Wenn Kinder und Jugendliche durch anhaltende Antriebslosigkeit, Traurigkeit, Hoffnungslosigkeit, sozialen Rückzug, Verlust des Interesses und der Freude auffallen, sind das mögliche Hinweise auf eine Depression. Psychische Probleme haben bei Kindern und Jugendlichen stark zugenommen. Wie Sie Symptome erkennen und gemeinsam als Familie seelische Schmerzen überwinden.
Ursachen
Die Ursachen können vielfältig sein: Genetische Veranlagung, familiäre Belastungen, traumatische Erfahrungen, stressreiche Lebenssituationen können eine Rolle spielen. Auch soziale Isolation, Mobbing oder hoher Leistungsdruck können das Risiko erhöhen.
Die gerade aufgeführten Herausforderungen im Jugendalter sind meist nicht alleiniger Auslöser einer Depression. Bei Kindern, deren Eltern unter Depressionen leiden, ist das Risiko, ebenfalls zu erkranken, deutlich erhöht.
Man geht jedoch inzwischen davon aus, dass es letztlich Umweltfaktoren sind, die massgeblich dazu beitragen, dass Depressionen bei Kindern ausbrechen. Bei Kindern spielt die Familie eine entscheidende Rolle. Leistungsdruck, Scheidung oder Tod der Eltern, aber auch Hänseleien in der Schule, Armut und sexueller Missbrauch gelten als mögliche Auslöser depressiver Erkrankungen.
Häufiger als bei Kindern sind Depressionen bei Jugendlichen. Die Pubertät birgt ein besonderes Risiko. Diese Zeit ist mit vielen Veränderungen, grossen Herausforderungen und dadurch mit einem erhöhten Stresslevel verbunden.
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Die grossen Verunsicherungen, die der Umbruch mit sich bringt, tragen zum Ausbruch einer Depression bei Jugendlichen bei.
Jugendliche und junge Erwachsene stehen unter grossem Leistungsdruck. Und das nicht nur in der Schule, sondern mittlerweile über fast alle Lebensbereiche hinweg. Über die sozialen Medien ist ein konstanter Vergleich mit anderen möglich und häufig werden unrealistische Bilder vermittelt.
Häufigkeit
Die Prävalenz von Depressionen bei Kindern und Jugendlichen in der Schweiz liegt schätzungsweise bei etwa 5-10%. Es gibt Hinweise darauf, dass die Anzahl der Betroffenen in den letzten Jahren zugenommen hat. Noch häufiger sind unspezifische emotionale Störungen, die nicht dem Vollbild einer klassischen Depression entsprechen.
Mit Beginn der Pubertät steigt das Risiko, dass Jugendliche an einer Depression erkranken. Bei Jugendlichen gilt die Depression als häufigste psychische Erkrankung. Mit Beginn der Pubertät steigt das Risiko für eine Depression stark an.
Im Obsan-Bericht des Schweizerischen Gesundheitsobservatoriums 2023 gaben 30 Prozent der jungen Frauen zwischen 15 und 24 Jahren und 15 Prozent der gleichaltrigen jungen Männer an, unter mittelschweren bis schweren Depressionssymptomen zu leiden.
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Unter den Kindern leiden 1-2% an einer Depression, im Jugendalter nimmt die Erkrankung zu. Rund 10% der Jugendlichen erkranken an einer Depression.
Symptome
Die Symptome können vielfältig sein. Neben Antriebslosigkeit und anhaltender Traurigkeit können auch soziale Isolation, Rückzug von Aktivitäten, vermindertes Interesse und Spielunlust, Freudlosigkeit, Schlaf- und Appetitstörungen, Energiemangel, Konzentrationsprobleme, Reizbarkeit, Schuldgefühle, körperliche Beschwerden und Suizidgedanken auftreten. Diese Symptome können für die Betroffenen und auch für das Umfeld sehr belastend sein.
