ADHS (Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätssyndrom) ist eine der häufigsten psychischen Störungen bei Kindern und Jugendlichen. Symptome sind Unaufmerksamkeit, ausgeprägte motorische Aktivität und erhöhte Impulsivität. Sie können bei den Betroffenen sehr unterschiedlich sein, häufig führen sie jedoch zu deutlichen sozialen, schulischen bzw. beruflichen Problemen.
Die Diagnosestellung für ADHS ist aufwändig und anspruchsvoll. Die ADHS-Diagnose sollte immer durch Fachpersonen erstellt werden. In unserer Klinik nutzen wir für die Diagnosestellung die internationale Klassifikation der Störungen ICD-11 der WHO, nach der die Kriterien und Symptome definiert werden. Nach den neuesten Kriterien können die Symptome gleich stark ausgeprägt sein, oder es können einzelne überwiegen. In der Regel bestehen die Symptome seit der Kindheit und treten in verschiedenen Situationen auf.
Diagnostischer Prozess
Der diagnostische Prozess umfasst mehrere Schritte:
- Befragung von Familie, Kind, Jugendlichem und anderen Bezugspersonen: Gefragt wird nach den aktuellen Verhaltensproblemen und typischen Situationen, in denen das Problemverhalten auftritt, sowie nach dem Leidensdruck aller Beteiligten. Es werden lebensgeschichtliche Ereignisse und Entwicklungsschritte in Familie, Kindergarten oder Schule des Kindes erfragt.
 - Ausschluss von anderen Ursachen (Differentialdiagnose): Wir prüfen, ob die ADHS-Symptome durch andere Störungen ausgelöst werden. Es kann dazu z.B. eine Untersuchung des Kindes erforderlich sein (bspw. Hör- und Sehtests), Laboruntersuchungen, selten neurologische Untersuchungen mit bildgebenden Verfahren. Erkrankungen wie Angststörungen oder Depressionen treten bei Kindern mit ADHS häufiger auf.
 - Fragebogenverfahren: Wir setzen ADHS-Fragebogen ein, die von den Eltern, Lehrpersonen und -je nach Alter - von dem betroffenen Kind selbst ausgefüllt werden. Dabei wird systematisch nach den für ADHS relevanten Problemen inkl. Schweregrad gefragt.
 - Testpsychologische Untersuchungen: Mittels Tests erfassen wir Leistungsprobleme oder auch Stärken. Meist wird zunächst ein Test zum allgemeinen Leistungsniveau (Intelligenztest) durchgeführt, der sich aus mehreren Untertests zu unterschiedlichen Fähigkeiten zusammensetzt. Weitere Testverfahren, auch am Computer.
 
ADHS-Fragebogen für Eltern
Viele Fachpersonen setzen ADHS-Fragebogenverfahren ein, die von den Eltern ausgefüllt werden. Dabei wird systematisch nach den für ADHS relevanten Problemen gefragt (z.B. „ist zappelig“), wobei auch der Schweregrad der Probleme angegeben wird (z.B. von 1 („trifft gar nicht zu“) bis 4 „(trifft völlig zu“)). Es ist sehr wichtig, vergleichbare Angaben von unterschiedlichen Personen zu erhalten, da sich das Kind je nach Situation (zuhause, in der Schulklasse) anders verhalten kann.
Beispiele für Fragebogenverfahren
Conners 3®
Die Conners 3® sind ein klinisches Fragebogenverfahren zur Erfassung von Aufmerksamkeitsstörungen. Die Inhaltsskalen geben einen Überblick über das Verhalten des Kindes oder Jugendlichen hinsichtlich der ADHS-Kernsymptome und Probleme, die im Zusammenhang damit auftreten (aggressives Verhalten, Sozialverhalten, exekutive Funktionen, Lernprobleme). Die DSM-IV-TR- bzw. DSM-5- und ICD-10-Symptomskalen umfassen die Diagnosekriterien der ADHS, der hyperkinetischen Störungen, der Störung mit oppositionellem Trotzverhalten und der Störung des Sozialverhaltens. Sowohl die Anzahl der jeweils zutreffenden Diagnosekriterien (kategoriale Beurteilung; Symptomzahl) als auch ein Standardwert (dimensionale Beurteilung; Skalenwert) können berechnet werden.
