Fetale Alkoholspektrumstörung (FASD): Verhaltensmerkmale, Diagnose und Unterstützung

Der 9. September ist der Welttag des alkoholgeschädigten Kindes. Alkoholkonsum während der Schwangerschaft stellt für das ungeborene Kind ein beträchtliches Gesundheitsrisiko dar.

Was ist FASD?

Das Spektrum möglicher Störungen nach fetaler Alkoholexposition heisst Fetal Alcohol Spectrum Disorder (FASD, Deutsch: Fetale Alkoholspektrumstörung). Dazu zählt auch die gravierendste und sichtbarste Form von FASD, das Fetale Alkoholsyndrom (FAS). Die Begriffe für die Diagnose solcher Störungen sind von Land zu Land unterschiedlich.

Allgemein ist die Tendenz, sämtliche durch Alkoholexposition entstandenen Störungen unter dem Sammelbegriff FASD zusammenzufassen, auch das FAS.

Häufigkeit

Die Fetale Alkoholspektrumstörung (FASD) ist die häufigste angeborene Behinderung. Man schätzt, dass zwischen 1 und 4% der Neugeborenen in der Schweiz davon betroffen sind. Das sind jedes Jahr mindestens 1700 Kinder, möglicherweise bis zu 4000 Kinder, von denen 170 bis 400 Kinder eine schwere Form (das Fetale Alkoholsyndrom, also FAS) aufweisen.

Laut Weltgesundheitsorganisation WHO ist Europa die Region mit den höchsten Zahlen an alkoholbedingten Schäden (Fetale Alkoholspektrumstörungen, FASD). Von 1000 Einwohnern sind rund 20 Personen betroffen. Damit ist FASD eine der häufigsten angeborenen Behinderungen in Europa.

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Genaue Zahlen zur Häufigkeit gibt es nicht, weil die Schädigungen oft nicht erkannt, beziehungsweise nicht richtig diagnostiziert werden. Das liegt zum einen am schwierigen Nachweis. Zum anderen haben Mitarbeitende im Gesundheitssystem oft Hemmungen, den Eltern gegenüber einen entsprechenden Verdacht zu äussern. Oder sie wissen selbst nicht genug über Fetale Alkoholspektrumstörungen (FASD) und das Fetale Alkoholsyndrom.

Ursachen und Risikofaktoren

Bei ungeborenen Kindern verhindert die sogenannte Plazentaschranke, dass diverse Schadstoffe und Krankheitserreger aus dem mütterlichen Blutkreislauf in das kindliche Blut übertreten. Dieser Schutzfilter funktioniert aber nicht für alle Substanzen.

So gelangt unter anderem Alkohol aus dem mütterlichen Blut fast ungefiltert in das Blut des Ungeborenen. Besonders hoch ist das Risiko, wenn die Mutter regelmässig trinkt. Aber auch ein einmaliges Rauschtrinken in der Schwangerschaft kann ein FASD verursachen. Einen Grenzwert, bis zu dem Alkohol in der Schwangerschaft unproblematisch ist, gibt es nicht.

Davon abgesehen erhöht Alkoholkonsum in der Schwangerschaft das Risiko für eine Fehlgeburt. Daher sollten Schwangere auf Alkohol grundsätzlich verzichten.

Alkohol ist für den menschlichen Körper in jeder Lebensphase ein Gift. Dass ungeborene Kinder besonders empfindlich darauf reagieren, liegt daran, dass ihre unreife Leber noch nicht in der Lage ist, den Alkohol gut abzubauen. So schädigt sie dieser stärker als Erwachsene und hemmt die Zellteilung - mit vielfältigen Folgen, besonders für das empfindliche Gehirn.

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Die Schädigungen und Veränderungen führen zu Fetalen Alkoholspektrumstörungen (FASD) beim Baby. Im schlimmsten Fall entwickelt sich ein Fetales Alkoholsyndrom (FAS).

Risikofaktoren für ein Fetales Alkoholsyndrom

Nicht alle Kinder, deren Mütter in der Schwangerschaft Alkohol konsumieren, entwickeln eine Alkoholembryopathie. Neueren Forschungen zufolge weisen die Zellkerne bei einem Teil der Ungeborenen einen genetischen Schutz vor Schädigungen durch den Alkohol auf.

Die Gefahr für ein Fetales Alkoholsyndrom bei Kindern besteht vor allem bei hohem und/oder chronischem Alkoholkonsum der Mutter während der Schwangerschaft. Ein Risiko für ein FAS besteht aber auch, wenn die werdende Mutter über die gesamten neun Monate immer wieder mal Alkohol trinkt - selbst wenn es nur moderate Mengen sind. Und sogar der sporadische oder nur einmalige Genuss von grösseren Mengen Alkohol schädigt in einigen Fällen den Embryo.

