Depressionen und sexuelle Funktionsstörungen: Ein komplexer Zusammenhang

Viele Menschen mit Depressionen erleben Schwierigkeiten in der Sexualität. Fast ein Drittel der Menschen mit Depressionen haben durch die psychische Störung weniger oder sogar gar keine Lust auf Sex, oder der Sex klappt nicht so gut.

Einfluss von Antidepressiva auf die Sexualität

Antidepressiva sind Medikamente, die Ärzt*innen Menschen mit Depressionen verschreiben können. Sie verschreiben Antidepressiva ausserdem bei vielen anderen psychischen Störungen, zum Beispiel zur Behandlung von Angst- und Zwangsstörungen.

Wenn die Behandlung mit Antidepressiva wirkt und es dir wieder besser geht, kann sich die Lust auf Sex wieder steigern. Es dauert vielleicht länger, bis du in Fahrt kommst. Du erlebst die sexuelle Erregung womöglich gedämpft oder spürst weniger intensiv als sonst. Es braucht vielleicht mehr Stimulation, bis du sexuell erregt bist, oder bis du einen Orgasmus hast. Oder du hast insgesamt weniger Lust auf Sex. Das heisst nicht, dass bei dir sexuell gar nichts mehr geht.

Bei SSRI (Selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer, z.B. Bei SNRI (Selektive Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer, z.B. Buproprion (Wellbutrin) kann einen positiven Einfluss auf die Libido und die sexuelle Funktion haben. Darum geben Ärzt*innen manchmal zu einem Antidespressivum zusätzlich Buproprion (Wellbutrin). Du nimmst dann also zwei Antidepressiva. Trazodon (Trittico) kann auch einen positiven Einfluss auf die Libido haben. Manche Antidepressiva werden manchmal bei vorzeitigem Samenerguss gegeben, weil die sexuelle Erregung langsamer ansteigt.

Neben Buproprion (Wellbutrin), Trazodon (Trittico) und Moclobemind (Aurorix), gibt es weitere Medikamente, bei denen Menschen nur sehr selten über Nebenwirkungen bezüglich ihrer Sexualität berichten: z.B. Vortioxetin (Brintellix) und Agomelatin (Valdoxan). Das ist von Mensch zu Mensch verschieden.

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Die Nebenwirkungen verschwinden in der Regel, sobald du das Medikament absetzt. Manchmal berichten Menschen davon, dass die Probleme bestehen bleiben. Es gibt dafür sogar einen Namen: Post-SSRI sexual dysfunction (PSSD). Lass dich davon bitte nicht beirren: Antidepressiva richten keinen unumkehrbaren körperlichen Schaden aus. Aber deine Sexualität hat jetzt vielleicht eine deftigere Störungsphase hinter sich und muss erst wieder aufgebaut werden. Hinzu kommt vielleicht noch die Verunsicherung, dass jetzt nichts mehr klappt. Durch diese Angst klappt's dann noch weniger. Und von allein kommt das deshalb vielleicht nicht mehr. Aber du kannst etwas tun, dass es wieder kommt - oder noch besser wird.

Falls du schon ein Medikament nimmst und meinst, es wirke sich negativ auf deine Sexualität aus, sprich das unbedingt an. Sprich mit der Fachperson, die dir die Medikamente verschreibt. Lies dazu bitte den Text Was tun bei sexuellen Problemen bei Medikamenteneinnahme?

Sexuelle Funktionsstörungen bei Frauen

Sexuelle Funktionsstörungen der Frau sind wenig erforscht. Eine sexuelle Funktionsstörung äussert sich beispielsweise durch sexuelle Unlust (Frigidität), mangelnde Erregung, Schwierigkeiten beim Orgasmus oder Schmerzen beim Geschlechtsverkehr. Vorübergehende sexuelle Funktionsstörungen treten bei vielen Frauen auf.

Es gibt diverse Gründe, warum Frauen die Lust auf Sex verlieren. Massgebliche Auslöser sind Anspannung, Angst, Müdigkeit, Stress, Unsicherheit, körperliche Erkrankungen und Probleme in der Partnerschaft. Die Bandbreite „normaler“ Sexualität ist allerdings gross. Deshalb lässt sich schwer sagen, wann tatsächlich eine Sexualstörung vorliegt. Keine Lust auf Sex ist auch nicht automatisch ein Anzeichen dafür, dass etwas in der Paarbeziehung nicht stimmt. Konsultieren Sie Ihren Haus- bzw. Vaginismus (Scheidenkrampf): Die Scheidenmuskulatur verkrampft unwillkürlich.

  • Sexuelle Funktionsstörungen können sowohl seelischer als auch körperlicher Natur sein.
  • Sexuelle Funktionsstörungen können auch als Nebenwirkung bestimmter Medikamente entstehen.

