Depression ist eine häufige psychisch-körperliche Krankheit, die mit einer hohen Sterblichkeit durch Suizid einhergeht. Es ist wichtig zu verstehen, dass Depression mehr als nur eine psychische Erkrankung ist. Sie ist eine grundlegende Systemkrankheit, die zu Funktionsstörungen des Gehirns und zu Störungen im körperlichen Bereich, insbesondere im Hormonsystem, führen kann.
Einerseits ist die Depression eine der schlimmsten Krankheiten, die es gibt. Sie betrifft uns zutiefst, lähmt unsere Motivation und Lebensfreude, raubt unsere Energie, sabotiert unser Gedächtnis und untergräbt unsere Beziehungen. Auf der anderen Seite gibt es wenig Krankheiten, die so schwer verlaufen, aber gleichzeitig eine sehr gute Prognose haben. Viele fühlen sich wie neugeboren.
Hauptsymptome der Depression
Die Symptome lassen sich nach verschiedenen Kriterien gruppieren:
Der Antrieb
Der fehlende Antrieb lässt sich am besten mit ein paar Vergleichen illustrieren:
- Ein Depressiver ist wie ein Auto, das mit leicht angezogener Handbremse unterwegs ist. Es fährt langsam, braucht viel Energie und bleibt irgendwann stehen.
- Man kann auch sagen, die Depression ist ein Auto mit zu dickem Motorenöl. Alles läuft zähflüssig, mühsam.
Die Gedanken
Das Denken des Depressiven ist eindeutig verändert. Die Wahrnehmung ist verzerrt, ein Hügel wird zum Berg. Die Gedanken sind verarmt, zäh, sie drehen sich gerne im Kreis (sogenanntes Grübeln). Die Konzentration ist herabgesetzt, die Vergesslichkeit markant grösser ("Habe ich Alzheimer?"). Man ist pessimistisch, ineffektiv. Der Depressive sieht die Welt quasi durch eine Sonnenbrille: Alles ist dunkel, farblos, flach.
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Die Gefühle
Oft wird behauptet, der Depressive sei traurig. Das stimmt so nicht. Trauer ist ein Gefühl, das man deutlich spürt. In der Depression sind alle Gefühle gedämpft, manchmal wie eingefroren. "Ich bin innerlich leer, tot, kalt". Der Pessimismus überwiegt eindeutig. "Ich werde sicher nie mehr gesund". Entscheide werden zur Qual, es gibt nichts mehr, was wirklich Freude macht. Ein zentrales Gefühl ist die Angst. Eine ausgeprägte Depression ohne Angst kommt praktisch nicht vor und ein guter Teil der Angstsymptome sind depressiv begründet. Man spricht davon, dass Angst und Depression wie Zwillinge sind, die selten ohne Partner auftreten.
Der Körper leidet mit
Wie schon erwähnt, betrifft die Depression nicht nur die Psyche. Das gesamte Nervensystem und grosse Teile des Hormonsystems sind mitbetroffen (dies gilt beispielsweise für das Cortison-System und das Wachstumshormon). Diese Körpersymptome können derart im Vordergrund stehen, dass man die depressive Grundstimmung vor lauter Körpersymptomen nicht mehr realisiert. Diese Form wird maskierte oder somatoforme Depression genannt, sie wird leicht übersehen.
Häufigste Körpersymptome
Fast am häufigsten sind Schlafstörungen.
Zyklische Veränderungen
Ein Teil der depressiven Symptome unterliegen typischen Schwankungen. So gibt es einerseits das Morgentief. Die Verzweiflung ist am Morgen am grössten, man möchte das Bett am liebsten nicht verlassen. Häufig bessern sich die Beschwerden im Tagesverlauf und man erlebt einen relativ guten Nachmittag oder Abend. Bei anderen gibt es Rhythmusstörungen im grösseren Stil. Bei ihnen wechseln depressive und "normale" Phasen alle paar Tage oder Wochen, manchmal auch innerhalb desselben Tages. Wieder andere erleben zwischen den Tiefs eine eigentliche Hochstimmung (ich könnte den ganzen Tag singen und die halbe Nacht durcharbeiten), die für Patient und Angehörige sehr belastend sein kann und unter Umständen in unnötigen Grosseinkäufen münden. Damit hätten wir eine spezielle Form, die bipolare Depression kurz gestreift.
Die Suizidalität
Die Suizidalität ist ein Riesenproblem für Patient und Arzt und bewirkt die hohe Sterblichkeit der Depression.
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Energetische Betrachtungen
Die nachfolgenden Schemas sind als Denkanstoss oder Gleichnis gedacht. Jeder Vergleich hinkt und stellt eine Vereinfachung dar. Dennoch sind sie nützlich.
- Psychisch gesunde Person: Hier ist der innere Widerstand relativ klein, es steht genug Energie nach aussen zur Verfügung.
- Depression: Hier wird der Grossteil der Energie im Inneren verbraucht. Was nach aussen kommt, genügt nicht mehr. Trotz grossem Einsatz ist die Leistungsfähigkeit massiv reduziert und die Arbeitsfähigkeit manchmal nicht mehr gegeben.
- Manie: Hier finden wir das Gegenstück zur Depression. Der innere Widerstand ist minimal, die Power nach aussen (vorübergehend) riesig. Man könnte Bäume ausreissen und die halbe Nacht durcharbeiten oder unbedacht viel Geld ausgeben.