Besonders gefährlich ist der Konsum von Bier, Wein und weiteren alkoholhaltigen Getränken im ersten und zweiten Schwangerschaftsdrittel (Trimenon). Das FAS-Risiko verschärft sich zudem, wenn die Mutter Amphetamine oder andere Drogen konsumiert.

Weitere Risikofaktoren für ein Fetales Alkoholsyndrom sind indirekt. Sie ergeben sich, weil mit ihnen das Risiko steigt, dass die Mutter während der Schwangerschaft trinkt. Dazu gehören:

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  • Wenn die Mutter jünger als 30 Jahre ist
  • Mütterliche Unterernährung bzw. der Mangel an Spurenelementen oder Vitaminen
  • Stress
  • Geschwister mit FASD
  • Genetischer Hintergrund

Entsteht ein Fetales Alkoholsyndrom auch durch den Vater?

Die Ursache von FAS ist der Alkoholkonsum der Mutter während der Schwangerschaft. Allerdings gilt ein hoher Alkoholkonsum des Vaters ebenfalls als Risikofaktor für ein FAS. Der Grund: Die Mutter kann dadurch zum Mittrinken animiert werden.

Symptome

Kindliche Mangelentwicklungen und Fehlbildungen sind typische Symptome des Fetalen Alkoholsyndroms (FAS). Die Betroffenen zeigen Anomalien im Gesicht, des Kopfes und am Körper. Ausserdem sind bei den betroffenen Kindern die geistigen und sozialen Fähigkeiten sowie häufig auch die Sinnesfunktionen eingeschränkt. Babys und Kinder mit FAS gedeihen und wachsen oft schlechter.

Symptome des Gesichts

Die Symptome des Fetalen Alkoholsyndroms sind an Gesicht und Kopf besonders auffällig. Diese Körperregionen weisen diverse Veränderungen und Anomalien auf. Dazu zählen:

  • Ein ungewöhnlich kleiner Schädel (Mikrozephalus) mit Beeinträchtigung der Gehirnentwicklung
  • Kurze, schmale und leicht schräg nach oben geneigte Lidspalten
  • Das Herabhängen eines oder beider Augenlider (Ptosis)
  • Eine zusätzliche Falte über dem inneren Lidwinkel (Epikanthus)
  • Ein breiter Augenabstand
  • Eine kurze, flache Nase
  • Eine fehlende oder nur schwach ausgeprägte Furche zwischen Nase und Mund (Philtrum)
  • Eine dünne Oberlippe mit schmalem Lippenrot
  • Eine Unterentwicklung (Hypoplasie) des Unterkiefers
  • Kleine Zähne
  • Gelegentlich: Gaumenspalte

Weitere Merkmale

Neben Anomalien im Gesicht wirkt sich das Fetale Alkoholsyndrom auch auf andere Körperteile, Organe und Gewebe aus. Weitere mögliche FAS- oder FASD-Symptome sind:

  • Minderwuchs im Mutterleib und nach der Geburt
  • Fehlbildungen an Gelenken und Skelett, wie zum Beispiel eine Trichterbrust
  • Verminderte Grundspannung der Skelettmuskulatur (muskuläre Hypotonie)
  • Missbildung der inneren Organe (z.B. Herzfehler, Fehlbildungen der Nieren)
  • Missbildung der Genitalien
  • Psychomotorische Unruhe (viele Patienten leiden zusätzlich an ADHS = Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung)
  • Körperliche und geistige Retardierung („Zurückgebliebenheit“)
  • Hör- und Sehstörungen
  • Leistenbruch (Hernie) einher.

Auswirkungen auf geistige und soziale Fähigkeiten

Vorgeburtlicher Alkoholeinfluss hat ausserdem vielfältige Auswirkungen auf die geistigen Fähigkeiten eines Kindes. Längst nicht alle haben Intelligenzeinbussen. Dennoch sind manche nicht in der Lage, ihr Leben selbstständig zu führen.

Den Betroffenen fällt es beispielsweise schwer, zu Planen, zu Organisieren und die Folgen ihres Handelns einzuschätzen. Auch die Verarbeitung von Informationen und Wahrnehmungen sind beeinträchtigt. Die möglichen Folgen sind zum Beispiel sozialer Rückzug oder Angst vor neuen Situationen.

Betroffene sind oft sehr umtriebig und lassen sich leicht beeinflussen, manipulieren oder ausbeuten.

Andere Kinder, die ein Fetales Alkoholsyndrom haben, neigen zu aggressivem Verhalten und weisen ein gestörtes Sozialverhalten auf. Sie sind zum Beispiel mitunter aussergewöhnlich aufsässig. Diese sogenannten Impulskontrollstörungen treten auch bei vielen erwachsenen Patienten auf.

Viele automatische Bewegungen (Reflexe) verschwinden normalerweise nach einigen Monaten. Bei FASD können sie länger andauern.

