Die Geburt eines Kindes ist ein Wendepunkt im Leben. Vieles ändert sich sehr plötzlich, und die Eltern, insbesondere die Mutter, müssen eine enorme Anpassungsleistung erbringen.
Ursachen von Depressionen nach der Geburt
Die Wissenschaft konnte noch nicht restlos klären, warum Personen an einer postpartalen Depression erkranken. Trotzdem konnten Studien Risikofaktoren eruieren, welche die Entstehung einer postpartalen Depression begünstigen.
Hormonelle Veränderungen
Nach der Geburt verändert sich der Hormonhaushalt der Mutter. Der Zusammenhang zwischen Hormonen und einer postpartalen Depression ist noch nicht abschliessend erforscht.
Während der Schwangerschaft ist die Menge von Östrogen etwa zweihundertmal höher als normal. Der Progesteronwert ist fünfzig- bis hundertfach erhöht. Nach der Geburt sinken sie innerhalb weniger Tage auf die ursprünglichen Werte ab. Manche Frauen reagieren empfindlicher auf solche Veränderungen.
Es gibt Wechselwirkungen zwischen den weiblichen Hormonen und den Neurotransmittern, die die Stimmung regulieren (z.B. Serotonin, Noradrenalin, Dopamin).
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Eingriffe in den Geburtsprozess mittels PDA, Medikamenten, künstlichen Hormonen oder Kaiserschnitt können den „Hormoncocktail“ stören, der nach der Geburt dafür sorgen soll, dass die Mutter eine Bindung zu ihrem Kind entwickelt.
Beim Abstillen, insbesondere wenn es abrupt geschieht, kommt es zu einem Abfall der stimmungsaufhellenden Endorphine im Körper. Dadurch kann eine Depression ausgelöst werden. Wenn das Abstillen gegen den Willen der Mutter geschieht, können Versagensgefühle hinzukommen. Wurde die Stillzeit als glücklich erlebt, ist das Abstillen auch eine Verlusterfahrung.
Psychische Vorbelastung und genetische Faktoren
Wenn frischgebackene Mütter bereits vor der Schwangerschaft einmal eine Depression hatten, weisen sie ein grösseres Risiko auf, an einer postpartalen Depression zu erkranken. Ebenso spielt die genetische Veranlagung eventuell eine grosse Rolle. Man geht heute davon aus, dass 40-50% von Depressionen genetisch mitverursacht sind.
Nach der Geburt kommen gegebenenfalls unverarbeitete psychische Belastungen aus der Vergangenheit wieder an die Oberfläche. Solche unverarbeiteten Erlebnisse können der Tod einer nahestehenden Person sein, frühere psychische Erkrankungen, sexueller Missbrauch, zerrüttete Familienverhältnisse, Umzug, Jobverlust, Abtreibung, Fehlgeburt, Verunsicherung durch vorgeburtliche Untersuchungen usw.
Veränderungen im Lebensstil und soziale Faktoren
Das Leben der Eltern verändert sich nach der Geburt eines Kindes. Bisher eingenommene Rollen verändern sich. So ist zum Beispiel eine berufstätige Frau plötzlich Mutter und Hausfrau. Es dauert etwas, bis sie sich an diese Veränderungen gewöhnt und sich in der neuen Situation zurechtfindet.
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Neben Rollen verändern sich auch Beziehungen. Davon betroffen ist nicht nur die Beziehung zwischen den Eltern. Auch das Verhältnis zur eigenen Familie oder zu Freundinnen und Freunden wandelt sich.
Häufig stellt die Mutter hohe Erwartungen an sich selbst und glaubt, der neuen Situation nicht gerecht zu werden. Oftmals rücken die Bedürfnisse der Eltern nach der Geburt in den Hintergrund. Auch fehlende Unterstützung aus dem Umfeld kann eine postpartale Depression auslösen: Eine Mutter ist nicht nur auf praktische, sondern auch emotionale Unterstützung angewiesen. Fehlt diese, steigt das Risiko einer Depression.
Gerade in der Anfangszeit sind Eltern plötzlich stark ans Haus gebunden, ihr soziales Netz fällt teilweise weg und sie fühlen sich allein.
Die Geburt eines Kindes verändert die Paarbeziehung nachhaltig. Die Rollen werden neu verteilt, die Eltern haben weniger Zeit füreinander, die Mutter vielleicht keine Lust auf Sex, der Vater fühlt sich durch die enge Bindung zwischen Mutter und Kind manchmal ausgeschlossen - er kann sich bereits während der Schwangerschaft von der Mutter-Kind-Beziehung verdrängt fühlen.
Vorher bereits bestehende Konflikte werden durch die Ankunft eines Kindes in der Regel verstärkt.
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Ein immer wieder gestörter Schlaf führt nicht nur zu massiver Erschöpfung, sondern auch zu biochemischen Veränderungen im Körper: Die Stoffwechselprozesse und die Tätigkeit der Drüsen sind beeinträchtigt.
