Epilepsie ist eine der häufigsten neurologischen Erkrankungen. In Deutschland sind rund 600.000 Menschen betroffen. Etwa jeder Zehnte erlebt einmal im Leben einen epileptischen Anfall. Dank moderner Untersuchungsmethoden und medikamentöser Behandlung lässt sich diese Krankheit heutzutage jedoch sicher diagnostizieren und gut behandeln.
Was ist ein epileptischer Anfall?
Unter epileptischen Anfällen versteht man eine Störung des Gehirns aufgrund einer kurz andauernden vermehrten Entladung von Nervenzellen. Das Gehirn hat etwa 80 Milliarden Gehirnzellen, welche alle miteinander in Kontakt bzw. unter Spannung sind. Wenn ein Kurzschluss in den Gehirnzellen entsteht bzw. sich Zellverbände elektrisch entladen, spricht man von einem epileptischen Anfall.
Bei Epilepsien sind Hirnbereiche übermäßig aktiv und geben zu viele Signale ab. Diese übermäßige Aktivität der Neuronen kann zu diversen Störungen führen und sich mitunter auch als typischer motorischer Krampfanfall äußern. Das muss aber nicht so sein. Manche Anfälle werden sowohl von Patientinnen und Patienten als auch Angehörigen kaum wahrgenommen, während andere schwer beeinträchtigen können und zu Störungen des Bewusstseins sowie Verkrampfungen des ganzen Körpers führen können.
Ebenso können Störungen des Geruchssinns, Halluzinationen, Wutausbrüche, Migräne und Übelkeit auftreten. Oder Patientinnen und Patienten springen plötzlich auf und werfen Stühle um oder rennen unkontrolliert umher, woran sie sich später nicht erinnern können. Es können also eine Vielzahl unterschiedlicher Symptome und Anfallsformen auf eine Epilepsie hinweisen, was die Diagnose der Erkrankung deutlich erschwert.
Die Symptome einer Epilepsie treten meist ganz plötzlich und unvermittelt auf. Die Dauer eines Anfalls ist sehr unterschiedlich und reicht von wenigen Sekunden bis zu einigen Minuten. Im Allgemeinen beginnt ein epileptischer Anfall plötzlich und ohne erkennbaren Anlass. Nach wenigen Minuten hört er von selbst wieder auf.
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Ursachen und Auslöser
Die Ursachen von Epilepsie sind vielfältig und komplex. Grundsätzlich kann jedes Ereignis, das einen Schaden im Gehirn verursacht, ein potenzieller Auslöser für ein epileptisches Anfallsleiden sein. Die Medizin unterscheidet hier zurzeit strukturelle, infektiöse, metabolische, genetische und immunologische Ursachen.
Genetische Ursachen
Es gibt genetische Veränderungen, die dazu führen, dass Nervenzellen im Gehirn grundsätzlich mehr dazu neigen, sich spontan synchron zu entladen. Was vererbbar ist, ist die Neigung zu epileptischen Anfällen. Hier wird von genetischen Epilepsien gesprochen - die Neigung dazu, irgendwann im Leben einen epileptischen Anfall zu erleiden, kann in der Erbmasse gespeichert sein. So wie wir unseren Vorfahren ähnlich sehen können, können wir Krankheiten von unseren Vorfahren übernehmen. Es gibt genetische Erkrankungen, die Epilepsie zur Folge haben können bzw.
Allerdings ist der Begriff „genetisch“ nicht mit „Erbkrankheit“ gleichzusetzen. Die wenigsten Epilepsien wurden als Gendefekt (also Mutation in einem für die Hirnfunktion wichtigen Gen mit der Folge einer Übererregung) ererbt.
