Das sexuelle Verhalten der Frau: Studien und Erkenntnisse

Die Frage, ob Unterschiede zwischen den Geschlechtern sozial konstruiert oder biologisch programmiert sind, beschäftigt Forscher*innen seit vielen Jahren. Bei einer klaren Mehrheit der Einwohner*innen der Schweiz herrscht die Meinung vor, dass Männer und Frauen von Natur aus unterschiedliche Stärken, Schwächen und Eigenschaften haben.

Hinsichtlich ihrer Einschätzung zur Auswirkung natürlicher Unterschiede auf das Verhalten im Bereich der Sexualität und Beziehungen fallen die Meinungen der Befragten allerdings differenziert aus. So ist zwar eine Mehrheit der Meinung, dass Frauen komplexere sexuelle Bedürfnisse hätten als Männer, nur eine Minderheit findet jedoch, dass die männliche Sexualität von Natur aus impulsiv und unkontrollierbar sei.

Anzahl der Sexualpartner

Ein Blick in Schweizer Schlafzimmer zeigt: Ein Mann hat im Durchschnitt in seinem Leben mit sieben Menschen Sex gehabt, eine Frau mit sechs. Bei den Männern hatten 23 Prozent der befragten 18- bis 64-Jährigen mit mindestens 20 Menschen Sex, bei den Frauen 14 Prozent.

Besonders viele Sexualpartner haben Frauen mit einer bisexuellen Identität, Männer mit einer homosexuellen Identität sowie Männer, die für Sex bezahlen. Homosexuelle Frauen haben im Durchschnitt mit 6,1 Personen Sex, heterosexuelle Frauen mit 5,6. Ein durchschnittlicher heterosexueller Mann hatte mit sieben Frauen Geschlechtsverkehr.

Diese Zahlen berücksichtigen alle Befragten und entsprechen also nicht der Zahl der Sexualpartner bis zum Ende des Lebens, sondern bilden eine Momentaufnahme ab, wie die Studienautoren schreiben. Das zeigen auch die Daten: 55- bis 64-Jährige bringen es auf deutlich mehr Sexualpartner als die Gruppe der 35- bis 54-Jährigen.

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Allerdings lässt sich dies «kaum mit einem wechselvolleren Sexualleben in den späteren Lebensjahren erklären», wie es heisst. In jüngeren Jahren hatte die Gruppe mit Jahrgängen 1951 bis 1960 offenbar mehr Partnerwechsel als die heute 35- bis 54-Jährigen.

Gelegenheitssex und Fremdgehen

Trotzdem hatte knapp die Hälfte der Befragten in ihrem bisherigen Leben schon mindestens einmal Gelegenheitssex ohne Kondom. Auch Fremdgehen ist bei vielen kein Tabu: 27 Prozent der Befragten - 31 Prozent der Männer und 24 Prozent der Frauen - gingen in einer festen Beziehung schon einmal fremd. Von ihnen verzichtete wiederum etwas mehr als die Hälfte mindestens einmal auf Kondome.

Sexuelle Gesundheit und Kommunikation

40 Prozent der Befragten wünschen, vom Arzt oder der Ärztin auf ihr Sexualverhalten und die damit verbundenen Gesundheitsrisiken angesprochen zu werden. Während sich die Einwohner*innen der Schweiz einig sind, dass eine klare Zustimmung am ehesten zu einvernehmlichem Sex führt, fällt es vielen schwer, über Sex und sexuelle Bedürfnisse zu sprechen.

54 Prozent geben an, dass sie Mühe haben, über sexuelle Vorlieben, Bedürfnisse und Grenzen zu sprechen. 34 Prozent finden es schwierig einzuschätzen, was das Gegenüber will. Die Daten deuten insgesamt darauf hin, dass Kommunikation rund um Sexualität Männern eher schwerer fällt als Frauen und non-binären Personen.