In den ersten Wochen nach der Geburt, wenn sich noch kein fester Tagesablauf eingespielt hat, besteht die Gefahr, dass die Mutter nicht regelmässig isst bzw. sich falsch ernährt. In der Wochenbettzeit sinkt der Blutzuckerspiegel etwa drei Stunden nach der letzten Mahlzeit ab (sonst in etwa 4-5 Stunden).
Komplikationen während Schwangerschaft und Geburt
Komplikationen während der Schwangerschaft sowie eine ungewollte Schwangerschaft erhöhen das Risiko für eine postpartale Depression. Traumatische Ereignisse während der Geburt sind ein weiterer Risikofaktor. Hierbei ist der Schweregrad subjektiv. Auch eine sehr schnelle Geburt bringt die Mutter möglicherweise durcheinander. Sie fühlt sich überrumpelt und hat das Gefühl, die Kontrolle verloren zu haben. Zudem steigt die Wahrscheinlichkeit einer Wochenbettdepression durch einen Kaiserschnitt.
Oft muss sich die Mutter von ihrem eigenen Wunschbild einer Traumgeburt verabschieden, die gemäss gängigem Muttermythos schön und überwältigend zu sein hat.
Symptome von Depressionen nach der Geburt
Viele Frauen erleben nach der Geburt Gefühlsschwankungen: Von Glücksgefühlen mit dem Neugeborenen im Arm bis hin zu plötzlichen Verlustängsten ist viel möglich.
Eine Mehrheit der Frauen erlebt wenige Tage nach der Geburt ein Stimmungstief («Babyblues», «Heultage» oder früher «Milchfieber»), das innerhalb von Stunden oder Tagen wieder verschwindet. Es betrifft 40-80 % der Mütter und muss nicht behandelt werden.
Als Wochenbettdepression hingegen bezeichnet man eine depressive Störung mit klarem zeitlichen Zusammenhang zur Geburt (gemäss Klassifikationsystemen gilt der Zeitraum bis einen Monat nach der Geburt), die mindestens zwei Wochen andauert.
Aktuell wird davon ausgegangen, dass ca. 10-15 % aller Frauen (manche Studien sprechen gar von 30 %) und ca. 10 % aller Männer eine postpartale Depression entwickeln.
Die Symptome einer postpartalen Depression können sich von Frau zu Frau unterscheiden und variieren in ihrer Intensität. Zu den häufigsten Symptomen gehören:
- Persistente Traurigkeit oder Niedergeschlagenheit
 - Reizbarkeit und Stimmungsschwankungen
 - Übermässige Ängstlichkeit
 - Schlafstörungen
 - Appetitveränderungen
 - Erschöpfung und Energiemangel
 - Suizidalität
 - Gefühl der Hoffnungslosigkeit oder Wertlosigkeit
 
Zusätzlich zu den obgenannten Symptomen sind auch Folgende möglich: zwiespältige Gefühle, gar keine Gefühle oder eine ablehnende Haltung dem Kind gegenüber sowie ständige Angst und Sorge um das Kind. Diese Empfindungen können wiederum zu starken Schuldgefühlen von Seiten der Eltern führen.
Diagnose
Die Diagnosestellung ist bei frischgebackenen Eltern erschwert, denn diese leiden beispielsweise häufig an Schlafmangel, Energieverlust und Konzentrationsstörungen.
Zur Diagnose erhebt eine Fachperson die Krankengeschichte der Betroffenen.
Um die Diagnose einer postpartalen Depression zu stellen, müssen die Symptome signifikant genug sein, um das alltägliche Funktionieren der Frau zu beeinträchtigen, und sie müssen für mindestens zwei Wochen lang anhalten. Eine professionelle Bewertung durch eine Fachperson ist unerlässlich, um die richtige Diagnose zu stellen und die angemessene Behandlung zu empfehlen.
Behandlung von Depressionen nach der Geburt
Schämen Sie sich nicht, wenn Sie sich nach der Geburt depressiv fühlen. Wichtig ist, dass Sie nicht alles in sich hineinfressen und sich zurückziehen, sondern dass Sie sich mitteilen und Hilfe in Anspruch nehmen.
Die Behandlung einer postpartalen Depression fällt in den Zuständigkeitsbereich von Psychologen (oder Psychiatern). Gemeinsam wird dann die Behandlung geplant und durchgeführt. Dabei hat es sich als sehr wirksam und nachhaltig erwiesen, wenn man das Umfeld miteinbezieht.
In sehr schweren Fällen, die mit Selbstmordgefahr und Realitätsverlust einhergehen, ist eine stationäre Therapie unumgänglich, damit betroffene Frauen weder sich noch ihr Kind gefährden.
Psychotherapie
Die wichtigste Therapieform bei einer postpartalen Depression ist eine Psychotherapie. Hier gibt es verschiedene Therapieverfahren, z. B. Verhaltenstherapie oder systemische Psychotherapie. Welche davon für Sie die beste ist, hängt einerseits von Ihrer Persönlichkeit ab, andererseits von den Ursachen, die der Erkrankung zugrunde liegen.
In der Regel finden die Sitzungen als Einzeltherapie statt, oftmals ist es jedoch ratsam, den Partner oder weitere Familienmitglieder mit einzubeziehen. Ergänzend ist der Besuch einer Gruppentherapie mit anderen betroffenen Frauen möglich.