Der Lebensstil kann die Sexualität von Frauen beeinflussen. So scheint Alkohol in geringen Mengen die Lust auf Sex zu steigern. In grösseren Mengen beeinträchtigt Alkohol die sexuelle Erregbarkeit der Frau.

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Nicht selten sind sexuelle Funktionsstörungen der Frau auf seelische Probleme zurückzuführen. Typische seelische Ursachen für Sexualstörungen sind Ängste wie die Angst vor einer Schwangerschaft oder einer Geschlechtskrankheit. Einige Frauen fühlen sich in Bezug auf ihre Sexualität unter Leistungsdruck oder sehen sich selbst zu kritisch. Auch unzureichende Kenntnisse über das, was beim Geschlechtsverkehr passiert, mangelndes Wissen über den eigenen Körper und falsche Vorstellungen vom Sexualverkehr können sexuelle Funktionsstörungen verursachen.

Partnerschaftsprobleme können ebenfalls zu einer sexuellen Funktionsstörung führen. So kann sich alltäglicher Streit negativ auf die Sexualität auswirken und dazu führen, dass die Frau den Geschlechtsverkehr nicht mehr geniessen kann. Manche Frauen haben Probleme damit, dem Partner ihre sexuellen Wünsche und Bedürfnisse zu zeigen. Bleiben diese über einen längeren Zeitraum unerfüllt, empfinden sie ihre Sexualität als unbefriedigend. Auch fehlendes Einfühlungsvermögen des Partners kann zur Folge haben, dass nur einer von beiden den Geschlechtsverkehr als befriedigend und genussvoll empfindet. Besonders Frauen finden sich oft damit ab, mit dem Partner keinen Orgasmus zu erleben.

Verschiedene Arten von sexuellen Funktionsstörungen bei Frauen:

  • Störungen der sexuellen Erregung: In der Erregungsphase ist die genitale Reaktion zu schwach oder bleibt aus. Das heisst: Trotz sexueller Reize bildet sich nur wenig oder keine Scheidenflüssigkeit.
  • Störungen durch sexuell bedingte Schmerzen: Trotz Erregung treten vor, bei oder nach dem Geschlechtsverkehr wiederholt genitale Schmerzen auf (Dyspareunie).
  • Störungen in der Orgasmusphase: Orgasmusstörungen beeinflussen den Ablauf oder das subjektive Erleben des Orgasmus. Manche Betroffene erreichen trotz sexueller Erregung nie oder nur selten einen Orgasmus.

Um eine sexuelle Funktionsstörung zu diagnostizieren, erfassen wir zunächst die Symptome und deren Auswirkungen. Anschliessend führen wir ein psychologisches Gespräch, in dem sowohl körperliche als auch seelische Faktoren angesprochen werden. Eine Diagnose gelingt in der Regel nur, wenn sich die Patientin uns offen anvertraut. Wurde bei Ihnen eine Gefässerkrankung, Diabetes etc. Nehmen Sie Medikamente ein?

Da sexuelle Funktionsstörungen aus den unterschiedlichsten Gründen entstehen können, gibt es keine allgemeine Methode, mit der Sie diesen vorbeugen könnten. Ratsam ist es, bei sexuellen Problemen frühzeitig das Gespräch mit dem Partner zu suchen.

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Die Behandlung sexueller Funktionsstörungen ist sehr komplex, da oft viele verschiedene Faktoren zusammenspielen. Oftmals verbessern sich die Probleme im Rahmen einer Paartherapie. Auch beim Vaginismus ist die Prognose günstig. Der Erfolg hängt jedoch stark davon ab, wie hoch die Motivation ist und wie gut die Partner zusammenarbeiten.

Der Austausch mit Gleichbetroffenen kann bei der Bewältigung einer Krankheit eine grosse Unterstützung sein. Beratung auf der Suche nach einer geeigneten Selbsthilfegruppe erhalten Sie bei Selbsthilfe Zürich.

CED und Sexualität: Ein besonderer Fokus

Die sexuellen Wünsche und das sexuelle Vergnügen sind bei Patienten mit chronisch entzündlichen Darmerkrankungen (CED) oft beeinträchtigt. Dabei spielen vor allem bei Frauen Depressionen eine entscheidende Rolle. Durch psychiatrische Begleitung kann einiges aufgefangen werden, meinte am ECCO-Kongress in Wien Dr. spanische Gastroenterologe zu bedenken.

Der Beginn von chronisch entzündlichen Darmerkrankungen fällt häufig ins Jugend- oder frühe Erwachsenenalter und damit in eine Zeit, in der die sexuelle Aktivität erwacht und Intimität, Sex, Körperlichkeit und emotionale Sicherheit eine zentrale Rolle im Alltagsleben spielen. geringerer Selbstachtung und wiederum mit verminderter sexueller Befriedigung verbunden (5).

