Genetische Veranlagung und Depression: Ursachen und Zusammenhänge

Depressionen sind mit die häufigsten psychischen Erkrankungen. Bis zu 15% aller Menschen erkranken einmal im Leben. Depressionen gehen über eine phasenweise Niedergestimmtheit hinaus. Um von einer Krankheit sprechen zu können, müssen die Symptome über einen längeren Zeitraum bestehen und die Alltagsbewältigung muss stark beeinträchtigt sein.

Eine Depression ist eine Erkrankung, die nicht einfach durch Willenskraft überwunden werden kann und ist damit nicht Ausdruck von Schwäche oder Schuld. In den meisten Fällen ist eine Depression in einer Klinik gut behandelbar.

Ursachen einer Depression

Die Entstehung einer Depression ist in der Regel multifaktoriell, d.h. es lässt sich nicht eine einzige Ursache finden. Das ungünstige Zusammenspiel verschiedener Faktoren führt zu einer depressiven Entwicklung: psychologische und psychosoziale Faktoren, Lichtmangel, organische (körperliche) Krankheiten und genetische Faktoren (familiäre Häufung).

Die Ursachen für eine Depression sind vielschichtig und resultieren oft aus einer Kombination von psychosozialen, genetischen und biologischen Faktoren. Die Entstehung resultiert überwiegend aus dem Zusammenwirken der unterschiedlichen Faktoren. Oft sind es belastende Ereignisse, die zu einem Trauma führen können.

Als grundlegendes Paradigma wird in der klinischen Psychologie das Vulnerabilitäts-Stress-Modell verwendet. Die Vulnerabilität beschreibt dabei die individuelle Anfälligkeit eines Menschen, an einer psychischen Störung zu erkranken. Diese kann unter anderem genetisch aber auch durch Lernerfahrungen wie zum Beispiel kindliche Traumata oder emotionale Vernachlässigung bedingt sein. Bei erhöhter Vulnerabilität reichen bereits geringere aktuelle oder chronische Belastungen aus, um einen Krankheitsausbruch zu bewirken, während bei geringer Vulnerabilität die Belastungen dementsprechend grösser sein müssen. Diese Schwelle zum Krankheitsausbruch wird durch unterschiedliche Risiko- und Schutzfaktoren (zum Beispiel die soziale Unterstützung aus dem Umfeld) beeinflusst.

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Psychosoziale Aspekte

Verschiedene psychosoziale Aspekte können eine Depression hervorrufen. Tiefgreifende Lebensereignisse im Zusammenhang mit einem Verlust oder Rollenwechsel können das Risiko einer Depression erhöhen. Dazu gehören beispielsweise die Pensionierung oder eine Geburt und damit die Verpflichtung als Eltern.

Auch anhaltende Stressbelastungen, wie beispielsweise Mobbing am Arbeitsplatz, Langzeitarbeitslosigkeit oder Konflikte in der Familie begünstigen eine Depression.

Kognitive Muster als Ursache von negativen Lebenserfahrungen zeigen, wie Belastungen von Menschen verarbeitet werden. Dabei verwenden Betroffene einer Depression insbesondere dysfunktionale Muster.

Wird die Ursache bei einem negativen Ereignis als persönliches, allgegenwärtiges oder unveränderliches Problem eingeschätzt, kann möglicherweise eine Depression ausgelöst werden. Daraus kann die Überzeugung zur Unfähigkeit entstehen, die persönliche Lebenssituation zu verändern.

Biologische Aspekte

Depression wird nicht direkt vererbt. Bestimmte genetische Merkmale können jedoch das Risiko für die Erkrankung erhöhen. Ein Beispiel dafür ist das FKBP5-Gen, welches die Kontrolle über das Stresshormonsystem blockiert und so zu einer überschießenden Stressantwort führen kann.

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Bestimmte Neurotransmitter (Botenstoffe), welche im Körper für die Kommunikation der Zellen und das Zusammenspiel wichtig sind, können ebenfalls beteiligt sein. Bei einer Depression sind Botenstoffe wie zum Beispiel Serotonin und Noradrenalin, welche die Stimmung positiv beeinflussen, im Ungleichgewicht. Diese Erkenntnis erklärt die Wirkung von Antidepressiva, welche verschiedene Botenstoffe modulieren und die Symptome mindern können. Jedoch sprechen nicht alle Betroffenen auf Antidepressiva an, was für individuelle Ausprägungen des Ungleichgewichts im Neurotransmittersystem spricht.

Eine mögliche Ursache, dass Frauen häufiger von einer Depression betroffen sind als Männer, ist der Hormonhaushalt. Beispielsweise kann eine Frau nach der Geburt unter einer postpartalen Depression leiden. Diverse Hormone wie zum Beispiel Progesteron, Östrogen und Schilddrüsenhormone sind dabei im Ungleichgewicht.

Die Einnahme oder das Absetzen von Medikamenten kann depressive Störungen auslösen. Die Veränderung der Jahreszeit kann ein Faktor für eine Depression sein.

