Die komplexe posttraumatische Belastungsstörung (CPTSD) ist ein Thema, das in der psychologischen Forschung und Therapie zunehmend an Bedeutung gewinnt. Daniel Frei - Komplexe posttraumatische Belastungsstörung (CPTSD) ist eine ernsthafte psychische Störung, die durch traumatische Ereignisse verursacht werden kann.
Was ist CPTSD?
CPTSD ist eine Form der posttraumatischen Belastungsstörung (PTSD), die durch wiederholte traumatische Ereignisse oder durch anhaltende traumatische Bedingungen verursacht wird. Charakteristisch für CPTSD sind lang anhaltende oder wiederholte traumatische Erfahrungen, die tiefgreifende psychologische Veränderungen hervorrufen können. Im Gegensatz zur klassischen PTSD umfasst CPTSD auch Symptome wie emotionale Instabilität, negative Selbstwahrnehmung und Schwierigkeiten im zwischenmenschlichen Bereich. Diese Veränderungen manifestieren sich in einer Reihe von Symptomen, die weit über die klassischen PTSD-Symptome hinausgehen und sowohl das emotionale als auch das zwischenmenschliche Funktionieren einer Person stark beeinflussen können.
Symptome von CPTSD
- Intrusive Erinnerungen: Wiederkehrende und unkontrollierbare Erinnerungen an das Trauma.
 - Vermeidung: Meiden von Orten, Menschen oder Aktivitäten, die an das Trauma erinnern könnten.
 - Hyperarousal / Hypervigilanz: Übermässige Wachsamkeit und Anspannung, auch in nicht bedrohlichen Situationen.
 - Negatives Selbstbild: Negative Selbstwahrnehmung, Selbstkritik und Schuldgefühle.
 - Emotionale Instabilität: Intensive und unvorhersehbare Emotionen, wie Angst, Wut und Traurigkeit.
 - Dissoziation: Ein Gefühl der Entfremdung von sich selbst und der Realität.
 - Schwierigkeiten bei der zwischenmenschlichen Beziehung: Probleme beim Aufbau und der Aufrechterhaltung von Beziehungen.
 - Negative Veränderungen in den Überzeugungen und Einstellungen: Überzeugungen wie Misstrauen gegenüber anderen Menschen oder Verlust des Glaubens an eine positive Zukunft.
 - Körperliche Beschwerden: Schlafstörungen, Kopfschmerzen, Magen-Darm-Beschwerden oder Schmerzen.
 - Suizidale Gedanken und Verhaltensweisen: Gedanken über den Tod, Wunsch, sich selbst zu verletzen oder sogar Suizidversuche.
 
Zusammenhang zwischen CPTSD und Narzissmus
Eine Studie aus dem Jahr 2017 ergab, dass es einen Zusammenhang zwischen CPTSD und grandiosem Narzissmus gibt. Die Ergebnisse zeigten, dass diejenigen mit CPTSD signifikant höhere Werte für grandiosen Narzissmus hatten als diejenigen ohne CPTSD. Eine weitere Studie aus dem Jahr 2019 ergab, dass vulnerabler Narzissmus mit einer höheren Wahrscheinlichkeit für CPTSD assoziiert war.
Es gibt verschiedene Theorien, die diesen Zusammenhang erklären. Eine davon ist, dass CPTSD dazu führen kann, dass Betroffene eine höhere Sensibilität für Bedrohungen in ihrer Umgebung entwickeln und sich deshalb selbst als überlegen und dominant empfinden, um sich zu schützen. Allerdings kann CPTSD auch dazu führen, dass Betroffene ein geringes Selbstwertgefühl und ein negatives Selbstbild haben, was zu einer verstärkten vulnerablen Narzissmusmerkmale führen kann.
Es ist wichtig zu betonen, dass nicht alle Menschen mit CPTSD Narzissmus aufweisen und umgekehrt, nicht alle Narzissten CPTSD haben. Der Zusammenhang zwischen beiden Störungen ist komplex und erfordert weitere Untersuchungen.
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Folgen für die Betroffenen
Die Folgen von komplexer posttraumatischer Belastungsstörung (CPTSD) und Narzissmus für die Betroffenen sind vielfältig und können sich gravierend auf verschiedene Lebensbereiche auswirken. Bei CPTSD sind die Symptome oft tiefgreifend und beeinträchtigen das tägliche Leben in erheblichem Masse. Zu den häufigsten Folgen zählen:
- Angstzustände: Betroffene können unter ständiger Angst leiden, die durch verschiedene Auslöser verstärkt wird. Diese Angst kann das alltägliche Funktionieren erschweren und zu Vermeidungsverhalten führen.
 - Depressionen: Häufig leiden Menschen mit CPTSD unter Depressionen. Dies kann sich in anhaltender Niedergeschlagenheit, Interessenverlust, Energieverlust und Gefühlen der Wertlosigkeit äussern.
 - Beziehungsprobleme: Schwierigkeiten im Aufbau und der Aufrechterhaltung von Beziehungen sind häufig. Die Betroffenen können Probleme haben, Vertrauen zu anderen aufzubauen und zu erhalten, was zu Isolation und Einsamkeit führen kann.
 - Selbstmordgedanken: In einigen Fällen können die Betroffenen so stark unter den Symptomen und deren Auswirkungen leiden, dass sie Selbstmordgedanken entwickeln.
 
