Hausarzt, Depression und Krankschreibung: Was Sie wissen müssen

Die heutige Arbeitswelt bringt verstärkt psychische Belastungen mit sich. Seit 2012 ist die Zahl der Arbeitsausfälle um etwa 50 % gestiegen - in 6 von 10 Fällen wegen einem Burnout oder einer Depression.

Burnout und Depression: Ursachen und Symptome

Personen, die von einem Burnout betroffen sind, leiden unter einer Reihe von einschneidenden Symptomen. Im vielen Fällen sind sie zumindest temporär oder sogar permanent nicht mehr in der Lage zu arbeiten. Gemäss der Weltgesundheitsorganisation WHO zeigen sich Depressionen durch «anhaltende Traurigkeit und mangelndem Interesse an zuvor angenehmen Aktivitäten». Kurz: Betroffene verlieren die Freude an ihren Hobbys, ziehen sich zurück oder fühlen sich dauerhaft niedergeschlagen.

Die Auslöser für Depressionen sind vielfältig. Sowohl zu viel Stress als auch traumatische Ereignisse können, meist zusammen mit erblichen Voraussetzungen, die Krankheit begünstigen.

Körperliche Auswirkungen

Wenn das psychische Befinden erheblich beeinträchtigt ist, äussert sich dies häufig auch körperlich. So klagen viele gestresste oder psychisch beeinträchtigte Menschen zuallererst über Kopfschmerzen, Schmerzen und ein Engegefühl in der Brust oder über Verdauungsbeschwerden. Es ist sogar möglich, dass körperliche Beschwerden tatsächlich vorhanden sind, sämtliche Untersuchungen jedoch keine organische Ursache für diese Schmerzen zu Tage bringen. Umgekehrt können auch körperliche Ursachen für psychische Beeinträchtigungen verantwortlich sein.

Die Krankschreibung als Teil der Behandlung

Menschen, die unter einem Burnout leiden, müssen oft krankgeschrieben werden. Die Krankschreibung ist ein wichtiger Teil der Burnout-Behandlung. Eine zumindest graduelle Krankschreibung ist bei einer Burnout-Therapie für den Behandlungserfolg essenziell. Denn da ein Burnout immer auch durch die Umstände beim und den Stress am Arbeitsplatz verursacht wird, muss auch zuerst an dieser Stelle angesetzt werden.

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Eine Krankschreibung ist die ärztliche Feststellung einer gesundheitlich bedingten Arbeitsverhinderung. Diese kann nur durch eine ärztliche Fachperson, beispielsweise den Hausarzt oder die Psychiaterin, erfolgen. Bei einer Krankschreibung wird von der medizinischen Fachperson in einem Arztzeugnis die Ursache, der Beginn, die Dauer, und der Grad der Krankschreibung definiert.

Arbeitsplatzbezogene Krankschreibung

Bei psychischen Erkrankungen und folglich auch bei einem Burnout wird meist eine besondere Art der Krankschreibung, die arbeitsplatzbezogene Krankschreibung, vorgenommen. Bei einer solchen bezieht sich die Krankschreibung ausschliesslich auf den konkreten Arbeitsplatz und nicht auf die Leistungsfähigkeit ausserhalb davon. Das heisst, dass betroffene Personen durchaus dazu berechtigt sind, währenddessen arbeitsplatzunabhängigen Tätigkeiten nachzugehen.

Rechte und Pflichten während der Krankschreibung

Krankgeschriebene Personen haben Anrecht auf eine zeitlich beschränkte Fortsetzung der Lohnzahlungen. Dies gilt auch für Personen, die aufgrund eines Burnouts krankgeschrieben wurden. Allerdings können krankgeschriebene Personen vom Arbeitgeber für alternative Tätigkeiten eingesetzt werden, sofern diese mit dem Arztzeugnis vereinbar, vorübergehend und zumutbar sind.

Generell gilt für Krankgeschriebene auch ein Kündigungsschutz während der Zeitdauer der Krankschreibung. Während dieser Fristen ausgesprochene Entlassungen sind ungültig. Sollte Ihnen dennoch gekündigt werden, können Sie Ihren Arbeitgeber schriftlich auf seinen Fehler aufmerksam machen.

