Selbstreflexion beschreibt den Prozess, in dem Menschen bewusst über ihre eigenen Gedanken, Emotionen und Verhaltensweisen nachdenken. Dieser Vorgang ermöglicht ein tieferes Verständnis der eigenen Überzeugungen und Entscheidungen. Im Zentrum steht dabei die Selbstwahrnehmung, die die Grundlage für persönliches Wachstum, Selbstbewusstsein und verbesserte Entscheidungsfähigkeit bildet. Insbesondere in der Psychologie wird Selbstreflexion als wertvolles Werkzeug betrachtet, um die eigene Identität besser zu verstehen und das Verhalten langfristig zu optimieren.
Die Bedeutung der Selbstreflexion
Selbstreflexion bringt zahlreiche Vorteile mit sich. Sie fördert die emotionale Intelligenz, das Verständnis für eigene Gefühle und Reaktionen sowie eine klarere Entscheidungsfindung. Menschen, die regelmässig reflektieren, lernen schneller aus ihren Erfahrungen und entwickeln eine höhere Resilienz gegenüber Stress. Beruflich kann Selbstreflexion dabei helfen, Arbeitsprozesse und Kommunikationsmuster zu verbessern, während sie im privaten Bereich zu besseren zwischenmenschlichen Beziehungen beiträgt.
Anwendung im beruflichen Kontext
Betrachtet man die Selbstreflexion im beruflichen Kontext und im Bezug auf die eigene Rolle als Führungskraft, so ist der bewusste Schritt zurück und in die Reflexion ein ganz wichtiger und wertvoller. Die Selbstreflexion ist für Führungskräfte aus verschiedensten Gründen von Bedeutung und sollte als wichtiges Selbstführungsinstrument verstanden werden:
- Die persönliche Weiterentwicklung: Durch Selbstreflexion können Führungskräfte ihr eigenes Verhalten sowie ihre Stärken und Schwächen erkennen und daraufhin ihre persönliche Entwicklung fördern, was letztlich ihre Führungskompetenzen verbessert.
 - Anpassungsfähigkeit: Die Selbstreflexion hilft Führungskräften, sich an veränderte und schnell wechselnde Umstände anzupassen, neue Kompetenzen und Strategien zu entwickeln sowie ein besseres Verständnis für die tatsächlichen Einflussbereiche zu erkennen.
 - Empathie & Authentizität: Selbstreflexion befähigt Führungskräfte, ihre eigenen Werte und Überzeugungen zu klären und im Einklang mit diesen zu handeln. Ebenso ermöglicht Selbstreflexion, sich in die Lage der Teammitglieder zu versetzen, um die Bedürfnisse und Anliegen der Mitarbeitenden besser zu verstehen, indem sie sich in deren Perspektiven versetzen können.
 - Eigenverantwortung & Selbstführung: Selbstreflexion hilft Führungskräften dabei, ihre eigenen Motivations- und Energiequellen zu identifizieren und zu verstehen, um die Leistungsfähigkeit aufrechtzuerhalten. Dabei ist es auch entscheidend, sich über die sogenannten Energiefresser oder Stressoren bewusst zu werden.
 - Kommunikation & Konflikte: Durch Selbstreflexion verbessern Führungskräfte ihre Kommunikationsfähigkeiten, indem sie erkennen, wie ihre Botschaften von anderen wahrgenommen werden und wie sie ihre Nachrichten klarer und effektiver vermitteln können. Gleichzeitig ermöglicht ihnen Selbstreflexion, ihre eigene Rolle in Konflikten zu erkennen und zu verstehen, was ihnen hilft, Konflikte konstruktiv anzugehen und zu lösen.
 
