Krankschreibung bei psychischer Belastung: Voraussetzungen und Rechte

Arbeitsunfähigkeit ist ein Thema, das jeden Arbeitnehmer betreffen kann. Die letzten Jahre sind vermehrt Arbeitnehmer aufgrund von Mobbing, psychischen Belastungen, Stress und sonstigen Konflikten am Arbeitsplatz erkrankt. Die Erscheinung von arbeitsplatzbezogenen Arbeitsunfähigkeiten hat deutlich zugenommen.

Arbeitsunfähigkeit und ihre Formen

Arbeitsunfähigkeit bezeichnet einen Zustand, der es einem Arbeitnehmer nicht möglich macht, aktuell zu arbeiten. Wenn er diese nicht mehr ausführen kann, ist er berufsunfähig. Die Abgrenzung zwischen dieses beiden Begriffen ist wichtig, da sie mit unterschiedlichen arbeits- und versicherungsrechtlichen Regelungen verknüpft sind.

Die arbeitsplatzbezogene Arbeitsunfähigkeit zeichnet sich dadurch aus, dass ein Arbeitnehmer für eine konkrete Arbeitsstelle an der Arbeit verhindert ist, im Übrigen jedoch in seiner Lebensgestaltung nur minimal eingeschränkt und auch für andere Arbeiten arbeitsfähig ist. In der Praxis stellen sich in Bezug auf die arbeitsplatzbezogene Arbeitsunfähigkeit diverse Rechtsfragen. Hat der Arbeitgeber den Lohn weiterhin auszurichten? Sind die Sperrfristen anwendbar?

Voraussetzungen für eine Krankschreibung

Sie sind krank und können nicht ins Büro oder in die Werkstatt? Dabei spielt es keine Rolle, ob die Abwesenheit durch eine Krankheit - auch eine Berufskrankheit oder einen Unfall - verursacht worden ist: Wenn Sie arbeitsunfähig sind, ist dies mit Rechten und Pflichten für Sie verbunden. Das Wichtigste bei der Arbeitsunfähigkeit ist der Arbeitnehmerschutz, der es Ihnen ermöglicht, nicht am Arbeitsplatz zu erscheinen, sich auskurieren und dennoch Entgeltfortzahlung in Anspruch zu nehmen.

Die beiden wichtigen Voraussetzungen dafür: Sie dürfen die Arbeitsunfähigkeit nicht vorsätzlich verursacht haben und nicht unter vier Wochen bei Ihrem Arbeitgeber beschäftigt sein. Sollten Sie mehr als sechs Wochen erkrankt sein, gibt es Tagegeld von Ihrer gesetzlichen und auch von Ihrer privaten Versicherung. Wenn Sie aufgrund eines Unfalls arbeitsunfähig sind, gibt es auch Verletztengeld.

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Natürlich ist bei einem klassischen Schnupfen der Arztbesuch nicht wichtig. Dennoch: Ab einer Krankheitsdauer von drei Tagen ist der Arztbesuch immer bedeutsam: Denn ab diesem Termin ist beim Arbeitgeber ein Attest zu präsentieren, das die Arbeitsunfähigkeit bis zu einem bestimmten Datum ärztlich bestätigt. Arbeitgeber haben in diesem Kontext aber auch das Recht, bereits ab dem ersten Tag der Erkrankung ein ärztliches Attest zu fordern.

Ebenfalls wichtig: Unabhängig von der Tatsache, wann das ärztliche Attest für den Arbeitgeber erbracht werden soll: Selbstverständlich ist dem Arbeitgeber die Arbeitsunfähigkeit am ersten Tag umgehend anzuzeigen.

Arztzeugnis und Beweispflicht

Kann der Arbeitnehmer wegen einer Krankheit seine Arbeit nicht leisten, so trifft ihn in Bezug auf diese Arbeitsunfähigkeit die Beweispflicht. Der Arbeitgeber kann dementsprechend ab dem ersten Arbeitstag ein Arztzeugnis verlangen. Auch bei Kindern kann er dies verlangen, dies ergeht insbesondere aus Art. 36 Arbeitsgesetz.

Im Zusammenhang mit der Lohnfortzahlungspflicht gemäss Art. 324a OR aber auch im Zusammenhang mit dem zeitlichen Kündigungsschutz kommen Arztzeugnissen eine besondere Bedeutung zu. Das Arztzeugnis ist ein Indiz für Arbeitsunfähigkeit. Wird nur eine Krankheit attestiert, so bedeutet das noch nicht automatisch die Arbeitsunfähigkeit. Dem Wortlaut des Arztzeugnisses kommt daher grosse Bedeutung zu.

