Umgang mit Psychose bei Eltern: Unterstützung und Beratung für Angehörige

Wie jede Erkrankung ist auch eine psychische Erkrankung ein Leiden, von dem nicht nur die Erkrankten selbst, sondern auch die Angehörigen betroffen sind. Als Angehörige oder Angehöriger sind Sie eine wichtige Bezugsperson. Ihre Unterstützung birgt wertvolle Ressourcen in der Bewältigung von Krisen und Krankheit. Die Erkrankung eines nahestehenden Menschen kann aber auch zu Verunsicherung, zu vielen Fragen und vielleicht auch zu Überforderung führen.

Wer sind die Angehörigen?

Mit «Angehörigen» verstehen wir Bezugspersonen der psychisch erkrankten Person. Diese können in engem persönlichen Verhältnis zur Patientin bzw. zum Patienten stehen, aber auch Freunde, gute Nachbarn, der Beistand und andere Helferinnen und Helfer.

Die Bedeutung des sozialen Netzwerks

Das soziale Netzwerk der Patientinnen und Patienten ist wichtig und kann eine wertvolle Ressource sein. Wenn Angehörige gut über das Krankheitsbild informiert sind und sie über Strategien zur Alltagsbewältigung verfügen, verringert sich ihre emotionale Belastung und Verunsicherung.

Unterstützende Angebote für Angehörige

Es ist von grosser Bedeutung, dass wir Angehörige mit ihren eigenen Belastungen und Schwierigkeiten ernst nehmen. Während Fachleute in der Psychiatrie täglich mit solchen Situationen umgehen, befinden sich Angehörige oft in einer extrem herausfordernden Lage, für die sie anfangs kaum geeignete Bewältigungsstrategien haben. Wir bieten Unterstützungsangebote an, um den Bedürfnissen der Angehörigen gerecht zu werden.

Beratungshotline für Angehörige und Patienten

Sie haben in Ihrer Familie jemanden, der psychisch erkrankt ist und sind von der Erkrankung mit betroffen? Ist die psychische Erkrankung Ihres Angehörigen oder Ihrer Angehörigen neu aufgetreten und Sie wissen nicht, wie Sie mit der Situation umgehen sollen? Sie stellen sich die Frage: «Verhalte ich mich richtig?». Besteht eine langjährige Erkrankung, die Ihr Leben verändert hat und Sie belastet? Oder Sie suchen als Betroffene/Betroffener Rat zu den Themen psychische Erkrankungen oder Behandlungsmöglichkeiten?

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Für solche oder ähnliche Fragestellungen stehen Ihnen erfahrene Mitarbeitende gerne zur Verfügung. Bei Bedarf kann ein persönliches nicht ärztliches Beratungsgespräch für Angehörige und/oder Betroffen an der psychiatrischen Klinik Luzern vereinbart werden.

Beratungstelefon lups 058 856 53 00 (kostenlos)

Gruppenangebote für Angehörige

Einmal im Monat treffen sich Angehörige psychisch kranker Menschen im Ambulatorium Luzern. Fachleute beantworten ihre Fragen zu Erkrankungen, Medikamenten und Behandlungsmöglichkeiten. Die Treffen dienen aber auch dazu, sich mit anderen Angehörigen über Erfahrungen und Bewältigungsstrategien auszutauschen.

Trialogisches Forum

Jeden dritten Donnerstag im Monat treffen sich Patientinnen, Patienten, Angehörige und Fachpersonen zum gegenseitigen Austausch in der Klinik St. Urban. Rund um das Erleben im Zusammenhang mit psychischer Erschütterung und psychischer Krankheit soll das offene trialogische Forum eine Begegnung mit anderen Perspektiven ermöglichen. Pro Anlass steht ein anderes Thema im Fokus.

Kinder von Eltern mit psychischer Erkrankung

Der Einbezug minderjähriger Kinder als Angehörige ist ein wichtiger Bestandteil einer qualifizierten Behandlung. Unser Anliegen ist es, das Wohlergehen der Kinder unserer Patientinnen und Patienten in die Behandlungsplanung einzubeziehen und sicherzustellen. Für den Einbezug und die Form der Umsetzung ist das Behandlungsteam der hospitalisierten Mutter bzw. des Vaters zuständig.

