rehabilitation von Patienten mit depressiven Störungen: Akzeptanz und Praktikabilität der Pilotversion aus Sicht der anwendenden Einrichtungen. Physikalische Medizin, Rehabilitationsmedizin, Kurortmedizin, 22(06), 336-343.

Das Problem der Verhaltensziele in der Rehabilitation

In Deutschland investiert die Deutsche Rentenversicherung (DRV) beträchtliche Summen in die Rehabilitation ihrer Versicherten. Ein zentraler Pfeiler dieses Ansatzes ist die Annahme, dass klar definierte Rehaziele - meist Verhaltensziele - nachhaltig zur Verbesserung der Gesundheit beitragen.Eine aufwendige Studie bildete Patientengruppen: Eine Interventionsgruppe (IG 1) legte großen Wert auf die Formulierung von Zielen, eine zweite IG (IG 2) wurde nach der Reha telefonisch an ihre Ziele erinnert und eine Kontrollgruppe (KG) erhielt keine spezifischen Zielvereinbarungen. Die Hypothese war eindeutig: Die Interventionsgruppen würden sich signifikant mehr bewegen als die Kontrollgruppe, wobei IG 2 durch die zusätzliche Erinnerung noch besser abschneiden sollte. Es zeigten sich keine signifikanten Unterschiede zwischen den Gruppen. Die Autor:innen der Studie mussten konstatieren: „Die Wirksamkeit von Zielvereinbarungen konnte nicht gezeigt werden.“

Die Macht der Haltung: Weshalb „Mottoziele“ den Unterschied machen könnten

Dr. Dieter Olbrich hatte bereits frühzeitig für die Bedeutung von „Haltungs- oder Identitätszielen“ plädiert, im Zürcher Ressourcenmodell (ZRM) als „Mottoziele“ bekannt. Diese Ziele gehen tiefer als reine Verhaltensänderungen; sie zielen auf eine innere Haltung, eine neue Identität ab. Wer sich beispielsweise nicht nur „regelmäßig bewegen“ vornimmt, sondern das Motto entwickelt „Ich bin ein aktiver Mensch, der seinen Körper liebt und pflegt“, verankert die Motivation auf einer ganz anderen Ebene.
Tabelle: Ergebnisse des GUSI Programms
Messparameter Initialwert Nach 8 Wochen Nach 6 Monaten Nach 12 Monaten
Work Ability Index (WAI) 32,3 33,6 37,4 39,3
Risikomuster (AVEM) 70% - - 38%
AU-Tage (vor GUSI) 10,7 Reduktion auf 7,4 Tage im Jahr nach GUSI
Gewichtsreduktion - Durchschnittlich 3,5 kg

Lesen Sie auch: Psychosomatik ganzheitlich behandeln

Lesen Sie auch: Die verborgene Bedeutung Ihrer Finger

Lesen Sie auch: Ihr Weg zur psychosomatischen Rehabilitation

tags: #kurklinik #psychosomatik #deutsche #rentenversicherung