Burnout oder Erschöpfung: Unterschiede und Gemeinsamkeiten

Burnout ist ein stressbedingtes psychosomatisches Syndrom und zeigt eine hohe Überlappung mit Depression. Wie äußert sich Burnout und welche Risikofaktoren begünstigen seine Entstehung? Unterscheidet sich Burnout überhaupt von einer Depression? Weist die Depression, die mit Burnout einhergeht, Besonderheiten auf? Entspricht sie einer Erschöpfungsdepression?

Begriffsentwicklung - Erschöpfungsdepression und Burnout

Der Begriff der Erschöpfungsdepression wurde von J. E. Staehelin (1) und P. Kielholz (2) in den 1950er-Jahren geprägt. Staehelin bemerkt in seiner Publikation von 1955 (1), dass die Depressionszustände mit der Hochkonjunktur der 1950er-Jahren zugenommen hätten, im Gegensatz zu den Kriegs- und Nachkriegsjahren.

Vier Kardinalsymptome sind gemäss Staehelin charakteristisch für eine Depression: «Hemmung des Denkens, gedrückte, ängstliche oder apathische Verstimmung, Hemmung der Triebe und des Willens und damit des Handelns».

Er unterscheidet zwischen endogenen und reaktiven Depressionen, eine Sichtwiese, die der heutigen Ansicht gewichen ist, dass Depression durch eine Mischung aus (epi-)genetischer Vulnerabilität und psychosozialen Faktoren bedingt ist.

Nach Staehelin würden reaktive Depressionen besonders nach dem 50. Lebensjahr auftreten und könnten durch neurasthenische, stimmungslabile, ängstlich-sensitive und hysterische Charakterzüge ausgelöst werden, aber auch durch das gehetzte Dasein des modernen Menschen. Viele der Betroffenen würden zu den Perfektionisten, Neurotikern oder zu den übergewissenhaften, sich einseitig für den Beruf opfernden Menschen zählen.

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Bei gewissenhaften, mit Arbeit und Verantwortung überlasteten Menschen könnten häufig Erschöpfungsdepressionen beobachtet werden, die sich durch Ein-und Durchschlafstörungen, Überempfindlichkeit der Sinnesnerven, vegetative Dystonie und eine ängstliche Depression auszeichneten (1).

Der Begriff Burnout wurde von Herbert Freudenberger (3) geprägt. Er beobachtete an sich und seinen Kollegen, mit denen zusammen er zusätzlich zur psychoanalytischen Praxis abends unentgeltlich eine sozialpsychiatrische Ambulanz betrieb, emotionale Veränderungen, Verhaltensauffälligkeiten und körperliche Symptome, die er als Folge eines Ausbrennens auf Grund eines überhöhten Engagements wahrnahm.

Burnout

Seit der ursprünglichen Beschreibung von Burnout durch Herbert Freudenberger haben sich verschiedene Forscher mit dem Phänomen Burnout auseinandergesetzt.

Maslach und Jackson (4) fanden in verschiedenen Berufsgruppen im Gesundheits- und Schulwesen, die sie bezüglich ihrer subjektiven Erfahrung von Belastungen am Arbeitsplatz untersuchten, ein ähnliches Zustandsbild wie Freudenberger, das sie ebenfalls als Burnout bezeichneten. Um dieses Phänomen zu erfassen, entwickelten sie einen Fragebogen, das Maslach Burnoutinventar (5). Dieses beschreibt Burnout in 3 Dimensionen: Emotionale Erschöpfung, Zynismus oder Demotivation und die subjektive Einschätzung, weniger leistungsfähig zu sein.

Das für Untersuchungen in der allgemeinen Bevölkerung angepasste Maslach Burnout Inventar-General Survey (MBI-GSS) (6), wurde in der Folge zum meist verwendeten Fragebogen zur Erfassung von Burnout, obschon das Instrument wegen einiger methodologischen Mängel auch kritisch beurteilt wurde.

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Hobfoll und Shirom (7) sahen Burnout als das Resultat eines allmählichen Verbrauchs der intrinsischen Ressourcen und Energien eines Individuums aufgrund chronischer Stressbelastungen am Arbeitsplatz. Sie beschrieben 3 Dimensionen von Burnout: a) Verlust der körperlichen Energie, was sich in körperlichen Mattigkeit und der Unfähigkeit, sich zu erholen, ausdrückt, b) Verlust der mentalen Energie, was sich als Konzentrations- und Gedächtnisstörungen manifestiert, und c) Verlust der emotionalen Energie, was sich als reduziertes Einfühlungsvermögen und sozialen Rückzug ausdrückt. Die Erschöpfungskomponente betrachteten sie als die wichtigste Manifestation von Burnout. Ihr Fragebogen, die Shirom-Melamed-Burnout Measure (SMBM) wird ebenfalls häufig eingesetzt.

