Dem Allgemeinarzt kommt eine ganz besonders hohe Verantwortung bezüglich depressiver Erkrankungen zu, da ihn die Mehrzahl der Patienten aufgrund körperlicher Symptome zuerst kontaktiert.
Depressionen und somatische Erkrankungen
Früher wurde das gleichzeitige Auftreten depressiver Störungen bei körperlichen Erkrankungen oft negiert. Dementsprechend wurden traurige Verstimmung, Antriebsstörungen, Schlafstörungen und andere depressive Syndromanteile überwiegend als Erschöpfungsreaktion durch körperliche Erkrankung und deren Folgen aufgefasst. Später fand man dann dafür den Begriff «reaktive Depression». Heute weiss man, dass es wesentlich vielfältigere Wechselbeziehungen zwischen Depressionen und somatischen Erkrankungen gibt.
Chronische Erkrankungen
So findet man häufig Begleitdepressionen bei chronischen somatischen Erkrankungen wie beispielsweise Diabetes mellitus, Schmerzerkrankungen, speziell aus dem Bereich der Wirbelsäule, Asthma bronchiale, chronischen gastrointestinalen Erkrankungen, Hepatopathien, Niereninsuffizienz oder rheumatischen Erkrankungen. Oft ist es schwierig, solche Begleitdepressionen von protrahierten psychosomatischen Erkrankungen abzugrenzen. Schon seit langem bekannt sind Depressionen bei schweren Anämieformen und Schilddrüsenerkrankungen.
Medikamente
Eine zusätzliche Ursache für Begleitdepressionen ergibt sich aus der Möglichkeit einer direkten depressionsfördernden Wirkkomponente von Medikamenten, die eigentlich gegen somatische Erkrankungen eingesetzt werden. Die Liste derartiger Pharmaka ist sehr lang. Sie reicht von Antibiotika über Antihypertonika, Kortisonpräparate bis zu Vasodilatatoren und Zytostatika. Es empfiehlt sich deshalb, im Nebenwirkungsprofil gezielt nach derartigen Aspekten zu suchen.
Symptome depressiver Begleitstörungen
Weitere zentrale Symptome der depressiven Begleitstörung sind ein mehr oder weniger deutlich wahrnehmbarer Interessenverlust, erhöhte Ermüdbarkeit und Energieverlust, reduzierte Konzentrationsfähigkeit, Denkhemmung, vielfach unbegründete oder übertriebene Schuldgefühle, Schlafstörungen, Verlust von Appetit, Gewicht und Libido. Zum anderen kann auch eine heftige Antriebssteigerung (Agitiertheit) vorliegen. In diesem Fall wirkt der Patient unruhig, kann vielfach nicht ruhig sitzen, läuft herum, zeigt eine übermässig lebhafte Unruhe und Verzweiflung ausdrückende Mimik. Der aufmerksame Beobachter kann vielfach auch Veränderung der Psychomotorik sowie begleitende Antriebsstörungen wahrnehmen.
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Psychosomatische Erkrankungen
Schliesslich gibt es komplexe Störungen im Sinne von Kombinationen zwischen Depressionen und somatischen Störungen aufgrund gemeinsamer Hintergründe und Vulnerabilitätsfaktoren. Beispiele dafür sind selbstentwertende Kognitionen und Verhaltensmuster, die letztlich zur neurohumoralen Erschöpfung mit einer Überlastung des Immunsystems führen und somit sowohl körperliche als auch emotionale Störungen bewirken können. In diesen Bereich sind die zahlreichen Varianten psychosomatischer Erkrankungen einzuordnen, bei denen neben körperlichen Beschwerden und Krankheitsbildern auch erhebliche therapierelevante depressive Symptome vorliegen.
Diagnose und Erfassung
Begleitdepressionen lassen sich oft schwer erfassen. Denn viele Patienten fokussieren bei der Schilderung ihrer Beschwerden auf ihre körperlichen Symptome, da sie sich ihrer psychischen «Schwäche» schämen. Dementsprechend bedarf es in vielen Fällen einer gezielten Nachfrage nach den Kardinalsymptomen depressiver Störungen. Hilfreich für die Erfassung und Verlaufskontrolle depressiver Begleitstörungen können auch Depressionsskalen, zum Beispiel von Hamilton sein. Allerdings sollten die Patienten die Fragebögen nicht allein, sondern von einer erfahrenen Assistentin oder Therapeutin begleitet ausfüllen, um Missverständnisse oder Fehlinterpretationen zu vermeiden. Alternativ dazu kann man auch während der Konsultation einige Schlüsselfragen stellen.