Auch Narzissmus, der als eigenständige Störung oder als Begleiterscheinung von CPTSD auftreten kann, hat spezifische und oft schwerwiegende Auswirkungen auf die zwischenmenschlichen Beziehungen der Betroffenen.
Beziehungsschwierigkeiten durch Narzissmus
- Mangel an Empathie: Narzisstische Personen haben oft Schwierigkeiten, sich in andere hineinzuversetzen. Dieser Mangel an Empathie kann zu einem ungleichen Verhältnis in Beziehungen führen, in denen die Bedürfnisse und Gefühle des Partners oder der Partnerin vernachlässigt werden.
 - Idealisierung und Entwertung: In Beziehungen neigen narzisstische Individuen dazu, ihre:n Partner:in zu idealisieren, insbesondere in frühen Phasen der Beziehung. Sobald der Partner, die Partnerin jedoch nicht mehr ihren idealisierten Vorstellungen entspricht, kann es zu einer plötzlichen Entwertung und Kritik kommen.
 - Kontrollbedürfnis: Narzisstische Personen haben oft ein starkes Bedürfnis, Kontrolle über ihre Beziehungen und Partner:in auszuüben. Dies kann sich in übermässiger Eifersucht, Kontrollversuchen und manipulativem Verhalten äussern.
 - Unfähigkeit zur Konfliktlösung: Aufgrund ihres Bedürfnisses, immer recht zu haben und ihrer Empfindlichkeit gegenüber Kritik, haben Narzisstinn:en oft Schwierigkeiten, Konflikte in einer gesunden und konstruktiven Weise zu lösen.
 
Dominanz und Manipulation in zwischenmenschlichen Beziehungen
- Gaslighting: Dies ist eine Form der psychischen Manipulation, bei der der Narzisstinn:en versucht, die Realität des anderen zu verzerren, um Verwirrung zu stiften und die Oberhand zu behalten.
 - Ausnutzung: Narzisstinn:en neigen dazu, andere Menschen für ihre eigenen Bedürfnisse und Ziele auszunutzen. Sie sehen Beziehungen oft als Mittel zum Zweck und nicht als gegenseitige Partnerschaft.
 - Manipulation durch Schuld: Narzisstinn:en können versuchen, andere durch Schuldgefühle zu manipulieren, indem sie ihnen das Gefühl geben, sie seien immer im Unrecht oder verantwortlich für die negativen Emotionen des Narzissten, der Narzisstin.
 - Mangel an Grenzen: Sie respektieren oft die Grenzen anderer nicht und überschreiten diese, um ihre eigenen Ziele und Bedürfnisse zu erfüllen.
 