Es gibt eine grosse Anzahl unterschiedlicher Burnoutdefinitionen, verbunden mit entsprechenden Erfassungsinstrumenten, die verschiedene Autoren mit unterschiedlichem Fokus und Methodologie entwickelten.

Burnout, ursprünglich ein arbeitspsychologisches Konzept, wurde vermehrt als ein klinisches Syndrom mit zunehmendem Schweregrad wahrgenommen, das bei schwerer Ausprägung durchaus Krankheitswert hat.

Im Rahmen der Medizinischen Nomenklatur nach ICD-10 (9) wird Burnout unter dem Code Z73.0 «Probleme mit Bezug auf Schwierigkeiten in der Lebensbewältigung» als «Ausgebranntsein (Burnoutsyndrom)» klassifiziert.

Die ICD-11 (Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte, 2022 [10]) führt Burnout mit dem Code QD85 als «qualifizierende Diagnose» unter der Rubrik «Faktoren, die die Gesundheit oder die Inanspruchnahme von Gesundheitsdiensten beeinflusse» und unter «Problematik in Verbindung mit Berufstätigkeit oder Arbeitslosigkeit» auf. Sie definiert Burnout als ein Syndrom, das als Folge von chronischem Stress am Arbeitsplatz, der nicht erfolgreich bewältigt werden konnte, entsteht.

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Zudem betont die ICD-11, dass der Begriff Burnout sich speziell auf Phänomene im beruflichen Kontext bezieht und nicht zur Beschreibung von Erfahrungen in anderen Lebensbereichen herangezogen werden soll. Diese Eingrenzung auf arbeitsbezogenen Stress ist jedoch insofern problematisch, als Stress durchaus auch im privaten Kontext entstehen und sich ebenso schädlich für die Gesundheit erweisen kann.

So wird heutzutage auch über «Eltern-Burnout» (11, 12) publiziert, und ebenfalls bei Schülern wurde Burnout beschrieben (13, 14).

Die Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN) (15) Burnout als einen Risikozustand, der als Folge von chronischem Stress entsteht, bei Weiterbestehen der Stressbelastung zunehmend einen ausgeprägten Schweregrad aufweist und zu psychischen und somatischen Folgestörungen führt. Körperliche Erkrankungen ihrerseits können Stressoren darstellen und die Entstehung eines Burnouts begünstigen.

Burnout ist eine Stressbelastungsstörung, die sich prozesshaft in der Auseinandersetzung mit Stress am Arbeitsplatz (oder auch im persönlichen Umfeld) entwickelt. Es stellt sich als psychosomatisches Syndrom mit unterschiedlicher Ausprägung in Abhängigkeit des Schweregrads und der individuellen Neigung dar.

Prägende Merkmale von Burnout sind eine physische, psychische und kognitive Erschöpfung, gepaart mit vegetativen Symptomen, Motivationsverlust und Leistungsminderung.

Risikofaktoren für Burnout

Als Risikofaktoren für die Entwicklung eines Burnouts wirken sowohl arbeitsbezogene Belastungen als auch individuelle Charakteristika.

Soziale Unterstützung als gesundheitsfördernder Faktor

Soziale Unterstützung, nach Temam (30) ein mehrdimensionales Konzept, umfasst die tatsächlich erhaltene Unterstützung durch andere Menschen oder die Gewissheit, dass diese bei Bedarf verfügbar sind. Soziale Unterstützung kann sich als emotionale, instrumentelle, informative oder finanzielle Unterstützung äussern und aus unterschiedlichen Quellen herrühren. Wie viele Untersuchungen darlegen, ist soziale Unterstützung gesundheitsfördernd (31).

Erschöpfungsdepression

Die starke Überlappung von Burnout und Depression wurde in zahlreichen Studien beschrieben (34-36). In einer Querschnittsuntersuchung einer repräsentativen Bevölkerungsstichprobe in Finnland (37) hatten 7,5% der Probanden, die keine Symptome eines Burnouts aufwiesen, eine Depression. Probanden mit einem milden Burnout litten zu 20,3% an einer Depression, Probanden mit einem schweren Burnout zu 52,9%. Die häufigste Depressionsform war die Majore Depression, gefolgt von milderen Depressionsformen.