Erworbene Hirnveränderungen
Neben solchen genetischen Ursachen, bei denen eine Epilepsie häufig schon im Kindes- oder Jugendalter auftritt, gibt es viele unterschiedliche erworbene Hirnveränderungen: Nach einem Schlaganfall zum Beispiel oder ausgelöst durch ein Schädelhirntrauma nach einem Unfall. Bei Erwachsenen kann wie auch bei Kindern jede Art der Verletzung des Gehirns epileptische Anfälle verursachen. Wenn Verletzungen des Gehirns entstehen - bei Erwachsenen etwa Schlaganfälle oder Tumore bzw. bei Kindern ein Schädelhirntrauma oder eine stärkere Gehirnerschütterung, kann diese Veränderung im Gehirn eine kleine Narbe hinterlassen, welche eine Instabilität in den Gehirnzellverbänden entstehen lässt. Allerdings wird oft auch keine eindeutige Ursache gefunden.
Epileptische Anfälle treten auch als Zeichen von Entzündungen im Gehirn auf, beispielsweise bei akuten Infektionen mit Viren oder Bakterien (Meningitis, Enzephalitis) oder bei seltenen Autoimmunkrankheiten des Gehirns. Hier ist es wichtig, den Auslöser schnell zu finden und zu behandeln.
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Es gibt Faktoren, die epileptische Anfälle begünstigen können. Dazu gehört eine Störung des regelmäßigen Schlaf-Wach-Rhythmus, welcher für das Leben zentral ist - wenn dieser gestört ist, sind die Gehirnzellen instabiler und können sich leichter entladen. Wenn man die ganze Nacht wach ist, Alkohol trinkt und nicht schläft, ist der Schlafrhythmus gestört; außerdem hat der Alkohol eine dämpfende Wirkung auf das Gehirn.
Formen von Anfällen
Je nachdem, in welchem Bereich des Gehirns und in welchem Umfang die Nervenzellen betroffen sind, werden die Anfälle als fokal oder generalisiert bezeichnet. Grundsätzlich wird zwischen fokalen und generalisierten Anfällen unterschieden.
Fokale Anfälle
Fokale (herdförmige) epileptische Anfälle sind die häufigsten epileptischen Anfälle. Das sind Anfälle, welche von einer bestimmten Region im Gehirn ausgehen. Fokale Anfälle werden auch als partielle oder lokalisationsbezogene epileptische Anfälle bezeichnet. Diese Anfälle gehen immer von einem bestimmten Bereich des Gehirns aus und betreffen in der Regel nur eine Gehirnhälfte. Man unterscheidet fokale Anfälle mit Bewusstseinseinschränkung (früher auch komplex-fokal genannt) und fokale Anfälle ohne Bewusstseinseinschränkung (früher einfach fokale Anfälle). Bei Erwachsenen ist dies die am häufigsten beobachtete Anfallsform.
Die Symptome fokaler Anfälle richten sich nach dem Ursprungsort im Gehirn. So kann Sehen, Hören, Schmecken, Riechen oder Tasten durch den Anfall so beeinträchtigt sein, dass Betroffene Blitze sehen, Geräusche oder Stimmen hören, einen komischen Geschmack im Mund haben, etwas Merkwürdiges riechen oder Temperatur-Missempfindungen, Kribbeln oder Lähmungserscheinungen spüren. Auch plötzliche Angst, Wut oder Halluzinationen werden in der Literatur beschrieben.
Fokale Anfälle mit Bewusstseinsverlust sind häufig durch sogenannte Automatismen geprägt. Patienten wiederholen im Anfall bestimmte Handlungsmuster, wie z. B. Kauen und Schmatzen, Scharren mit den Füßen oder Nesteln an der Kleidung. Die Betroffen können sich hinterher nicht daran erinnern.
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Fokale epileptische Anfälle, vor allem solche mit Bewusstseinsstörung, können in einen sogenannten sekundär generalisierten Anfall (auch bilateral tonisch-klonischer Anfall) übergehen, der dann beide Gehirnhälften betrifft.
