Derealisation: Ursachen, Symptome und Behandlung

Die Derealisation ist ein psychischer Zustand, bei dem die Umwelt als unwirklich, fremd oder verzerrt wahrgenommen wird. Sie tritt häufig zusammen mit der Depersonalisation auf, bei der sich Betroffene von sich selbst entfremdet fühlen. Beide Phänomene werden oft unter dem Begriff Depersonalisations- und Derealisationssyndrom zusammengefasst.

Beschreibung der Derealisation

Bei einer Derealisation hingegen plagt die Betroffenen der Eindruck, dass ihre Umwelt nicht real ist.

Fast jeder Mensch erlebt im Leben derartige Symptome in schwacher Form und für begrenzte Zeit.

Eine Derealisationsstörung bedeutet jedoch, dass die Betroffenen über einen langen Zeitraum oder in wiederkehrenden Episoden darunter leiden. Die Depersonalisation ist eine Störung, die bisher nur wenig erforscht wurde. In vielen Fällen wird sie übersehen.

Manchmal versteckt sie sich hinter einer anderen psychischen Störung, manchmal trauen sich die Betroffenen nicht, mit diesen Symptomen zum Arzt zu gehen, weil sie Angst haben, dass dieser sie nicht ernst nimmt oder für verrückt hält.

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Wer ist betroffen?

Nach Schätzungen sind etwa ein bis drei Prozent der Bevölkerung von einer Depersonalisationsstörung betroffen. Sehr häufig tritt sie als Symptom anderer psychischer Störungen auf. Dazu gehören Depressionen, phobische Störungen, Zwangsstörungen und die Borderlinestörung. Als eigenständige Störung wird sie häufig im Jugendalter diagnostiziert. Das Depersonalisationssyndrom tritt bei Männern und Frauen in etwa gleich häufig auf.

Symptome der Derealisation

  • Veränderte Wahrnehmung: Verzerrungen in der Wahrnehmung der Zeit, der Umwelt oder des eigenen Körpers.
  • Die Betroffenen fühlen sich oft von ihrem Körper oder ihren Gedanken getrennt und haben das Gefühl, in einer anderen Welt oder in einem Traum zu leben.
  • Sich selbst als „außenstehender Beobachter“ erleben: Das eigene Erleben wird aus der Perspektive einer dritten Person statt aus der Ich-Perspektive betrachtet.
  • Somatisierung: Das Auftreten oder die Zunahme von körperlichen Symptomen wie Kopfschmerzen, Übelkeit, Schüttelfrost etc.
  • Depressionen: Derealisation wird oft von Depression begleitet.
  • Fällt es Ihnen schwer, sich im Spiegel zu erkennen?

Wenn Du die meisten Fragen mit „Ja“ beantwortet hast, kann das ein Hinweis auf das Vorliegen von Depersonalisationssymptomen sein. Es ist jedoch nicht möglich, allein aufgrund dieser Tests eine endgültige Diagnose zu stellen.

Ursachen und Risikofaktoren

Die Entstehung der Depersonalisation und Derealisation führen Experten auf das Zusammenspiel verschiedener Faktoren zurück. Man vermutet, dass die Veranlagung beeinflusst, ob die psychische Störung auftritt oder nicht. Bisher gibt es noch keine Nachweise für eine erbliche Komponente.

Experten gehen davon aus, dass Menschen mit einer erhöhten Grundängstlichkeit anfälliger für Depersonalisation und Derealisation sind. Ursachen sind, wie bei vielen psychischen Störungen, häufig in der Kindheit und Jugend zu finden.

Stress und traumatische Erlebnisse sind die häufigsten Auslöser der Depersonalisation. Direkte Auslöser der Depersonalisation: Als konkreter Auslöser von Depersonalisation spielt Stress eine zentrale Rolle. Insbesondere können traumatische Erfahrungen eine Depersonalisation auslösen.