- Bipolare Krankheit: Ein Spezialfall ist die Bipolare Depression oder das Manisch-Depressive-Kranksein. Hier folgen sich Phasen der Depression mit solchen der Manie. Diese Schwankungen sind enorm kräfteraubend und auch für die Angehörigen sehr belastend.
Der Ballon als Gleichnis für die Seele
Auch die Seele wird ganz analog von zwei entgegengesetzt wirkenden Kräften bewegt. Auch hier gibt es Auftriebskräfte und solche, die nach unten ziehen, der "Ballast".
Für Auftrieb sorgen:
- Genug Schlaf, Nahrung
- Gesunde Gene
- Positive Prägung in der Familie
- Körperliche Fitness
- Antidepressiva
- Drogen (aber nicht konstruktiv)
- Erfolgserlebnisse, Aufmunterung, Bestätigung
Als Ballast wirken:
- Erbliche Belastung, negative Prägungen (Familie, Missbrauch, Traumatisierung)
- Berufliche Überlastung, zu grosser Ehrgeiz
- Körperliche Begleitkrankheiten
- Soziale / Zwischenmenschliche Spannungen
- Arbeitslosigkeit
- Enttäuschungen
Arbeitsunfähigkeit hat Vor- und Nachteile
Im körperlichen Bereich ist die Arbeitsunfähigkeit meist relativ einfach festzulegen. Im seelischen Bereich ist die Entscheidung viel problematischer. Einerseits kann es auch aus seelischen Gründen gerechtfertigt sein, jemanden krank zu schreiben. Dies gilt besonders für Erschöpfungsdepressionen oder das sogenannte Burn Out. In vielen Fällen von leichter bis mittlerer Beeinträchtigung kann das Krankschreiben fatal sein. Wer sich noch nicht freuen kann, wer noch nicht zur Ruhe gefunden hat, darf nicht in die Ferien geschickt werden!
Ursachen der Depression
Bei den Ursachen gibt es zwei Pole: Auf der einen Seite die Vererbung, die Faktoren "von innen", das sind endogene Ursachen. Auf der anderen Seite Ursachen "von aussen", exogen, wie Prägungen in der Kindheit, Traumatisierungen, familiäre und berufliche Belastungen etc. Zwischen diesen Polen gibt es zahlreiche Übergänge. Das Verhältnis zwischen endogenen und exogenen Ursachen kann individuell stark variieren. Dass die Vererbung eine grosse Rolle spielt, ist schon länger bekannt.
Weitere psychische Erkrankungen
Neben Depressionen gibt es auch andere psychische Erkrankungen, die mit einer verzerrten Wahrnehmung einhergehen können:
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- Borderline-Persönlichkeitsstörung: Typisch für die Störung ist das Erleben von Gegensätzen, die kaum zu ertragen sind und die darüber hinaus noch mehrfach täglich wechseln können.
- Bipolare Störungen: Bipolare Störungen sind Teil der affektiven Störungen. Die manischen Phasen äußern sich zum Beispiel durch beschleunigtes Denken, Bewegungs- und Rededrang.
- Angststörungen: Angst äußert sich in einem Gefühl der psychischen Unruhe und der Unsicherheit und muss nicht unbedingt mit einem bestimmten Gegenstand oder einer bestimmten Person zusammenhängen.
- Zwangsstörung: Eine Zwangsstörung äußert sich oft durch andauernde Ängste oder ständige besondere, sehr negative Gedanken.
- Psychotische Störungen: Psychotische Störungen manifestieren sich in unterschiedlichen Stadien: psychischer Risikozustand, erste psychotische Episode und Psychose. Psychose wird definiert als ein Verlust des Realitätsbezugs.
- Suchtstörungen: Der starke und wiederholte Konsum einer psychoaktiven Substanz ist gesundheitsschädigend und führt zu einer Abhängigkeit.
- Essstörungen: Sie äußert sich durch gewollten Gewichtsverlust und die Aufrechterhaltung eines geringen Gewichts, aber auch dadurch, dass die betroffene Person nur noch bestimmte Lebensmittel zu sich nimmt.
- Dissoziative Störungen: Dissoziative Reaktionen können als Verhaltensweisen gedeutet werden, in denen die Psyche sich vor im Moment scheinbar unlösbaren Problemen flüchtet.
Achtsamkeit und psychische Störungen
Achtsamkeit kann bei depressiven Erkrankungen angewendet werden und führt zu weniger Rückfällen. Achtsamkeitsübungen ermöglichen es Menschen, die an einer Depression erkrankt sind, ihre Stimmung bewusster wahrzunehmen. Auch bei Angststörungen zeigen sich positive Effekte der Achtsamkeitspraxis. Menschen, die an einer Angststörung erkrankt sind, verbringen typischerweise viel Zeit damit, sich Sorgen um die Zukunft oder Katastrophenszenarien zu machen. Achtsamkeitsübungen eignen sich aufgrund ihrer stressmindernden Wirkung zur Behandlung von Burnout sowie weiteren Stressfolgeerkrankungen.
Bei der Anwendung von Achtsamkeitsübungen ist Vorsicht geboten, wenn Betroffene unter psychischen Störungen leiden, welche die Wahrnehmung der Realität beeinflussen. Wenn Betroffene an Derealisation oder Depersonalisation leiden, können Achtsamkeitsübungen diese Zustände unter Umständen fördern, weshalb eine gute Absprache mit dem Behandler sinnvoll ist.
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