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Vier verschiedene Versionen (ADHS-Index, Langversion, Kurzversion, Global-Index) liefern unterschiedlich ausführliche Daten und bieten sich für verschiedene Stufen der Diagnostik an (Screening für Aufmerksamkeitsprobleme, ausführliche Diagnostik bei Verdacht auf ADHS, Verlaufsuntersuchungen, allgemeines Screening für Verhaltensprobleme). Alle Fragebogen sind auch elektronisch über das Hogrefe-Testsystem (HTS) durchführbar und auswertbar.
Der Großteil der Skalen der Langversion weist in allen Beurteilerversionen und über alle Altersgruppen hinweg sehr gute Werte für die interne Konsistenz auf (Cronbachs Alpha > .85). Die übrigen Skalen weisen mit Cronbachs Alpha > .70 zumeist akzeptable Kennwerte auf. Die Test-Retest-Reliabilitäten der Originalversion können mit durchschnittlichen Werten um .85 ebenfalls als gut bezeichnet werden.
BRIEF (Behavior Rating Inventory of Executive Function)
Das BRIEF ist ein klinisches Fragebogenverfahren zur Erfassung exekutiver Funktionsbeeinträchtigungen. Es liegt in drei Versionen vor: zur Beurteilung durch Eltern, durch Lehrer und zur Selbstbeurteilung. Die Fremdbeurteilung umfasst jeweils 86 Fragen. Es werden zwei Hauptindices gebildet: ein Verhaltensregulations- Index aus den Skalen Hemmen, Umstellen und emotionale Kontrolle sowie ein Kognitiver Regulations-Index aus den Skalen Initiative, Arbeitsgedächtnis, Planen/ Strukturieren, Ordnen/Organisieren und Überprüfen. Beide Indices ergeben zusammen den Exekutiven Gesamtwert.
Die interne Konsistenz der Skalen und Indices der BRIEF-Eltern- und -Lehrerversionen liegt zwischen .79 und .98, die des BRIEF-SB zwischen .73 und .96. Retest-Reliabilitäten liegen beim BRIEF-Eltern für die meisten Skalen über .80, bei der Lehrerversion meist über .90. Hauptindices der Lehrer- und Elternskalen lassen sich faktorenanalytisch reproduzieren.
Weitere diagnostische Instrumente
Neben Fragebögen werden auch andere Instrumente zur ADHS-Diagnostik eingesetzt:
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- DIVA-5 (Diagnostic Interview for ADHS in adults, 5th edition): Ein strukturiertes klinisches Interview zur Diagnose von ADHS bei Erwachsenen.
 - WURS-k (Wender Utah Rating Scale, Kurzform): Ein Fragebogen zur retrospektiven Bewertung von ADHS-Symptomen in der Kindheit.
 - CAARS-L:FB (Conners‘ Adult ADHS Rating Scales, Long Version: Full Version): Ein Fremdbeurteilungsbogen zur Erfassung von ADHS-Symptomen bei Erwachsenen.
 - CAARS-L:SB (Conners‘ Adult ADHS Rating Scales - Self-Report): Eine umfassende Selbstbeurteilung verschiedener Symptome und Verhaltensweisen, die mit ADHS bei Erwachsenen in Verbindung stehen.
 - WR-SB (Wender-Reimherr-Selbstbeurteilungsfragebogen): Ein kurzer Selbstbeurteilungsbogen zur Bewertung der Symptomatik von adultem ADHS.
 - ADHS-DC (ADHS-Diagnostische Checkliste): Eine Fremdbeurteilungsskala, die auf den diagnostischen Kriterien des DSM-IV und der ICD-10-Forschungsversion basiert.
 - BSCL (Brief-Symptom-Checklist): Ein psychologischer Test zur Erfassung der subjektiven Beeinträchtigung durch psychische und körperliche Symptome.
 - SCID-5-SPQ (Structured Clinical Interview for DSM-5® Disorders - Screening Personality Questionnaire): Ein Screening-Fragebogen für Persönlichkeitsstörungen nach den Kriterien des DSM-5.
 
Behandlung von ADHS
Die Behandlung von ADHS bei Erwachsenen kann Medikamente, interpersonelle Therapie, Verhaltenstherapie und Coaching umfassen. Stimulanzien sind die erste Wahl bei der Behandlung von ADHS. Da ADHS bei Erwachsenen meist mit einer oder mehreren anderen Störungen wie Stimmungsschwankungen, Angstzuständen, Depressionen oder Schlaflosigkeit einhergeht, können zusätzliche Medikamente oder eine ärztliche Überweisung helfen, um eine medizinische Ursache für die Symptome auszuschliessen.
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