Diese Verhaltensweisen können tiefe Narben in den Beziehungen hinterlassen und zu einem Muster von dysfunktionalen Beziehungen führen. Die Partner:in von Narzisstinn:en können sich emotional erschöpft, entwertet und missverstanden fühlen. Es ist wichtig für Menschen, die in Beziehungen mit narzisstischen Personen stehen, Unterstützung und Hilfe zu suchen, um mit diesen Herausforderungen umzugehen und gesunde Beziehungen aufzubauen oder aufrechtzuerhalten.
Narzisstischer Missbrauch und seine Auswirkungen
Narzisstischer Missbrauch stellt eine subtile, doch tiefgreifende Form emotionaler Gewalt dar, die Betroffene oft langfristig psychisch und neurologisch beeinträchtigt und verheerende Auswirkungen auf das Nervensystem und das psychische Wohlbefinden der Betroffenen haben kann.
Während der Beziehung: Ein Zyklus aus Idealisierung und Entwertung
Die Beziehung zu einem narzisstischen Partner beginnt oft mit einer Phase der Idealisierung, in der der narzisstische Partner übermässige Zuneigung und Bewunderung zeigt. Dies kann das Selbstwertgefühl des Opfers vorübergehend steigern und eine starke emotionale Bindung schaffen. Doch diese Phase ist nur von kurzer Dauer und mündet in einem Zyklus aus Entwertung und Missbrauch, bei dem Kritik, Manipulation und Gaslighting (das systematische Infragestellen der Realitätswahrnehmung des Opfers) vorherrschen. Dieser Wechsel erzeugt ein Umfeld chronischen Stresses, da das Opfer ständig auf der Hut ist und versucht, den narzisstischen Partner zufriedenzustellen, was langfristig nie gelingt.
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Mögliche Symptome während der Beziehung:
- Chronischer Stress: Die ständige emotionale Achterbahnfahrt führt zu chronischem Stress.
 - Hypervigilanz: Opfer sind ständig auf der Suche nach Anzeichen von Gefahr oder emotionalen Ausbrüchen des Partners.
 - Angst und Panik: Angstzustände und Panikattacken treten auf, insbesondere bei der Befürchtung, die Erwartungen des Partners nicht zu erfüllen.
 
Die physiologischen Auswirkungen: Leben im ständigen Alarmzustand
Chronischer Stress aktiviert das sympathische Nervensystem, den Teil des autonomen Nervensystems, der für die "Kampf-oder-Flucht"-Reaktion zuständig ist. Bei anhaltendem Stress bleibt der Körper in einem Zustand erhöhter Alarmbereitschaft, was zu einer Überproduktion von Stresshormonen wie Cortisol führt. Dies kann das Immunsystem schwächen, zu Schlafstörungen führen und das Risiko für zahlreiche Gesundheitsprobleme erhöhen sowie die Entwicklung von Angststörungen und Depressionen fördern.
Bei der Trennung: Der Höhepunkt des Traumas
Die Trennungsphase kann den Höhepunkt des narzisstischen Missbrauchs darstellen, insbesondere durch das Phänomen der narzisstischen Wut. Narzisstische Wut tritt auf, wenn der narzisstische Partner seine Kontrolle über das Opfer bedroht sieht. Im Gegensatz zu normalen Wutreaktionen ist narzisstische Wut oft unverhältnismässig intensiv und kann sowohl verbal als auch physisch destruktiv sein.
Mögliche Symptome während der Trennung:
- Erhöhte Angstzustände: Die Furcht vor Vergeltung und die Unsicherheit über die Zukunft können zu verstärkten Angstgefühlen führen.
 - Emotionale Überwältigung: Gefühle von Traurigkeit, Wut und Verzweiflung können sich intensivieren.
 - Gefühl der Isolation: Das Opfer kann sich zunehmend isoliert fühlen, da der Narzisst möglicherweise versucht, gemeinsame Freunde oder Familie gegen das Opfer aufzubringen.
 - Stressbedingte körperliche Symptome: Kopfschmerzen, Magenbeschwerden und andere stressbedingte körperliche Symptome können auftreten oder sich verschlimmern.
 
"Narzisstische Wut ist die direkte Folge der gefühlten Kränkung des Selbstbildes." Diese Art der Wut kann sowohl verbal als auch physisch ausfallen und dient dem Narzissten dazu, Macht und Kontrolle zurückzugewinnen, und kann für das Opfer extrem traumatisierend sein.
Nach der Trennung: Der lange Weg der Heilung
Nach der Trennung beginnt der langwierige Prozess der Heilung. Viele Opfer narzisstischen Missbrauchs leiden unter PTBS, die sich in Form von Flashbacks, Albträumen, anhaltender Angst und Vermeidungsverhalten äussert. Die ständige Anspannung während der Beziehung kann zu einer "Freeze"-Reaktion führen, einem Zustand, in dem sich das Opfer emotional taub und dissoziiert fühlt. Der Heilungsprozess erfordert oft professionelle Unterstützung durch Therapie, um die erlittenen Traumata aufzuarbeiten und zu überwinden.
Mögliche Symptome nach der Beziehung:
- Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) und Posttraumatische Belastungsreaktion (PTBR): Viele Opfer entwickeln PTBS, mit Albträumen, Flashbacks und intensiven Ängsten. PTBS ist eine diagnostizierte psychische Störung, während PTBR die natürliche Reaktion des Körpers und der Psyche auf ein traumatisches Ereignis bezeichnet.
 - Depression und Angst: Anfälligkeit für Depressionen und anhaltende Ängste nach der Beziehung.
 - Hypervigilanz und Paranoia: Schwierigkeiten, Menschen zu vertrauen und sich ständig bedroht fühlen.
 - Schlafstörungen: Anhaltende Schlafstörungen, einschließlich Schlaflosigkeit und Schlafunterbrechungen.
 - Emotionale Dysregulation: Schnelle Wutausbrüche oder Tränen ohne Kontrolle.
 - Körperliche Symptome: Magenprobleme, Kopfschmerzen und Verspannungen aufgrund von Stress und emotionaler Belastung.
 