Dies legt nahe, dass bei zunehmendem Schweregrad des Burnouts die Überlappung mit einer Depression zunimmt, oder dass Burnout mit zunehmendem Schweregrad zu einer Depression führt. Allerdings ist die Beziehung von Burnout und Depression komplex. So kommen mehrere Studien zum Schluss, dass Burnout zu Depression führt, also ein Risikofaktor für Depression oder eine Vorstufe der Depression darstellt (13, 38-40). Andere Untersuchungen folgern eher, dass Depression die Entwicklung von Burnout begünstigt (41, 42). Es kann sich aber auch um eine bidirektionale Beziehung zwischen Burnout und Depression handeln.

Diese Sichtwiese wird durch vier longitudinale Studien bestätigt (13, 35, 43, 44). So könnte Depression oder eine Vulnerabilität zur Depression die Entstehung von Burnout begünstigen, wie eine Studie von Nyklicek (45) nachweist. Eine solche bidirektionale Beziehung bezeichnen Bianchi et al. (46) als «eine zirkuläre kausale Beziehung».

Bianchi et al. (46) kamen in einer Übersichtsarbeit von 92 Studien zum Schluss, dass Burnout und Depression sehr verwandte Konzepte sind und sich aus verschiedenen Blickwinkeln kaum unterscheiden lassen.

suchung der empirischen Evidenz für eine Unterscheidung von Burnout und Depression zeigten sie auf, dass Burnout in seiner klinischen Form die Symptome einer Depression aufweist. Allerdings fanden sie in einer faktoranalytischen Untersuchung auch Unterschiede zwischen Burnout und Depression. Diese Befunde legen nahe, dass ein schweres Burnout in der Regel prominente depressive Symptome aufweist und sich Burnout und Depression in diesem Stadium nicht mehr unterscheiden.

Es zeigt sich in der klinischen Beobachtung jedoch, dass eine Depression, die mit Burnout einhergeht, zusätzlich zu den typischen Symptomen einer Depression spezifische Merkmale aufweist. Dazu gehören eine starke Reizsensibilität, langdauernde ausgeprägte Erschöpfung, reduzierte Belastbarkeit und prominente kognitive Störungen, die oft die Remission des depressiven Affekts überdauern (47). Residuale Symptome erhöhen das Risiko für Rückfälle (48) und müssen daher besonders beachtet werden. Dieses Zustandsbild entspricht der von Staehelin und Kielholz beschriebenen Erschöpfungsdepression.

aktive Unterstützung des Patienten in der Auseinandersetzung mit dem Energiemangel, der reduzierten Belastbarkeit und der Reizsensibilität beinhalten. Der Patient muss lernen, sich nicht über seine Kräfte zu verausgaben und sich nicht zu starken Reizen auszusetzen. Dazu dient ein tägliches Monitoring von Energie, Anspannung und Stimmung sowie der Aktivitäten, um so das verträgliche Mass an Belastung zu erkennen und danach eine entsprechende Anpassung der Tagesaktivität vorzunehmen (Pacing). Nur so gelingt es, allmählich eine bessere Belastbarkeit aufzubauen.

Die Therapie einer Erschöpfungsdepression sollte sich zudem an den S3-Leitlinien zur Behandlung der unipolaren Depression orientieren (siehe QR-Link) (Stand 29.9.2022). Wie Gensichen et al. Pharmakotherapie der Erschöpfungsdepression Zur Pharmakotherapie der Erschöpfungsdepression eignen sich vornehmlich Antidepressiva mit selektivem Wirkmechanismus und geringem Nebenwirkungspotenzial.

Gemäss den S3-Leitlinien sollte ein Antidepressivum nach dem Sicherheits-und Interaktionsprofil, der Verfügbarkeit der Substanz, der Vorliebe des Patienten, der Erfahrung des Behandlers, allfälliger Komorbidität und Handhabbarkeit gewählt und umsichtig hinsichtlich Wirksamkeit und Nebenwirkungen beobachtet werden. Da Patienten mit einer Erschöpfungsdepression meist sehr sensibel auf Nebenwirkungen sind, ist ein langsames Aufdosieren bis zur wirksamen Dosis ratsam.