Das Arztzeugnis ist einer von möglichen Beweisen für die Arbeitsunfähigkeit. Es sind aber grundsätzlich andere Beweise möglich. Der Arbeitgeber hat die Möglichkeit, einen Besuch beim Vertrauensarzt anzuordnen, sofern er Zweifel an der Richtigkeit des durch den Arbeitnehmer eingereichten Zeugnisses hat. Bei den Arztzeugnissen sind die Standesregeln FMH zu beachten.

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Rechte und Pflichten bei Arbeitsunfähigkeit

Ihre Hauptpflicht ist es, dass Sie alles dafür tun, damit Sie Ihre Regeneration unterstützen. Das bedeutet in diesem Zusammenhang auch, dass Sie bei behandlungsbedürftigen Erkrankungen Ihren Arzt aufsuchen.

Rund um die Arbeitsunfähigkeit gibt es ein Thema, das zwischen Arbeitgeber und -nehmer nicht selten diskutiert wird: Wie verhält sich ein Arbeitnehmer richtig, wenn er krankgeschrieben ist? Es ist beispielsweise wichtig und korrekt, dass die Bettruhe unbedingt eingehalten wird. Das gilt bei fiebrigen Erkältungen oder Grippen. Doch wenn ein Mitarbeiter aufgrund einer psychischen Krankheit krankgeschrieben ist, ist es natürlich erlaubt, wenn er beispielsweise Sport macht und Spaziergänge unternimmt.

Schwarzarbeit während der Arbeitsunfähigkeit ist natürlich ein Tabu und ein Kündigungsgrund für den Arbeitgeber.

Ebenfalls Diskussionsbedarf besteht häufig in Sachen Erreichbarkeit für den Arbeitnehmer: Er ist nicht verpflichtet, beispielweise telefonisch dem Unternehmen arbeitsplatzbezogene Auskünfte zu erteilen. Die Unterstützung des Unternehmens im zumutbaren Maß ist aber natürlich gut für das Betriebsklima.

Lohnfortzahlung bei Arbeitsunfähigkeit

Ist der Arbeitnehmer aus Gründen, die in seiner Person liegen, wie etwa Krankheit, unverschuldet an der Arbeitsleistung verhindert und hat das Arbeitsverhältnis mehr als drei Monate gedauert oder wurde es für mehr als drei Monate eingegangen, hat er unter den Voraussetzungen von Art. 324a OR für eine beschränkte Zeit (nach Skalen je nach Kanton) Anspruch auf Weiterbezahlung von 100% Lohn. Der Arbeitgeber hat dem Arbeitnehmer also auch bei bloss arbeitsplatzbezogener Arbeitsunfähigkeit Lohn fortzuzahlen.

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Abhängig vom Dienstjahr des Arbeitnehmers und der anwendbaren Skala können sich daraus länger dauernde Verpflichtungen zur Lohnfortzahlung ergeben. Zur Risikominimierung schliessen Arbeitgeber in der Praxis deshalb vielfach Krankentaggeldversicherungen ab, welche nach Ablauf einer vereinbarten Wartefrist die Lohnfortzahlung für sie übernimmt.

Die Dauer der Lohnzahlungspflicht wird oft in den anwendbaren Einzelarbeitsverträgen, den Gesamtarbeitsverträgen und den Normalarbeitsverträgen geregelt. Befindet sich in den anwendbaren Verträgen keine Regelung, gilt (Art. 324a Abs. 1 OR). In der Praxis hat sich eingebürgert, dass die Gerichte in der Schweiz für die Bestimmung der Dauer der Lohnfortzahlungspflicht Skalen anwenden. Dabei werden je nach Kanton die Basler, Berner oder Zürcher Skala angewendet.

Die Parteien können eine von Art. 324a Abs. 1 OR abweichende Regelung treffen. Bei Art. 324a OR handelt es sich um eine teilzwingende Regel ist. Die Abweichung kann durch schriftlichen Einzel-, Gesamt- oder Normalarbeitsvertrag geschehen. Voraussetzung hierfür aber, dass diese Regelung mindestens gleichwertig ist (Art. 324a Abs. 4 OR).

Die Lohnfortzahlungspflicht bemisst sich nach den Dienstjahren und nicht nach den Kalenderjahren. Die Regelung der Lohnfortzahlungspflicht gilt auch bei teilweiser Arbeitsunfähigkeit.

Kündigungsschutz bei Krankheit

Nach Ablauf der Probezeit darf der Arbeitgeber einem Arbeitnehmer, welcher unverschuldet durch Krankheit an der Arbeitsleistung ganz oder teilweise verhindert ist, während bestimmter Sperrfristen (Dauer in Abhängigkeit von Dienstjahren) nicht kündigen, bzw. die Kündigungsfrist steht in dieser Sperrfrist still, wenn der Arbeitgeber bereits vor Eintritt einer Sperrfrist gekündigt hat (vgl. Art. 336c Abs. 1 lit. b und Abs. 2 OR).

