ADHS bei Erwachsenen: Symptome, Diagnose und Behandlung

Sind Sie zerstreut, gereizt, impulsiv und leicht ablenkbar? Eine Abklärung kann Klarheit verschaffen. ADHS beginnt im Kindesalter, bleibt bis ins Erwachsenenalter bestehen und führt zu spürbaren Einschränkungen in verschiedenen Lebensbereichen. ADHS-Betroffene leiden häufig unter weiteren psychischen Erkrankungen wie Depressionen, Abhängigkeitsstörungen oder Angststörungen.

Was ist ADHS?

Die Ursachen der Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS) sind nicht restlos geklärt. Einig ist sich die Wissenschaft aber darin, dass es sich um eine angeborene, neurobiologische Funktionsstörung handelt, an der genetische und umweltbedingte Faktoren beteiligt sind.

Welches sind die Ursachen für ADHS?

Untersuchungen weisen darauf hin, dass der ADHS eine Hirnreifungsstörung zu Grunde liegt, die zu einer komplexen Beeinträchtigung neurokognitiver Prozesse führt.

  • meist sind mehrere Familienmitglieder betroffen (hohe genetische Komponente)
  • Rauchen, Alkohol- oder Drogenkonsum oder Infektionskrankheiten während der Schwangerschaft, Frühgeburt
  • gestörtes Gleichgewicht der Botenstoffe (Neurotransmitter) Dopamin, Noradrenalin und Serotonin

Welche Symptome sind typisch für ADHS?

Hyperaktivität (zappelig, ruhelos, innere Anspannung) und Impulsivität (unüberlegte Handlungen, Ungeduld). Diese Symptome sind bereits vor dem 7. Altersjahr vorhanden und nicht nur zeitweise präsent. Von Person zu Person variieren diese Symptome sowohl in der Art als auch in der Ausprägung.

  • Aufmerksamkeitsstörung: Ablenkbarkeit, Vergesslichkeit, Tagträumen, schnell gelangweilt
  • Motorische Hyperaktivität des Kindesalters weicht einer inneren Unruhe: Nervosität, Entspannungsschwierigkeiten, keine Theater- oder Kinobesuche
  • Affektlabilität: Starke Stimmungsschwankungen, launisch
  • Desorganisation in Verhalten und Aktivitäten: Probleme mit Zeiteinteilung, Aufschieben, Erledigen in letzter Minute, chaotisch
  • Mangelnde Affektkontrolle: Stressintoleranz, Reizbarkeit, Ungeduld
  • Impulsivität: Unüberlegte Handlungen, Dreinreden, Risikosportarten, impulsives Verkehrsverhalten
  • Emotionale Überreaktionen: Geringe Frustrationstoleranz, ängstlich und konfus unter Belastung, Hypersensibilität

Die Symptome von ADHS unterliegen einer Entwicklung parallel zum Alter der Betroffenen. So sind Unaufmerksamkeit, Impulsivität und Hyperaktivität auch bei Erwachsenen mit ADHS die Hauptsymptome, jedoch kommt es zu gewissen Änderungen ihrer Ausprägung. Die motorische Unruhe der Kinder und Jugendlichen wird in den meisten Fällen ersetzt durch eine «innere Unruhe» bei der erwachsenen Person. Ebenfalls hat die Impulsivität eine eigene Ausdrucksform, die sich von derjenigen im Kinder- und Jugendalter unterscheidet. Hier stehen Ungeduld und das Vermeiden von langen Veranstaltungen im Vordergrund. Zusätzlich zu den Hauptsymptomen der ADHS kommen im Erwachsenenalter weitere hinzu wie beispielsweise Desorganisation im Lebensalltag, schnelle Stimmungswechsel, Stressüberempfindlichkeit und Schwierigkeit bei der Temperamentskontrolle.

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Wie wird die Diagnose gestellt?

Wie viele Symptome sind in welchem Ausmass und über welche Dauer vorhanden? Können die Symptome bis in die Kindheit zurückverfolgt werden? Führen die Symptome zu einer deutlichen Beeinträchtigung in mehreren Lebensbereichen? (Arbeit, Alltag) Sind die Symptome nicht durch eine andere psychische Störung erklärbar? Dazu wird eine ausführliche Anamnese mithilfe von standardisierten Fragebögen durchgeführt. Zusätzlich können Angaben von Personen aus dem Umfeld der Betroffenen und eine neuropsychologische Testung dabei helfen, die Diagnose zu stellen.