Bei Vorliegen ausgeprägter kognitiver Störungen eignen sich besonders dual wirksame Substanzen wie Duloxetin (Cymbalta®) und Venlafaxin (Efexor®) (50) oder Vortioxetin (Brintellix®) (51), da sich diese als wirksamer bezüglich kognitiver Störungen erwiesen haben. Manche Patienten bevorzugen pflanzliche Medikamente wie Johanniskraut. Bei ungenügendem Ansprechen auf eine pflanzliche Substanz senkt diese jedoch oft die Schwelle zur späteren Einnahme eines syntethischen Antidepressivums.

Psychotherapie der Erschöpfungsdepression

Die Evidenz einer Wirksamkeit bei stressbelasteten Personen ist für kognitiv-behaviroale Interventionen am robustesten, wobei auch ein Fitnesstraining eine gewisse Wirksamkeit, vor allem bezüglich physiologischer Parameter, aufweist (52). Generell liegt für kognitive behaviorale Verfahren hinsichtlich einer störungsspezifischen Psychotherapie auch bei Burnout die beste wissenschaftliche Evidenz vor, allerdings sind diesbezügliche Publikationen noch spärlich (53, 54).

wirksam zu erleben. relativieren. ten (57) eingesetzt werden. Flückiger und Wüsten (59) zurückgreifen.

  • Ein schweres Burnout überlappt mit der Depression.
  • Die besonderen Merkmale einer Erschöpfungsdepression sind schwere und langdauernde Erschöpfung, langdauernd reduzierte Belastbarkeit, hohe Reizsensibilität, vegetative Labilität, rasche kognitive Ermüdung, langdauernde kognitive Störungen.

Korrespondenzadresse: Dr. med.

Tabelle: Unterschiede und Gemeinsamkeiten zwischen Burnout und Depression

Merkmal Burnout Depression
Definition (ICD-11) Reaktion auf chronischen Stress am Arbeitsplatz. Psychische Störung mit multifaktorieller Genese.
Fokus Primär arbeitsbezogen. Umfassendere Aspekte des Lebens.
Hauptsymptome Erschöpfung, Zynismus, Ineffektivität am Arbeitsplatz. Anhaltende Traurigkeit, Interessenverlust, Schlafstörungen.
Behandlung Veränderungen in der Arbeitsumgebung, Stressmanagement. Psychotherapie, Medikamente.

Literaturverzeichnis:

  1. Staehelin JE: Über Depressionszustände. Wochenschr. 1955;50:1205-1209.
  2. Schweiz Med Wochenschr. 1957;5:107-110.
  3. Freudenberger HJ: Staff Burn-out. J Social Issues 1974;30:159-165.
  4. Maslach C et al.: The measurement of experienced burnout. of occupational behaviour. 1981;2:99-113.
  5. Maslach C et al.: Maslach Burnout Inventory. book of resources. Zalaquett CP and Wood RJ (Eds.). 3rd edition, 1997, Scarecrow Education. 191-218.
  6. Schaufeli et al.: The Maslach Burnout Inventory - General Survey. In: MBI Manual. Maslach C et al.: (Eds.). (3rd ed.)1996, Consulting Psychologist Press,Palo Alto.
  7. Shirom A: Burnout in work organizations. International review of industrial and organizational psychology. ed. C.L. Cooper and I.T. Robertson. 1989, Wiley: New York. 25/48.
  8. Korczak D et al.: Burn-out: Kann man es messen? Bundesgesundheitsblatt. 2012;55:164-171.
  9. Weltgesundheitsorganisation, Internationale Klassifikation psychischer Störungen, Kapitel V (F), Klinisch-diagnostische Leitlinien, ed. Dilling H et al. 1993, Bern: Hans Huber Verlag
  10. Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte. B. Internationale Klassifikation psychischer Störungen. ICD-11 (deutsche Entwurfsfassung) 2022. html;jsessionid=8F3D339C9CAC512936E554400BF05785. internet271. Letzter Abruf: 17.2.23.
  11. Mikolajczak et al.: Consequences of parental burnout: Its specific effect on child neglect and violence. Child Abuse Negl. 2018;80:134145.
  12. Blanchard MA et al.: A network approach to parental burnout. Child Abuse Negl. 2021;111:104826. .
  13. Salmela-Aro K et al.: Depressive symptoms and school burnout during adolescence: evidence from two cross-lagged longitudinal studies. J Youth Adolesc. 2009;36(10):1316-1327.
  14. Salmela-Aro K et al.: School burnout and engagement in the context of dema...

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