Sie können das tägliche Funktionieren, die schulischen Leistungen und das soziale Leben in der Familie, Schule und Freizeit erheblich beeinträchtigen.
Eine Depression bei Jugendlichen und Kindern ist oft nicht auf den ersten Blick erkennbar. Dafür gibt es verschiedene Gründe: Die Erkrankung zeigt sich nicht bei allen Betroffenen gleich, die Symptome sind vielfältig. Häufig werden sie zudem fälschlicherweise der Pubertät statt einer Depression zugeordnet.
Nicht selten treten bei Jugendlichen neben einer Depression noch weitere psychische Erkrankungen auf. Dazu gehören Angststörungen, Suchtverhalten, Essstörungen oder Zwangserkrankungen.
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Während Erwachsene oft über anhaltende Traurigkeit berichten, zeigen jüngere Betroffene häufiger Reizbarkeit, Wutanfälle und körperliche Beschwerden wie Bauchschmerzen oder Kopfschmerzen. Auch schulische Leistungsabfälle und sozialer Rückzug sind häufige Symptome.
Folgende Symptome können bei Jugendlichen Anzeichen einer Depression sein:
- Traurigkeit
- Gedrückte Stimmung
- Antriebslosigkeit
- Verlust von Interesse und Freude
- Rückzug von der Familie sowie vom Freundeskreis
- Gereiztheit und schnippisches Verhalten
- Niedriges Selbstwertgefühl
- Ängstlichkeit
- Selbstverletzendes Verhalten
- Suizidgedanken
- Appetitveränderung
- Aggressivität
- Hohes Risikoverhalten
Häufig kommen körperliche Beschwerden dazu.
Die Hauptmerkmale von Depression bei Erwachsenen (gedrückte Stimmung, Interessenverlust, verminderter Antrieb) stehen bei Kindern und Jugendlichen nicht unbedingt im Vordergrund. Während depressive Säuglinge durch Apathie sowie Gedeih- und Entwicklungsstörungen auffallen, ändert sich bei Kleinkindern das Spielverhalten oder der Appetit, sie weinen mehr, sind ängstlicher oder haben plötzlich wieder Mühe, den Urin zurückzuhalten.
In der Adoleszenz stehen bei männlichen Jugendlichen häufiger Reizbarkeit, Impulsivität und Verweigerung (welche möglicherweise Antriebsarmut verdeckt) im Vordergrund, bei den weiblichen Jugendlichen zeigen sich vermehrt Stimmungsschwankungen. Einschlafstörungen sind bei beiden sehr häufig.
Selbstverletzungen, Suizidgedanken und Suizidversuche sind ebenfalls Symptome einer Depression. Suizide sind nach Unfällen die häufigste Todesursache im Kindes- und Jugendalter.
Typisch ist zudem, dass die depressive Stimmung bei Jugendlichen auch immer wieder durch gute Phasen und Ablenkung unterbrochen wird.
Diagnose
Die Diagnose sollte im Rahmen einer psychologisch-psychiatrischen Abklärung erfolgen. Dabei werden die Symptome, die Krankheitsgeschichte und mögliche Auslöser erfasst. Zudem werden standardisierte Fragebögen und psychometrische Testverfahren eingesetzt.
Eigentlich gelten für Kinder und Jugendlichen die gleichen Diagnosekriterien wie für Erwachsene. Gewisse typische Symptome zeigen sie jedoch oftmals nicht. Andere Symptome wiederum gehören zur Phase des Erwachsenwerdens dazu und sind per se nicht besorgniserregend.
Deshalb muss das Alter des Kindes oder des Jugendlichen immer berücksichtigt werden. Zusätzlich ist es relevant, ob die Symptome über eine längere Zeit anhalten oder nur vorübergehend sind. Die Diagnose stellt jeweils ein Arzt oder eine Psychotherapeutin.
Nicht nur die Stimmungsschwankungen sowie deren Abgrenzung von normalen Adoleszenz-bezogenen Verhaltensänderungen, sondern auch die Überschneidung mit anderen psychiatrischen Krankheiten kann die Diagnose erschweren und die geeignete Behandlung hinauszögern.