Generalisierte Anfälle
Bei generalisierten Anfällen lässt sich keine bestimmte Hirnregion zuordnen, in der der epileptische Anfall entsteht. Während eines Anfalls kann die Ausbreitung unterschiedlich verlaufen und das gesamte Hirnareal betreffen. Es gibt unterschiedliche Formen von generalisierten Anfällen:
- Absencen: Es kommt zu einer plötzlichen Bewusstseinsstörung, sodass der Patient bzw. die Patientin seine oder ihre momentane Tätigkeit für die Dauer des Anfalls unterbricht. Die Betroffenen starren bei dieser Form eines epileptischen Anfalls oft ins Leere. Diese Anfälle können mehrere Sekunden dauern und sich stark gehäuft über den Tag wiederholen. Betroffene können sich an den Anfall nicht erinnern und fahren mit ihrer Tätigkeit nach dem Anfall wieder fort. Obwohl diese Anzeichen typisch für Absencen sind, werden sie von Laien vielfach nicht als Symptome einer Epilepsie erkannt. Absencen sind eine häufige Epilepsie-Form des Kindesalters und werden zunächst meist als Unkonzentriertheit oder Träumerei missinterpretiert.
- Myoklonischer Anfall: Ein myoklonischer Anfall verursacht keine Bewusstseinsstörungen, sondern äußert sich mit Muskelzuckungen. Diese gehen oft mit Zuckungen einher, welche meist in den Morgenstunden passieren, vor allem, wenn junge Menschen am Abend länger aus waren. Dann kann es passieren, dass am Morgen die Zahnbürste beim Zähneputzen wegfliegt.
- Tonisch-klonischer Anfall (Grand-mal-Anfall): Der tonisch-klonische Anfall oder auch Grand-mal-Anfall ist die Anfallsform, die am häufigsten mit der Krankheit Epilepsie in Verbindung gebracht wird. Die Symptome dieses Anfalls äußern sich meist in einem initialen Schrei des Betroffenen, gefolgt von einer Anspannung der Körpermuskulatur, die dann in Zuckungen des Körpers über geht. Ferner kommt es zu einem Bewusstseinsverlust, sodass sich der Patient bzw. die Patientin im Nachhinein nicht mehr an den Anfall erinnern kann. Auch die Blaufärbung der Lippen ist typisch. Sie entsteht durch die Verkrampfung der Atemmuskulatur während des Anfalls, sodass der oder die Betroffene keine Luft bekommt. Der Atemstillstand kann bis zu 30 Sekunden andauern, führt aber nicht zum Ersticken.
- Atonischer Anfall: Verliert man die Muskelkraft, spricht man von einem atonischen Anfall.
Diagnose
Die Diagnose von Epilepsie kann eine Herausforderung darstellen, da die Anfälle sehr unterschiedlich aussehen können und andere Erkrankungen ähnliche Symptome verursachen können. Die Rate an Fehldiagnosen eines epileptischen Anfalls oder einer Epilepsie liegt laut Studien zwischen rund fünf und 30 Prozent. Bei leichteren Anfällen, die ohne motorische Symptome auftreten, werden epileptische Anfälle häufig nicht diagnostiziert. Auch schlafbezogene Bewegungs- und Verhaltensstörungen, Ticks oder Panikattacken werden mit epileptischen Anfällen verwechselt.
Tritt ein Anfall zum ersten Mal auf, sollte umgehend medizinisch überprüft werden, ob es sich tatsächlich um einen epileptischen Anfall gehandelt hat. Voraussetzung für eine sichere Diagnose ist eine möglichst genaue Beschreibung des Anfalls auch durch Augenzeugen.
Ein erster epileptischer Anfall gehört immer ärztlich abgeklärt. In diesem Fall sollte ein Arzt, ein Neurologe oder ein Kinderarzt bzw. ein Neuropädiater aufgesucht werden, um eine Abklärung durchzuführen.
Beim ersten Besuch eines Facharztes wird neben der Anamnese - Suchen nach der Ursache des Anfalls - eine klinische Untersuchung gemacht. Neurologen oder Neuropädiater untersuchen die Reflexe im Körper, ob irgendwelche Ausfälle erkennbar sind und führen dann die erste wichtige Untersuchung, das EEG, durch.
Zudem können Laboruntersuchungen durchgeführt werden, ob Blutunterzucker besteht oder die Blutsalze zu gering sind - auch das kann Anfälle auslösen.