Die Grundlage der ADHS-Diagnose ist ein ausführliches klinisches Interview gestützt auf die Kriterien des DSM-5, das die Analyse der medizinischen Anamnese des Patienten umfasst. Ärzte fragen nach ADHS-Symptomen in der Kindheit sowie nach aktuellen Schwierigkeiten im Erwachsenenalter. Zur Diagnose von ADHS bei Erwachsenen werden häufig spezifische standardisierte Fragebögen und Bewertungsskalen verwendet zur Erfragung allfälliger ADHS-spezifischer Auffälligkeiten in der Kindheit sowie im Erwachsenenalter. Die Verhaltensbeobachtung kann wertvolle Informationen über das tägliche Funktionieren des Patienten liefern. Neuropsychologische Tests, wie Aufmerksamkeits-, Gedächtnis- und exekutive Funktionstests, zusammen mit der Erhebung des Intelligenzniveaus, können bei der Diagnose von ADHS hilfreich sein. Ein wichtiger Bestandteil der ADHS-Diagnose bei Erwachsenen ist die Differentialdiagnose. Obwohl bildgebende Verfahren des Gehirns, wie Magnetresonanztomographie (MRT) und Positronen-Emissions-Tomographie (PET), nicht routinemässig zur Diagnose von ADHS eingesetzt werden, deuten wissenschaftliche Studien darauf hin, dass sie in Zukunft zusätzliche Informationen über strukturelle und funktionelle Veränderungen im Gehirn im Zusammenhang mit ADHS liefern könnten.

Die Diagnose von ADHS bei Erwachsenen erfordert den Einsatz komplexer Diagnoseverfahren, die verschiedene Bewertungsmethoden kombinieren. Klinische Interviews, Fragebögen, Verhaltensbeobachtungen, neuropsychologische Tests, Tests zur Erhebung des Intelligenzniveaus und Differentialdiagnosen bilden die Grundlage des modernen Ansatzes zur Erkennung dieser Störung. Mit fortschreitender Forschung könnten bildgebende Verfahren des Gehirns in Zukunft eine grössere Rolle bei der ADHS-Diagnose spielen.

Zentral hierfür ist nach DSM-5 (die fünfte Auflage des Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders), dem amerikanischen Diagnoseinstrument, der Nachweis von 18 diagnostischen Kriterien. Zusätzlich muss nachgewiesen werden, dass einzelne Symptome von ADHS bereits vor dem 12. Lebensjahr bei der betreffenden Person vorhanden waren. Weiter sollen in mehr als einem Lebensbereich die mit ADHS verbundene Auffälligkeiten erkennbar sein. Neuropsychologische Testverfahren sind bei speziellen Fragestellungen hilfreich. Es ist wichtig festzuhalten, dass aus der Diagnose einer ADHS im Erwachsenenalter sich nicht zwangsläufig eine Behandlungsnotwendigkeit ableitet. So wird in diesem Zusammenhang nochmals genau erörtert, ob die funktionellen Einschränkungen im Leben der Betroffenen und die damit verbundenen Problematiken im sozialen Leben eindeutig durch ADHS verursacht sind.

Wie wird ADHS behandelt?

Es gibt verschiedene Therapiemöglichkeiten, die einzeln oder kombiniert angewandt werden können. Je nach Schweregrad der Symptomatik und den Einschränkungen im Alltag sowie in verschiedenen Lebensbereichen, muss ein individuelles Therapiekonzept erarbeitet werden. In der Psychotherapie lernen Betroffene, die Emotionen zu regulieren, sich zu organisieren (Zeitmanagement), das Selbstwertgefühl zu stabilisieren und mit der Ablenkbarkeit umzugehen. Bei stark ausgeprägten Symptomen und erheblichen Beeinträchtigungen in mehreren Lebensbereichen, kann eine medikamentöse Behandlung (Pharmakotherapie) hilfreich sein.

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Primäres Ziel der Behandlung von ADHS ist die Verminderung des subjektiven Leidensdrucks sowie die Erhöhung der Lebensqualität. Hierzu gibt es diverse Therapiemöglichkeiten, welche einzeln oder auch kombiniert angewandt werden können. Die Psychoedukation teilt sich auf in Aufklärung, Beratung und Führung. Dabei werden die Patienten und gegebenenfalls ihr unmittelbares Umfeld über das Störungsbild informiert. Die Mehrzahl von erwachsenen ADHS-Patienten leiden an Begleitstörungen wie Depression, Angst, Abhängigkeits- oder auch Schlafstörungen. Je nach Schweregrad dieser Begleiterkrankungen muss die Behandlung entsprechend priorisiert werden.

Zur Behandlung von ADHS bei Erwachsenen sind in der Schweiz Medikamente mit den Wirkstoffen Methylphenidat, Dexmethylphenidat, Lisdexamfetamin und Atomoxetin zugelassen. Es werden verschiedene Konzepte mit unterschiedlichen Schwerpunkten angeboten. Inhaltlich sind aber einige Gemeinsamkeiten wie der Umgang mit Desorganisiertheit, Verbesserung der Aufmerksamkeit oder auch Impulskontrolle vorhanden. Es geht in erster Linie darum, den Umgang mit der Symptomatik zu erlernen und zu festigen. Bei einer medikamentösen Therapie ist Methylphenidat 1.

Welche Ziele können mit der Behandlung des ADHS bei Erwachsenen erreicht werden?