Stressassoziierte und affektive Erkrankungen

Stressassoziierte und affektive Erkrankungen sind komplexe psychische Störungen, die durch verschiedene innere und äussere Faktoren beeinflusst werden. Diese Erkrankungen können durch chronischen Stress, traumatische Ereignisse oder emotionale Belastungen ausgelöst oder verschlimmert werden. Zu den affektiven Erkrankungen zählen insbesondere Störungen, die mit Stimmungsschwankungen einhergehen, wie Depressionen oder bipolare Störungen.

Arten von Stressassoziierten Erkrankungen

  • Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS)
  • Akute Belastungsstörung
  • Anpassungsstörung
  • Burnout-Syndrom

Arten von Affektiven Erkrankungen

  • Depression
  • Major Depression
  • Dysthymie (Persistierende Depressive Störung)
  • Bipolare Störung
  • Zyklothymie

Diagnostik und Behandlung

Eine neuropsychiatrische Abklärung umfasst je nach Fragestellung neben dem Gespräch auch Fragebogen zur Erfassung des Schweregrades der Symptomatik, eine neurologische Untersuchung, neuropsychologische Tests und elektrophysiologische Untersuchungen.

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Die kognitive Verhaltenstherapie (KVT) ist eine der effektivsten Methoden, um mit stressassoziierten und affektiven Störungen umzugehen. Sie hilft den Betroffenen, negative Denkmuster zu erkennen und zu verändern. Traumatherapie ist bei PTBS und akuten Be-lastungsstörungen besonders wirksam.

Antidepressiva werden häufig zur Behandlung von Depressionen und Angststörungen eingesetzt. Stimmungsstabilisatoren und Antipsychotika werden bei bipolaren Störungen eingesetzt, um die Stimmungsschwankungen zu regulieren.

Genetische Faktoren im Detail: Die Caspi-Studie

Im Jahr 2003 erschien in dem renommierten Wissenschaftsmagazin Science eine Studie unter Federführung von Avshalom Caspi, die in den Folgejahren eine kontroverse und „heiss“ geführte Debatte in der Wissenschaftsszene ausgelöste. Der amerikanische Psychologe hat untersucht, welche Rolle genetische Faktoren bei der Entstehung einer Depression spielen.

Caspi hat sich einen bestimmten Teil der menschlichen Gensequenz angeschaut, der, wie man aus anderen Studien bereits weiss, mit dem Serotoninhaushalt im menschlichen Gehirn in Verbindung steht. An dieser Stelle, oft 5-HTTLPR genannt, können sowohl lange als auch kurze Genvarianten liegen. In der Studie, die in Neuseeland durchgeführt wurde, hat Caspi dann Männer und Frauen im Alter von 26 Jahren gefragt, ob diese kritische Lebensereignisse erlebt haben. Gleichzeitig wurde bei den Teilnehmerinnen und Teilnehmern diagnostiziert, ob diese an einer Depression litten oder nicht.

Das erstaunliche Ergebnis war nun, dass bei Personen mit zwei kurzen Genvarianten nach einem oder mehreren kritischen Lebensereignissen häufiger eine Depression diagnostiziert wurde, im Vergleich zu Personen mit einer kurzen und einer langen Variante. Personen mit zwei langen Varianten schienen auf die kritischen Lebensereignisse gar nicht mit einer Depression zu reagieren.

Bedeutet das nun, dass wir nun völlig unseren Genen ausgeliefert sind und damit letzten Endes nichts tun können, um eine Depression zu verhindern? Die Antwort auf diese Frage muss differenziert ausfallen. Zunächst einmal muss festgehalten werden, dass Caspis Studie nunmehr dutzende Male an unterschiedlichen Personengruppen durchgeführt wurde und sich sein Ergebnis nur in etwa der Hälfte aller Studien fand. Der Zusammenhang scheint also komplexer zu sein, als er auf den ersten Blick aussieht, ganz von der Hand zu weisen ist er aber nicht.

Weitere Faktoren und Risikogruppen

Depressionen treten in allen Altersklassen und sozialen Schichten auf. Frauen erkranken deutlich häufiger als Männer - ihr Risiko ist Studien zufolge mehr als doppelt so hoch. Ein hoher Bildungsstand und sozioökonomischer Status scheinen einen gewissen Schutz vor Depressionen zu bieten. Auch der Familienstand und das soziale Umfeld spielen eine Rolle - Menschen, die keine feste Bezugsperson in ihrem Leben haben, haben ein höheres Depressionsrisiko.

Studien haben herausgefunden, dass Menschen mit Depressionen häufig eine gestörte Regulation der Stresshormone Adrenalin, Noradrenalin und Cortisol haben. Das führt unter anderem dazu, dass die Konzentration des Cortisols im Gehirn stark ansteigen kann. Zu viel Cortisol kann dann wiederum zu Symptomen führen, die für eine Depression typisch sind.

Chronischer Stress am Arbeitsplatz war in Studien ein klarer Risikofaktor für Depressionen. Und auch starker oder dauerhafter Stress in der Kindheit kann dazu beitragen, dass später Depressionen entstehen.

Hilfe suchen

Wenn Sie den Verdacht haben, an einer Depression zu leiden, zögern Sie nicht, Ihre Hausärztin oder Ihren Hausarzt anzusprechen! Hausärzt*innen sind häufig die ersten Ansprechpartner und können bei Bedarf an Fachärzt*innen und Psychotherapeut*innen überweisen.

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