So finden etwa 45 Prozent, dass Männer mit sexueller Kommunikation oftmals überfordert sind und darum unabsichtlich Grenzen überschreiten. Jüngere Personen nehmen sexualisierte Gewalt eindeutig als Problem wahr.

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Sexuelle Funktionsstörungen der Frau

Sexuelle Funktionsstörungen der Frau sind wenig erforscht. Eine sexuelle Funktionsstörung äussert sich beispielsweise durch sexuelle Unlust (Frigidität), mangelnde Erregung, Schwierigkeiten beim Orgasmus oder Schmerzen beim Geschlechtsverkehr.

Vorübergehende sexuelle Funktionsstörungen treten bei vielen Frauen auf. Es gibt diverse Gründe, warum Frauen die Lust auf Sex verlieren. Massgebliche Auslöser sind Anspannung, Angst, Müdigkeit, Stress, Unsicherheit, körperliche Erkrankungen und Probleme in der Partnerschaft.

Die Bandbreite „normaler“ Sexualität ist allerdings gross. Deshalb lässt sich schwer sagen, wann tatsächlich eine Sexualstörung vorliegt. Keine Lust auf Sex ist auch nicht automatisch ein Anzeichen dafür, dass etwas in der Paarbeziehung nicht stimmt. Konsultieren Sie Ihren Haus- bzw.

Sexuelle Funktionsstörungen können sowohl seelischer als auch körperlicher Natur sein. Sexuelle Funktionsstörungen können auch als Nebenwirkung bestimmter Medikamente entstehen. Der Lebensstil kann die Sexualität von Frauen beeinflussen. So scheint Alkohol in geringen Mengen die Lust auf Sex zu steigern.

In grösseren Mengen beeinträchtigt Alkohol die sexuelle Erregbarkeit der Frau. Nicht selten sind sexuelle Funktionsstörungen der Frau auf seelische Probleme zurückzuführen. Typische seelische Ursachen für Sexualstörungen sind Ängste wie die Angst vor einer Schwangerschaft oder einer Geschlechtskrankheit.

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Einige Frauen fühlen sich in Bezug auf ihre Sexualität unter Leistungsdruck oder sehen sich selbst zu kritisch. Auch unzureichende Kenntnisse über das, was beim Geschlechtsverkehr passiert, mangelndes Wissen über den eigenen Körper und falsche Vorstellungen vom Sexualverkehr können sexuelle Funktionsstörungen verursachen.

Partnerschaftsprobleme können ebenfalls zu einer sexuellen Funktionsstörung führen. So kann sich alltäglicher Streit negativ auf die Sexualität auswirken und dazu führen, dass die Frau den Geschlechtsverkehr nicht mehr geniessen kann.

Manche Frauen haben Probleme damit, dem Partner ihre sexuellen Wünsche und Bedürfnisse zu zeigen. Bleiben diese über einen längeren Zeitraum unerfüllt, empfinden sie ihre Sexualität als unbefriedigend. Auch fehlendes Einfühlungsvermögen des Partners kann zur Folge haben, dass nur einer von beiden den Geschlechtsverkehr als befriedigend und genussvoll empfindet.

Besonders Frauen finden sich oft damit ab, mit dem Partner keinen Orgasmus zu erleben.

Arten von sexuellen Funktionsstörungen

  • Störungen der sexuellen Erregung: In der Erregungsphase ist die genitale Reaktion zu schwach oder bleibt aus. Das heisst: Trotz sexueller Reize bildet sich nur wenig oder keine Scheidenflüssigkeit.
  • Störungen durch sexuell bedingte Schmerzen: Trotz Erregung treten vor, bei oder nach dem Geschlechtsverkehr wiederholt genitale Schmerzen auf (Dyspareunie).
  • Störungen in der Orgasmusphase: Orgasmusstörungen beeinflussen den Ablauf oder das subjektive Erleben des Orgasmus. Manche Betroffene erreichen trotz sexueller Erregung nie oder nur selten einen Orgasmus.

