ADHS Erwachsene: Stationäre Behandlung und umfassende Informationen

Lange wurde das ADHS (Aufmerksamkeits-Hyperaktivitätssyndrom) als eine auf das Kindesalter beschränkte Entwicklungsstörung betrachtet. Heute zeigt sich, dass auch Erwachsene unter dieser Erkrankung leiden. Gemäss aktuellen Forschungsergebnissen leiden 3-4 % der Erwachsenen unter einer ADHS. Zwei Drittel aller Erwachsenen, die in ihrer Kindheit an einer ADHS litten, haben auch als Erwachsene Schwierigkeiten, alltägliche Situationen zu meistern.

Was ist ADHS?

Eine Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung, kurz ADHS, ist eine angeborene Funktionsstörung, die bereits im Kindesalter auftritt und bis ins Erwachsenenalter bestehen bleiben kann. Bei ADHS liegt eine hohe genetische Verankerung vor, dementsprechend finden sich auch deutliche neurobiologische Veränderungen bei Patientinnen und Patienten (Neuroanatomie, Neurochemie). Als neurobiologische Ursache geht man bei ADHS von einer Hirnreifungsstörung aus, bei welcher ein Ungleichgewicht von Botenstoffen dazu führt, dass es in spezifischen Teilen des Gehirns zu einer permanenten Reizüberflutung kommt.

Es kann sein, dass nur eine Aufmerksamkeitsstörung (schnell ablenkbar, verfallen in Tagträume, Vergesslichkeit) vorliegt. In solchen Fällen spricht man von einem Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom (ADS). Liegt zudem auch eine Hyperaktivität (ruhelos, ständig «unter Strom», innere Anspannungen) vor, ist ein komplettes Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom (ADHS) vorhanden. Zudem kann eine Impulsivität (Ungeduld, «Dreinreden», voreilige Entscheidungen) bestehen, wie auch starke Emotionen, die durch plötzliche Stimmungsschwankungen und emotionale Überreaktionen gekennzeichnet sind. Ein weiteres Merkmal ist die Desorganisiertheit mit Aufschieben wichtiger Arbeiten, verpassen von Terminen u.

Ursachen von ADHS

In der Entstehung einer ADHS spielen unterschiedliche Faktoren eine Rolle. Dies bestätigt, dass es sich bei der ADHS im Kern um eine genetisch bedingte, neurobiologische Störung handelt. Untersuchungen weisen darauf hin, dass der ADHS eine Hirnreifungsstörung zu Grunde liegt, die zu einer komplexen Beeinträchtigung neurokognitiver Prozesse führt.

  • meist sind mehrere Familienmitglieder betroffen (hohe genetische Komponente)
  • Rauchen, Alkohol- oder Drogenkonsum oder Infektionskrankheiten während der Schwangerschaft, Frühgeburt
  • gestörtes Gleichgewicht der Botenstoffe (Neurotransmitter) Dopamin, Noradrenalin und Serotonin

Symptome von ADHS

Das Vollbild der Erkrankung und somit ein «ADHS typisches Verhalten» resultiert aus langjährigen Erfahrungen der Betroffenen. Von Person zu Person variieren diese Symptome sowohl in der Art als auch in der Ausprägung.

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  • Aufmerksamkeitsstörung: Ablenkbarkeit, Vergesslichkeit, Tagträumen, schnell gelangweilt
  • Motorische Hyperaktivität des Kindesalters weicht einer inneren Unruhe: Nervosität, Entspannungsschwierigkeiten, keine Theater- oder Kinobesuche
  • Affektlabilität: Starke Stimmungsschwankungen, launisch
  • Desorganisation in Verhalten und Aktivitäten: Probleme mit Zeiteinteilung, Aufschieben, Erledigen in letzter Minute, chaotisch
  • Mangelnde Affektkontrolle: Stressintoleranz, Reizbarkeit, Ungeduld
  • Impulsivität: Unüberlegte Handlungen, Dreinreden, Risikosportarten, impulsives Verkehrsverhalten
  • Emotionale Überreaktionen: Geringe Frustrationstoleranz, ängstlich und konfus unter Belastung, Hypersensibilität

Diagnose von ADHS bei Erwachsenen

Wir führen ADHS-Abklärungen für Erwachsene durch. Die Patientinnen und Patienten erhalten eine fundierte Abklärung, aufgrund welcher die Diagnose bestätigt oder ausgeschlossen wird. Die Abklärung beinhaltet ein ärztliches Untersuchungsgespräch mit umfassender Anamneseerhebung und Einholen von Auskünften der Angehörigen sowie eine psychologische Testuntersuchung.

Um die Diagnose ADS oder ADHS stellen zu können, muss eine bestimmte Anzahl von Kriterien der Unaufmerksamkeit und der Hyperaktivität/Impulsivität erfüllt sein. Damit wird deutlich, dass für eine solche Diagnose eine bestimmte Zahl von Symptomen bereits im Kindes- und Jugendalter vorliegen muss. In mindestens zwei Lebensbereichen (z.B. Arbeit, soziale Beziehungen) müssen Funktionsbeeinträchtigungen festgestellt werden können.