Umgekehrt ist es aber auch wichtig, dass betroffene Personen ihre Krankschreibung auch dafür nutzen, die vom Arbeitsplatz unabhängigen Ursachen des Burnouts zu bekämpfen und dass sie sich in eine professionelle Behandlung begeben. Eine Krankschreibungsperiode sollte nicht damit verbracht werden einfach abzuwarten, sondern stellt eine Möglichkeit dar, um an sich selbst und an seiner Lebenssituation zu arbeiten.

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Gleichzeitig ist es auch nicht zu empfehlen, die ärztlich diagnostizierte Krankschreibung zu ignorieren und Überstunden zu machen oder vorzeitig ins Arbeitsleben wiedereinzusteigen.

Kritik an der gängigen Praxis

Die gängige Praxis bei der Krankschreibung von unter Burnout leidenden Personen hat aber auch Kritiker. Diese kritisieren vor allem, dass Burnout-Patienten und -Patientinnen zu früh, zu lang und zu schnell zu 100 Prozent krankgeschrieben werden. Dies geschehe durch eine Art Beschützer-Reflex des ärztlichen Personals, das den Schutz der Patienten und Patientinnen vor weiterem Stress zu hoch gewichten würde.

Die Befürwortenden dieser These argumentieren stattdessen, dass es oft für alle Beteiligten besser wäre, die Arbeitslast in Absprache mit der Unternehmensseite nur auf eine Teilzeitbeschäftigung zu reduzieren.

Arbeiten mit Depressionen

Vorweg: Sie sind nicht verpflichtet, Arbeitgeber oder Kolleg:innen über Ihre Erkrankung in Kenntnis zu setzen, sofern sie Ihre Aufgaben nicht wesentlich erschweren. Es gibt gute Gründe dafür, eine psychische Erkrankung erstmal für sich zu behalten. Angst vor Diskriminierung zum Beispiel, oder Scham, um nur einige zu nennen.

Allerdings kann das Verschleiern einer Krankheit unter Druck setzen, Energie rauben und das Arbeiten mit Depressionen verkomplizieren. Der offene Umgang hingegen kann eine Menge Stress ersparen. Zum Beispiel verhindert er, dass Sie sich für allfällige Fehltage rechtfertigen müssen.

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Wenn Sie nicht recht wissen, wie Sie mit Ihrem Vorgesetzten darüber sprechen sollen, bietet es sich an, die wichtigsten Punkte auf einen Zettel zu schreiben und diesen zum Gespräch mitzubringen. Oder Ihr:e Psychiater:in kann den Dialog mit Ihnen gemeinsam vorbereiten.

Ganz wichtig: arbeiten trotz Depression ist möglich. Je nachdem, in welchem Stadion Sie sich gerade befinden, kann ein geregelter Tagesablauf mit einer sinnvollen Beschäftigung Ihre Genesung fördern. Allenfalls können Sie auf Ihre Vorgesetzten zugehen und gemeinsam entlastende Massnahmen erarbeiten. Eine Reduktion des Pensums zum Beispiel oder längere Pausen. Auch regelmässige Gespräche mit der Personalleitung können hilfreich sein und Ihnen das Arbeiten mit Depressionen erleichtern.

Krankmeldung bei Depressionen

Falls Sie aufgrund Ihrer Symptome nicht oder nicht mehr in der Lage sind, zur Arbeit zu gehen, können Sie sich krankschreiben lassen. In der Regel muss nach dem dritten Abwesenheitstag ein Arztzeugnis eingereicht werden. Ärzt:innen bzw. Psychiater:innen stellen diese Zeugnisse aus. Darin enthalten sind Informationen über Beginn, Dauer und Grad der Arbeitsunfähigkeit sowie den Hinweis, ob es sich um eine Krankheit oder einen Unfall handelt.

Die genaue Diagnose fällt unter das Arztgeheimnis, und darf deswegen nur mit Ihrem Einverständnis weitergegeben werden. Ihr Arbeitgeber weiss also zwar, dass Sie aufgrund einer Krankheit ausfallen, nicht jedoch, dass Sie eine Depression haben. Während einer Krankschreibung muss sich Ihr Unternehmen an das Arztzeugnis halten.