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Kinder wurden früher oft als die „vergessenen Angehörigen“ in der psychiatrischen Versorgung bezeichnet. Zwar gibt es mittlerweile mehr spezialisierte Angebote für psychisch erkrankte Eltern und ihre Kinder, doch wird dieses Thema in vielen psychiatrischen Einrichtungen noch nicht ausreichend behandelt. Oft sprechen Fachpersonen psychisch kranke Eltern nicht auf ihre Familiensituation an, obwohl Studien zeigen, dass der Behandlungserfolg in der Psychiatrie besser ist, wenn die Elternrolle ernst genommen wird (Lenz 2005). Eltern können Hilfeangebote nur annehmen, wenn sie sich in ihrer Rolle als Eltern ernst genommen fühlen. Viele Angebote sind auf kantonaler, regionaler oder kommunaler Ebene organisiert.

Auswirkungen auf Kinder

Kinder und Jugendliche mit einem psychisch erkrankten Elternteil sind mehr Belastungen ausgesetzt und haben ein deutlich erhöhtes Risiko, selbst psychische Störungen zu entwickeln. Weltweit sind ca. 15 bis 23% aller Kinder betroffen, auf die Schweiz übertragen entspricht dies ungefähr 300‘000 Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren.

Gemäss verschiedenen Studien ist die Wahrscheinlichkeit für Kinder, eine psychische Störung zu entwickeln, um den Faktor 3 bis 7 erhöht, wenn sie in einer Familie aufwachsen, in der ein Elternteil psychisch erkrankt ist. Kinder, die aufgrund einer schweren psychischen Belastung oder Störung beraten oder behandelt werden, stammen häufig aus Familien, in denen auch die Eltern von psychischen Belastungen oder Erkrankungen betroffen sind. Das Erkrankungsrisiko eines Kindes mit einem schizophrenen Elternteil erhöht sich vom Durchschnitt der Gesamtbevölkerung (1 Prozent) auf ca. 13 Prozent.

Bei einer schizophrenen Erkrankung beider Eltern erhöht sich das lebenslange Risiko für ihre Kinder, selbst eine solche Störung zu entwickeln, sogar auf etwa 40%. Das Risiko für eine Depression ist bei elterlicher depressiver Erkrankung etwa um das zwei- bis sechsfache erhöht. Etwa 60% der Kinder von Eltern mit einer Depression entwickeln im Verlauf der Kindheit und Jugend eine psychische Störung.

Young Carers

Eine repräsentative Erhebung für die Schweiz aus dem Jahr 2017 zeigte, dass 7,9% der befragten 3991 Kinder und Jugendlichen zwischen 10 und 15 Jahren regelmässig und massgeblich Verantwortung für die Betreuung und Pflege einer nahestehenden Person übernehmen. International werden Minderjährige in vergleichbarer Lebenssituation als Young Carers bezeichnet. Sie bilden je nach Alter und familiärer Konstellation bei elterlicher psychischer Erkrankung eine Schnittmenge mit weiter oben genannten Gruppen.

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Young Carers können auf verschiedene Weise unterstützt werden, z.B. über direkte Aufklärung und Informationen, praktische Alltagshilfen und Beratungen oder indirekt über Leistungen an die zu unterstützende Person bzw. das gesamte Familiensystem. Zudem äussern Young Carers in der Schweiz den Wunsch nach mehr Akzeptanz durch Fachpersonen.

Herausforderungen und Bedürfnisse

Bei einer psychischen Erkrankung eines Elternteils entstehen viele Fragen und Unsicherheit in Bezug auf die Organisation des Familienalltags. Manche Familien können auf ein funktionierendes Netzwerk im privaten oder öffentlichen Bereich zurückgreifen und erhalten von dort eine ihrer Lebenslage und derzeitigen Lebenssituation entsprechende Unterstützung. Das hängt mitunter sehr stark vom Erkrankungsstadium ab. Bei einer Erstmanifestation sind oft noch innerfamiliäre Ressourcen vorhanden. Sobald sich ein chronischer Krankheitsprozess etabliert, findet sich häufig ein zunehmend erschöpftes familiäres Unterstützungssystem.