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Schwere Krankheiten, Unfälle oder auch berufliche und heftige zwischenmenschliche Krisen können der Beginn einer Depersonalisation sein. In unerträglichen Situationen kann es passieren, dass sich Menschen von sich und dem Ereignis innerlich entfernen. Experten gehen davon aus, dass diese Reaktion ein Schutzmechanismus ist, wenn andere Bewältigungsstrategien nicht ausreichen. Die Betroffenen sind dann nur körperlich anwesend, aber in ihren Gedanken sind sie nicht präsent. Die Depersonalisation wird oft als Ruhe nach dem Sturm beschrieben. Erst wenn der Stress abnimmt, tauchen die Symptome der Depersonalisation auf.

Forscher haben herausgefunden, dass vor allem emotionale Vernachlässigung in der Kindheit eine Depersonalisation begünstigt. Diese Betroffenen haben zu wenig Zuwendung von ihren Eltern erhalten, wurden gedemütigt oder nicht wahrgenommen. Die fehlende Unterstützung durch das soziale Umfeld kann ungünstige Bewältigungsstrategien hervorrufen. So können bereits in der Kindheit erste Symptome der Entfremdung von sich und der Umwelt auftreten. Der Schweregrad der Depersonalisation hängt von der Intensität und Dauer der negativen Erfahrungen ab.

Personen, die ihre körperliche und psychische Gesundheit vernachlässigen, können Depersonalisationssymptome erleben. Ausserdem kann eine Depersonalisation Folge eines Konsums illegaler Drogen oder einer Alkoholvergiftung sein. Auch ungenügender Schlaf und eine zu geringe Flüssigkeitszufuhr kann Symptome einer Depersonalisation hervorrufen oder die bestehenden Symptome verstärken.

Untersuchungen und Diagnose

Als ersten Ansprechpartner können Sie sich an Ihren Hausarzt wenden. Dieser wird bei Verdacht auf das Depersonalisationssyndrom eine körperliche Untersuchung durchführen. Denn die Depersonalisation kann auch als Folge körperlicher Erkrankungen, wie zum Beispiel Epilepsie oder Migräne auftreten.

Der Arzt muss zudem ausschliessen, dass die Symptome als Nebenwirkung von Medikamenten oder infolge eines Entzugs auftreten. Auch Drogen können Gefühle der Entfremdung erzeugen.

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Für die genaue Diagnose und die Behandlung überweist der Hausarzt an Fachärzte. Zur Diagnose der Depersonalisation führt ein Psychiater oder Psychotherapeut ein ausführliches Gespräch mit dem Patienten.

Mithilfe klinischer Fragebögen kann der Arzt oder Therapeut feststellen, ob es sich tatsächlich um eine Depersonalisation handelt oder ob andere psychische Störungen vorliegen.

Folgende Fragen könnte der Arzt oder Therapeut zur Diagnose der Depersonalisationsstörung stellen:

  • Haben Sie manchmal das Gefühl, sich selbst fremd zu sein?
  • Haben Sie manchmal den Eindruck, sich selbst von aussen zu betrachten?
  • Kommt Ihnen Ihre Umgebung manchmal unwirklich vor?
  • Haben Sie manchmal das Gefühl, dass andere Menschen oder Objekte nicht real sind?

Nach der internationalen Klassifikation psychischer Störungen (ICD-10) muss für die Diagnose des Depersonalisations- und Derealisationssyndroms mindestens entweder eine Depersonalisation oder eine Derealisation vorliegen:

  • Depersonalisationssyndrom: Die Betroffenen empfinden ihre Gefühle und Erfahrungen als ihnen fremd, von sich losgelöst, entfernt, verloren oder als jemand anderem zugehörig. Sie beklagen ausserdem das Gefühl, „nicht richtig hier zu sein“
  • Derealisationssyndrom: Die Betroffenen empfinden ihre Umgebung, Objekte oder andere Menschen als unwirklich, fern, künstlich, farb- oder leblos.