Eine ganzheitliche Einschätzung des Kindes oder Jugendlichen umfasst nebst auffälligen Symptomen auch vorbestehende Entwicklungsstörungen, Intelligenz, begleitende körperliche Erkrankungen sowie das Umfeld und besondere Umstände wie beispielsweise Umzüge, Einschulung oder Trennung der Eltern.
Wie läuft eine Abklärung ab?
- Kennenlernen von Kind / Jugendlichen und Familie im Erstgespräch
- Erfassen der Fragen, Schwierigkeiten, Symptome und Anamnese
- Je nach Fragestellung werden weitere Termine angesetzt, um die Thematik zu vertiefen, bei Bedarf werden weitere Fachbereiche beigezogen
- Beurteilung von Befunden, Verhaltensmerkmalen und Entwicklungsmustern auf der Basis von Untersuchungen, Anamnese, Beobachtungen durch die Fachpersonen
- Besprechung der Ergebnisse und Befunde mit den Eltern und dem Kind resp. den Jugendlichen
Behandlung
Wird eine Depression bei Kindern und Jugendlichen nicht behandelt, kann die Erkrankung chronisch werden. In einem ersten Schritt ist es wichtig, der oder dem Betroffenen altersgerecht zu erklären, was eine Depression ist. Danach folgt die Psychotherapie.
Oft zieht die Therapeutin oder der Therapeut dabei auch die Familie oder weitere Bezugspersonen ein. Ziehen Sie professionelle Hilfe bei.
Der Einbezug der Eltern ist ein wichtiges Therapieelement.
Die Behandlung einer Depression im Kindes- und Jugendalter erfolgt unter Einbezug von Familie und Umfeld (Eltern, Geschwister, Schul- oder Kindergartenlehrperson). Entsprechend gilt, dass Depressionsbehandlungen, wenn immer möglich, ambulant und im Umfeld erfolgen.
Ist das Umfeld nicht genügend stabil, gefährdet das Kind oder der Jugendliche sich selbst oder andere oder stellen sich trotz ambulanter Behandlung keine Therapieerfolge ein, wird ein (teil-)stationärer Aufenthalt erwogen.
Ambulante Behandlung
In der Kinder-/Jugendpsychiatrie und Psychosomatik am Sozialpädiatrischen Zentrum SPZ überlegen wir gemeinsam mit den Eltern und dem Kind resp. den Jugendlichen, welche Hilfen und Massnahmen unterstützen können. Aus Kapazitätsgründen bieten wir am Sozialpädiatrischen Zentrum SPZ derzeit keine ambulanten Therapien an.
Stationäre Behandlung
In der Therapiestation für Kinder und Jugendliche (Psychosomatik, Psychotherapie, Psychiatrie) am Sozialpädiatrischen Zentrum SPZ erhalten Kinder und Jugendliche mit einer Depression eine bedarfsorientierte, multimodale stationäre Behandlung, sofern eine ambulante Unterstützung bisher nicht die gewünschten Erfolge gebracht hat.
Altersgerechte Behandlung
Besonders bei Kindern und Jugendlichen liegt der starke Fokus auf altersgerechten Therapieformen. Bei Kindern steht beispielsweise Spieltherapie im Vordergrund, die es erlaubt, Emotionen und Konflikte spielerisch darzustellen und zu verarbeiten.
Je älter die Jugendlichen werden, desto wichtiger wird es, ihnen schrittweise Eigenverantwortung zu übertragen und sie in die Therapiegestaltung mit einzubeziehen.
Auch eine medikamentöse Behandlung kann indiziert sein.
Psychotherapie
Bei Depressionsbehandlungen im Kindes- und Jugendalter ist die Psychotherapie die erste Wahl und verfügt über die beste wissenschaftliche Evidenz. Bevor allfällige Medikamente eingesetzt werden, sollte immer ein Versuch mit Psychotherapie erfolgen.
