Arbeitsunfähigkeit aufgrund von Depressionen: Voraussetzungen und Rechte

Die Teilnahme am Arbeitsleben kann für Menschen mit Depressionen eine Herausforderung darstellen. Es ist wichtig zu wissen, welche Rechte und Pflichten in solchen Situationen gelten.

Wann liegt eine Arbeitsunfähigkeit vor?

Unter einer Arbeitsunfähigkeit versteht man die durch eine Beeinträchtigung der körperlichen, geistigen oder psychischen Gesundheit bedingte volle oder teilweise Unfähigkeit, im bisherigen Beruf zumutbare Arbeit zu leisten. Eine Arbeitsunfähigkeit muss immer von einem Arzt oder einer Ärztin bestätigt werden. In der Regel muss das entsprechende Attest spätestens nach 3 Tagen Arbeitsunfähigkeit beim Arbeitgeber eingereicht werden.

Offenlegung der Diagnose gegenüber dem Arbeitgeber

Sie sind nicht verpflichtet, Arbeitgeber oder Kolleg:innen über Ihre Erkrankung in Kenntnis zu setzen, sofern sie Ihre Aufgaben nicht wesentlich erschweren. Es gibt gute Gründe dafür, eine psychische Erkrankung erstmal für sich zu behalten. Angst vor Diskriminierung zum Beispiel, oder Scham, um nur einige zu nennen. Allerdings kann das Verschleiern einer Krankheit unter Druck setzen, Energie rauben und das Arbeiten mit Depressionen verkomplizieren. Der offene Umgang hingegen kann eine Menge Stress ersparen. Zum Beispiel verhindert er, dass Sie sich für allfällige Fehltage rechtfertigen müssen.

Wenn Sie nicht recht wissen, wie Sie mit Ihrem Vorgesetzten darüber sprechen sollen, bietet es sich an, die wichtigsten Punkte auf einen Zettel zu schreiben und diesen zum Gespräch mitzubringen. Oder Ihr:e Psychiater:in kann den Dialog mit Ihnen gemeinsam vorbereiten.

Ihr Arbeitgeber hat Anspruch auf Informationen wie zum Beispiel wie lange Sie voraussichtlich arbeitsunfähig sind. Woran Sie erkrankt sind, wie und wo Sie behandelt werden, müssen Sie Ihrem Arbeitgeber nicht sagen.

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Die genaue Diagnose fällt unter das Arztgeheimnis und darf deswegen nur mit Ihrem Einverständnis weitergegeben werden. Ihr Arbeitgeber weiss also zwar, dass Sie aufgrund einer Krankheit ausfallen, nicht jedoch, dass Sie eine Depression haben.

Rechte und Pflichten bei Arbeitsunfähigkeit

Arztzeugnis

Falls Sie aufgrund Ihrer Symptome nicht oder nicht mehr in der Lage sind, zur Arbeit zu gehen, können Sie sich krankschreiben lassen. In der Regel muss nach dem dritten Abwesenheitstag ein Arztzeugnis eingereicht werden. Ärzt:innen bzw. Psychiater:innen stellen diese Zeugnisse aus. Darin enthalten sind Informationen über Beginn, Dauer und Grad der Arbeitsunfähigkeit sowie den Hinweis, ob es sich um eine Krankheit oder einen Unfall handelt.

Lohnfortzahlung

Während einer Krankschreibung muss sich Ihr Unternehmen an das Arztzeugnis halten. Während einer Krankschreibung muss Ihnen Ihr Unternehmen für eine gewisse Zeit den vollen Lohn auszahlen (sogenannte Lohnfortzahlung). Wie lange genau, richtet sich entweder nach Arbeits- bzw. Gesamtarbeitsvertrag oder nach den Basler, Berner oder Zürcher Skalen. Diese von Gerichten festgelegten Fristen gibt es auf der Homepage des Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO) zum Nachlesen.

Wird eine Person arbeitsunfähig und entsteht weder ein Anspruch auf ein Krankentaggeld noch auf ein Unfalltaggeld, muss der Arbeitgeber bei krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit den Lohn im 1. Dienstjahr während 3 Wochen und danach für eine „angemessene längere Zeit“ entrichten. So steht es im Gesetz. Diese gesetzliche Regelung gelangt allerdings nur zur Anwendung:

  • wenn das Arbeitsverhältnis mehr als 3 Monate gedauert hat oder für mehr als 3 Monate eingegangen worden ist
  • und wenn im Einzelarbeitsvertrag keine längere Lohnfortzahlung vereinbart worden ist
  • und wenn keine längere Lohnfortzahlungspflicht im Rahmen eines anwendbaren Gesamtarbeitsvertrags vorgeschrieben wird

Die Gerichte haben diese Bestimmung in unterschiedlichen Skalen (Berner Skala, Zürcher Skala, Basler Skala) präzisiert, welche in den einzelnen Kantonen der Schweiz zur Anwendung gelangen. Das bedeutet, dass die Lohnfortzahlung je nach Kanton unterschiedlich lang dauern kann. Welche der 3 Skalen am jeweiligen Arbeitsort massgebend ist, erfährt man beim örtlich zuständigen Arbeits- oder Zivilgericht.