"Die Freeze-Reaktion stellt eine psychische Verteidigungsmechanik dar." Diese tief verankerte Überlebensstrategie des Gehirns, die zum Schutz vor weiteren emotionalen Verletzungen aktiviert wird, ermöglicht eine Anpassung an die unerträglichen Bedingungen narzisstischen Missbrauchs durch emotionale Distanzierung und Taubheit. Diese Reaktion verdeutlicht eindrücklich, wie stark narzisstischer Missbrauch die psychische Gesundheit beeinträchtigen kann, und betont zugleich die kritische Bedeutung von professioneller Hilfe.
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Die Bedeutung von Anerkennung und Unterstützung
Narzisstischer Missbrauch verursacht gravierende emotionale und physische Auswirkungen bei den Betroffenen. Wichtig ist die Erkenntnis unter den Opfern, dass sie in ihrem Kampf nicht alleine stehen und die Auswirkungen ihres Erlebten signifikante Konsequenzen narzisstischen Handelns darstellen.
Das Schärfen des Bewusstseins für die Realität narzisstischen Missbrauchs und die aktive Unterstützung der Opfer sind essentiell.
Heilung und Therapie
Die Heilung von narzisstischem Missbrauch ist ein langer Prozess, aber es gibt effektive Wege, um diesen Prozess zu unterstützen. Hypnosetherapie kann dabei helfen, tief verwurzelte emotionale Wunden zu heilen. Durch Hypnose wird das Unterbewusstsein erreicht, wo viele der traumatischen Erinnerungen und negativen Glaubenssätze gespeichert sind. Mental-Coaching ergänzt die Hypnosetherapie, indem es praktische Strategien und Techniken vermittelt, um das tägliche Leben zu meistern und langfristige Veränderungen zu bewirken.
Viele Menschen haben bereits von Hypnosetherapie und Mental-Coaching profitiert. Es ist wichtig, nicht nur Wege zur Heilung zu kennen, sondern auch Strategien zur Prävention und zum Schutz vor narzisstischem Missbrauch.
Je früher eine PTSD therapiert wird, desto besser sind die Behandlungsaussichten. Allerdings fällt der erste Schritt oft nicht leicht: Die Aussicht, über die traumatische Situation sprechen und sich damit auseinandersetzen zu müssen, ist belastend und wirkt oft abschreckend.
Falls Sie sich zu einer Abklärung entschliessen, werden wir Ihnen zwar Fragen zu Ihren Symptomen, deren Ursache und Ihrem Lebenshintergrund stellen, Sie werden aber zu nichts gedrängt und können selbst entscheiden, was Sie berichten möchten. Gerade bei zwischenmenschlichen Traumata benötigt der Vertrauensaufbau Zeit, und besonders schwierige Aspekte können oft erst im Verlauf offengelegt werden.
Da die posttraumatische Belastungsstörung nicht die einzige mögliche Folge traumatischer Erfahrungen ist, werden wir im Abklärungsgespräch auch auf andere Krankheitsbilder zu sprechen kommen, etwa eine Depression, eine Angststörung oder ein Burn-out, die gemeinsam mit einer PTSD oder auch für sich alleine auftreten können. Auch der Konsum von Beruhigungsmitteln, Alkohol oder Drogen findet sich oft im Sinne einer Selbstbehandlung, um etwas zur Ruhe zu kommen oder weniger Angst zu haben, und wir werden uns deshalb danach erkundigen.
Mit entsprechender therapeutischer Hilfe kann eine Posttraumatische Belastungsstörung häufig gut bearbeitet und überwunden werden. Wichtig ist daher, bei entsprechendem Verdacht frühzeitig professionelle Unterstützung in Anspruch zu nehmen. Je länger die Symptome unbehandelt bleiben, desto höher ist das Risiko einer Chronifizierung, desto schwerwiegender sind die Auswirkungen auf Ihren Alltag und Ihr Umfeld und desto grösser wird der Behandlungsaufwand, um eine Symptomverbesserung zu erzielen.
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