Diagnose und Behandlung

Um eine sexuelle Funktionsstörung zu diagnostizieren, erfassen wir zunächst die Symptome und deren Auswirkungen. Anschliessend führen wir ein psychologisches Gespräch, in dem sowohl körperliche als auch seelische Faktoren angesprochen werden. Eine Diagnose gelingt in der Regel nur, wenn sich die Patientin uns offen anvertraut.

Da sexuelle Funktionsstörungen aus den unterschiedlichsten Gründen entstehen können, gibt es keine allgemeine Methode, mit der Sie diesen vorbeugen könnten. Ratsam ist es, bei sexuellen Problemen frühzeitig das Gespräch mit dem Partner zu suchen.

Die Behandlung sexueller Funktionsstörungen ist sehr komplex, da oft viele verschiedene Faktoren zusammenspielen. Oftmals verbessern sich die Probleme im Rahmen einer Paartherapie. Auch beim Vaginismus ist die Prognose günstig.

Der Erfolg hängt jedoch stark davon ab, wie hoch die Motivation ist und wie gut die Partner zusammenarbeiten. Der Austausch mit Gleichbetroffenen kann bei der Bewältigung einer Krankheit eine grosse Unterstützung sein.

Verhütung

93% der Befragten verhüten beim ersten Geschlechtsverkehr, meistens mit einem Kondom. «Es ist erfreulich zu sehen, dass ein so hoher Anteil junger Erwachsener verhütet, auch wenn natürlich eine Rate von 100% wünschenswert wäre», sagt Prof. Brigitte Leeners, Leitende Ärztin der Klinik für Reproduktions-Endokrinologie am UniversitätsSpital Zürich (USZ).

Beim letzten Geschlechtsverkehr waren Kondome (54%) und die Pille (45%) die gebräuchlichsten Verhütungs- und Schutzmethoden. Fast die Hälfte aller Frauen hat bereits die Pille danach genommen. Obwohl Kondome relativ häufig eingesetzt werden, wurde schon bei 10% der Befragten eine sexuell übertragbare Infektion (STI) diagnostiziert.

Insgesamt haben 45% der jungen Menschen einen HIV-Test durchführen lassen.

Sexuelle Gewalt

Frauen gaben häufiger als Männer an, sexuelle Kontakte gehabt zu haben, ohne diese wirklich gewünscht zu haben (53%, gegenüber 23% bei den Männern). Als Erklärung hierfür führten die meisten Befragten an, sie hätten damit eine gute Beziehung zu ihrem Partner aufrechterhalten wollen.

16% der Frauen berichteten, sexuellen Missbrauch oder Vergewaltigung erlebt zu haben, verglichen mit 2,8% der Männer. Eine kleine Minderheit der Befragten (3,7% bei Männern, 2,8% bei Frauen) tauscht sexuelle Gefälligkeiten gegen Geld, Geschenke oder Vergünstigungen aus.

Rund jede fünfte Person empfindet es mindestens eher als Einwilligung zu Sex, wenn das Gegenüber irgendwann früher einmal zugestimmt hat und jede zehnte Person, wenn die Person aktuell zwar schläft, aber sonst immer zustimmt.

Obwohl die Mehrheit in der Schweiz angibt, sich vorbildlich zu verhalten, braucht es nicht mehr als eine Minderheit mit problematischem Zugang zu Beziehungen und Sexualität, um die sexualisierte Gewalt und übergriffiges Verhalten in der Schweiz zu einem gesamtgesellschaftlichen Problem zu machen.

Die grosse Mehrheit der Einwohner*innen der Schweiz gibt an, sich rücksichtsvoll zu verhalten, wenn es um Beziehungen und Sexualität geht. Die Studie macht jedoch immer wieder Meinungen ersichtlich, die auf problematisches Verhalten und Einstellungen hinweisen.

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