Obwohl sich mehrheitlich Frauen und junge Menschen um die Körperwahrnehmung Sorgen machen (6), offenbarten in einer neueren Übersicht auch Männer enorme psychosexuelle Belastungen (1). So leiden 10 bis 50 Prozent der männlichen CED-Patienten unter einer sexuellen Dysfunktion. 33 bis 50 Prozent geben an, dass sich sowohl ihre sexuellen Wünsche als auch ihre Befriedigung nach der CED-Diagnose vermindert hatten.

Allgemein existieren hinsichtlich der Häufigkeit von Partnerschaften bei CED-Patienten keine Unterschiede zur Allgemeinbevölkerung. Was die Partnerschaftsrate angeht, können zwischen Morbus-Crohn-(MC-) und Colitis-ulcerosa-(CU-)-Patienten oder zwischen den Geschlechtern ebenfalls keine Unterschiede festgestellt werden (1).

Was jedoch einen Einfluss auf die Sexualität von CED-Patienten nehmen kann, sind bestimmte Medikamente. So verändern Kortikosteroide sowohl das körperliche Erscheinungsbild (Akne, Gewichtszunahme u.a.) als auch die Intimität (Oral- und Vaginalpilze, Stimmungsschwankungen). Zudem sei Methotrexat bei Patienten mit rheumatoider Arthritis mit Impotenz in Verbindung gebracht worden, berichtete Domènech. Daneben können chirurgische Eingriffe zu Nervenschäden im Beckenbereich führen.

Was jedoch in allen Studien der vergangenen Jahre deutlich wurde, ist der Einfluss von Stimmungsschwankungen auf die Sexualität (2). So zeigte sich, dass vor allem Frauen durch ihre Darmerkrankung unter Depressionen leiden - mehr noch: Depressionen sind häufig sogar die Hauptursache für sexuelle Dysfunktion. Wer in einer solchen Situation psychiatrischen Beistand erfährt, hat nach sechs Monaten wesentlich weniger sexuelle Probleme als Betroffene ohne psychiatrische Hilfe (3). Auch die Perzeption der Erkrankung hat einen enormen Einfluss auf Depression, Angstzustände und sexuelle Befriedigung (4).

So zeigte sich, dass vor allem Frauen durch ihre Darmerkrankung unter Depressionen leiden - mehr noch: Depressionen sind häufig sogar die Hauptursache für sexuelle Dysfunktion. Wer in einer solchen Situation psychiatrischen Beistand erfährt, hat nach sechs Monaten wesentlich weniger sexuelle Probleme als Betroffene ohne psychiatrische Hilfe (3).

Symposium der SGAD am SGPP-Jahreskongress 2024

Das diesjährige Symposium der SGAD am SGPP-Jahreskongress, der vom 12. bis 13. September 2024 in Bern stattfand, beleuchtete die Depression aus unterschiedlichen Blickwinkeln. Im Fokus standen drei Vorträge:

  • Dr. med. Joe Hättenschwiler: Update der Behandlungsempfehlungen der unipolaren Depressionen
  • Prof. Dr. med. Annette Brühl: psychiatrische Differentialdiagnosen von Depressionen
  • Dr. med. Michael Colla: sexuellen Nebenwirkungen von Antidepressiva

Unter einer AD-Therapie treten bei etwa 60 % der Patient:innen sexuelle Funktionsstörungen auf. Bei SSRI und SNRI liegt die Häufigkeit dieser Störungen zwischen 25 % und 73 %, während Substanzen wie Moclobemid, Mirtazapin, Bupropion, Vortioxetin und Agomelatin eine geringere Inzidenz aufweisen. Die Ursachen für diese durch AD induzierten Störungen sind auf serotonerge und noradrenerge Dysregulationen, dopaminerge Suppression, hormonelle Veränderungen und vaskuläre Effekte zurückzuführen.

Mögliche Therapieansätze bei medikamenteninduzierten sexuellen Funktionsstörungen umfassen Psychoedukation und Massnahmen zur Verbesserung der psychosexuellen Gesundheit wie körperliche Aktivität und Entspannungstechniken. Auch Sexualtherapie und spezielle Psychotherapien kommen zum Einsatz. Beim Watchful Waiting berichten 14-20 % der Betroffenen innerhalb von sechs Monaten von einer partiellen und 6-10 % von einer vollständigen Besserung.

Abschliessend lässt sich sagen, dass der Zusammenhang zwischen Depressionen und sexuellen Funktionsstörungen komplex ist und von verschiedenen Faktoren beeinflusst wird. Eine offene Kommunikation mit Fachpersonen und Partnern sowie eine individuelle Therapie sind entscheidend für die Verbesserung der Lebensqualität der Betroffenen.

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