Lohnfortzahlung und Krankentaggeld

Während einer Krankschreibung muss Ihnen Ihr Unternehmen für eine gewisse Zeit den vollen Lohn auszahlen (sogenannte Lohnfortzahlung). Wie lange genau, richtet sich entweder nach Arbeits- bzw. Gesamtarbeitsvertrag oder nach den Basler, Berner oder Zürcher Skalen. Diese von Gerichten festgelegten Fristen gibt es auf der Homepage des Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO) zum Nachlesen.

Nach einer gewissen Zeit entfällt die Lohnfortzahlungspflicht und Sie erhalten üblicherweise Krankentaggeld. Eine Krankentaggeldversicherung ist nicht obligatorisch, viele Arbeitgeber:innen verfügen jedoch darüber. Sie erhalten in der Regel 80% Ihres Lohnes, wenn Sie Krankentaggeld beziehen, bezahlt wird der Betrag von der Versicherung. Sind Sie unsicher, wie es in Ihrem Unternehmen ist, empfiehlt es sich, bei Ihrem Arbeitgeber nachzufragen.

Was tun bei Verschlechterung der Symptome?

Psycholog:innen, bzw. Psychiater:innen helfen Ihnen mit verschiedenen Therapieformen und geeigneten Medikamenten aus der Depression. Sollten sich Ihre Symptome verschlechtern oder gar Suizidgedanken auftreten, sprechen Sie umgehend mit einer Fachperson, die einen stationären Klinikaufenthalt organisieren kann.

Für den Umgang mit Ihrer Krankheit am Arbeitsplatz gibt es zudem sogenannte Care Manager. Diese vermitteln, geben Tipps und suchen Wege, wie Betroffene weiterhin ihrem Beruf nachgehen können.

Arbeitsunfähigkeit aus psychischen Gründen vermeiden

Konflikte am Arbeitsplatz sind der Auslöser für 57 Prozent aller psychisch bedingten Arbeitsunfähigkeiten. Rund die Hälfte der Krankgeschriebenen verliert den Arbeitsplatz. Arbeitsunfähigkeiten aus psychischen Gründen dauern im Durchschnitt 218 Tage und sind in 95 Prozent der Fälle Vollzeit-Krankschreibungen.

Die behandelnden Ärzte sollten stärker unterstützt und geschult werden für einen bewussten Umgang mit Arbeitsunfähigkeitszeugnissen, der den Patientinnen und Patienten hilft, ihre Stelle zu behalten.

Die Arbeitgeber sollten stärker sensibilisiert werden, nicht erst spät oder zu spät zu reagieren, wenn eine Situation eskaliert ist - sondern präventiv eine förderliche Haltung und Frühintervention zu verankern. Psychische Erkrankungen haben viele Gesichter und können jede und jeden treffen. Am bekanntesten sind Depressionen und Burnouts.

Stresspegel steigt

Der Anteil Personen, die sich bei der Arbeit gestresst fühlen, hat in den letzten zehn Jahren um 5 Prozent zugenommen. Im Jahr 2012 waren es noch 18 Prozent, 2022 bereits 23 Prozent, so das Ergebnis der Schweizerischen Gesundheitsbefragung (SGB). Das Resultat der SGB zeigt, dass vor allem mehr Frauen am Arbeitsplatz Stress erleben: 2012 waren es noch 17 Prozent, 2022 bereits 25 Prozent. Bei den Männern stieg die Zahl von 18 Prozent auf 21 Prozent. Am häufigsten tritt Stress im Gesundheits- und Sozialwesen auf (29 Prozent). Jede vierte Frau ist in dieser Branche tätig.

Nebst Stress sind auch die Zahlen bei der emotionalen Erschöpfung gestiegen. Somit ist auch das Risiko eines Burn-outs höher. 2012 litten 20 Prozent Frauen darunter, zehn Jahre später bereits 25 Prozent. Bei den Männern blieb der Anteil stabil und belief sich 2022 auf 19 Prozent.