Zudem müssen sich die Betroffenen darüber bewusst sein, dass die veränderte Wahrnehmung nicht von aussen erzeugt wird, sondern ihren eigenen Gedanken entspringt.

Behandlung von Derealisation

Die Erforschung der Depersonalisation und Derealisation steckt noch in den Kinderschuhen. Es fehlen Studien zur Wirksamkeit von Therapien und Medikamenten. Medikamente sind daher bis jetzt nicht zugelassen für die Therapie der Depersonalisation.

Heilung im Sinne von völliger Symptomfreiheit ist bei einer schwachen Depersonalisation am wahrscheinlichsten. In schweren Fällen ist das Ziel, die Symptome zu mildern oder die Phasen, in denen die Depersonalisation auftritt, zu verkürzen. Die Methode der Wahl zur Behandlung ist die Psychotherapie.

Psychotherapeutische Ansätze

  • Ängste abbauen: Zu Beginn der Therapie klärt der Therapeut den Patienten ausführlich über die psychische Störung auf (Psychoedukation). Der Betroffene erlebt, dass sein Leiden ernst genommen wird und seine verzerrte Wahrnehmung kein Zeichen von „Verrücktheit“, sondern Teil einer Erkrankung ist. Der Patient lernt negative und katastrophisierende Gedanken zu hinterfragen und durch realistische Einschätzungen zu ersetzen. Ein wichtiges Ziel der Therapie ist es, Ängste zu verringern und die Person somit psychisch zu entlasten.
  • Stressmanagement und Bewältigungsstrategien: Ein weiterer Baustein in der Therapie ist der Umgang mit Stress. Bei vielen Patienten führen Belastungen zu Depersonalisationssymptomen. Sie begeben sich aus ihrem Körper und entfernen sich so von ihrer Umgebung und den Problemen. Dieser Vorgang läuft nach einiger Zeit automatisch ab. Mithilfe eines Tagebuchs soll der Patient notieren, welche Situationen die Symptome der Depersonalisation auslösen. Diese Übersicht hilft dem Betroffenen, Muster und Vorgänge der Erkrankung besser zu erkennen.

Zusammen mit dem Therapeuten erarbeiten die Patienten andere Strategien, um schwierige Situationen zu bewältigen. Der Betroffene muss lernen, beängstigende Situationen nicht mehr zu vermeiden. Wenn die Person Vertrauen in andere Bewältigungsstrategien fasst, muss sie sich nicht mehr von sich oder der Situation entfernen. Eine Veränderung des Lebensstils kann zur Genesung beitragen. Zu wenig Schlaf, Ernährung und mangelnde Flüssigkeitszufuhr verstärken die Symptome.

Treten Symptome von Entfremdungen auf, können zum Beispiel der Biss in eine Chili-Schote oder lautes Klatschen helfen, in die Realität zurückzufinden. Eine hilfreiche Methode kann auch Ablenkung sein. Gespräche oder sportliche Aktivitäten sollen die Gedanken in die Realität lenken. Ablenkung verhindert auch, dass sich Ängste hochschaukeln. Durch diese und andere Strategien lernen die Patienten, die Depersonalisationssymptome zu kontrollieren.

Entspannungsübungen sind bei einer Depersonalisation nicht zu empfehlen, da zu viel Ruhe die Symptome hervorrufen kann. Beruhigende Aktivitäten, wie zum Beispiel Spaziergänge, sind zur Erholung daher besser geeignet.

In vielen Fällen sind traumatische Erfahrungen die Ursache der Depersonalisation. Zur Bearbeitung von Traumata sollte der Patient zunächst einen guten Umgang mit den Symptomen gelernt haben. Ausserdem ist es wichtig, dass der Betroffene seine Emotionen wahrnehmen, ausdrücken und einigermassen steuern kann. Erst nach der Stabilisierungsphase kann eine Auseinandersetzung mit traumatischen Ursachen erfolgen.

Medikamente

Medikamente wie Antidepressiva, Antipsychotika und Anxiolytika können helfen, die Symptome der Depersonalisationsstörung zu lindern.