  • Symptome reduzieren
  • Lebensqualität erhöhen
  • Selbstwertgefühl verbessern

ADHS-Selbsttest für Erwachsene

Mit dem kostenlosen ADHS-Test für Erwachsene können Sie Ihre Symptome online überprüfen und eine erste Einschätzung erhalten, ob Sie möglicherweise an einer Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS) leiden. Der obige ADHS-Selbsttest ist ein kostenloser Online-Test für Erwachsene. Der Test besteht aus einer Reihe von Fragen, die die typischen Symptome von ADHS, also Unaufmerksamkeit, Hyperaktivität und Impulsivität, abdecken. Der Selbsttest basiert auf der ADHS-Selbstbeurteilungsskala (ADHS-SB) und dem „Adult ADHD Self-Report Scale“ (ASRS) der Weltgesundheitsorganisation (WHO). Dabei handelt es sich um wissenschaftlich anerkannte ADHS-Screening-Tests mit Selbstbeurteilungs-Skala für Erwachsene.

Der Online-Test eignet sich daher nicht für Kinder, bei denen sich ADHS-Symptome häufig auf andere Weise äussern. Bitte beachten Sie, dass dieser Test keine ärztliche Diagnose ersetzt, sondern lediglich als Orientierungshilfe dient. Holen Sie bitte unabhängig vom Testergebnis ärztlichen Rat ein, falls Sie Beschwerden haben und sich dadurch in bestimmten Bereichen Ihres Lebens beeinträchtigt fühlen. Zwar sind die Symptome von ADHS bei Erwachsenen häufig weniger stark ausgeprägt als bei Kindern. Jedoch kann ADHS das tägliche Leben trotzdem erheblich beeinflussen - von der Arbeit über soziale Beziehungen bis hin zu persönlichen Projekten. Sollten Sie den Verdacht haben, an dieser Störung zu leiden, lassen Sie dies ärztlich abklären. Fachleute können beispielsweise anhand des Patientengesprächs (Anamnese) sowie verschiedener Fragebögen einschätzen, ob Sie an ADHS leiden. Der Selbsttest auf dieser Seite kann Ihnen dabei helfen, Ihre Symptome besser einzuordnen und sich zum Beispiel auf das Gespräch mit der Ärztin oder dem Arzt vorzubereiten.

Wo wird ADHS behandelt?

Für die ADHS-Abklärung ist eine ärztliche Zuweisung nötig. ADHS behandeln wir an fast allen unseren Standorten.

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Wenn Sie den Verdacht haben, an ADHS zu leiden, können Sie die ADHS-Sprechstunde der UPK Basel besuchen. Im Rahmen dieser Sprechstunde klärt eine Fachperson ab, ob eine ADHS vorliegt. Für die Abklärung ist mit einer (evtl. mehrmonatigen) Wartezeit zu rechnen. Lassen Sie sich bitte von einer Fachperson überweisen (Hausarzt, Psychotherapeut, Psychiater, etc.). Wenn bei Ihnen eine ADHS diagnostiziert wurde, können Sie bei uns an einer spezifischen Gruppentherapie teilnehmen. Wir bieten auch eine begrenzte Anzahl an Einzeltherapieplätzen an. Bitte beachten Sie, das hier ebenfalls mit einer Wartezeit gerechnet werden muss. Die Behandlungsteams bestehen aus Fachpersonen aus den Bereichen Medizin, Psychologie und Psychotherapie, Pflege, Sozialdienst sowie Spezialistinnen und Spezialisten der Medizinisch-Therapeutischen Dienste. Jede Behandlung wird individuell auf die Bedürfnisse der Patientin und des Patienten abgestimmt.

Unser spezialisiertes ambulantes Programm ist schweizweit für Erwachsene ab dem 18. In unserer Klinik bieten wir eine individuell abgestimmte ambulante Beratung und Behandlung für Patientinnen und Patienten mit ADHS an. Diese entspricht den neuesten internationalen Leitlinien. Die Anmeldung zur Aufnahme erfolgt über die vorbehandelnden Ärztinnen und Ärzte oder andere Fachpersonen.

Weitere Informationen

Die Organisation adhs20+ fördert und unterstützt die Verbreitung von Informationen zum Thema ADHS im Erwachsenenalter. Sie betreibt eine ADHS-Anlaufstelle für Erwachsene und hilft bei der Triage. Unsere Anlässe sind öffentlich, Mitglieder von adhs 20+ profitieren von Vergünstigungen.

Finden Sie heraus, was andere Betroffene und Angehörige beschäftigt (externes AD(H)S-Forum). Und zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren.

Es ist in der Schweiz dringend notwendig, dass die medizinische Versorgung der erwachsenen ADHS-Betroffenen verbessert wird.

ADHS im Überblick

Die folgende Tabelle fasst die wichtigsten Aspekte von ADHS bei Erwachsenen zusammen:

Aspekt Beschreibung
Ursachen Angeborene, neurobiologische Funktionsstörung mit genetischen und umweltbedingten Faktoren
Symptome Unaufmerksamkeit, Hyperaktivität, Impulsivität, Desorganisation, Stimmungsschwankungen, Stressüberempfindlichkeit
Diagnose Klinisches Interview, Fragebögen, Verhaltensbeobachtungen, neuropsychologische Tests
Behandlung Psychotherapie, Medikamentöse Behandlung, Psychoedukation
Ziele der Behandlung Reduzierung der Symptome, Erhöhung der Lebensqualität, Verbesserung des Selbstwertgefühls

tags: #adhs #test #erwachsene