Besonders bewährt hat sich die interpersonelle Therapie, welche auf die zwischenmenschliche Beziehung, soziale Rollen und Konflikte fokussiert. Auch kognitive Verhaltenstherapie, Spieltherapie bei Jüngeren sowie Familientherapie zeigen gute Behandlungserfolge.
Begleitet wird die Psychotherapie oftmals durch Gruppenangebote, Kunst-, Musik- oder Bewegungstherapie oder tiergestützte Therapieangebote.
Medikamentöse Behandlung
Eine Behandlung durch Antidepressiva sollte bei Kindern und Jugendlichen nur bei schwerer Depression oder bei Nichtansprechen auf Psychotherapie erfolgen. Eine Ausnahme ist z.B. eine Depression bei Patienten mit begleitender Angststörung.
Abgesehen von Johanniskraut-Präparaten sind in der Schweiz keine antidepressiven Medikamente zur Depressionsbehandlung für Kinder- und Jugendliche zugelassen, was an den hohen Hürden für eine Zulassung liegt.
Antidepressiva können jedoch off-label mit Einverständnis der Eltern verschrieben werden und werden in der klinischen Praxis bei Kindern und Jugendlichen bei guter Verträglichkeit eingesetzt.
Vor Beginn einer medikamentösen Therapie sollte eine Blutentnahme mit Laboruntersuchung sowie ein EKG erfolgen. Das Eindosieren des Medikaments startet mit einer tiefen Dosis, nach dem Motto «start low, go slow».
Dauer und Verlauf
Die Behandlungsdauer einer ersten depressiven Episode ist individuell, häufig sind bis zu 8-9 Monate bis zur Genesung nötig. Ungefähr die Hälfte der Behandelten erreicht Symptomfreiheit ohne weitere Episoden, bei 35% treten die depressiven Episoden wiederkehrend auf und 15% zeigen chronische Symptome, welche persistieren.
Dosierung, Rückfallprophylaxe und Absetzen von Antidepressiva
Nach Erreichen einer individuell wirksamen Therapiedosis, sollte ausreichend lange therapiert werden. Absicht dahinter ist das Ziel, eine weitere depressive Episode in der Zukunft möglichst zu vermeiden.
Denn die Wahrscheinlichkeit nach einer erstmaligen Episode eine weitere depressive Episode zu erleben, liegt bei 50%. Nach der zweiten Episode steigt diese Wahrscheinlichkeit auf 80%, nach der dritten auf 90%. Ab der dritten depressiven Episode wird in der Regel eine längerfristige medikamentöse antidepressive Therapie als Rückfallprophylaxe empfohlen.
Es ist also sinnvoll, bei einer ersten depressiven Episode lange genug und über das Verschwinden der Symptome hinaus zu therapieren, um weitere Episoden und eine Chronifizierung zu verhindern.
Bereits beim Verschreiben eines Antidepressivums sollte dies mit den betroffenen Jugendlichen und Eltern besprochen und die Wichtigkeit einer Rückfallprophylaxe trotz Besserung der Symptome vermittelt werden.
Das Absetzen erfolgt durch schrittweise Dosisreduktion, bei Wiederauftreten der Symptome kehrt man zur vorangegangenen Dosis zurück. Die Zeit während und nach dem Absetzen sollte durch eine Therapeutin oder einen Therapeuten betreut werden.
Häufige Fragen
Wie kann ich mein Kind dabei unterstützen, offen über seine Gefühle zu sprechen?
Es ist wichtig, eine vertrauensvolle und offene Kommunikationsbasis zu schaffen. Zeigen Sie Verständnis und Geduld und vermeiden Sie es, das Gespräch zu erzwingen. Fragen Sie behutsam nach und hören Sie aktiv zu, ohne zu urteilen. Ermutigen Sie Ihr Kind, seine Gefühle zu teilen und bieten Sie an, gemeinsam nach Lösungen zu suchen.
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