Auch die letzten noch intakten Gegenden unseres Planeten drohen im Sog wirtschaftlicher Interessen zu kippen.
Als seine Mutter stirbt, bleiben sieben Kartons in einem Lagerabteil in Wien.
Die falschen Kartons, denn alles, womit man die Schulden seiner Mutter noch hätte begleichen können, wanderte in die Müllverbrennung.
Übrig blieben sieben Kartons mit Dingen, die seine Mutter aussortiert hatte; alte Rechnungen, Steuererklärungen, ungeöffnete Briefe, Müll.
Als er seine Mutter zum letzten Mal in der Wohnung besuchte, bevor sie nach der Zwangsräumung in die Klinik kam, war die Mutter nicht nur aus ihrer Wohnung, sondern auch aus ihrem Leben ausgezogen.
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Einem Leben, das nie zur Ruhe gekommen war, einem Leben mit wenigen Höhen und einer langen Kette von Tiefen.
Schon die Mutter seiner Mutter war wie Wasser, ständig in Bewegung, ständig den Zustand wechselnd.
Bipolar, zwölf Suizidversuche.
Dass er als Junge in ein Internat kam, war eine Befreiung.
Und das Studium in den Staaten ein einzig grosser Versuch, um sich aus den festgeschriebenen Mechanismen einer zum Wahnsinn verurteilten Familie zu befreien.
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Er studiert Psychologie.
Nicht zuletzt darum, um eben jene Mechanismen zu verstehen, seine Angst vor dem Wahnsinn zu zähmen.
Bis er als Arzt zurückkehrt, in der Psychiatrie arbeitet, dort, wie man alle nach Diagnosen sortiert, um sich selber von seiner Angst zu heilen.
Ich leide unter Agateophobie, der Angst, verrückt zu werden.
Was bei der Mutter zu einer Selbstverständlichkeit wurde, war es schon bei der Grossmutter.
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Sie schluckte Pillen mit sedierender, hypnotischer und narkotischer Wirkung wie Bonbons.
Zwölf Mal verkündete sie ihren Glauben, dass es sich nicht lohne zu leben.
Immer wieder verschwand die Grossmutter in der Psychiatrie.
Er studierte, schloss das Studium ab, von dem er überzeugt war, dass es ihn zu nichts qualifizierte.
Er beginnt eine Stelle in der Psychatrie, wird mehr hineingestossen, als dass er die Aufgaben in Angriff genommen hätte - und er liest.
Er liest viel.
Weil das Lesen das einzige ist, das ihn vor dem Verrücktwerden zu schützen scheint.
Lesen, um nicht nachzudenken.
Er schickt sich in den riesigen Apparat einer Klinik, von Abteilung zu Abteilung „weiterbefördert“, immer unsicher darüber, auf welcher Seite er wirklich steht.
Entweder passen wir den Patienten der Therapie an.
Was ist normal?
Wer ist normal?
Warum gibt es so vieles, dass nie dieser Norm entspricht?
Warum fallen jene, die dieser Norm nicht entsprechen durch alle Netze, die sich eine Gesellschaft zum täglichen Überleben eingerichtet hat?
Warum hat unsere Gesellschaft keinen Platz für jene Menschen, die diesen Normen nicht entsprechen?
Es ist auch kein Hadern mit der Geschichte, der Herkunft, der Familie.
Der Roman ist in aller Offenbarung und Ehrlichkeit eine Liebeserklärung, ein liebvoller Erklärungs- und Ordnungsversuch.
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Die alphabetische Literaturliste enthält Publikationen zu Kindswegnahmen und Fremdplatzierung in Heimen oder Anstalten, zu Verding- und Pflegekindern oder Adoptionen.
Weiter werden die Themen Gewalt gegen Kinder, Armutspolitik, Sozialpolitik, Arbeitserziehung, Zwangsarbeit und die administrative Versorgung berücksichtigt.
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