Wie funktioniert Selbstreflexion?
Bei einer wirksamen Reflexion hinterfragt man sich selbst. Man beurteilt das eigene Denken, seine Standpunkte und die Handlungen. Wie ich über mich denke, ist meine subjektive Wahrnehmung. Andere denken anders. Ganz sicher. Gemäss dem Johari-Fenster (Joseph Luft und Harry Ingham) kann man ein Quadrat in vier Quadrate einteilen. Eine Ebene zeigt, was mir bekannt bzw. unbekannt ist. Die andere Ebene zeigt, was anderen über mich bekannt und was ihnen unbekannt ist. Im zweiten Quadrat befindet sich also ein blinder Fleck, den wir bearbeiten können um uns weiterzuentwickeln. Zudem ist es wichtig, die Vielfalt der Rollen, die man inne hat und die damit verbundenen Erwartungen zu kennen.
Praktische Schritte zur Selbstreflexion
- Ich definiere den genauen Zeitraum, den ich reflektieren will (z.B. Ich kläre die Rolle, aus dessen Sichtweise ich reflektiere.
 - Welches sind die prägenden Punkte in dem abgesteckten Zeitraum?
 - Mit welchen Erfahrungen können diese prägenden Punkte verknüpft werden?
 - Jetzt versuche ich aktiv zu erkennen und verstehen, zu was meine Handlungen jeweils führen.
 - Nun definiere ich ein Fazit! Dieses ist auf mein zukünftiges Handeln ausgerichtet. Was ist konkret mein nächster Schritt?
 
Selbstreflexion im Alltag integrieren
Selbstreflexion lässt sich durch kleine, regelmässige Rituale und Gewohnheiten in den Alltag integrieren. Eine einfache Methode ist es, beispielsweise einmal pro Woche eine feste Zeit einzuplanen, um über die vergangenen Ereignisse, Erfolge und Herausforderungen nachzudenken. Darüber hinaus können kurze Pausen während des Tages genutzt werden, um nach stressigen Momenten innezuhalten und die eigene Reaktion zu hinterfragen.
Lesen Sie auch: Die verborgene Bedeutung Ihrer Finger
Beispiele für Sprichwörter zur Selbstreflexion
Sprichwörter funktionieren wie ein Miniaturmuster. Ob positiv oder negativ - gewinnbringend oder hindernd. Machen Sie sich innerlich auf die Suche. Überlegen Sie: Welche Sätze trage ich in mir, die ich in Selbstgesprächen nutze? In welchen Situationen zeigen sie sich und welche Folgen ergeben sich daraus? Hier finden Sie einige Beispiele:
- „Es ist noch kein Meister vom Himmel gefallen.“
 - „Gut Ding will Weile haben.“
 - „Ordnung ist das halbe Leben.“
 - „Probieren geht über Studieren.“
 - „Ohne Fleiss kein Preis“
 - „Was du heute kannst besorgen, das verschiebe nicht auf morgen.“
 - „Zuerst die Arbeit und dann das Vergnügen.“
 - „Der frühe Vogel fängt den Wurm.“
 - „Schuster bleib bei deinen Leisten“
 - „Steter Tropfen höhlt den Stein.“
 - „Wer A sagt, der muss auch B sagen.“
 - „Mitgegangen - mitgehangen.“
 - „Den Morgen nicht vor dem Abend loben.“
 - „Wer keinen Kopf hat, hat Füsse.“
 