Auch bei einer ambulanten Gesprächstherapie ist die Bindung zum Kind mit im Fokus, denn gerade ein vielleicht ausbleibendes Liebesgefühl zum Kind belastet die betroffenen Mütter. Sie leiden unter Schuld- und Versagensgefühlen, was die depressiven Symptome zusätzlich verstärken kann.
Medikamentöse Behandlung
Bei einer mittelschweren Depression wird die Psychotherapie meist mit einer medikamentösen Therapie mit Antidepressiva ergänzt, bei einer schweren Depression ist dies in jedem Fall angezeigt. Neben Antidepressiva können von Fall zu Fall auch schlafanstossende oder angstlösende Medikamente verschrieben werden.
Manchmal ist auch eine medikamentöse Behandlung angezeigt. Es gibt auch stillverträgliche Medikamente.
Weitere Hilfestellungen
- Versuchen Sie, sich mitzuteilen.
 - Schreiben Sie jeden Abend drei schöne Erlebnisse des Tages (auch wenn der schöne Moment nur wenige Sekunden dauerte) auf. Dies hilft, den Fokus wieder auf Positives zu lenken und Sie kreieren damit gleichzeitig eine Liste mit Sachen/Aktivitäten, die Ihnen gut tun.
 
Unterstützung im Wochenbett
Nach der Geburt eines Kindes beginnt das Wochenbett- es dauert etwa sechs bis acht Wochen und wird auch als postpartale oder puerperale Phase bezeichnet.
Eltern sollten sich bereits frühzeitig um Unterstützung für die Zeit nach der Geburt kümmern, etwa durch Familie, Freunde oder eine Haushaltshilfe.
Hebammen schauen im Rahmen der Wochenbettbetreuung nach der Gesundheit und dem Wohlbefinden von Eltern und Kind. Sie begleiten die körperlichen und psychosozialen Veränderungen fachlich und schauen auch, ob dein Baby sich entsprechend entwickelt und gedeiht. Ausserdem ist die Hebamme deine Ansprechpartnerin für alle deine kleinen und grossen Fragen.
Die Unterstützung durch eine Hebamme im Wochenbett solltest du schon früh in der Schwangerschaft organisieren.
Versuche, das Wochenbett als bewusste Auszeit anzunehmen und zu erleben. Es sind die Tage und Wochen, die dein Körper und du brauchen, um euch zu regenerieren und zu erholen. Lass dich also gut umsorgen, nimm Unterstützung an oder wünsche sie dir.
Babyblues vs. Postpartale Depression
Dass auf die Euphorie der Geburt meist ein Tief folgt, ist den meisten als Baby blues ein Begriff.
Rund 80 Prozent aller Mütter haben in den ersten Tagen nach der Geburt, meist beginnend an Tag drei, Stimmungsschwankungen und fühlen sich psychisch labil. Diesen im Wochenbett normalen Zustand bezeichnet man auch als „Babyblues“. Er kann bis zu sieben Tage anhalten.
Mütter brauchen in dieser Zeit, wie überhaupt in der gesamten Wochenbettzeit, besonders einfühlsame Menschen um sich herum, genug Ruhe und Unterstützung. Die zum Teil widersprüchlichen Gefühle können verwirrend sein, sind aber kein Anlass zur Sorge, wenn sie nicht länger anhaltend sind.
Bestehen die Symptome jedoch länger als eine Woche oder kommen weitere hinzu, kann dies ein Hinweis auf eine beginnende postpartale Depression sein. Sprechen Sie unbedingt mit Ihrer Hebamme oder Ihrer Gynäkologin darüber, damit eine fundierte Abklärung in die Wege geleitet werden kann.
Postpartale Depression bei Vätern
Auch etwa vier bis acht Prozent der Partner:Innen sind von depressiven Symptomen nach der Geburt betroffen. Bei ihnen sind diese meist noch schwieriger zu erkennen.
Ganz wichtig sind vor allem Verständnis des direkten Umfelds und Entlastung in der Familie.
Wo finden Sie Hilfe?
Wenn Ihnen die oben genannten Symptome bekannt vorkommen und Sie regelmässig damit zu kämpfen haben, ist es wichtig, dies ernst zu nehmen.
Ein erster Schritt kann das Ausfüllen des EPDS-Fragebogens sein.
Der Verein "Postpartale Depression Schweiz" empfiehlt Müttern, diesen Fragebogen im ersten Jahr nach der Geburt regelmässig (beispielsweise im Abstand von 14 Tagen) auszufüllen, damit Veränderungen in der Stimmungslage frühzeitig erkannt werden. Der Fragebogen kann ganz einfach und anonym online ausgefüllt und ausgewertet werden und ist zudem in verschiedenen Sprachen als Download verfügbar.
Der nächste Schritt ist die Suche nach einer Fachperson. Manchen Frauen fällt es leichter, sich erst einmal an die Hebamme zu wenden, die sie im Wochenbett betreut oder sich Rat zu holen bei der Frauenärztin, die sie in der Schwangerschaft betreut hat.
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