Digitalisierung und Arbeitsverdichtung aufgrund des technologischen Fortschritts und der zunehmenden globalen Vernetzung stellen die Beschäftigten vor neue Herausforderungen.
Ursachen psychischer Belastung
Viele Beschäftigte sind ständig online erreichbar. Kolleginnen und Kollegen kommen ins Büro, Kundinnen und Kunden rufen an. Diese Unterbrechungen binden die Aufmerksamkeit. Ständige Aufmerksamkeit und Konzentration werden als besonders belastend empfunden. Das trifft auch auf Termin- und Leistungsdruck zu.
Eine weitere psychische Belastung entsteht durch Arbeitsunterbrechungen und Multitasking. Die Arbeitswissenschaft stuft beide Einflussfaktoren als psychische Belastung ein. Das ist wertneutral gemeint und bedeutet: Psychische Belastungen sind grundsätzlich nichts Negatives.
Sie gehören zur Arbeitswelt dazu und werden von vielen Beschäftigten als neue Herausforderung erlebt. Der Mensch braucht ein gewisses Ausmass an psychischer Belastung, um sich weiterzuentwickeln und zufrieden arbeiten zu können.
Doch wie bei so vielen Dingen entscheidet auch hier die «Dosis» der Belastung darüber, ob die Belastung zu einer positiven oder negativen Beanspruchung führt (BAuA, 2018, S.6ff.;VBG, 2018, S.76).
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Belastung und Beanspruchung
Psychische Belastung ist definiert als Gesamtheit aller erfassbaren Einflüsse, die von aussen auf den Menschen zukommen und psychisch auf ihn einwirken (DIN ENISO10075-1). Psychische Belastungen können sowohl berufliche als auch ausserberufliche Faktoren sein. Der Begriff Belastung wird in der Arbeitswissenschaft wertneutral, im allgemeinen Sprachgebrauch jedoch häufig negativ benutzt.
Psychische Beanspruchung ist die unmittelbare Auswirkung der psychischen Belastung im Individuum in Abhängigkeit von seinen jeweiligen Voraussetzungen, einschliesslich der individuellen Bewältigungsstrategien (DIN EN ISO10075-1).
Psychische Beanspruchung ist die Folge von psychischer Belastung. Psychische Belastungen können sowohl positive (Lern-oder Trainingseffekte, Aktivierung) als auch negative Beanspruchungen (psychische Sättigung, psychische Ermüdung und Stress) hervorrufen.
Ein und dieselbe Belastung kann bei verschiedenen Personen zu unterschiedlichen Beanspruchungen führen (VBG, 2018, S.77). Frauen berichten häufiger über mittlere oder hohe psychische Belastungen als Männer (18 Prozent gegenüber 12 Prozent). Zudem lässt sich ein starker sozialer Gradient feststellen, vor allem bei den Personen im Erwerbsalter. Die Werte blieben in den letzten zehn Jahren auf demselben Niveau (BFS, 2018, S.20).
Da jeder Arbeitsplatz Einflüsse auf den Menschen ausübt, sind psychische Belastungen untrennbar mit der Arbeit (auch am Büroarbeitsplatz) verbunden.
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Ziel sollte es sein, jene Belastungen herauszufiltern, die bei der überwiegenden Anzahl von Personen, unabhängig von ihren individuellen Voraussetzungen, zu negativen Beanspruchungsfolgen und Gefährdungen der Gesundheit führen.
Gefährdungsbeurteilung als zentrales Instrument
Auch wenn der Begriff zunächst sperrig klingt, ist die Gefährdungsbeurteilung das zentrale Instrument im Arbeitsschutz. Sie ist ein hervorragendes Mittel, um Sicherheitsrisiken im Arbeitsprozess und eventuelle Schwachstellen der betrieblichen Organisation aufzudecken. Die rechtliche Grundlage in Deutschland ist das „Arbeitsschutzgesetz“ (ArbSchG). Der § 5 verpflichtet den Arbeitgeber, jeden Arbeitsplatz hinsichtlich seiner besonderen Gefährdungen zu beurteilen und entsprechende Schutzmaßnahmen zu ergreifen.
Der Arbeitgeber beziehungsweise der Unternehmer muss die Arbeitsplätze selbst beurteilen. Das wäre in größeren Betrieben gar nicht möglich und oft verfügt er auch nicht über die nötige Fachkunde. Er kann daher fachkundige Personen schriftlich damit beauftragen. In der Regel sind das Führungskräfte wie Betriebsleiter, Abteilungsleiter oder Meister, denn sie brauchen Weisungskompetenz, um selbstständig Entscheidungen treffen und Maßnahmen durchführen zu können. Unterstützt wird der für die Beurteilung Verantwortliche durch Fachkräfte für Arbeitssicherheit und Betriebsärzte.
Die Gefährdungsbeurteilung ist kein Papier, das einmal erstellt wird und dann gleichsam im Schrank verstaubt. Die dort festgelegten Schutzmaßnahmen müssen regelmäßig auf ihre Wirksamkeit geprüft werden und gegebenenfalls muss man in regelmäßigen Abständen beziehungsweise nach Erfordernis nachjustieren. Passiert im Betrieb ein schwerer Arbeitsunfall, möchte auch die Staatsanwaltschaft die Gefährdungsbeurteilung sehen.