Dazu wird eine ausführliche Anamnese mithilfe von standardisierten Fragebögen durchgeführt. Zusätzlich können Angaben von Personen aus dem Umfeld der Betroffenen und eine neuropsychologische Testung dabei helfen, die Diagnose zu stellen.

Wie wird die Diagnose gestellt?

  • Wie viele Symptome sind in welchem Ausmass und über welche Dauer vorhanden?
  • Können die Symptome bis in die Kindheit zurückverfolgt werden?
  • Führen die Symptome zu einer deutlichen Beeinträchtigung in mehreren Lebensbereichen? (Arbeit, Alltag)
  • Sind die Symptome nicht durch eine andere psychische Störung erklärbar?

Spezialsprechstunde AD(H)S im Erwachsenenalter

In der Spezialsprechstunde AD(H)S im Erwachsenenalter der Psychiatrie Baselland finden Betroffene umfassende Diagnostik und Beratung. In unserer Spezialsprechstunde klären wir die Persistenz der Störung im Erwachsenenalter ab.

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Behandlung von ADHS bei Erwachsenen

Es stehen mehrere Therapieoptionen zur Verfügung. Jede Behandlung wird individuell auf die Bedürfnisse der Patientin und des Patienten abgestimmt.

Die empfohlene Behandlung kann aus einer individuell angepassten Medikation, Coaching, systemischer und/oder kognitiver Verhaltenstherapie bestehen. Das Angebot richtet sich nach wissenschaftlich geprüften Erkenntnissen und Methoden der Neuropsychotherapie und Pharmakologie.

Es gibt verschiedene Therapiemöglichkeiten, die einzeln oder kombiniert angewandt werden können. Je nach Schweregrad der Symptomatik und den Einschränkungen im Alltag sowie in verschiedenen Lebensbereichen, muss ein individuelles Therapiekonzept erarbeitet werden.

Therapieoptionen

  • Psychotherapie: In der Psychotherapie lernen Betroffene, die Emotionen zu regulieren, sich zu organisieren (Zeitmanagement), das Selbstwertgefühl zu stabilisieren und mit der Ablenkbarkeit umzugehen.
  • Pharmakotherapie: Bei stark ausgeprägten Symptomen und erheblichen Beeinträchtigungen in mehreren Lebensbereichen, kann eine medikamentöse Behandlung (Pharmakotherapie) hilfreich sein. ADHS wird durch Psychopharmaka, die spezifisch auf die Verbesserung der Konzentration und die Hyperaktivität wirken, behandelt.
  • ADHS-Coaching: Sich auf das Wesentliche konzentrieren, fokussiert und strukturiert Aufgaben bewältigen können - das sind die Ziele von Coaching.

Ziele der Behandlung

  • Symptome reduzieren
  • Lebensqualität erhöhen
  • Selbstwertgefühl verbessern

Ambulante Behandlung

Betroffene werden in erster Linie ambulant behandelt, idealerweise in einem längerfristigen, vertrauensvollen psychiatrisch-psychotherapeutischen Rahmen. Aufgrund der bei AD(H)S Betroffenen häufig vorliegenden psychischen Begleiterkrankungen kann in Einzelfällen eine stationäre Behandlung sinnvoll sein. Die Indikation dafür sollte von einer psychiatrisch-psychotherapeutischen Fachperson in einer eingehenden Abklärung gestellt werden.

Unterstützung und Ressourcen

Die Organisation adhs20+ fördert und unterstützt die Verbreitung von Informationen zum Thema ADHS im Erwachsenenalter. Sie betreibt eine ADHS-Anlaufstelle für Erwachsene und hilft bei der Triage.

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Um dem stark wachsenden Bedürfnis nach qualitativ hochstehenden und umfassenden Informationen gerecht zu werden, produziert adhs20+ laufend didaktisch und fachlich hochstehende und professionell produzierte Lernvideos in jedem der drei Bereiche des 3-SäulenModells: Wissen, Verstehen, Handeln.

ADHS-Ambulanz

Die ADHS-Ambulanz bietet ambulante Abklärung durch eine erfahrene Psychologin oder Psychiaterin bzw. Dabei entwickeln wir gemeinsam ein Verständnis für die Art, wie Sie denken und funktionieren sowie für die Abläufe Ihrer Denkvorgänge.

Die ADHS-Ambulanz eignet sich für Menschen, die:

  • wiederkehrende Schwierigkeiten haben, das Leben zu bewältigen
  • impulsiv sind, mit ungünstigen Auswirkungen, und Ihre Aufmerksamkeit gestört ist
  • damit zusammenhängend unter weiteren psychischen Störungen leiden

Wo kann ich eine ADHS-Ambulanz besuchen?

Wir bieten diese ambulante Abklärung in Heerbrugg, Pfäfers, Rapperswil, Sargans, Uznach und Wil an. Bitte beachten Sie, dass es - ausser in Akutsituationen - zu Wartezeiten kommen kann.

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