Die wichtigsten Untersuchungsmethoden sind:
- Elektroenzephalogramm (EEG): Epilepsietypische Auffälligkeiten können sich im Elektroenzephalogramm (EEG) oder Kernspintomogramm (MRT) bereits nach einem erstmalig auftretenden epileptischen Anfall zeigen. Das Elektroenzephalogramm bzw. EEG ist eine der wichtigsten Untersuchungen, um Anfälle abklären zu können. Dem Patienten werden Elektroden an den Kopf geklebt oder mittels Hauben auf den Kopf gesetzt, wodurch die Spannungen einzelner Gehirnzellen untereinander gemessen werden. Wenn hier die Spannung abfällt oder sich erhöht, hat man ein sogenanntes epilepsietypisches Potential - das ist ein klarer Hinweis für Epilepsie.
- Magnetresonanztomographie (MRT): Nach dem EEG wird eine bildgebende Untersuchung des Gehirns gemacht - da ist die Diagnostik der Wahl die Kernspintomographie; das MRT. Die Magnetresonanztomographie (MRT) liefert hochauflösende Bilder des Gehirns, auf denen selbst feinste Veränderungen sichtbar gemacht werden können. Dank der funktionellen MRT können außerdem wichtige funktionstragende Areale lokalisiert werden. Zudem setzt unser ärztliches Personal das sogenannte Fibertracking-Verfahren ein. Dabei werden aus den MRT-Aufnahmen die Verläufe einzelner Nervenfasern im Gehirnre konstruiert.
Therapie
Das Ziel der Epilepsie-Behandlung ist die Anfallsfreiheit. In der Regel müssen dafür dauerhaft Medikamente eingenommen werden. Ob ein Absetzen nach mehreren anfallsfreien Jahren sinnvoll sein kann, muss individuell abgewogen werden.
Man spricht bei Epilepsie nicht von einer "Heilung" sondern davon, dass die Krankheit überwunden ist. Das ist dann der Fall, wenn man länger als zehn Jahre keinen epileptischen Anfall mehr hatte und seit über fünf Jahren kein Antiepileptikum mehr eingenommen hat.
Zu den wichtigsten Therapiemöglichkeiten zählen bestimmte Medikamente: Täglich eingenommene Antiepileptika sorgen dafür, dass die Nervenzellen gehemmt und dadurch beruhigt werden. Bei knapp 70 Prozent der Patienten helfen solche Medikamente gut. Dabei reicht häufig bereits ein einzelnes Medikament aus, manchmal wirkt nur eine Kombination von zwei oder mehr Medikamenten. Mittlerweile gibt es rund 30 verschiedene Medikamente gegen Epilepsie. Moderne Wirkstoffe haben oft weniger Nebenwirkungen.
Für Patienten, bei denen die Antiepileptika nicht ausreichend wirken, kommen weitere Therapiemöglichkeiten in Betracht:
- Vagusnervstimulation: Bei einer Vagusnervstimulation wird ein Schrittmacher - ähnlich einem Herzschrittmacher - unter die Haut im Brustbereich implantiert. Das Gerät erzeugt elektrische Impulse, die vom Vagusnerv am Hals ins Gehirn geleitet werden.
- Tiefe Hirnstimulation: Ebenfalls auf Basis einer Elektrostimulation arbeitet ein neueres Verfahren, bei dem eine dünne Silikonscheibe mit Platinkontakten unter die Kopfhaut geschoben wird. Auch bei diesem Verfahren gehen die elektrischen Impulse von einem Schrittmacher aus, der im Brustbereich unter die Haut gesetzt wird. Durch diese Therapie soll eine tiefgehende und fokussierte Stimulierung des Gehirns möglich sein, ohne das Gehirn selbst zu berühren.
- Operation: Operative Verfahren kommen nur in Frage, wenn sicher festgestellt wird, von welcher Stelle im Gehirn die Anfälle genau ausgehen, also bei fokalen Epilepsien. Dann müssen weitere Untersuchungen in einem Neurochirurgischen Zentrum zeigen, ob die Entfernung des Focus ohne größere Gefahr möglich ist, oder ob der Eingriff zu Lähmungen, Sprachstörungen oder anderen Ausfällen führen würde.