Doch wollen und müssen Kinder und Jugendliche ihrem Alter und ihrem Wissensstand entsprechend informiert und in das häufig komplexe Management der elterlichen psychischen Erkrankung einbezogen werden. Jüngere Kinder wünschen sich Informationen durch den betroffenen Elternteil, Jugendliche hingegen bevorzugen den Einbezug und Informationen durch Fachpersonen in Praxis oder Klinik. Sie sind allerdings mitunter recht kritisch und befürchten, keine objektiven Informationen zu erhalten.

Unterstützungsangebote

In der für uns alle fordernden Zeit, stellen wir Ihnen verschiedene weiterführende Angebote (Links) zur Verfügung:

  • Die dargebotene Hand (Link)
  • Pro Juventute (Link)
  • Sich was Gutes tun (Link) Gesundheitsförderung Kanton Luzern
  • Pro Mente Sana (Link)
  • Trialog-Zentralschweiz (Link) Angebot für Betroffene, Angehörige, Fachpersonen
  • Traversa (Link) Netzwerk für Menschen mit einer psychischen Erkrankung und ihre Bezugspersonen
  • VASK (Link) Dachverband der Vereinigung von Angehörigen psychisch Kranker
  • Equilibrium (Link) Verein zur Bewältigung von Depressionen

Weitere Anlaufstellen

  • Anlaufstelle Stiftung Rheinleben
  • Institut Kinderseele Schweiz

Informationen und Aufklärung

Psychisch erkrankte Eltern, Familien und ihre Kinder erhalten jedoch zumeist weder während des Spitalaufenthaltes, noch nach Entlassung entsprechende Informationen. Die beratenden und behandelnden Ärzte und Fachpersonen im Versorgungssystem für Erwachsene fühlen sich in erster Linie ihren Klienten verpflichtet, weniger deren Kindern, die sie häufig weder kennen noch in die Behandlung einbeziehen. Hierbei kann es hilfreich sein, altersadäquates Aufklärungsmaterial, also themenspezifische Kinderbücher, Handpuppen, Plüschtiere, Broschüren oder auch Filmmaterial einzusetzen.

Mit dem Strengths and Difficulties Questionnaire (SDQ) lassen sich beispielsweise Verhaltensstärken und -auffälligkeiten bei Kindern und Jugendlichen im Alter von 4 bis 16 Jahren erfassen. Das Ausfüllen benötigt ca. fünf Minuten. In der pädiatrischen Praxis besteht im Rahmen der Vorsorgeuntersuchungen Gelegenheit, Eltern, in der Regel Mütter, auf individuelle und familiäre Belastungen, Schutz- und Risikofaktoren anzusprechen und auf professionelle Hilfen hinzuweisen.

Informationsbedürfnisse von Kindern und Jugendlichen

Tabelle 1. Informationsbedürfnis von Kindern und Jugendlichen (in Anlehnung an Lenz et al.

Bestehende Angebote in der Schweiz

Mittlerweile gibt es in der ganzen Schweiz diverse Beratungs- Behandlungs- und Unterstützungsangebote für Kinder, Jugendliche und Familien mit psychisch und suchterkrankten Eltern. An einigen psychiatrischen Einrichtungen für Erwachsene (z.B. Königsfelden) wurden Sprechstunden für Angehörige und Kinder eingerichtet, die eng mit der Kinder- und Jugendpsychiatrie zusammenarbeiten (z.B. Chur, Luzern). Zudem existieren Elterngruppen (z.B. in Bern, Zürich, Winterthur) oder integrierte Eltern-Kind-Angebote für Mütter mit Säuglingen und Kleinkindern (z.B. Affoltern) und für Mütter/Väter mit Vorschulkindern bis max. 5 Jahre (z.B. Münsterlingen).

Der Kanton Waadt hat mit ZigZag Plus ein Beratungs- und Unterstützungsangebot für Kinder von psychisch erkrankten und suchtkrankten Eltern aufgebaut, das auch in den Kantonen Fribourg, Neuchâtel und im Wallis etabliert werden soll. Die Stiftung As’trame bietet in fast der gesamten Westschweiz unter anderem Unterstützung für Kinder von Eltern mit einer psychischen Erkrankung an. Le Biceps (Dienst der BCAS-Stiftung) begleitet seit 2001 in Genf Kinder, die in ihrer Familie mit psychischen Leiden konfrontiert sind.

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