Die notwendige Beurteilung der Gefährdungen am Arbeitsplatz geht auf eine EU-Richtlinie zurück. Die Mitgliedstaaten müssen die Inhalte in ihr nationales Recht übernehmen wie beispielsweise im Arbeitsschutzgesetz in Deutschland. In Österreich heißt das entsprechende Pendant „Arbeitnehmerinnenschutzgesetz“ (ASchG). Der dortige §4 bezeichnet die Beurteilung der Arbeitsbedingungen als „Arbeitsplatzevaluierung“, ein Begriff, der in Österreich geläufiger ist als „Gefährdungsbeurteilung“.
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Die Schweiz hält sich, obwohl kein Mitglied, eng an die Standards der Europäischen Union. Auch hier ist der Arbeitgeber verpflichtet „alle Maßnahmen zu treffen, die … angemessen sind („Bundesgesetz über die Unfallversicherung“, § 82).
Verbesserung der Arbeitssituation
Was kann der Betrieb konkret tun? Hierbei gibt es ein integriertes Handlungsmodell für gesundes und erfolgreiches Arbeiten, in welchem zwei Ansatzpunkte berücksichtigt werden (VBG, 2018, S.83):
- Gestaltung des Arbeitsplatzes Die Rahmenbedingungen sollten ein Arbeiten ermöglichen, das nicht zu negativen Folgen durch psychische Belastungen führt.
 - Stärkung der individuellen Gesundheitskompetenz Im Fokus stehen hier vor allem die individuellen Fähigkeiten der Beschäftigten. Neben der ausreichenden fachlichen Qualifizierunggilt es vor allem, den Aufbau von emotionalen und sozialen Kompetenzen zu fördern - zum Beispiel durch Weiterbildungen in«Emotionsarbeit im Kundenkontakt»oder «Umgang mit Konflikten».
 
Das Ziel ist: heute besser zu sein als gestern und morgen besser zu sein als heute! Wie geht das? - ganz einfach mit «Ideen-Treffen»!
Die Methode der "Ideen-Treffen"
Wollen Sie als Geschäftsleitung und/oder Führungskraft Ihre betriebliche Situationverbessern? Sind Sie an der Einführung eines kontinuierlichen Verbesserungsprozesses (KVP) interessiert? Wollen Sie psychische Belastungsfaktoren in Ihrem Betrieb erkennen und reduzieren? Sind Sie bereit, alle aktiv mit einzubinden? Vertrauen Sie Ihren Beschäftigten, selbst Probleme lösen zu können? Sind Ihre Beschäftigten bereit, an den Verbesserungen mitzuarbeiten (DGUV, 2016, S.7)?
Die nachfolgend dargestellte Methode hilft Ihnen, Stärken Ihres Betriebes oder Ihrer Arbeitsgruppe zu stärken und Schwächen zu schwächen. Es werden Themen wie zum Beispiel Arbeitsabläufe, -organisation, -aufgabe wie auch Betriebsklima, Kommunikation und Stress in den Blick genommen, die im Rahmen des KVP Schritt für Schritt optimiert werden können.
Der Ideen-Treff ist ein leicht umsetzbares und regelmässiges Workshop-Konzept mit einem festgelegten Muster zur Erhebung psychischer Belastungen und Fehlbeanspruhungen. Gleichzeitig werden dabei konkrete Vorschläge zur Verbesserung der Arbeitssituation entwickelt und beurteilt (Im OP, 2011, S.83; DGUV, 2016, S.7).
Folgende Punkte sind in der Umsetzungzu beachten:
- Zu Beginn des Prozesses müssen Sie als Führungskraft Ihren Mitarbeitenden folgende Aspekte verdeutlichen: 
- Warum die Ideen-Treffen für das Unternehmen wichtig sind.
 - Welche Ziele mit den Ideen-Treffen verfolgt werden.
 - Wie der Ablauf der Ideen-Treffen erfolgen soll.
 
 - Bei den Ideen-Treffen werden Lösungen gesucht. Ursachen und «Schuldige» für Probleme sind nicht von Bedeutung.
 - Alle Lösungen, die Sie oder Ihre Beschäftigten weiterbringen, sind wichtig - gleichgültig warum und von wem sie eingebracht wurden.
 - Am Anfang werden eher organisatorische Probleme im Vordergrund stehen. Mit zunehmender Erfahrung und zunehmendem Vertrauen in die Ideen-Treffen können grundsätzliche Hindernisse besprochen und bearbeitet werden.
 
Führungsethik und Organisationskultur
Gute Führung im Dreigespann von guten Führenden, guten Geführten und guten Situationen soll nachstehend mit Blick auf Führungsethik und Organisationskultur näher betrachtet werden. Dabei spielt in besonderem Maße Verantwortung eine Rolle: die politik- und unternehmensseitige soziale Verantwortung, die Eigenverantwortung von Beschäftigten und die Verschiebung von Verantwortung zwischen diesen Polen.