Auswirkungen auf den Alltag
Menschen mit Epilepsie können meist nicht vorhersagen, ob und wann sie einen epileptischen Anfall bekommen. Und genau das macht ihn gefährlich: Gerade bei einem großen Anfall - der Fachbegriff heißt "bilateral tonisch-klonischer" Anfall - kann es durch Bewusstlosigkeit zu Stürzen und damit verbunden zu Verletzungen kommen. Aber auch die häufigeren kleineren Anfälle können Betroffene körperlich und psychisch belasten. Hinzu kommen Vorurteile und Stigmata, die den Alltag für Menschen mit Epilepsie zusätzlich erschweren. So ist im Verlauf der Erkrankung das Risiko für eine Depression erhöht.
Insgesamt haben Menschen mit Epilepsie ein erhöhtes Sterberisiko. Plötzliche unerwartete Todesfälle (SUDEP, engl. Sudden unexpected death in epilepsy) kommen auch in eigentlich weniger gefährlichen Situationen vor, zum Beispiel nachts im Bett.
Menschen mit Epilepsie dürfen nicht selbst Auto fahren, wenn sie in den vergangenen zwölf Monaten einen Anfall hatten. In diesem Fall sollte man zum Beispiel nicht alleine schwimmen gehen. Denn wenn ein epileptischer Anfall im Wasser auftritt und nicht sofort ein Rettungsschwimmer zur Stelle ist, kann das tödlich enden: So ist auch die Haupttodesursache von Menschen mit Epilepsie ein Tod durch Ertrinken. Ebenfalls vorsichtig sein sollten Betroffene beim Baden in einer Badewanne sein - auch hier kann es zum Ertrinken kommen.
Individuelle Aufklärung und Beratung von Betroffenen und ihren Angehörigen sind wichtig, um das Risiko für einen SUDEP zu verringern.
Erste Hilfe bei einem Anfall
Im Vordergrund steht, dass sich der Betroffene während eines Anfalls nicht verletzt. Wenn er oder sie bereits auf dem Boden liegt, zucken häufig Arme und Beine oder sie wirken versteift. Auch der Kopf kann zucken und dabei immer wieder auf den Boden aufschlagen.
Manchmal kommt es zu einem Zungenbiss, dennoch sollte man niemals versuchen, während des Anfalls etwas in den Mund zu schieben. Der Blutverlust beim Zungenbiss ist sehr gering, durch die Verdünnung mit Speichel wirkt es mehr, als es ist. Daher gilt: Ruhe bewahren.
Das Wichtigste ist es, den Betroffenen in eine stabile Seitenlage zu bringen und alles wegzuräumen, wodurch man sich verletzen könnte.
Dauert der Anfall länger als fünf Minuten an oder treten mehrere Anfälle kurz hintereinander auf, sollte der Rettungsdienst (Notruf 112) informiert werden.
Vorboten und Auslöser
Manche Anfälle kündigen sich an, andere treten aus heiterem Himmel auf. Fokale Anfälle aus dem Schläfenlappen können sich mit einer sogenannten Aura ankündigen. Die Aura (griechisch: das Lüftchen) ist eine Art Vorgefühl bzw. eine Sensation, die sich schwer beschreiben lässt; danach verliert man das Bewusstsein. Häufig sind epigastrische Auren bzw. eine aufsteigende Übelkeit.
Schlafstörungen und Epilepsie
Erholsamer Schlaf ist wichtig für die Regeneration von Körper und Geist. Beeinträchtigter Schlaf bleibt auf Dauer nicht ohne Folgen z.B. für Gedächtnisleistungen, Wahrnehmungsfähigkeit, Konzentration, Lernen und die gesamte Hirnentwicklung. Auch wenn die vielfältigen Folgen eines gestörten Schlafes derzeit noch nicht umfassend erforscht sind, kann festgehalten werden, dass Schlafstörungen für die Betroffenen oft massgebliche Beeinträchtigungen der Lebensqualität bedeuten.