Probleme, Gefühle und Verhalten zu kontrollieren (dies führt z. B. Oft Probleme beim schulischen Lernen, insbesondere in der Mathematik.

Betroffene Kinder können ein bestimmtes Lernniveau erreichen, aber sich nicht mehr darüber hinaus entwickeln.

Sprache: Das Sprechen und der sprachliche Ausdruck sind oft gut ausgeprägt. Das führt dazu, dass man diesen Kindern mehr zutraut, als sie tatsächlich können. Das Verstehen bietet Probleme.

Betroffene haben oft Schwierigkeiten, bildliche Sprache, Ironie, rasche Dialoge etc.

Die Schwierigkeiten, die im Kindes- und Jugendalter bestehen, wirken sich auch im Erwachsenenleben aus. Sie äussern sich als «sekundäre Probleme».

Sekundäre Probleme sind Probleme, die wegen der oben beschriebenen Schwierigkeiten entstehen.

Betroffene können nicht gut mit Geld umgehen. Sie können Regeln, Gesetze und Konsequenzen von Regelübertretungen nicht gut erfassen.

Viele gehen risikohafte (sexuelle) Beziehungen ein.

Die Kinder und auch ihr Umfeld sind betroffen.

Es ist wichtig, Anzeichen für alkoholbedingte Schädigungen frühzeitig zu erkennen. Dies ermöglicht, die Schwierigkeiten richtig zu interpretieren, mit denen ein Kind konfrontiert ist.

Es ist wichtig, zu wissen: Es ist nicht so, dass das Kind nicht will - es KANN nicht!

Wenn man weiss, welches Problem das Kind hat, kann man es in seinem Potenzial besser unterstützen.

Man kann Verhaltensprobleme besser verstehen und auffangen.

Man kann bei Entmutigung, Selbstwertproblemen, Risikoverhalten, Empfänglichkeit für «schlechte Einflüsse» etc.

Wiederholen: Das Kurzzeitgedächtnis des Kindes ist beeinträchtigt. Es vergisst, auch wenn es sich zu erinnern versucht.

Routine schaffen: Gewohnheiten beruhigen.

Von FASD betroffene Erwachsene sind nicht alle gleich betroffen. Die Schwierigkeiten können unterschiedliche Dinge betreffen.

Viele Betroffene sind sich ihrer Einschränkungen bewusst. Aber es ist schwierig für sie, diese zu überwinden.

Betroffene können sich z B. oft auch an einfache Handlungsabläufe nicht erinnern.

Die Behinderung ist nicht sichtbar, aber oft schwer.

Viele Betroffene können sich sprachlich gut ausdrücken. Das Umfeld erwartet deswegen, dass die Betroffenen mehr verstehen, als sie tatsächlich können.

Ausmass der Schädigung variiert

Der Schweregrad einer Alkoholembryopathie kann sehr unterschiedlich sein. In leichten Fällen zeigen die Betroffenen beispielsweise „nur“ eine Wachstumsverzögerung, Untergewicht und einen zu kleinen Hirnschädel (Mikrozephalus).

In schwereren Fällen kommen weitere Schädigungen und Fehlbildungen hinzu, wie Gesichtsanomalien, Organfehlbildungen und geistige Beeinträchtigungen. Letztere reichen mitunter bis zu schwerer geistiger Behinderung.

Fetales Alkoholsyndrom bei Erwachsenen

Ein FASD im Erwachsenenalter geht oft mit weiteren Störungen einher. Dazu zählen etwa Depressionen, Angststörungen und Impulskontrollstörungen. Manche der Betroffenen zeigen auch ein erhöhtes Risiko für Suchterkrankungen oder ein auffälliges Sexualverhalten.

Nicht selten haben Menschen mit FAS Schwierigkeiten, sich in der Gemeinschaft mit anderen Menschen und in der Gesellschaft einzuordnen. Dies beeinträchtigt die Anpassung an gesellschaftliche Normen in vielen Fällen massiv und bereitet Schwierigkeiten im Alltagsleben (Probleme bei der Wohnungs- und Jobsuche, in sozialen Beziehungen et cetera).

Untersuchungen und Diagnose

Idealerweise sollten Fetale Alkoholspektrumstörungen (FASD) beziehungsweise ein Fetales Alkoholsyndrom (FAS) möglichst frühzeitig erkannt werden. Die betroffenen Kinder erhalten dann rasch eine adäquate und individuelle Förderung und Unterstützung.

Probleme bei der Diagnose

Fetale Alkoholspektrumstörungen sowie ein Fetales Alkoholsyndrom lassen sich nicht immer leicht diagnostizieren. Das liegt zum Beispiel daran, dass sich der mütterliche Alkoholkonsum in der Schwangerschaft nur schwer erfassen lässt - etwa, weil die Mutter falsche Angaben dazu macht.

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