Früher löste auch eine arbeitsplatzbezogene Arbeitsunfähigkeit eine Sperrfrist aus und der Arbeitnehmer war vor einer Kündigung für die Dauer der massgebenden Sperrfrist geschützt. Namhafte Vertreter der Lehre und einige neuere Urteile kantonaler Instanzen verneinen nunmehr, dass in Fällen rein arbeitsplatzbezogener Arbeitsunfähigkeit eine Sperrfrist ausgelöst wird.

Kündigung: Während der Krankschreibung darf in der Regel nicht gekündigt werden. Die Häufung von kleineren Erkrankungen und eine langwierige Erkrankung können allerdings als Anlass für die Kündigung durch den Arbeitnehmer hergenommen werden. In diesen Fällen ist es aber meist ratsam, einen Fachmann für Arbeitsrecht zu konsultieren.

Sperrfristen bei Kündigung:

  • Im ersten Dienstjahr beträgt die Sperrfrist gemäss Art. 336c Abs. 1 lit. b OR 30 Tage.

Arbeiten mit Depressionen

Können Menschen, die unter Depressionen leiden, noch am Arbeitsleben teilnehmen? Sind Betroffene verpflichtet, ihren Arbeitgeber zu informieren?

Arbeiten mit Depressionen ist möglich. Gemäss der Weltgesundheitsorganisation WHO zeigen sich Depressionen durch «anhaltende Traurigkeit und mangelndem Interesse an zuvor angenehmen Aktivitäten». Kurz: Betroffene verlieren die Freude an ihren Hobbys, ziehen sich zurück oder fühlen sich dauerhaft niedergeschlagen.

Vorweg: Sie sind nicht verpflichtet, Arbeitgeber oder Kolleg:innen über Ihre Erkrankung in Kenntnis zu setzen, sofern sie Ihre Aufgaben nicht wesentlich erschweren. Es gibt gute Gründe dafür, eine psychische Erkrankung erstmal für sich zu behalten. Angst vor Diskriminierung zum Beispiel, oder Scham, um nur einige zu nennen. Allerdings kann das Verschleiern einer Krankheit unter Druck setzen, Energie rauben und das Arbeiten mit Depressionen verkomplizieren. Der offene Umgang hingegen kann eine Menge Stress ersparen. Zum Beispiel verhindert er, dass Sie sich für allfällige Fehltage rechtfertigen müssen.

Ganz wichtig: arbeiten trotz Depression ist möglich. Je nachdem, in welchem Stadion Sie sich gerade befinden, kann ein geregelter Tagesablauf mit einer sinnvollen Beschäftigung Ihre Genesung fördern. Allenfalls können Sie auf Ihre Vorgesetzten zugehen und gemeinsam entlastende Massnahmen erarbeiten. Eine Reduktion des Pensums zum Beispiel oder längere Pausen. Auch regelmässige Gespräche mit der Personalleitung können hilfreich sein und Ihnen das Arbeiten mit Depressionen erleichtern.

Falls Sie aufgrund Ihrer Symptome nicht oder nicht mehr in der Lage sind, zur Arbeit zu gehen, können Sie sich krankschreiben lassen. In der Regel muss nach dem dritten Abwesenheitstag ein Arztzeugnis eingereicht werden.

Während einer Krankschreibung muss Ihnen Ihr Unternehmen für eine gewisse Zeit den vollen Lohn auszahlen (sogenannte Lohnfortzahlung). Wie lange genau, richtet sich entweder nach Arbeits- bzw. Gesamtarbeitsvertrag oder nach den Basler, Berner oder Zürcher Skalen. Nach einer gewissen Zeit entfällt die Lohnfortzahlungspflicht und Sie erhalten üblicherweise Krankentaggeld. Sie erhalten in der Regel 80% Ihres Lohnes, wenn Sie Krankentaggeld beziehen, bezahlt wird der Betrag von der Versicherung.

Während dieser Fristen ausgesprochene Entlassungen sind ungültig. Sollte Ihnen dennoch gekündigt werden, können Sie Ihren Arbeitgeber schriftlich auf seinen Fehler aufmerksam machen.

Psycholog:innen, bzw. Psychiater:innen helfen Ihnen mit verschiedenen Therapieformen und geeigneten Medikamenten aus der Depression. Für den Umgang mit Ihrer Krankheit am Arbeitsplatz gibt es zudem sogenannte Care Manager. Diese vermitteln, geben Tipps und suchen Wege, wie Betroffene weiterhin ihrem Beruf nachgehen können.

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