Mit diesen Fragen werden sowohl die Emotionalität, der Antrieb, die Ambivalenz als auch die gestörte vegetative und chronobiologische Steuerung erfasst. Naturgemäss wirkt sich die negativistisch-verunsicherte Haltung der Patienten auch auf die Patienten-Arzt-Beziehung aus.
Schlüsselfragen zur Erfassung depressiver Störungen
- Können Sie sich noch freuen?
 - Haben sich Interessen und Initiativen gegen früher verändert?
 - Haben Sie Schwierigkeiten, rasche Entscheidungen zu treffen?
 - Grübeln Sie viel?
 - Fühlen Sie sich erschöpft, unruhig, unmotiviert, angespannt?
 
Auf Suizidalität achten!
Besondere Aufmerksamkeit sollte man bei jedem Hinweis auf eine begleitende depressive Störung auch auf selbstaggressive suizidale Tendenzen richten. Diese werden von den Patienten vielfach nicht angesprochen, daher muss man gezielt nachfragen. Sollte sich dabei herausstellen, dass der Patient tatsächlich an der Sinnhaftigkeit seiner weiteren Existenz zweifelt, müsste in jedem Fall eine kompetente psychiatrische Diagnostik und schützende stationäre Therapie eingeleitet werden.
Wann überweisen?
Patienten mit massiver oder zunehmend eskalierender depressiver Symptomatik sollten unbedingt und ohne Verzögerung in fachärztliche Betreuung weiterverwiesen werden. Dasselbe gilt bei zusätzlich bestehender manifester Abhängigkeit von Alkohol, Hypnotika oder anderen Suchtmitteln sowie bei einer besonders ungünstigen psychosozialen Lebenssituation, die eine ambulante Stabilisierung vereitelt.
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Pharmakologische Behandlung
In der hausärztlichen Praxis kann eine antidepressive Medikation, speziell mit Serotonin-Wiederaufnahmehemmern, aber auch mit noradrenergen, serotonergen beziehungsweise dopaminergen Kombinationspräparaten durchgeführt werden. Wie in anderen Bereichen mit einem nahezu unüberschaubaren Angebot an unterschiedlichen Präparaten macht es für den Allgemeinarzt am ehesten Sinn, sich von jeder Gruppe mit einigen wenigen gut verträglichen Antidepressiva vertraut zu machen. Besonders zu empfehlen ist hier der direkte Informationsaustausch mit einem regional tätigen psychiatrischen Kollegen.
Es ist wichtig, Patienten über mögliche Nebenwirkungen wie etwa Gewichtszunahme, Mundtrockenheit, Libidominderung und andere mehr, die bei einzelnen Präparaten vorkommen, aufzuklären. Zur Vermeidung von Frustration und verminderter Compliance sollte der Patient auch unbedingt auf die zwei- bis dreiwöchige Wirklatenz der antidepressiven Medikamente hingewiesen werden. In dieser Phase kann gegebenenfalls eine Überbrückung durch moderne atypische Neuroleptika, Hypnotika beziehungsweise auch Tranquilizer zur Verminderung von Spannungen und Schlafstörungen erreicht werden. Ganz besonders ist aber auch auf mögliche Interaktionen antidepressiver Medikamente mit der übrigen, gegen die körperliche Erkrankung gerichteten Medikation zu achten.
Die tote Mutter Depression
Die Arbeit handelt nicht, wie der Titel nahelegen könnte, vom realen Tod der Mutter, sondern von der Erfahrung des Kindes mit einer äusserlich anwesenden, innerlich aber aufgrund einer Depression abwesenden Mutter. Das Kind introjiziert diese mütterliche Imago und spaltet sie gleichzeitig ab. So kann sie weder betrauert noch begraben werden. Als Folge des Besetzungsabzugs entsteht eine Leere, die der Autor als »psychische Löcher« einer »weißen Depression« bezeichnet. The child simultaneously introjects and splits off the mother imago, making mourning and »burial« equally impossible. The consequence of this cathectic deprivation is what the author calls »psychic holes« or »white depression«.
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