Weitere Behandlungsansätze

Stress reduzieren: Stress und Angst können Derealisation auslösen oder verschlimmern.

Krankheitsverlauf und Prognose

Die ersten Depersonalisationssymptome zeigen sich meist schon in der Jugend oder sogar bereits im Kindesalter. Der Beginn im späten Erwachsenenalter ist sehr selten und stärkt den Verdacht auf eine organische Ursache. Die Depersonalisation kann sowohl chronisch als auch in Episoden auftreten.

Der Verlauf hängt zum einen davon ab, wann die Depersonalisation eingesetzt hat und zum anderen, ob sie adäquat behandelt wird. Je früher die psychische Störung auftritt, desto schlechter ist die Prognose. Keine Behandlung benötigt eine milde Form der Depersonalisation und Derealisation. Heilung tritt in diesem Fall nach kurzer Zeit von alleine ein.

Sind die Symptome stark ausgeprägt, leiden die Betroffenen meist lange Zeit unter Symptomen der Depersonalisation und Derealisation. Mithilfe einer Psychotherapie können sie aber lernen, die Symptome besser zu kontrollieren. Ausserdem können Betroffene den Verlauf günstig beeinflussen, indem sie Stress reduzieren. Unter psychischer Belastung hingegen verschlimmern sich die Symptome der Depersonalisation noch.

Der Fragebogen für dissoziative Symptome (FDS)

Der FDS ist ein Screening-Instrument zur Erfassung verschiedener dissoziativer Phänomene (Dissoziation) einschließlich Depersonalisation und Derealisation. Sein Einsatz empfiehlt sich im Rahmen der dimensionalen Diagnostik dissoziativer Störungen.

Darüber hinaus sind dissoziative Symptome als Bestandteil der entsprechenden diagnostischen Kriterien bei den schizophrenen Störungen, phobischen und anderen Angststörungen, der posttraumatischen Belastungsstörung und der Borderline-Persönlichkeitsstörung von besonderer Bedeutung.

Aufgrund relativ geringer sprachlicher Anforderungen sind die notwendigen intellektuellen Voraussetzungen bei einem Verbal-IQ der Probanden von größer als 80 gegeben.

Der FDS basiert auf der Methode der Selbstbeurteilung und erfasst die Subskalen Amnesie, Absorption, Derealisation und Konversion.

Es liegt zusätzlich eine verkürzte Screening-Version mit 20 Items (FDS-20) vor, die sich für die Verlaufsmessung eignet. In der vierten, korrigierten und aktualisierten Auflage des FDS wurden Hinweise in Bezug auf die ICD-11, sowie aktuelle Literatur eingearbeitet.

Die ICD-11 folgt im Wesentlichen ihrer bisherigen Logik und fasst die dissoziativen Bewusstseinsstörungen (Dissoziation) und die Konversionsstörungen mit pseudoneurologischer Symptomatik in einem eigenen Abschnitt zusammen; neu ist, dass nun auch die Derealisations-Depersonalisationsstörung analog zum DSM zu den dissoziativen Störungen gerechnet wird.

Der FDS lässt sich auch komplett elektronisch im Hogrefe Testsystem (HTS) durchführen und auswerten. Die HTS-Version ist kompatibel mit der Papier-Bleistift Version der 3. und 4. Die Durchführungszeit des FDS liegt bei 5 bis 15 Minuten, die des FDS-20 bei maximal 10 Minuten.

Merkmale des FDS

  • Für Erwachsene ab 18 Jahren geeignet
  • Screening-Instrument für den klinischen Alltag
  • Zur Erfassung des Therapieprozesses geeignet
  • Forschungsinstrument

ICD-Codes

ICD-Codes für diese Krankheit: ICD-Codes sind international gültige Verschlüsselungen für medizinische Diagnosen. Sie finden sich z.B. in Arztbriefen oder auf Arbeitsunfähigkeits­bescheinigungen.

  • F42
  • F48

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