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Als Beispiel sei die Berner Skala wiedergegeben, welche am häufigsten zur Anwendung gelangt:

Im 1. Dienstjahr muss der Lohn bei Arbeitsunfähigkeit während 3 Wochen weiter bezahlt werden, im 2. Dienstjahr während eines Monats, im 3. und 4. Dienstjahr während 2 Monaten, im 5. bis 9. Dienstjahr während 3 Monaten, im 10. bis 14. Dienstjahr während 4 Monaten, usw.

Krankentaggeld

Nach einer gewissen Zeit entfällt die Lohnfortzahlungspflicht und Sie erhalten üblicherweise Krankentaggeld. Eine Krankentaggeldversicherung ist nicht obligatorisch, viele Arbeitgeber:innen verfügen jedoch darüber. Sie erhalten in der Regel 80% Ihres Lohnes, wenn Sie Krankentaggeld beziehen, bezahlt wird der Betrag von der Versicherung. Sind Sie unsicher, wie es in Ihrem Unternehmen ist, empfiehlt es sich, bei Ihrem Arbeitgeber nachzufragen.

Die meisten Arbeitgeber in der Schweiz haben für ihre Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen eine Kollektiv-Krankentaggeldversicherung abgeschlossen, welche im Fall einer Arbeitsunfähigkeit von einem bestimmten Ausmass (in der Regel mindestens 25%) ein Taggeld von üblicherweise 80% des entfallenden Lohnes entrichtet. Das ist nicht selbstverständlich, da es in der Schweiz nach wie vor kein gesetzliches Obligatorium gibt.

Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen haben ein Recht zu erfahren, bei welcher Versicherungsgesellschaft der Arbeitgeber die Kollektivversicherung abgeschlossen hat und welches die Versicherungsbedingungen im Einzelnen sind. Die Arbeitgeber sind verpflichtet, die entsprechenden Informationen zu liefern und auf Wunsch ein Exemplar der massgebenden allgemeinen Versicherungsbedingen (AVB) auszuhändigen.

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Sozialversicherungsbeiträge

Übrigens: vom Betrag wird nichts für die 1. Säule (AHV/IV/EO) abgezogen, da nach einigen Monaten Krankheit eine Prämienbefreiung eintritt.

Kündigungsschutz

Während dieser Fristen ausgesprochene Entlassungen sind ungültig. Sollte Ihnen dennoch gekündigt werden, können Sie Ihren Arbeitgeber schriftlich auf seinen Fehler aufmerksam machen.

Es ist grundsätzlich zulässig, jemandem wegen einer die Arbeitsleistung beeinträchtigenden Krankheit zu kündigen, jedenfalls soweit die Sperrfrist nach Art. 336c Abs. 1 lit. b OR abgelaufen ist.

Gesundheitsgespräche

Wenn jemand sich „öfters“ krank meldet, wird zum Teil ein Gesundheitsgespräch verlangt. Am besten besprechen Sie die Situation und die Kommunikation mir Ihrer Ärztin oder Ihrem Arzt. Zu Gesundheitsgesprächen können Sie eine Vertrauensperson mitnehmen, wenn es Sie zu sehr belastet.

Unterstützung und Therapie

Psycholog:innen, bzw. Psychiater:innen helfen Ihnen mit verschiedenen Therapieformen und geeigneten Medikamenten aus der Depression. Sollten sich Ihre Symptome verschlechtern oder gar Suizidgedanken auftreten, sprechen Sie umgehend mit einer Fachperson, die einen stationären Klinikaufenthalt organisieren kann.

Für den Umgang mit Ihrer Krankheit am Arbeitsplatz gibt es zudem sogenannte Care Manager. Diese vermitteln, geben Tipps und suchen Wege, wie Betroffene weiterhin ihrem Beruf nachgehen können.

Berufliche Perspektiven

Ganz wichtig: arbeiten trotz Depression ist möglich. Je nachdem, in welchem Stadion Sie sich gerade befinden, kann ein geregelter Tagesablauf mit einer sinnvollen Beschäftigung Ihre Genesung fördern. Allenfalls können Sie auf Ihre Vorgesetzten zugehen und gemeinsam entlastende Massnahmen erarbeiten. Eine Reduktion des Pensums zum Beispiel oder längere Pausen. Auch regelmässige Gespräche mit der Personalleitung können hilfreich sein und Ihnen das Arbeiten mit Depressionen erleichtern.

Wenn Sie nach einer längeren Krankschreibung an Ihren Arbeitsplatz zurückkehren, kommt üblicherweise das Prinzip Supported Employment zum Einsatz. Job Coaches begleiten dann von der Stellensuche bis hinein in den Arbeitsalltag und sind Ansprechpartner für das berufliche sowie soziale Umfeld.

Tabellen zu Lohnfortzahlungsskalen

Hier sind die verschiedenen Lohnfortzahlungsskalen:

Berner Skala (BE, AG, OW, SG, West-CH)

Dienstjahr Lohnfortzahlung
1. 3 Wochen
2. 1 Monat
3. und 4. 2 Monate
5. bis 9. 3 Monate
10. und 11. 4 Monate

Basler Skala (BS, BL)

Dienstjahr Lohnfortzahlung
1. 3 Wochen
2. und 3. 2 Monate
4. und 10. 3 Monate
11. 4 Monate

Zürcher Skala (ZH, GR)

Dienstjahr Lohnfortzahlung
1. 3 Wochen
2. 8 Wochen
3. 9 Wochen
4. 10 Wochen
5. 11 Wochen
6. 12 Wochen
7. 13 Wochen
8. 14 Wochen
9. 15 Wochen
10. 16 Wochen
11. 17 Wochen

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