Falls aber die Erschöpfung oder die emotionale Belastbarkeit zunimmt, lohnt es sich, einen Arzt oder eine Ärztin aufzusuchen und die weiteren Schritte zu besprechen. Falls die Symptome über längere Zeit andauern, kann es sein, dass die Person krankgeschrieben wird.

Ihre Rechte bei einer Krankschreibung

Ein Arztzeugnis muss über den Beginn, die Dauer und den Grad der Arbeitsunfähigkeit informieren. Ausserdem geht daraus hervor, ob es sich um Krankheit, Unfall oder allenfalls Schwangerschaft handelt.

Der Arbeitgeber muss Ihnen während einer beschränkten Zeit weiterhin den vollen Lohn auszahlen. Das steht so im Gesetz. Viele Betriebe haben eine Taggeldversicherung abgeschlossen. Die bezahlt in der Regel 80 oder 100 Prozent des versicherten Lohnes - während 720 Tagen.

Eine Zeitlang sind Sie bei ganzer oder teilweiser Arbeitsunfähigkeit vor einer Kündigung geschützt. Es gelten folgende Kündigungssperrfristen (ab Beginn der Arbeitsunfähigkeit):

  • 30 Tage im 1. Dienstjahr
  • 90 Tage vom 2. bis und mit 5. Dienstjahr
  • 180 Tage ab 6. Dienstjahr

Eine Ausnahme bildet eine Kündigung, die bei einer «arbeitsplatzbezogene Arbeitsunfähigkeit» - etwa wegen eine Konflikts - ausgesprochen wird.

Was tun, wenn der Arbeitgeber eine vertrauensärztliche Untersuchung will?

Formelle und materielle Mängel des Arbeitsunfähigkeitsnachweises (z.B. Zeitpunkt, Häufigkeit und Dauer der Arbeitsunfähigkeit (z.B.

Diese Untersuchung geht auf Kosten des Arbeitgebers, nicht auf Kosten der Krankenkassen. Der Arbeitnehmer darf seine Zusammenarbeit verweigern, der Arbeitgeber kann dann im Gegenzug Massnahmen wie Stopp der Lohnfortzahlung oder Kündigung in die Wege leiten.

Falls der Arbeitgeber frühzeitig eine vertrauensärztliche Beurteilung will, erhält er im Gegensatz zur Taggeldversicherung nur einen kurzen Bericht, welcher ihn über das Notwendige aufklärt, was die Arbeit des Arbeitnehmers in seinem Betrieb betrifft, insbesondere ob, wie viel und was er unter welchen Umständen arbeiten kann.

Offene Kommunikation am Arbeitsplatz

Arbeitgeber sollen ihre Angestellten aktiver auf psychische Probleme ansprechen, fordert die Kampagne «Wie geht es Dir». Aber auch Arbeitnehmern fällt es nicht leicht, von sich aus mit ihren Vorgesetzten darüber zu reden.

Thomas Ihde empfiehlt, sich vorab mit einer Vertrauensperson zu besprechen. Zum Beispiel mit dem Hausarzt oder einem Arbeitskollegen, der mit der Jobsituation vertraut ist. Letzteres hilft auch zu beurteilen, wann der beste Moment für so ein Gespräch mit dem entsprechenden Vorgesetzten ist.

So unangenehm einem das Reden über die eigenen Probleme ist, so schwierig ist das Thema auch für Vorgesetzte. Man sollte dem Chef oder der Chefin deshalb die Gelegenheit geben, sich genügend darauf einstimmen und vorbereiten zu können.

Beim Gespräch mit ihm soll es nicht darum gehen Ihre privaten Probleme zu lösen, sondern darum, wie sie sich auf ihren Job auswirken. «Die Situation am Arbeitsplatz soll im Zentrum stehen», empfiehlt Ihde.

In der Regel ist eine Form von Entlastung nötig. Häufig braucht es aber auch professionelle Unterstützung durch Fachleute.

Sein näheres berufliches Umfeld ins Vertrauen zu ziehen, macht auch Sinn, da die Kollegen häufig zusätzlich jene Arbeit auffangen müssen, die von den Betroffenen in dieser Phase nicht erledigt werden kann. Wissen sie nicht, warum, führt dies schnell zu Ärger und Ablehnung.

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