Schlafstörungen können vielfältige Ursachen haben und sind weit verbreitet. Verglichen mit der Allgemeinbevölkerung leiden Menschen mit Epilepsie (auch wenn sie keine nächtlichen Anfälle haben) Untersuchungen zufolge jedoch häufiger an Schlafstörungen als die Allgemeinbevölkerung. Von ihren Schlafstörungen sind jedoch nicht nur sie betroffen, sondern häufig auch die Menschen in ihrem sozialen Umfeld, z.B. Eltern, die von den nächtlichen Anfällen ihrer Kinder aus dem Schlaf gerissen werden oder wegen ihrer Sorge vor den Anfällen nicht richtig schlafen können. Solche Umstände können die zwischenmenschlichen Beziehungen belasten.
Nächtliche Überwachung
Menschen mit Epilepsie bedürfen - ausser unter besonderen Umständen, z.B. wenn die Gefahr gross ist, dass ein epileptischer Status auftritt sowie während der Diagnostik und Medikamentenein- bzw. -umstellung - in der Regel keiner nächtlichen Überwachung ihrer Anfallssituation. Da nächtliche Kontrollen und Pflegehandlungen ihrerseits einen schlafstörenden Effekt haben, sollte man sogar möglichst davon absehen. - Andererseits gibt es manchen Menschen jedoch auch Sicherheit, wenn sie wissen, dass jemand nach ihnen schaut, und in einzelnen Situationen (z.B. hohes individuelles Dekubitusrisiko) sind nächtliche Kontrollen und Interventionen mit diagnostischen, prophylaktischen oder therapeutischen Zielsetzungen durchaus sinnvoll.
Es ist ratsam, dass die Frage nach der Notwendigkeit und der Art und Weise nächtlicher Kontrollen im Einzelfall, also individuell und situationsbezogen geklärt wird. Dabei ist es wichtig abzuwägen, ob und inwiefern nächtliche Kontrollen bzw. Interventionen eher sinnvoll oder zusätzlich belastend sind. Es ist grundsätzlich davon auszugehen, dass nächtliche Kontrollen normalerweise störend wirken und deshalb vermieden werden sollten, ausser sie entsprechen dem aktuellen Bedürfnis des Betroffenen.
Kommen die Beteiligten im Rahmen eines Zielklärungsprozesses zu dem Entschluss, dass zumindest für eine gewisse Zeitlang nächtliche Kontrollen und Interventionen durchzuführen sind, ist eine gute Koordination von Diagnostik und Überwachung unerlässlich, um den Betroffenen trotzdem ausreichende Ruhephasen zur Verfügung zu stellen.
Insgesamt gilt es, Rahmenbedingungen zu gestalten, die einem erholsamen Schlaf förderlich sind, z.B.:
- Wenn sich zwei (oder mehrere) Personen beim Schlafen ein Zimmer teilen müssen, ist bei der Auswahl der Zimmernachbarn darauf zu achten, dass diese einen ähnlichen Schlaf-Wach-Rhythmus pflegen.
- Die antiepileptische Therapie zur Kontrolle (Vermeidung) der nächtlichen Anfälle sollte soweit wie möglich optimiert werden.
- Es wird auf regelmässigen und ausreichenden Schlaf - auch für die Bezugspersonen! - geachtet.
- Bei Bedarf werden pflegerische Interventionen zur Schlafförderung (z.B.
Für die Auswahl nützlicher Massnahmen ist es wichtig, die betroffenen Menschen zu fragen, was sie als hilfreich erleben, damit sie sich am Morgen ausgeruht fühlen, oder entsprechende Beobachtungen anzustellen, wenn die Betroffenen ihre Bedürfnisse nicht selber in Worte fassen können.
Hirntumor und Krampfanfall
Ein neu auftretender epileptischer Krampfanfall ist vor allem bei Kindern oft eines der allerersten Hirntumor-Symptome, das vorrangig bei primären Hirntumoren auftritt. Die Erkrankten erleiden dabei entweder einen fokalen oder einen generalisierten Krampfanfall. Ein fokaler Anfall schlägt sich in einem bestimmten Organbereich nieder. Beispielsweise zuckt ein Arm oder ein Bein. Dieser Anfallstyp geht mitunter in einen generalisierten Anfall über, bei dem der gesamte Körper betroffen ist. Meistens verlieren Betroffene während eines Krampfanfalls das Bewusstsein.