Und außerdem: Wer hat welche Erwartungen auf welcher Ebene? Wo liegen Grenzen der arbeitgeber- und arbeitnehmerseitigen Ansprüche?
Moralisches Handeln als Teil von integrer Führung zielt auf verschiedene Tugenden ab, die das Selbstverständnis des Unternehmens und den Umgang mit seinen Beschäftigten betreffen. In Bezug auf Führungspersonen kritisierten die Befragten wiederholt mangelnden Respekt und fehlende Wertschätzung und Unterstützung gegenüber den Beschäftigten.
Dies wirft unter anderem die Frage auf, inwieweit Unternehmen zu Personalentwicklung bereit sind und Beschäftigte „von der Ausbildung bis in die Rente zu begleiten und im Unternehmen als wesentlichen Player zu haben, dem respektvoll zu begegnen“ ist; auf dieser Ebene sei, so ein*e Gewerkschaftssekretär*in, vor allem in vielen Unternehmen der IT-Branche „kein Verantwortungsgefühl“ vorhanden.
Es mangele zudem an Begleitung und Wertschätzung in Bezug auf Mitarbeiterbindung und Kontinuität, wenn beispielsweise die Fähigkeiten und Erfahrungen (langjähriger) Beschäftigter verkannt und Unternehmen ihren Beschäftigten nicht ermöglichen würden, „ihren Job gut zu machen, indem sie die Sicherheit geben, sozusagen drumherum die Prozesse so zu gestalten, dass sie durchhaltbar sind. Aber so eine Kultur gibt es bisher noch nicht“, heißt es aus Sicht der Gewerkschaft.
Diese verbreiteten Unsicherheiten führten zu psychischen Belastungen, die „immer noch ein sensibles Thema“ seien, zu dem „der Betrieb von sich aus nicht unbedingt sagt, also hier, unsere Mitarbeiter gehen auf dem Zahnfleisch bzw.
Auch in der ambulanten Pflege fehlt es an Unterstützung, vor allem in Bezug auf Schwierigkeiten im beruflichen Alltag. Zu wenig finde ein Austausch darüber statt, sagt ein*e Mitarbeitende*r eines BGF-Projektes für kleine und mittelständische Unternehmen, „welche Unterstützung die Pflegekräfte auch von dem Chef des ambulanten Pflegedienstes [brauchen], wenn sie vor Ort kämpfen mit Angehörigen - die erwarten auch hier den Rücken gestärkt zu kriegen“.
Die fehlende Unterstützung von Beschäftigten ist auch dort erkennbar, wo es durch die zunehmende Selbstorganisation zu einer Verschiebung von Verantwortung kommt, sodass Beschäftigte oft allein gelassen werden.
Eine befragte Person sagt: „aus meiner Sicht ist es eine Verantwortung eines jeden Geschäftsführers, Mitarbeitern gegenüber klarzumachen, was sind die Chancen und was sind die Risiken einer solchen Entwicklung, die Arbeiten von überall und immer ermöglicht. Das hat auch ganz viele Vorteile, wenn ich von zu Hause arbeiten kann, weil ich meinen Sohn aus dem Kindergarten abholen muss und wenn der weg ist, arbeite ich halt noch ein bisschen. Wenn ich das so will, dann habe ich all die Chancen, dies zu tun. Das ist auch eine positive Entwicklung, die Unternehmen müssen nur regeln, was die erwarten und was möglich ist und die Mitarbeiter schützen vor einer solchen, in Anführungsstrichen, Ausbeute“.
Diese*r Mitarbeitende eines BGF-Projektes erklärt weiterhin, dass alle Beteiligten lernen müssten, wie die Vorteile zu nutzen, aber auch die Belastungen zu reduzieren seien und dass dies nur gelingen könne, indem Erwartungen und Wünsche geklärt würden.
Das Erfordernis moralischen Handelns im Sinne von arbeitgeberseitiger Verantwortung durch Transparenz und Aufrichtigkeit wird auch deutlich, wenn es um die Einführung neuer Richtlinien und Softwareprogramme geht.
Aus den Reihen einer Berufsgenossenschaft mit der Zuständigkeit für IT-Dienste wird berichtet, dass oft beispielsweise neue Kommunikationssoftware „unterschiedlich gut oder schlecht eingeführt wird. Beschäftigte werden gar nicht geschult, sondern kriegen das immer vorgeknallt“.
Diese fehlende Begleitung verweist einmal mehr auf die Bedeutung nachhaltiger Mitarbeiterbindung und potenzieller Konsequenzen für die psychische Arbeitsgesundheit der Beschäftigten: „Unternehmen [müssen sich] zunehmend auch Gedanken machen, wie sie Mitarbeiter motivieren können, auch in ihrem Unternehmen weiterhin tätig zu sein. […] Motivation, das ist ganz wichtig. Jetzt haben wir die Betreuung, das ist auch wichtig und das führt insgesamt natürlich auch dazu, wenn ich mich als Mitarbeiter mit meinem Unternehmen identifiziere, da auch zufrieden und glücklich bin. Dann werde ich weniger Schwierigkeiten mit psychischen Erkrankung...
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