Die Rolle der Selbstreflexion in der Teamarbeit
Merten (2019: S. 250f) verweist auf Faktoren, sogenannte Teamverstärker, welche die Leistungsfähigkeit eines Teams beeinflussen. Anhand der skizzierten Teamverstärker soll nun überlegt werden, wie die beteiligten Kooperationspartner*innen Leitung PSA, PSA und PSA in Ausbildung sich als Team weiterentwickeln könnten. Als Ansatzpunkt könnte bspw. der Zusammenhang zwischen dem Engagement der Teammitglieder, dem Klima und der Kommunikations-, Kritik- und Konfliktfähigkeit näher betrachtet werden. Aber auch andere Wirkungsketten, bspw. das Zusammenspiel zwischen Führungsverständnis und -kompetenz, dem Klima und dem Engagement der Teammitglieder, könnte näher betrachtet werden. Die Teamverstärker zeigen zum einen Ansatzpunkte für Veränderung auf, zum anderen verweisen sie auch auf das subtile Wechselspiel, in dem sie miteinander stehen.
Erfolgsfaktoren für gelingende Kooperationen
Merten, Kägi, Zängl halten fest (2019: 31f), dass gelingende Kooperation anforderungsreich ist. Beteiligte müssen über methodische und soziale Kompetenzen und damit in Verbindung stehende Wissens- und Wertebezüge verfügen. Mit Bezug auf eine Untersuchung von Kooperationsmodellen beschreiben sie Erfolgsfaktoren für gelingende Kooperationen:
- Zuständigkeiten, Verantwortungsbereiche und Prozesse müssen gemeinsam vereinbart sein
 - Gegenseitiges Sich-Kennen, Vertrauen wird als entscheidend und insgesamt wichtigster Erfolgsfaktor bezeichnet
 - Vom Einzelfall unabhängige Strukturen für Austausch und Vertrauensbildung (bspw. Sitzungsgefässe)
 - Ausreichend und gesicherte Ressourcen für Kooperation
 - Personenbezogene Faktoren
 
Selbstreflexion und Selbstsabotage
Wir alle tragen Erinnerungen in uns, die unseren Aktionsrahmen heute einschränken. Genau genommen begrenzen uns nicht die Erfahrungen, sondern die Bewertungen, die wir aus der Erfahrung abgeleitet haben. Adler ist der Überzeugung, dass wir selbst durch unser Bewertungssystem Situationen erzeugen, die unsere inneren Überzeugungen bestätigen.
Der innere Entwerter
Betrachten wir einen weiteren wichtigen Punkt der Selbstreflexion. Es handelt sich um eine nonchalante innere Stimme. Sie geht hart mit uns ins Gericht - manchmal laut, manchmal leise, jedoch stets klar und abwertend. Dieser innere Entwerter stammt ebenfalls aus den frühen Lebensjahren. Er schiebt sich meistens in den Vordergrund, wenn wir schon nervös oder erschöpft sind oder von Zweifeln geplagt werden. Seine Worte sind eng mit der eigenen Biographie verwoben und deshalb leicht zu aktivieren. Hier einige Beispiele:
Lesen Sie auch: Homöopathische Anwendung von Cantharis
- “Das schaffe ich eh nie, muss es gar nicht erst angehen.”
 - “Ich habe zwei linke Hände, das kann nicht gut werden.”
 - “Ich kann nicht gut reden, ich sage lieber nichts.”
 - “Andere sind viel beliebter als ich, die wollen mich eh nicht.”
 - “Ich kann mir noch so viel Mühe geben, es reicht nie zu einem guten Resultat!”
 - “Das kann ich nicht, ich mache mich bestimmt nicht lächerlich.”
 
Das Ergebnis ist klar: Wir fühlen uns schlecht, unfähig, ohnmächtig und minderwertig. Der folgende Satz von Viktor Frankl hilft, den Entwerter zu entmachten: “Man muss sich von sich selbst nicht alles gefallen lassen.“
Grenzen der Selbstreflexion
Obwohl Selbstreflexion viele positive Effekte haben kann, gibt es auch Situationen, in denen sie kontraproduktiv sein kann. Besonders problematisch wird es, wenn Reflexion in endlosem Grübeln endet, was zu Selbstzweifeln und einer sogenannten „Paralyse durch Analyse“ führen kann. In solchen Fällen fällt es schwer, Entscheidungen zu treffen, da jede Möglichkeit immer wieder hinterfragt wird. Um dieser Gefahr zu entgehen, sollte Selbstreflexion stets mit einer klaren Zielsetzung verbunden sein und der Fokus auf lösungsorientiertes Denken gelegt werden.
Lesen Sie auch: Maus-Symbolik in der Psychologie
tags: #reflektieren #psychologie #definition