Weitere Symptome eines Hirntumors
Die meisten Anzeichen (wie Kopfschmerzen, Schwindel etc.) sind sehr unspezifisch und treten auch bei vielen anderen Krankheitsbildern auf. Wenn sie aber mit der Zeit stärker werden und in Kombination auftreten, ist dies ein möglicher Hinweis auf einen Hirntumor.
- Kopfschmerzen: Neu auftretende Kopfschmerzen, die über einige Tage oder Wochen immer heftiger werden und im Liegen zunehmen, sind ein verdächtiges und typisches Anzeichen, das meist zuerst bei Hirntumoren auftritt. Kopfschmerzen wegen eines Hirntumors äussern sich dadurch, dass sie nachts und in den frühen Morgenstunden auftreten. Sie bessern sich tagsüber häufig spontan.
- Übelkeit und Erbrechen: Viele Menschen entwickeln bei einem Hirntumor Symptome wie Übelkeit und Erbrechen. Auch diese Beschwerden sind meist die Folge des erhöhten Hirndrucks. Oft ist den Betroffenen in den Morgenstunden übel, obwohl sie nichts gegessen haben.
- Sehstörungen: An praktisch jeder Stelle dieses Weges ist es möglich, dass ein Hirntumor Symptome im Sinne von Sehstörungen auslöst. Meistens fällt ein bestimmtes Areal im Gesichtsfeld aus - Betroffene nehmen es einfach als schwarzen Fleck wahr. Mediziner nennen das Gesichtsfeldausfälle.
- Weitere neurologische Ausfälle: Mögliche Symptome im Sinne neurologischer Ausfälle sind zum Beispiel Lähmungserscheinungen, Taubheitsgefühle (etwa an einzelnen Gliedmassen) oder Sprachstörungen. Ebenso typisch sind Zuckungen beispielsweise der Augenlider und plötzliches Kribbeln. Weiterhin sind Schluckstörungen oder eine veränderte Geschmackswahrnehmung mögliche tumorbedingte Symptome. Betroffene leiden oft unter Schwindel und Schwerhörigkeit oder Ohrenpfeifen (Tinnitus).
- Hormonelle Störungen: Hirntumor-Symptome treten auch in Form verschiedenster hormoneller Störungen auf. Das ist beispielsweise bei einem Hypophysenadenom der Fall: Die Hypophyse ist eine wichtige Drüse im Gehirn, die Hormone produziert, welche die Funktion anderer Hormondrüsen im Körper regulieren. Ein Tumor der Hypophyse greift hier störend ein. Mögliche Folgen sind Symptome, die etwa den Schlaf-Wach-Rhythmus, das Körperwachstum oder die Sexualität betreffen.
- Beeinträchtigung des Gedächtnisses: Hirntumor-Erkrankte sind beispielsweise in ihrer Aufmerksamkeit beeinträchtigt und schlechter in der Lage, sich bestimmte Dinge zu merken.
- Veränderungen der psychischen Gesundheit: So sind manchmal Depression, Teilnahmslosigkeit (Apathie) und Angst auf die Erkrankung zurückzuführen.
- Persönlichkeitsveränderungen: Erkrankte sind zum Beispiel leichter reizbar oder weniger konzentriert und leichter abgelenkt.
Besonderheit bei Kindern mit Hirntumor
Babys und Kleinkinder, die bereits an einem Hirntumor leiden, haben oft einen vergrösserten Kopf (Hydrozephalus), im Volksmund Wasserkopf genannt. Dieser entsteht durch Flüssigkeitsansammlungen im Gehirn und zwischen den Hirnhäuten. Dadurch benötigt das Gehirn mehr Platz und der Schädel vergrössert sich. Kinder mit einem Hydrozephalus sind meist zusätzlich durch Entwicklungsstörungen wie geistige Behinderungen gekennzeichnet.
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